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Falldarstellung
„Du hast aber n Zwischenhupf gemacht. “
Ein Lehrer kündigt an, daß er mit seiner siebten Klasse den Dreisprung üben wolle. Dazu teilt er die Mädchen und Jungen in drei Riegen ein, die „im Strom“ drei Gerätestationen durchlaufen. Eine dieser Stationen ist eine Kastentreppe und besteht aus zwei kleinen Kästen, einem Kasten mit zwei Kastenteilen und
Kastenoberteil und einem Kasten mit vier Teilen. Eine Weichbodenmatte dient als Landefläche. Der Höhenunterschied zwischen den kleinen Kästen und dem mittleren Kasten ist wesentlich geringer als zwischen dem mittleren und letzten Kasten. Die meisten Jungen und die größeren Mädchen bewältigen die Kasten-treppe flüssig, wenn auch einige nicht in der geforderten Beinfolge (rechts- rechts-links oder links-links-rechts mit beidbeiniger Landung). Ein Mädchen stockt im Bewegungsablauf und macht auf dem mittleren Kasten einen Zwischensprung, bevor sie mit Mühe auf den letzten Kasten hinaufkommt. Der Lehrer kommentiert diesen Bewegungsversuch so: „Du hast aber ’n Zwischenhupf gemacht, Rosi! Beim nächsten Mal versuch‘ nur drei Sprünge, ohne Zwischensprung. “
Interpretation
Erste Auslegung
Zugegeben, dies ist kein spektakulärer Fall von Bewegungskorrektur und auch keiner, der den Beteiligten in ihrem Alltag zu einem Problem wird. Wenn man aber das scheinbar Normale eingehender betrachtet, „fällt“ etwas auf – die Situation wird zum Fall. Warum?
Der Lehrer meldet einer Schülerin zurück, daß ihre Bewegung nicht der verlangten Schrittfolge des Dreisprungs entspricht und fordert sie auf, es beim nächsten Mal besser zu machen. Was der Lehrer wahrgenommen hat und dann zu korrigieren versucht, ist allerdings nur eine Teilwirklichkeit. Sicherlich: Rosi hat einen Zwischensprung gemacht. Vermutlich weiß sie es sogar selbst, so daß die Rückmeldung des Lehrers schon deswegen überflüssig ist. Ein weiterer – und in diesem Fall entscheidender – Teil der Wirklichkeit besteht aus den Voraussetzungen und Bedingungen, mit denen Rosi zu kämpfen hat. Wieder scheint die Norm „Korrigiere nicht Symptome, sondern Ursachen“ verletzt worden zu sein.
Rosi konnte gar nicht anders springen, da ihr die Sprungkraft fehlt, um auf den letzten Kasten zu kommen. Daher kommt noch eine weitere Norm ins Spiel: „Korrigiere mit einem realistischen Ziel.“ Selbst wenn die Schülerin sich die größte Mühe gibt, wird sie den Dreisprung an dieser Kastentreppe nicht regelgerecht ausführen können. Das Gerätearrangement ist ohnehin nicht geeignet, den Rhythmus des Dreisprungs zu vermitteln, weil es eher einen Sprung in die Höhe verlangt als einen in die Weite. Wenn dann zusätzlich die Höhendifferenz zwischen den Treppenstufen zu groß für die Lernende ist, dann kann sie kaum anders, als einen „Fehler“ zu begehen. Der Geräteaufbau provoziert einen Fehler, den Rosi auf einer einfachen Mattenbahn höchstwahrscheinlich nicht gemacht hätte. Oder bezogen auf den Lehrer: wenn er nicht mit seiner als Lernhilfe gemeinten Kastentreppe ein Lernhindernis geschaffen hätte, dann wäre überhaupt kein Fehler aufgetreten. Insofern inszeniert der Lehrer förmlich einen Fehler, den er dann in Ausübung seiner Lehrerrolle korrigiert. Ganz ähnlich wie im Fall „Pritschen“[1] kommt der Lehrer nicht zu dem naheliegenden Schluß, daß er seine Aufgabenstellung bzw. sein Übungsarrangement verändern müßte, um eine andere Bewegung zu ermöglichen, sondern vermutet die Fehlerursache offensichtlich nur bei der Schülerin. Entspringt das der Haltung „Fehler machen nur Schüler“?
Lösungsmöglichkeiten[2]
Da der Geräteaufbau gänzlich ungeeignet ist, um das Dreispringen zu vermitteln, müßte dieser ersetzt werden. Anstatt Sprünge in die Höhe zu provozieren, sollte der Rhythmus und die Schrittfolge unterstützt werden, z.B. durch zwei gleichfarbige und eine andersfarbige Markierung. Auch Erkundungsaufgaben als Partnerarbeit zu der Länge der einzelnen Sprünge könnten hilfreich sein, z.B. geleitet durch Fragen wie: „Überprüft zusammen mit eurem Partner, ob eure einzelnen Sprünge etwa gleich lang sind.“ Oder: „Erzielt ihr das beste Ergebnis, wenn ihr den ersten, den zweiten oder den dritten Sprung besonders lang macht?“ Der beobachtende Partner könnte Bodenmarkierungen für die einzelnen Sprünge anbringen, so daß der jeweils übende Partner eine anschauliche Rückmeldung hätte. Sollte die Schrittfolge Schwierigkeiten machen, kann lautes Mitsprechen oder die synchrone Ausführung zusammen mit anderen Lernenden Abhilfe schaffen.
Fußnoten:
[1] siehe dazu den Fall „Bewegungskorrektur im Sportunterricht – Pritschen [1]“
[2] Erweiterte Auslegung zusammen mit dem [.] Fall „Bewegungskorrektur im Sportunterricht – Sprungwurf“
Quelle:
Wolters, P. (1999). Bewegungskorrektur im Sportunterricht. Schorndorf: Hofmann.
Mit freundlicher Genehmigung des Hoffman Verlages.
https://www.hofmann-verlag.de/
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