Falldarstellung mit interpretierenden Abschnitten

Teamarbeit

Die Solidarität der SchülerInnen entwickelte sich in bestimmten Situationen zu einer exzellent koordinierten Teamarbeit. Die folgende Feldnotiz verdeutlicht dieses Phänomen auf anschauliche Weise:

02.12.02
Die Musikarbeit bei Herrn Guppi war eine einzige Teamarbeit. Da bis auf zwei SchülerInnen niemand die Themen beherrschte, wurden die ganze Stunde über Lösungen zugeflüstert, voneinander abgeschrieben etc. Kaum einer bzw. eine der SchülerInnen hatten sich auf die Klausur vorbereitet bzw. gelernt, alle waren der Meinung, das „bringt eh nichts“. Am Ende der Stunde vergaß Herr Guppi Derias Arbeitsblatt einzusammeln. In der folgenden kleinen Pause, erledigte Beatrice, eine der beiden SchülerInnen, die das Themengebiet verstand und bearbeiten konnte, Derias Klausur auf der Mädchentoilette. Da die Klasse anschließend bei Herrn Guppi BK hatte, bat Seda Herrn Guppi um eine Kopie als Vorlage für ihre Zeichnung. Dieser verließ also das Zimmer, um eine Kopie für Seda zu besorgen. In dieser Zeit öffneten die SchülerInnen Herrn Guppis Aktentasche, die auf dem Lehrerpult lag, fanden dort die gerade geschriebenen Musikklausuren und legten Derias Arbeitsblatt, das von Beatrice gelöst worden war, oben auf den Stapel.

Die SchülerInnen gehen einer Klausur entgegen, ohne dafür gelernt zu haben, in dem Vertrauen darauf, dass sie zusammen schon irgendetwas zustande bringen werden. Tatsächlich helfen sie sich dann während der Klausur gegenseitig durch Vorsagen, Abschreiben, Spickzettel etc. Im Fall von Deria gehen sie sogar so weit, Herrn Guppi bewusst zu täuschen. Seda bittet ihn um eine Kopie, die sie gar nicht benötigt, nur um Herrn Guppi aus dem Klassenzimmer zu bekommen, damit Derias Arbeitsblatt zu den anderen gelegt werden kann. Obwohl Beatrice eine sehr gewissenhafte und fleißige Schülerin ist, der gute Noten viel bedeuten, riskiert sie ihre Benotung im Fach Musik, indem sie Derias Klausur in der Pause auf der Mädchentoilette löst. Alle SchülerInnen riskieren ohne Zögern ihr eigenes Wohl zum Wohl der anderen. Sie helfen sich gegenseitig so gut es ihnen eben möglich ist.

28.03.03
In der 8ten Klasse ermahnte Herr Hofstätter einen Schüler, der nicht aufmerksam war: „Hier vorne spielt die Musik. Also beantworte die Frage.“ Der Schüler, der die Frage nicht mitbekommen hatte, bekam die richtige Antwort von seinem Sitznachbarn vorgesagt. Als er Herrn Hofstätter die vorgesagte Lösung laut präsentierte, war dieser zufrieden. Er bemerkte den kleinen Schwindel nicht. Die SchülerInnen freuten sich.

Diese Feldnotiz verdeutlicht, dass Teamarbeit auch in kleinem Maßstab stattfinden kann. Sie ist sozusagen ein Produkt von Solidarität gegenüber den LehrerInnen. Wo Teamarbeit vom Lehrer bzw. der Lehrerin gefordert wird, tun sich die SchülerInnen vielfach schwer. Die Solidarität gegenüber dem gemeinsamen Gegenüber bewirkt den Zusammenschluss von ganz alleine – aber heimlich und so alltäglich wie der Pausengong.

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