Falldarstellung mit interpretierenden Abschnitten
Produktivität vor Interesse
30.09.02 vierte Stunde, neue Aula
I: Findest Du das interessant, was ihr lernt, oder ist das mehr so ne Pflichtveranstaltung?
Torben: Eher net. Eher es zweite – Pflichtveranstaltung also. Es gibt manchmol interessante Tage und manchmol auch is´ gar nichts interessantes dabei. Also ich, ähm, Versuche in Chemie sinn manchmol ganz lustig, wie des wo´s so gestunke hat und so, odder daß´s Explosione gibt und so, abber meischtens langweilig.
Torben findet die Lernthemen „meischtens langweilig“ und das Ganze eine „Pflichtveranstaltung“. Zwar gibt es „manchmol interessante Tage“, aber die Langeweile überwiegt: an manchen Tagen „is´ gar nichts interessantes dabei“. Ein Interesse bzw. eine Motivation zu lernen ist bei Torben nicht zu erkennen. Vielmehr ist der Unterricht und die darin behandelten Themen eine Pflichtveranstaltung, der er sich nicht entziehen kann. SchülerInnen müssen in die Schule, müssen am Unterricht teilnehmen, müssen zuhören, mitschreiben, Aufgaben bearbeiten, unabhängig von ihren persönlichen Interessen, Neigungen und Begabungen. Für alle SchülerInnen einer Klasse ist der Stundenplan, die Fächer, die Lerninhalte, das von den LehrerInnen vorgegebene Lerntempo etc. gleich konzipiert. Der Prozess der Wissensproduktion wird sicherlich um einiges effektiver, wenn sich die Lerninhalte an den existierenden Interessen der SchülerInnen orientieren könnten, anstatt einem mechanischen „fabrikmäßigen“ und gleichsam „fließbandmäßigen“ Ablauf zu folgen.
30.09.02 vierte Stunde, neue Aula
I: Hast Du das Gefühl, daß ihr auf irgendwas in der Zukunft vorbereitet werdet? Also was für´n Beruf Euch interessiert?
Torben: Ob mir in de´ Schule d´rauf vorbereitet werde?
I: Ja. Das des irgendwie berücksichtigt wird, weil…
Torben: Nee.
Die Vehemenz mit der Torben mir ins Wort fällt und die Verneinung der Frage, ob SchülerInnen in der Schule auf ihre berufliche Zukunft vorbereitet werden, verdeutlicht, wie abgetrennt Torben die Lebenswelt Schule von seiner sonstigen Lebenswelt sieht. Einen Sinnbezug zu seinem späteren Berufsleben erlebt er aus seiner subjektiven Sicht nicht. Auch wenn unterstellt werden kann, dass dieser Sinnbezug tatsächlich existiert, so bedeutet doch die Tatsache, dass er nicht gefühlt wird, nichts Gutes für seine Lernmotivation. Torben kann das, was er da lernen soll nicht in einen Bezug setzen zu der für ihn relevanten Lebenswelt. Auf das Abitur ausgerichtet, kann aus seiner Sicht von „Lernen für´s Leben“ oder „Menschenbildung“ nicht die Rede sein.
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