Autor/in: Wagner-Willi, Monika

In der von uns untersuchten Grundschule ist es Praxis, vor Beginn der Hofpause im Klassenraum am Sitzplatz das Frühstück einzunehmen. Wenn die Kinder von der Hofpause wieder zum Klassenterritorium zurückkehren, dann führen viele von ihnen, wie erwähnt, unterschiedliche Dinge mit sich, darunter, das konnten wir beobachten, häufig Naschzeug. Dieses kann mitunter Aufhänger sein für Interaktionsprozesse, an denen – wie im folgenden – eine Reihe von Schülern beteiligt sind.
Ein besonders interessantes kleidungsbezogenes Ritual ist der Umgang der Kinder mit ihren Kopfbedeckungen (Kappen bzw. Wollmützen). Die Zahl der Kappen- bzw. Mützenträger in den untersuchten Klassen ist klein. Wer allerdings eine solche Kopfbedeckung trägt, geht mit ihr in so auffälliger und vielfach weihevoller Weise um, daß von einem Ritual im engeren Sinne gesprochen werden kann. Auf performative Weise, nicht zuletzt in dem wechselseitigen mimetischen Aufgreifen der mützenbezogenen Umgangsweisen verschiedener Kinder trägt dieses Ritual nicht nur zur individuellen Identität, sondern
Zugleich im Türrahmen erscheinend betreten Wladimir und Canel den Raum. Beim Eintreten ziehen beide ihren Anorak ca. 20cm von den Schultern herunter, so daß sich die Ärmel aufbauschen. Während Canel den Anorak im Weitergehen ganz auszieht, geht Wladimir mit halb herabgezogenem Anorak weiter durch den Raum in Richtung Tafel bis zum OH-Projektor, kehrt dort um, geht zurück zum tischfreien Platz in der Mitte des Raumes, dreht sich dort um sich selbst, ringt kurz offenbar im Spaß mit dem ihn
10h23: Ömer und die hinter ihm hereingekommenen größeren Mädchen Ayla, Hatice und Medine bleiben in Türnähe … 10h26: Ayla, Medine und Hatice kommen wieder herein. Herr Maier kommt herein. … Ayla und Hatice ziehen ihre Jacken aus, gehen in Richtung Garderobe und verlassen dabei das Kamerablickfeld. Ayla kommt ohne die Jacke von dort wieder ins Bild und geht zu ihrem Platz …
Die Tür wird geöffnet. Jeannette, Uzman, Martina, Ulak, Sabah, Jana, Stefan, Andy und David gehen in Richtung Garderobe. Einige Kinder beginnen im Gehen bereits, ihre Jacken auszuziehen. Jeanette kommt rasch ohne Jacke von der Garderobe zurück und geht zu ihrem Platz. Uzman geht mit der Jacke im Arm zur Garderobe. David geht, mit einer Jacke bekleidet, zum Regal, das die linke von der rechten Garderobe trennt, und beginnt, seine Jacke und seinen Schal auszuziehen. Uzman kommt ohne Jacke von
Während oben die provokative Infragestellung der territorialen Zuordnung des Sitzplatzes in der Auseinandersetzung zweier Schüler eine Rolle spielte, zeigt das nächste Beispiel eine Aushandlung zwischen Schülerin und Lehrerin hinsichtlich des Geltungsbereichs der Regel der Sitzordnung.
Beim rituellen Übergang zum Unterricht ist die personenspezifische Einnahme der Sitzplätze von besonderer Bedeutung. Diesen Handlungsschritt des institutionellen Ablaufschemas zu unterlaufen, wirft, wie folgendes Beispiel aus der Klasse 5x zeigt, entsprechend Konflikte auf. Der Ausschnitt setzt ein zu einem Zeitpunkt, als bereits alle Schüler im Klassenraum sowie der Lehrer (im Tafelbereich) anwesend sind.
Carlos zieht Andy, den er an der Kleidung gepackt hat, vom Flur in den Klassenraum bis in den Bereich zwischen Tafel und Ninas Tisch, schleudert ihn dort zu Boden, kniet auf ihm und schaut hoch. Die danebensitzende Nina wendet ihren Kopf zu ihm. Carlos schaut sie an, steht auf, hält Andy dabei mit beiden Händen am Kragen fest und zieht ihn so mit hoch. Zeitgleich steht Nina auf und geht auf die andere Seite des Tisches. Carlos dreht sich beim
Lassen wir nun den Tisch als Unterrichtsfläche hinter uns und widmen uns dem Tisch als Requisit klasseninterner Beziehungen, so sind hier zumindest drei unterschiedliche Aspekte erkennbar. Die Tische werden von den Schülern im Übergang von der Pause zum Unterricht zum einen als Treffpunkt, etwa im Sinne eines Kaffeehaustisches oder eines Tresens, zum anderen als Bühne eingesetzt, wobei in letztgenannter Variante zugleich mit dem Tisch als Besitzterritorium gespielt wird. Diese Varianten werden im folgenden an je zwei Szenen exemplarisch vorgestellt
Daß der Schülertisch im Unterricht als, je nach Unterrichtsfach und Lehrervorgabe spezifische, Arbeitsfläche dient, ist bekannt und muß hier nicht ausführlich aufgezeigt werden. Uns interessiert, inwiefern und wie ritualisierte Aktionen und Interaktionen im Übergang von Pause zu Unterricht den Tisch einbeziehen.