Falldarstellung mit interpretierenden Abschnitten

Herr Hofstätter hatte als Klassenlehrer eine Sonderstellung und diverse mit diesem Status verbundene Aufgaben zu erfüllen: er musste für die SchülerInnen seiner Klasse einstehen, gegebenenfalls die Eltern miteinbeziehen und gleichermaßen die Interessen der FachlehrerInnen berücksichtigen. Man kann sagen, seine Aufgabe war die eines Vermittlers und er erledigte diese Aufgabe gut, was daran zu erkennen ist, dass er von SchülerInnen und LehrerInnen gleichermaßen geschätzt wurde. Während er beispielsweise zum Schuljahresanfang Herrn Dr. Behringer volle Unterstützung in Bezug auf dessen Klassenbucheinträge zusagte (s.o.), überprüfte er im Dezember – nachdem sich die Einträge und diesbezüglichen Proteste der SchülerInnen häuften – ihre Richtigkeit, wie folgender Ausschnitt aus meinen Feldnotizen zeigt:

06.12.02
Als Herr Hofstätter die 9b in der nächsten Stunde auf die diversen Klassenbucheinträge von Herrn Dr. Behringer bezüglich des Störens zweier Jungen ansprach, setzten sich die anderen SchülerInnen für die beiden Jungen ein. Die gesamte Klasse war der Meinung, daß die Einträge unfair waren. Daraufhin versprach Herr Hofstätter mit Herrn Dr. Behringer über die Sache zu sprechen.

An dieser Stelle drängt sich wieder die Frage auf, weshalb SchülerInnen bei Schwierigkeiten mit Lehrern wie Herrn Dr. Behringer, Lehrer wie Herrn Hofstätter um Hilfe bitten? Die Antwort ist einfach: Aufgrund des bestehenden Machtgefälles zwischen LehrerInnen und SchülerInnen suchen sie nach verbündeten LehrerInnen, die ihre übergeordnete Stellung und Macht nicht missbrauchen, sondern im Interesse der Gerechtigkeit auch den Problemen der SchülerInnen Gehör schenken. Dass Herr Hofstätter zu dieser Sorte von LehrerInnen zählt, zeigt seine Reaktion auf die Darstellung der SchülerInnen und sein Versprechen mit Herrn Dr. Behringer zu reden. Weil er den Worten der SchülerInnen Glauben schenkt, vertrauen sie ihm. Oder wie Vivienne im Interview sagte: „ Ich glaab des is än gute Klasselehrer, also ich denk´ mol er steht hinner der Klass´, falls irgendwie Probleme odder so, ähm, uff die Klasse zukumme.“1

Fußnote:

(1) Vivienne im Interview am 23.09.02

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