Zu diesem Fall sind alternative bzw. kontroverse Interpretationen vorhanden:
- Krummheuer/Brandt: Wayne hilft Efrem (2)
- Komparation der Fälle ‚Wayne hilft Efrem (1/2)‘ und ‚Die Lehrerin hilft Efrem (1/2)‘
Fälle aus demselben Erhebungskontext:
Falldarstellung
In den ausgewählten Szenen wird jeweils der Arbeitsbogen „Zahlen 11 bis 20“ bearbeitet (siehe Abbildung). Zum leichteren Textverständnis werden die dort abgebildeten Kreise in den Analysen als „Darstellungsebene der Kreise“, „Kreisdarstellung“ oder kurz „Kreisebene“ bezeichnet. Die Lösungskästchen der Aufgaben werden einzeln mit „oben“ bzw. (unten) „links“ und (unten) „rechts“ angesprochen, wobei entsprechend der Aufgabenstellung die rechten Kästchen Einerkästchen bzw. Einerspalte genannt werden. Alle drei Kästchen einer Aufgabe werden sprachlich als „Block“ zusammengefasst („Blockdarstellung“, „Blockebene“).
Es werden Paarinteraktionen diskutiert, bei denen jeweils ein Helfender zu Efrem an den Tisch kommt. Zunächst erhält Efrem Hilfe von Wayne für den oberen Teil des Arbeitsblattes [Fälle Wayne hilft Efrem (1) und (2)], danach wendet sich Efrem an die Lehrerin, die zwei Aufgaben des zweiten Teiles mit ihm bearbeitet [Fälle Die Lehrerin hilft Efrem (1) und (2)].
Wayne wird von der Lehrerin mit dem Auftrag, den Kindern zu zeigen, wie man das macht . ja / wie man das rauskriegt was man reinschreiben muss <402-403>als Helfer ausgeschickt. Damit scheint sie alleiniges Abschreiben bzw. Vorsagen als Hilfe auszuschließen. Wayne nimmt seinen Arbeitsbogen und wendet sich zuerst Efrem zu:
429-431 | Wayne | kommt mit seinem Aufgabenblatt und stellt sich neben Efrem, der sich über sein Erscheinen freut hier sind doch zehn zeigt auf die Kästchen auf Efrems Blatt und hier eins . da musst du doch /. kuck doch (unverständlich) |
432 | Efrem | ja eine Eins ja |
433 | Wayne | ja + da müsste ne Eins (jetzt rein) (unverständlich) |
434-434.1 | Efrem | und jetzt zeigt immer die gelben Kreisreihen von links nach rechts entlang zwei, drei, vier, fünf |
435 | Wayne | zeigt auf die Kästchen guck jetzt / |
436 | <Efrem | sechs, sieben, acht |
437 | < Wayne | (unverständlich) |
438 | Efrem | neun, zehn . bis hier sollen wir (eins) hinschreiben + stimmts / |
439-439.1 | Wayne | zeigt auf das Kästchen guck mal und hier musst du jetzt erst mal hier ne Eins machen |
440 | Efrem | holt einen Stift aus der Mappe, schreibt eins / |
441 | Wayne | zeigt auf das Kästchen hier musst du jetzt ganz oben eine Zwölf machen / |
442 | Efrem | du meinst wieder s (unverständlich) |
443- 444 | Wayne | nein ne Zwölf .. gut / zeigt auf die Kästchen und dann hier / . schaut auf das Ergebnis auf seinem eigenen Arbeitsbogen |
445 | Efrem | eine Zehn / schreibt es hin |
446 | Wayne | schaut nochmal kurz auf sein Blatt jaha / zehn .. und dann musst du – |
447 | < Wayne | (unverständlich) wendet sich zu Carola (unverständlich)+ |
447.1 | < Carola | wendet den Kopf zu Wayne (unverständlich) |
448 | Efrem | und eine Zwei / |
450 | < Wayne | nickt mit dem Kopf mmh / kannst du das jetzt / |
451 | < Efrem | schreibt ä m |
452- 453 | Wayne | kuck mal hier ist doch die Kästchen zeigend zwölf dreizehn vier zehn fünfzehn sechzehn siebzehn + und hier / in diese Kästchen immer zehnsf (unverständlich) |
453 | < Efrem | und diese Kästchen immer auch drei vier fünf sechs |
455 | < Wayne | ja ja klopft mit seinem Stift auf den Tisch so |
456 | Efrem arbeitet alleine weiter. | |
Interpretation
Schon zu Beginn verweist Wayne vermutlich mit hier <430> auf die erste Stelle, an der etwas auszufüllen ist. Im Folgenden konzentriert er sich mit hoher Wahrscheinlichkeit auf die Zahlen, die in die Kästchen einzutragen sind. Dabei geht er zunächst zeilenweise vor, ohne den Zerlegungscharakter der Aufgaben anzudeuten <430-451>. Später schwenkt er auf die vertikale Systematik über, die Efrem durch das Abzählen der gelben Kreise <434-438> eingebracht hat. Die von Efrem dabei hervorgebrachte Verbindung zwischen der Kreis- und der Blockdarstellung greift er jedoch nicht auf. Wayne erklärt die Systematik des Arbeitsbogen allein anhand der Blockdarstellung, lässt Efrem Raum für ergänzende Antworten <445,448,454> und zieht sich aus der Helferposition zurück, nachdem er sich vom „Erfolg“ seiner Hilfe überzeugt hat <450;455>.
Efrem greift eine Aussage von Wayne auf und versucht, daraus eine Verbindung zwischen der Kreisdarstellung und der Blockdarstellung abzuleiten. Dies entspricht seinem Vorgehen in der von uns ebenfalls analysierten Einzelarbeit zum Arbeitsbogen (Brandt & Krummheuer 1998, S. 46ff). Dieser Ansatz setzt sich in der Interaktion mit Wayne nicht durch. Efrem bezieht sich zum Schluss nur auf die Blockdarstellung, bringt dabei aber seine vertikale Betrachtungsweise aus <434-438> ein.
Somit ist hier eine Konvergenz der Bearbeitungsweisen zu verzeichnen: Die Überlegungen zum Arbeitsbogen werden auf die Blockdarstellung reduziert (Wayne), in der noch was zu machen ist. Diese wird jedoch vertikal (Efrem) betrachtet. Der sich daraus ergebende Bearbeitungsprozess entspricht einer sehr schematischen Ausfüllstrategie, bei der die Zerlegung der Zahl im oberen Kästchen in die beiden Zahlen der unteren völlig unbeachtet bleibt. Dies erinnert an die pragmatische Vorgehensweise, wie sie von Goos, Galbraith et al. 1996 als explaining-to-teach in peer-groups beschrieben wird. Der erklärende Schüler ist in dieser Interaktionsform eher daran interessiert, sein Wissen zu präsentieren bzw. einen Bearbeitungsweg darzulegen und weniger, seine Ausführungen am Verstehensprozess des anderen zu orientieren. Allerdings scheint diese Interaktionsform von Wayne nicht „strategisch“ angestrebt worden zu sein, um der Situation zu entkommen. Vielmehr scheint die Vorgehensweise durch Konvergenz der zunächst verschiedenen Herangehensweisen gemeinsam hervorgebracht worden zu sein.
Transkriptionszeichen
Name: namentlich identifizierter Schüler
S; S1; S2: namentlich nicht identifizierte Schüler
Ss: mehrere Schüler
L: Lehrerin
/ bzw. \ : Stimme wird gehoben bzw. gesenkt
– Stimme bleibt in der Schwebe
. .. … Sprechpausen (mehr Punkte entsprechen längeren Pausen; Transkript enthält in den Sprechpassagen keine Satzzeichen.)
<: sprechen teilweise gleichzeitig
g e s p e r r t: gedehnt/langsam gesprochen
kursiv : Ausdruck, Gestik, Mimik, Handlungen etc.
fett : betont gesprochene Wörter
+: Ende des angegebenen Ausdrucks, Gestik, Mimik, Handlung, Atemholen
(Wort): eingeklammerte Wörter sind nicht zweifelsfrei verständlich
(unverständlich): gänzlich unverständliche Äußerung des fokussierten Schülers
Literatur
Brandt, B./Krummheuer, G. (1998): Zwischenbericht zum DFG-Projekt: Rekonstruktion von „Formaten kollektiven Argumentierens“ im Mathematikunterricht der Grundschule. Freie Universität Berlin, Fachbereich Erziehungswissenschaft, Psychologie und Sportwissenschaft. S. 46ff
Goos, M./Galbraith, P. u.a.( 1996): When does student talk become collaborative mathematical discussion. Technologhy in Mathematics Education: Ninteenth Annual Conference of the Mathematics Education Research Group of Australia, Melbourne, MERGA.
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