Falldarstellung mit interpretierenden Abschnitten
Torsten besucht die 12. Klasse eines kleinstädtischen Gymnasiums im ländlich-strukturschwachen Raum eines neuen Bundeslandes und ist 1987 geboren, d.h. zum Interviewzeitpunkt 18 Jahre alt. Als Lieblingsfächer nennt er Geographie, Sport und Geschichte, besonders unbeliebt sind Englisch und Mathematik. Torstens Vater ist ein so genannter „Wiedereinrichter“, d.h. er bewirtschaftet als Privatunternehmer auf reprivatisierten Flächen einen Bauernhof. Torstens Mutter arbeitet ebenfalls im Betrieb. Torsten hilft regelmäßig aus und möchte den elterlichen Betrieb später übernehmen.
Die Darstellung des fremdsprachlichen Bildungsgangs von Torsten erfolgt in drei Schritten: Nach einer strukturellen Beschreibung seiner Eingangserzählung (1) werte ich das Interviewtranskript kategoriengeleitet aus (2). Anschließend werden die zentralen Merkmale des Bildungsganges zusammenfassend herausgearbeitet (3).
1. Die Eingangserzählung von Torsten
Die Lerngeschichte, die Torsten erzählt, ist trotz der Bitte um Ausführlichkeit kurz und am schulinstitutionellen Ablaufmuster (vgl. Schütze 1984, 89) orientiert; die generierten Texte sind von ihrer Form her überwiegend beschreibend. Da die Atmosphäre entspannt ist und Torsten im Interview zu einem anderen Thema gesprächiger wird, könnte dies ein erster wichtiger (formaler) Hinweis auf die Relevanz des Themas für Torsten sein: Wahrscheinlich bezieht sich Fremdsprachenlernen nicht auf einen für ihn bedeutsamen oder leicht erzählbaren Aspekt der Lebensführung; möglicherweise kommt deshalb ein längerer Erzählfluss nicht in Gang.
Auffällig ist Torstens starker Dialekt; er verschleift Wortendungen, verkürzt Wörter und artikuliert insgesamt wenig sorgfältig. Immer wieder gibt es lange Pausen, fehlen ihm die Worte, lacht er verlegen, stößt verzweifelt Luft aus: „pff hm“, und ringt sich dann zu einer Äußerung durch. Es scheint mir, dass Torsten seine Haltung zu Fremdsprachen zum ersten Mal artikuliert.
Der Eingangsimpuls lenkt das interview zunächst ganz unspezifisch auf vergangene Ereignisse der Lebensgeschichte, nimmt dann aber im zweiten Satz eine starke thematische Fokussierung auf Fremdsprachen vor.
I: okay – ähm ich würde ich zuerst mal bitten dich in deiner Biographie ein Stück weit na zurück zu erinnern so weit wie du kannst und ähm möchte dich gern fragen wie ist es dir in deinem Leben so mit dem Fremdsprachenlernen eigentlich ergangen. versuch mal ganz früh anzufangen und so ausführlich äh wie möglich dich daran zurück zu erinnern.
T: na ich habe angefangen in der Grundschule. da hatt mer 5. 6. Klasse äh Begegnungsunterricht Englisch hieß das also da haben wir schon sag ich mal das erste – Handwerkszeug gelernt. dann bin ich ab der 7. Klasse aufs Gymnasium und dort hatten wir dann sag ich mal richtigen Englischunterricht. und Englisch habe ich immer weiter gemacht. ich hatte dann mal von der – 9. nee von der 8. bis zur – – 10. Klasse Französisch aber damit bin ich nicht so richtig zurecht gekommen (lacht) und da habe ich das dann abgewählt und habe die elfte Klasse Russisch – gemacht und habe jetzt auch Russisch wieder abgewählt und habe nur noch Englisch. also Englisch hab_ muss ich auch weitermachen wegen der Wahl von den Kursen damit ich meine Stunden da fertig (unverständlich). ja – – vorher – – ah vorher ganz am Anfang von der Grundschule ich denke mal 4. wars vierte Klasse? da ham wir dann schon mal n paar englische Lieder gesungen und so janz janz wenig ehmd aber dann 5. 6. war’s schon wie wie Englischunterricht aber ehmd noch auf einem janz niedrigen Niveau also ohne irgendwelche grammatikalischen Sachen oder so was. es war halt ganz einfach – nur dass man das bisschen sprechen lernt – – so. (I: hm) ja (5) ja das war’s eigentlich. (T, 1-26)
Torsten antwortet auf die Eingangsfrage mit einer übersichtsartigen Darstellung seiner schulischen Erfahrungen mit mehreren Fremdsprachen. Der ratifizierende Ausdruck „na“ leitet seine Äußerung ein; beendet wird sie durch eine Pause und die abschließende Formulierung: „ja das war’s eigentlich“, dazwischen gibt es eine Reihe von isolierten Erzählsätzen. Vor oder außerschulische Begegnungen mit fremden Sprachen werden nicht erwähnt.
Für seine erste Fremdsprache, Englisch, unterteilt Torsten sein Lernen in drei Abschnitte. Da ist zunächst die 4. Klasse der Grundschule, wo „schon mal n paar englische Lieder gesungen“ wurden. Die erste Begegnung mit einer fremden Sprache hat seiner Erinnerung nach also in der 4. Klasse stattgefunden, wobei das Lernen spielerisch und langsam erfolgte. In der 5. und 6. Klasse der Grundschule entsprach der Englischunterricht schon einigermaßen den von Torsten dafür zugrunde gelegten Standards des Schulehaltens. Torsten nennt dies Begegnungsunterricht und spricht von dem Erlernen des „ersten Handwerkszeug(s)“, um die Funktion dieser zweiten Phase zu beschreiben. Erst mit dem Übergang auf das Gymnasium in Klasse 7(1) begann der richtige Englischunterricht, der bis heute andauert, von Torsten aber hier nicht weiter ausdifferenziert wird. Zwei weitere Sprachen neben dem Englischen – Französisch und Russisch – werden anschließend angeführt, die beide nach zwei bzw. einem Jahr von Torsten wieder abgewählt wurden. Er deutet an, dass er in einem konflikthaften Verhältnis zum Unterrichtsfach Französisch, seiner zweiten Fremdsprache, stand, ohne dies näher auszuführen. Er hat Französisch Ende der 10. Klasse abgewählt und eine weitere Fremdsprache begonnen. Es ist aus der Kenntnis der Strukturen der gymnasialen Oberstufe heraus anzunehmen, dass seine Neuwahl von Russisch mit den Einbringungsverpflichtungen während der Einführungsphase in Zusammenhang steht, dass er diese neue Fremdsprache dann in der Qualifikationsphase abwählen kann und dies auch tut. Die Fortführung von Englisch in der Oberstufe wird mit dem Verweis auf die Pflichteinbringung im Abitur begründet: „Muss ich auch weitermachen wegen der Wahl von den Kursen“. Damit signalisiert Torsten, dass das Englischlernen von ihm nur unfreiwillig fortgesetzt wird. Der Interviewer bittet Torsten um weitere Erinnerungen, diesmal fokussiert auf das Fach Englisch, worauf Torsten aus der Grundschulzeit über ein Arbeitsheft: „Muttiheft“ genannt, berichtet, dessen Seiten nach thematischen Vorgaben gestaltet werden sollten und auch daraufhin bewertet wurden.
I: vielleicht kannst du mir noch ein bisschen was über deinen – Englischunterricht erzählen woran kannst du dich noch erinnern? (E: hm) oder fallen dir so Szenen ein?
T: ja – na janz früher hattn mer in der Grundschule hatt mer wie so wie hießen das? na das war wie so e Muttiheft und dann ham mer zu bestimmten Themen mussten wir dann immer so ne Seite in dem Buch gestalten und das wurde dann bewertet. also zum Beispiel unser Lieblingstier – oder was mer am liebsten machen also Fahrradfahren oder so und da mussten wir dann dazu so ne kleine Seite in so naja wie in sonem Muttiheftchen gestalten. Dazu – sonst? – – – ja – – was musst mer noch machen? (5) (T, 29-40)
Die Art des Verhältnisses zum Englischlernen wird erneut als äußere Verpflichtung – „mussten wir“ – dargestellt; persönliche Beziehungen zur Sache werden nicht sichtbar.
I: kannst du mir vielleicht so n bisschen was über deine Englischlehrer und – lehrerinnen erzählen? kannst du dich da noch erinnern?
T: an den allerersten Lehrer nich mehr so. ich wes nur dass meine allererste Englischlehrerin nicht wirklich ne Englischlehrerin war. die war eigentlich Physik- und Mathelehrerin und hat das nur so nebenbei jemacht weil se eben so bisschen die Grundlagen so vermitteln wollte und dann tja wo ich aufs Gymnasium gekommen bin – da – hatt ich – also ich glaube ich hatte drei vier unterschiedliche Englischlehrer gehabt bis jetzt aufm Gymnasium – und – naja jeder Lehrer versucht’s n bisschen anders zu vermitteln – also wir ham angefangen bei der Frau B. das war fand ich noch bisschen – naja – – so lockerer Unterricht also die wollte uns da ranführen. naja und danach habe ich die Frau P. jekricht wo es dann schon – / bisschen anders rum /lacht/ ging. sag ich mal die hat viel Wert jelecht of die janzen wichtigen Grammatikregeln und dass man halt viel für ne Fremdsprache tun muss. und — danach hatt ich e Jahr mit Herr Z. der is och ofm Gymnasium Lehrer- und bei dem fand ich’s eigentlich bis jetz am besten wenn ich die Summe so sehe – von den janzen Lehrern weil da ich sag mal wenn man mit was bisschen Probleme hatte hat der nich nur gleich jesacht ihr habt zu hause nicht genug gemacht der hat’s dann versucht auch noch mal zu erklären noch mal drauf einzugehen auf die Probleme und die Fragen die wir eben gestellt ham also das fand ich bis jetzt am besten und dieses Jahr also für die Kursstufe 12 13 hab ich Frau J. und das – finde ich – / nich so toll (lacht)/ weil – irgendwie die Anf_ was heißt die Anforderungen sind vielleicht nicht zu niedrig aber pfff ich denke immer die hat das selber nich so richtig unter Kontrolle. und ich habe jetzt auch in meinem Englischkurs zwei Schülerinnen sitzen die waren im Ausland also die eine war in Südafrika und die andere in Amerika und die sitzen im Unterricht die die lachen sich da drüber kaputt. also ich finde auch das geht dann verloren wenn die ham jetzt sag ich mal schon ne gute Basis durch den Aus_ dass sie halt im Ausland waren aber die können das gar nicht fördern weil – da fehlt einfach sag ich mal – – naja die wern nich gefördert die können nich die müssen sich dem Rest so anpassen und das finde ich eben – schade – auch für die Schüler. – tja (T, 42-78)
Nach dem Grundschulunterricht durch eine fachfremde Lehrerin hat Torsten innerhalb von sechs Jahren bei vier verschiedenen Lehrenden Englischunterricht gehabt. Er unterscheidet bei den Lehrpersonen nach Unterrichts oder Vermittlungsstilen: Nach einer Phase des spielerischen und lockeren Unterrichts bei Frau B., die die Schüler an die gymnasialen Anforderungen langsam heranführen wollte, folgte Unterricht bei einer Lehrerin, die auf Anstrengung setzte und Grammatikregeln betonte; danach erteilte Herr Z. in der 11. Klasse für ein Jahr Unterricht, welcher Torsten in der Bilanz am besten gefällt. Er macht dazu einen kleinen Exkurs, in dem die hohe Unterstützungsleistung des Lehrers bei aufkommenden Fragen und Problemen gewürdigt wird. Diese Unterstützung steht im Gegensatz zur Haltung von Frau P., welche in solchen Situationen fehlenden häuslichen Fleiß attestiert hatte. Schließlich wird noch die jetzige Englischlehrerin Frau J. erwähnt, deren Kompetenz und Durchsetzungsvermögen von Torsten sehr kritisch beurteilt werden. Ihn scheint vor allem das fehlende Durchsetzungsvermögen zu stören, während die Anforderungen – in Erinnerung an seine eigene, als niedrig wahrgenommene Kompetenz – nicht primär ihn betreffen, wohl aber zwei Schülerinnen mit Auslandserfahrung, die nicht genügend gefördert werden und der Lehrerin aus ihrem Erfahrungshintergrund heraus offenbar auch die fachliche Kompetenz absprechen. Zusammenfassend lässt sich sagen: Für Torsten ist Fremdsprachenlernen auf den Handlungsrahmen Schule beschränkt. Es ist mit negativen Erfahrungen verbunden, insbesondere dem Nichtverstehen der grammatischen Regeln der Sprache, die ihn zu Abwahlen motivieren. Torsten spricht in den jetzt wiedergegebenen Anfangspassagen des Interviews nicht von persönlichen Beziehungen zur fremden Sprache. Da er die Grundschulzeit trotz einer Tendenz, sie als nicht voll anerkennungswürdig wahrzunehmen, relativ positiv erwähnt und da er in der 11. Klasse von einem für ihn guten Lehrer berichtet, ist anzunehmen, dass seine Probleme in der zweiten Hälfte der Sekundarstufe I beginnen oder zumindest zunehmen. Ausgehend von der Eingangssequenz lässt sich daher folgende vorläufige Annahme zum Fremdsprachenlernen bei Torsten formulieren: Torsten hat ein konflikthaftes Verhältnis zum schulischen Fremdsprachenlernen und steht fremden Sprachen sehr distanziert gegenüber.
2. Kategoriale Analyse des Interviews
Im Folgenden wende ich mich wichtigen Kategorien des Fremdsprachenlernens von Torsten zu.(2) Sie stellen zentrale Dimensionen dar, anhand derer er sich zum Fremdsprachenlernen positioniert. Dazu zählen seine Schulerfahrungen und Interessen, Überlegungen zu Auslandsaufenthalten sowie seine Überzeugungen von der Natur des Englischlernens. Befragt zu seiner Haltung zu Fremdsprachen, schwankt Torsten unentschieden zwischen einer statischen Erklärung – Fremdsprachen habe er noch nie gemocht – und einer dynamischen Erklärung, die die Veränderung seiner Einstellung mit dem Wechsel von der Grundschule an das Gymnasium in einen Zusammenhang bringt.
T: hm ja für mich ist das so die Sprachen müssen sag ich mal mitgemacht werden die gehören dazu zum Unterricht aber – mehr auch nicht. also solange wie wir irgendwelche Sprachen angefangen haben gerade ob das Französisch oder ob das Englisch ist oder Russisch das war nie mein Fall. das war auch nicht so sag ich jetzt mal dass ich das Interesse hatte danach zu sagen ich beschäftige mich sagen wir mal weiter damit und mehr als es überhaupt der Unterricht verlangt also das Interesse dafür ist bei mir nicht da dass immer noch so also Fremdsprachen oh das is für mich e Graus. das mache ich absolut nicht gerne das aber das war schon immer so. also in der Grundschule da war das ja noch ganz lustig Liedchen singen und so da ging das da hat das auch noch Spaß gemacht aber wo das dann losging mit den Zeitformen und ach dann immer die Vokabeln lernen naja Fremdsprachen das ist nicht so meins.
I: na gut aber du sagst ja an der Grundschule war’s noch anderes also wann ist es anders geworden?
T: na es ist überhaupt anders geworden vom Gymnasium zur Grundschule (I: hm) wo ich von der Grundschule eben zum Gymnasium gewechselt habe das war n ganz anderer Un_ also das war ganz anders sag mal dahinten war in der Grundschule da war alles viel lockerer und die Anforderungen waren viel geringer und auf dem Gymnasium hat sich das wirklich gewendet sag ich und es war also die Anforderungen sind gestiegen und deswegen sage ich auch die Anforderungen im Englischunterricht und somit war das halt nicht mehr so lustig und nur noch Liedchen sondern die Anforderungen sind eben gestiegen und naja dass eben weil ich mich nicht wirklich dafür interessiere war es dann auch schwierig sich dafür zu begeistern was zu machen wie die anderen die haben gesacht juhu wir lernen ne Fremdsprache das ist das was ich schon immer mal wissen wollte und haben sich dann halt auch richtig damit beschäftigt und so und das /war nicht bei mir der Fall (lacht)/. (T, 228-260)
Während in der Grundschule für Torsten mit dem Lernen noch Spaß verbunden war, haben ihn die strukturellen und sprachsystematischen Elemente des Lernens sowie die gestiegenen Anforderungen in seiner Überzeugung bestärkt: Fremdsprache, das ist nicht so seins. Im Schlussteil der Passage kann man den Eindruck gewinnen, Torsten rede hier auch wieder von seiner Grundschulzeit. Möglicherweise bedeutet dieses Schwanken, dass auf dem Gymnasium ein bereits vorhandenes Desinteresse noch zusätzlich verstärkt wurde. Torsten betont, dass Sprachenlernen für ihn mit einem hohen Aufwand verbunden ist, während es ihm in anderen Fächern leichter falle und leichter gefallen sei, die Anforderungen zu bewältigen, so dass ihm der Aufwand zusätzlicher Auseinandersetzung auch lohnend erscheine.
T: na der /Aufwand dafür /lacht/ also sag ich die ganzen Vokabeln lernen und die ganzen anderen Regeln und Grammatik und so manch anderen fällt das vielleicht mehr zu aber für Sprachen muss ich und musste ich schon immer viel machen – und deswegen ist es dann auch ein bisschen nervig immer dann nur für die Fremdsprachen was zu machen Vokabellernen und so und deswegen ist auch sag ich mal nicht so die Sympathie dafür da weil es eben mit ein Riesenaufwand verbunden ist. wenn ich da andere Fächer sehe die ich gerne mache – da brauch ich fast nichts (I: zum Beispiel?) Geographie mach ich sehr gerne und da habe ich dann auch Lust mich nach der Schule mal mit was zu beschäftigen. (…) aber wenn wir jetzt irgendein Problem im Englischunterricht hätten / da würde ich nicht sagen dass ich wenn ich dann noch mal die Zeit hätte was dafür raussuchen würde oder so. (T, 267-298)
Als Beispiele führt Torsten Geographie und später auch Physik an, wobei er in beiden Fällen Themen benennt, die eine direkte Verbindung zu seinem Lebensmilieu ziehen. Er berichtet ausführlich von einer Diskussion mit seiner Geographielehrerin, in der diese ihn von den Vorteilen der Windenergie überzeugen wollte. Dieses Thema habe ihn deshalb angesprochen, weil sein Vater zu dieser Zeit gerade versucht habe, den Bau von drei Windrädern auf seinem Acker zu verhindern, da diese die Bewirtschaftung des Geländes erschwerten. In diesem Falle hat sich Torsten, wie er berichtet, auch außerhalb der Schule weiter mit Windkraft beschäftigt. Im Kontrast dazu stehen Grammatik- und Vokabellernen im Englischunterricht. Wie aus anderen Passagen des Interviews deutlich wird, treffen die sozialwissenschaftlichen Themen des jetzigen Englischunterrichts – politisches System der USA, ihre Hegemoniestellung, Kriminalität und Waffengesetze – nicht auf Torstens praktische und am zukünftigen Beruf ausgerichtete Interessen. In Physik nennt er den Verbrennungsmotor als interessantes Unterrichtsthema, in Geschichte die Weltkriege, im Kunstunterricht das kreative Arbeiten, während er theoretische Fragen und irgendwelche Fakten und Daten nicht für interessant hält. Die von ihm verwendeten Schlüsselbegriffe sind Bezug und Sinn:
T: na ich kann mir das einfach viel besser vorstellen ich sehe da auch mehr den Sinn drinne z. B. wenn wir was was hamm er z.B. wir lernen was über den Wasserkreislauf nehmen wir mal als Beispiel da kann ich mir das einigermaßen vorstellen. Beispiel der Regen fällt Grundwasser und Verdunstung und Wolkenbildung und das alles da habe ich irgendwie n Bezug dazu aber im Englischunterricht wenn ich da jetzt irgendwelche – na sagen wir mal pfff was weiß ich na da fehlt mir eben der Bezug dazu ich sehe da jetzt nicht so den Sinn da drinne. also das bringt mir nischt denke ich also das bringt bestimmt was sicher – aber nicht so wie wenn ich jetzt in Geo was lerne da habe ich eben mehr den Bezug dazu und das interessiert mich auch wie das vor sich geht na aber in Englisch die Sprache das interessiert mich nicht so brennend. (T, 304-316)
Wenn Torsten die Worte Sinn, Interesse und Bezug verwendet, dann läuft das für ihn immer wieder auf die Möglichkeit hinaus, eine konkrete Beziehung zu seinem eigenen Leben herzustellen, und dies gelingt ihm im Englischunterricht eben nicht.
T: also ich denke Englisch abzuwählen wäre – das schlimmste und das zuzulassen dass man es abwählen kann das denke ich ist auch nicht richtig weil überall ist Englisch mit drinne. egal sag ich mal in welche Richtung man nach dem Abi gehen möchte irgendwo kommt man denke ich immer in Verbindung mit Englisch. und deswegen ist es ja auch sag ich mal dass man sagt zwar jetzt Englisch das ist nicht das würde ich gerne abwählen weil das läuft nicht so gut der Durchschnitt stimmt nicht aber man braucht es eben weil es überall sag ich mal ist. und deswegen dass pfff dass man das abwählen kann das, freizustellen ist denke ich nich so – ne gute Idee. weil mir würde nischt einfallen oder, jemand der mir jetzt sagen könnte in meinem Beruf den ich mal machen möchte brauch ich kein Englisch das würde mir jetzt – – nischt einfallen. (T, 761-773)
Torsten ist trotz seiner großen Distanz zu Englisch auf einer abstrakten Ebene der Überzeugung (oder: er teilt den populären Topos; vgl. das depersonalisierende „man“), dass diese Sprache notwendiger Bestandteil des Curriculums ist und auch objektiv bleiben muss. Seine Begründung dafür liegt in der Allgegenwärtigkeit des Englischen – allerdings nicht so sehr in seinem Alltag, in dem die Sprache nach seiner Auskunft abgesehen von englischsprachigen Computerprogrammen, mit denen er nur gelegentlich zu tun hat, nicht vorkommt, wohl aber im Hinblick auf seine angenommene berufliche Zukunft. Allerdings bleibt auch diese antizipierte Bedeutsamkeit vage und abstrakt. Auf der anderen Seite spricht Torsten mehrmals davon, dass er Englisch abwählen würde. Sein schlechter Notenpunktedurchschnitt – er hofft, im ersten Halbjahr der 12. Klasse 5 Notenpunkte zu erreichen, was im Rahmen des Grundkurses als „bestanden“ gelten würde – macht ihm sehr zu schaffen:
T: wenn ich es mir aussuchen könnte ich würde sagen ich würde Englisch abwählen und ich hätte ne Sorge weniger (lacht) aber das wird ja nun mal nischt das muss ich weitermachen. (T 623-626)
Deutlich wird der Zwiespalt, in dem Torsten sich sieht. Einerseits wäre es im Blick auf seine Zukunft vernünftig, Englisch weiterzumachen, andererseits wäre es mit Blick auf Abitureinbringung und Notendurchschnitt ebenso vernünftig, Englisch, die letzte verbliebene Fremdsprache, abzuwählen. Torsten vermag es nicht, einen Ausweg aus diesem Dilemma zu finden, zumal die gegenwärtige Situation im Unterricht für ihn alles andere als zufriedenstellend ist.
I: ich habe noch ne letzte Frage nämlich zu Frau P. was woran erinnerst du dich da im Unterricht oder an ihre Art zu unterrichten?
T: an was ich mich da (I: ja) – das war der schlimmste Englischunterricht – aber jetzt nicht vom Stoff her oder vom Vermitteln sondern zwischen uns – – also es ja es gab glaube ich nicht eine Stunde wo wir nicht aneinander geraten sind und unter meinen Arbeiten standen dann auch immer so lustige Texte drunter – „ja das zeigt ihre Einstellung im Unterricht das widerspiegelt bloß Ihre ganze Auffassung von Englisch und ihren Fleiß dafür“ – ja aber im Nachhinein denke ich – würde man wenn man bei Frau P. Englischunterricht hatte sagen können man hatte was gelernt weil das war der Englischunterricht der war zwar anstrengend und Frau P. hat viel gefordert aber wenn man es in Nachhinein betrachtet ist es bestimmt und is es auf jeden Fall besser wie bei ein Lehrer zu haben der das sag ich mal – naja eben so dahinplätschern lässt. das ist es war zwar anstrengend in dem Moment hat man das auch bloß als anstrengend empfunden aber jetzt wenn man es im Nachhinein betrachtet sieht man halt sag ich mal den Vorteil der dadurch also da war. es war zwar harter Unterricht aber – ich sag mal man hat auch was gelernt wenn man alle Aufgaben versucht hat so zu erfüllen wie sie das wollte. dann hätte man auch weiterkommen können und dann hätte das auch was gebracht auch wenn die Noten bei vielen nicht so – rosig aussahen aber – ich sage mal die Anforderungen waren hoch aber wenn man das wirklich versucht hätte zu erfüllen mit Fleiß und allem Drum und Dran hat man in dem Englischunterricht wirklich was gelernt. (I: aha) aber zum damaligen Zeitpunkt habe ich das noch nicht so gesehen. da war das eben nur anstrengend – und – ja war halt nicht so dass sich gesagt hätte das bringt mir irgendwann mal was. das habe ich in dem Moment noch nicht gesehen. (T, 707-737)
In dieser Passage kontrastiert Torsten seine damaligen Wahrnehmungen und Gefühle angesichts des Unterrichts bei der strengen (dritten) Mittelstufenlehrerin mit seiner momentanen Einschätzung, wobei im Hintergrund der aktuelle Unterricht in der Qualifikationsphase – Torsten hatte mit Beginn des 12. Schuljahres, wie oben schon erwähnt, eine neue Englischlehrerin bekommen, deren Unterricht er stark kritisiert – für sein Urteil bestimmend ist. Zunächst berichtet er von einer konflikthaften Lehrer-Schüler-Beziehung und einem Unterricht, der einfach „nur anstrengend“ war. Kommentare der Lehrerin unter seinen Arbeiten haben ihn stark beschäftigt; noch heute muss er sich in einer ironischen Formulierung (,so lustige Texte“) von deren Äußerungen distanzieren. Dennoch beurteilt er diesen Unterricht im Vergleich zu seinem jetzigen Unterricht positiv, da „man“ – der Wechsel des Pronomens stellt eine nochmalige Distanzierung her – in diesen „harten“ Stunden etwas hätte lernen können. Anders gesagt: Lernen bei Frau P. wäre für Torsten möglich gewesen, wenn er sich angestrengt hätte, während bei der jetzigen Lehrerin auch bei eigener Anstrengung Lernen nicht mehr möglich ist.
T: na ich sage mal jetzt bei der jetzigen ist es mehr ähm – sag ich mal lockerer also ich habe nicht so den den was heißt Respekt schon aber ich finde die kann uns nicht so richtig motivieren was zu machen (I: achso) das irgendwie also mir fehlt quasi der Druck. ich ich denke dass sie ebend uns sag ich mal nicht so richtig unter /Kontrolle hat (lachend)/ also ich.finde die kann jetzt nicht zum Beispiel sagen das müsst ihr jetzt lernen und dann lernen wir das alle und n nächsten Tag beten wir das auf das das ist bei den wenigsten der Fall (I: hm) und das finde ich ebend da müsste irgendwie hm – naja mehr Druck dahinter sein – auf jeden Fall – weil so wie das jetzt ist- na das ist wirklich so also ich habe nich so das Gefühl wenn die Frau J. zu mir sagt das müsst ihr jetzt machen da muss ich das sofort machen das ist irgendwie prrt – und so geht es vielen Schülern in der Klasse und deswegen ist da auch manchmal so ein bisschen – das ist nicht so wie es laufen soll. (7, 90-104)
Was Torsten vor allem stört, ist die mangelnde Durchsetzungsfähigkeit seiner jetzigen Lehrerin. Die Schülerinnen und Schüler seien undiszipliniert und ließen sich von ihren Versuchen, Ruhe und Ordnung durchzusetzen, nicht beeindrucken; es gehe alles durcheinander. Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die fehlende Hilfestellung der Lehrerin bei Vokabelnachfragen. Weil sie immer auf die einsprachigen Wörterbücher verweise, mit denen Torsten nichts anfangen kann, denn er muss lange suchen und versteht die englischsprachigen Erklärungen am Ende doch nicht, werden oft die beiden Schülerinnen mit Auslandserfahrung gefragt:
und dadurch wird das halt auch unruhiger weil wir eben versuchen sag ich mal uns untereinander zu helfen und das will se eben auch nicht. und dann sagt se halt immer dass der Nachbar mich ablenken würde und ich soll mich doch bitte wegsetzen und das würde auch für mich besser und so aber wenn ich alleine sitze dann kann ich ja gar keinen fragen. wenn ich es da selber nicht weiß dann war’s das eben. (T, 141-147)
Eine typische Unterrichtsstunde besteht nach Torstens Beschreibung aus einer mündlichen Leistungskontrolle zu Beginn, gefolgt von Textarbeit und dem anschließenden Erarbeiten neuer Vokabeln, die für die nächste Stunde gelernt werden sollen. Grammatikwiederholungen finden zwar statt, aber nicht, wie Torsten es sich wünscht, im Sinne einer nochmaligen grundsätzlichen Erklärung und (Neu-) Vermittlung, sondern als Übung und Festigung. Ein Gespräch zwischen der Lehrerin und Torsten hat wegen des schlechten Notendurchschnitts stattgefunden; Torsten ist der Meinung, dass die Lehrerin auf seine grundlegenden Probleme eingehen müsste:
I: habt ihr mal versucht mit der Lehrerin zu reden?
T: ich habe weil ich auch diesjahr in Englisch nicht so den Notendurchschnitt habe den ich haben sollte sowieso immer n Gespräch mit ihr geführt und da hat sie mich dann gefragt an was das liegen könnte und was ich mache – aber es ist ja klar wenn ich den Durchschnitt nicht erreicht habe dass ich dann nicht zuhause sitze und – nischt mache und hoffe das wird schon irgendwann mal besser und das finde ich dann irgendwo so n bisschen sinnlos von ihr na sinnlos nicht das Gespräch ist schon wichtig aber dann so was zu fragen. die wird doch nicht denken dass wir dann sag ich mal die die nicht so neu guten Durchschnitt haben l nur noch rumsitzen und nischt mehr machen (I: hm) naja und da hatten habe ich ser so in dem Gespräch auch versucht zu erklären – dass es wo das gerade mit den Zeitformen war und da hat sie gesagt ja aber das habt ihr ja alles schon ans dem Vorjahr da hättet ihr euch mal vorher das angucken müssen ja und da war das fertig (I: hm) – dann geht das ja los dann sucht man das aus den alten Heftern raus und dann steht das da drinne aber dann sag ich mal fehlt jetzt noch mal so kleine Tipps am Rande die jetzt sag ich mal der Lehrer noch geben könnte mal schnell so zur Erinnerung. na und da hab ich auch viel mit der einen Schülerin die im Ausland da war habe ich das im Keller in meinen Freistunden dann versucht mir wieder ins Gedächtnis zurückzurufen. und ich finde aber das hätte in einer kleinen Wiederholung im Unterricht passieren können ähm ob die zehn Minuten damit verwendet werden dass ich rumknoble und zu keinem Ergebnis komme oder dass ich sag ich mal n Raster hab wie ich das meine Aufgaben dann lösen kann und dass ich mich orientieren kann. (T, 196-223)
Es wird deutlich, dass Torsten sich gegen von ihm wahrgenommene Unterstellungen, dass er zuhause nichts für die Schule mache und untätig sei, verteidigt. Im Kontrast zu seiner eigenen Erklärung seiner Probleme im Unterricht – Faulheit – macht er nun geltend, dass er durchaus Anstrengungen unternommen habe, um seine Noten zu verbessern, was aber die Lehrerin nach Torstens Meinung nicht genügend verstanden habe; sie attestierte ihm eher mangelnde Lernbereitschaft. An den Zeitformen zeigt er, dass die jetzige Lehrerin auf in früheren Jahrgängen vermittelte Vorkenntnisse verweist und ihm geraten hat, den Stoff aus dieser Zeit zu wiederholen, dass sie aber nicht gewillt war, diesen Stoff erneut zum Thema im Oberstufenunterricht zu machen. Torsten erzählt, wie er daraufhin seine alten Hefter vorgeholt und sich selbständig mit der Grammatik auseinandergesetzt habe. Da das Geschriebene aber für ihn ohne fachkundige Hilfe unverständlich und abstrakt geblieben sei, habe er sich mit einer kompetenten Schülerin verabredet, um den Stoff nachzuholen. Torsten kritisiert die seiner Meinung nach wenig unterstützende Haltung der Lehrerin, die auf seine individuellen Probleme nicht eingehen will; dies führe dazu, dass er die Aufgaben im Unterricht nicht lösen könne, da die Lehrerin ihm Orientierung und Hilfe verweigere. Im nächsten Schritt geht es um Torstens Haltung zu authentischen Kontakten mit der Zielsprache und -kultur. Torsten war schon im Urlaub im Ausland und musste dort elementare Kommunikationssituationen bewältigen, allerdings ohne dass ihm dies ein Kompetenzgefühl vermittelt hätte:
T: ja im Ausland ja war ich aber da musst ich nur – ganz gering so sag ich mal wo geht’s zu der und der Straße wo finde ich das und das also ganz ganz wenig und nur das Nötigste so dass man sich mit Händen und Füßen durchkämpfen kann. aber jetzt richtig sag mer mal irgendwo in ner Familie wo Englisch gesprochen wird oder so war ich noch nicht. (T, 515-520)
Die Formulierung „mit Händen und Füßen durchkämpfen“ deutet an, dass Torsten seine sprachliche Kompetenz als sehr niedrig einstuft. Die an seiner Schule bestehende Möglichkeit, am Jahresende während einer Projektwoche an einer Studienreise nach England teilzunehmen, hat er nicht genutzt:
T: pfff warum nicht? (3) das weiß ich nicht. ich denke mal weil’s mich nich so interessiert also meine Schwester die hat Sprache sehr gerne gemacht und für die war das dann auch was ganz anderes die wollte das auch. eh wie sieht’s aus Mutti kann ich noch mal fahrn und es war so schön da dachte ich das war für mich ne ganz andere Welt ich könnte mir nicht vorstellen dass das schön sein kann nur dann die Sprache – zu sprechen die ich eigentlich – na was heißt hasse aber was halt nich so mein mein äh Lieblingsgebiet ist komme ich ja dahin und ohne das komme ich dann ja gar nich zurecht und das wollt ich nich so richtig /Lacht verlegen/ (T, 532-541)
Darauf angesprochen, warum er diese Möglichkeit nicht nutze, kann Torsten zunächst keine Antwort geben, offenbar hat er sich noch nie mit dieser Frage auseinandergesetzt. Er grenzt sich schließlich von dem starken Interesse seiner Schwester an Auslandsfahrten ab und berichtet in einer kleinen szenischen Episode, wie er sie mit der Bitte an die Mutter beobachtet hat, noch einmal ins Ausland fahren zu dürfen. Eine solche Orientierung erscheint Torsten fremd. Er vermeidet es, sich in Situationen zu begeben, in denen er die fremde Sprache verwenden muss. Die starke Formulierung, dass er Englisch hasse, schwächt er in der Interviewsituation ab; dennoch wird erneut deutlich, dass er es sich zwar abstrakt vorstellen kann, durch den Kontakt mit der Zielsprache und der fremden Kultur seine Kompetenz zu verbessern, seine Angst vor dem Nichtverstandenwerden hier aber wie eine unüberwindbare Barriere wirkt:
T: naja ich würde schon mal ne Zeitlang ins Ausland gehen aber es ist halt dann damit verbunden dass man die Sprache kann und die Sprache auch lernt und davor habe ich so n bisschen Angst jetzt sagen wir mal in n anderes Land zu gehen und mir das mal alles anzugucken – das würde ich schon gerne machen aber eben mit der Sprache dann zurechtkommen davor grauts mir eben so n bisschen. aber sonst ich würde mir das schon gerne mal angucken. grade jetzt nach der Schule wollte ich am liebsten wenn das geht mal nach Amerika so ein halbes Jahr und mir dort mal grade weil ich auch was mit der Landwirtschaft machen will mir das dort mal angucken weil es ,soll ja alles dreimal größer sein und nich wie hier also da hält ich schon da hätte ich schon Lust drauf aber eben mit der Sprache dann pff weiß nicht ob das dann so klappt.
I: hm – nun hattest du ja gesagte ihr hattet zwei Schülerinnen die im Ausland waren die konnten das vielleicht am Anfang auch noch nicht so gut – wie ist das?
T: na die zwei die im Ausland waren die waren sag ich mal in unserem Englischunterricht hier in Deutschland schon gut (I: hm) und jetzt sind sie dadurch dass sie halt im Ausland waren sehr gut. ich sag mal ich würde mich bestimmt in Englisch nicht als gut bezeichnen und wenn ich dann im Ausland bin würde das bestimmt helfen auf jeden Fall aber vorher sag ich mal fehlt schon die Basis ich denke denen ist das nicht ganz so schwer gefallen. sicherlich mussten die sich auch umstellen und sich dort – erst mal anhören weil es spricht ja auch jeder anders also die haben auch ganz unterschiedliche von der die jetzt in Südafrika war und der die in Amerika war die ham auch ganz andere andere englische Wörter für also unterschiedliche Bedeutungen auch Aussprache also die sprechen im Unterricht wenn die neu Text sprechen sprechen die auch ganz verschieden also unterschiedliche Stile sag ich mal. also es is quasi nich englisches Englisch bei den zweien is e Unterschied. ja und – die ham gesagt es is alles super gewesen es war total schön dort und so und da dem Frieden traue ich nicht so richtig wenn ich dann da eben hinkomme und die Sprache nicht beherrsche oder dann mich zu verständigen mit den anderen dass das so einfach sein soll und dann das so leicht fallen soll und das is alles super dort das – konnte ich mir- nich vorstellen. die haben gesagt das ging alles wunderbar und die Familien waren ganz nett und haben sich super mit denen verstanden und so aber tja weiß ich nicht ob das immer klappt. (T, 546-587)
Der Gedanke, dass er die Grundlagen verpasst habe, wird von Torsten als Argument verwendet, eine Kluft zwischen den ersten Wochen im Ausland und der Notwendigkeit, dort zurechtzukommen, zu konstruieren. Er sieht zwar auch am Beispiel der beiden Schülerinnen, dass Auslandsaufenthalte sehr positive Wirkungen haben können, doch die Erfahrungsberichte seiner Mitschülerinnen überzeugen ihn nicht; er bleibt misstrauisch und rechtfertigt das Festhalten an seiner Position damit, dass die beiden Schülerinnen, die ein Auslandsjahr gemacht haben, schon zuvor gute Leistungen im Unterricht erbracht haben und – so muss man den Gedankengang offenbar ergänzen – damit quasi über die Möglichkeit verfügten, sich über die ersten Wochen zu retten und eine grundlegende Verständigung zu bewerkstelligen.
Ich gehe nun abschließend auf Torstens Überzeugungen (beliefs(3)) bezüglich des Englischlernens ein.
T: was man lernen muss? na die Sprache Sprechen an sich nur Vokabeln zu lernen und die Bedeutung davon zu wissen und zu wissen wie man das ausspricht bringt nichts denke ich (I: hm) die Vokabeln zu lernen tja Texte zu verstehen (3) bestimmte grammatikalische Regeln zu beherrschen ist denke ich Voraussetzung in jeder Sprache (5) naja das Hören von englischen Texten also – tja.
Torstens Überzeugungen sind überwiegend auf Grammatik und Wortschatz ausgerichtet; eine kommunikative Dimension des Sprachlernens kennt er zwar, fühlt sich aber wegen seiner geringen Kompetenz nicht fähig, sie angemessen zu bewältigen. Zum Englischlernen gehört für ihn, Vokabeln mit der ihnen zukommenden Bedeutung und Aussprache zu kennen, grammatische Regeln zu beherrschen, Texte lesend und hörend zu verstehen und auch zu sprechen. Sprachbeherrschung zeige sich an flüssigem Sprechen, an Verständigung auch über verschiedene Akzente hinweg und dass man es halt lesen und schreiben kann. Torsten hat keine genaue Vorstellung, wie der optimale Weg des Englischlernens für ihn aussehen könnte, stellt aber fest, dass eine Initiative von seiner Seite erforderlich wäre:
T: der beste Weg. erst mal der eigene Fleiß – von mir aus zu sagen und sonst tja – der besten Weg Englisch zu lernen (3) (T, 618f.)
Torsten beschreibt sich als jemand, der ohne Druck im Fach English – anders als in anderen Unterrichtsfächern – nicht lernt, weil ihn das Fach nicht „reizt“, was sicher damit zusammen hängt, dass der mittlerweile notwendige Arbeitsaufwand von ihm als so hoch eingeschätzt wird, dass er praktisch nicht mehr bewältigbar ist. Die über Jahre aufgelaufenen fehlenden Kenntnisse bei Wortschatz und Grammatik verhindern, dass er die im Unterricht anstehenden Aufgaben angemessen bewältigen kann. Vokabeln müssen aufwändig nachgeschlagen werden, was Zeit kostet, die eigentlich für die Erfüllung der Textaufgaben genutzt werden sollte, welche Torsten dadurch aber nicht in der vorhandenen Zeit erledigen kann. Seine resignative Beurteilung zeigt, dass er für die Bewältigung der Anforderungen im Fach Englisch keinen Ausweg mehr sieht, zumal die von ihm selbst ergriffenen Maßnahmen – gemeinsames Üben mit einer Schülerin zuhause und Versuche, die Zeitformen im Selbststudium nachzuholen – bisher nicht die erhoffte Wirkung gezeigt haben.
3. Zentrale Merkmale von Torstens Fremdsprachenlernen
Torstens Erfahrungen mit Fremdsprachen zeichnen sich durch eine hohe Distanz zu Lerninhalten und durch ein negatives fachliches Selbstkonzept aus; er versucht, den Fremdsprachenunterricht bis zum Abitur zu überstehen. Aus verschiedenen Gründen ist es ihm nicht gelungen, einen „Sinn“ oder „Bezug“ zum Englischen und zu anderen Fremdsprachen zu finden, wobei sich die Probleme bereits in der Mittelstufe zeigten, seitdem aber von ihm nicht bearbeitet wurden und daher jetzt auf der Oberstufe kumulieren. Ich frage deshalb jetzt abschließend nach kritischen Punkten im Verlaufe seines Bildungsgangs.
In der Grundschule kommt Torsten zum ersten Mal mit fremden Sprachen in Kontakt. Er erfährt sie als von außen gesetzte Anforderungen, die ihn nicht begeistern, die allerdings zu dieser Zeit noch recht einfach zu bewältigen sind. Mit dem Wechsel an das Gymnasium fällt eine stärkere Beachtung der systematischen und strukturellen Aspekte der Fremdsprache zusammen. Dabei zeigt sich, dass Erfahrungen höherer Leistungsanforderungen, anhaltendes thematisches Desinteresse und häufiger Lehrerwechsel dazu führten, dass es Torsten über Jahre hinweg immer schwerer fällt, im Fach Englisch mitzukommen. Er ist in der Sekundarstufe I praktisch in seinem Lernen stehengeblieben. Torsten versäumt es, regelmäßig Vokabeln zu lernen, und liegt in ständigem persönlichem Konflikt mit der Englischlehrerin Frau P., die sehr viel Wert auf die für Torsten hoch-problematische Grammatik legt und ihm Faulheit und eine mangelhafte Einstellung zum Fach vorwirft. Dennoch kann Torsten lange Zeit die Mindestanforderungen erfüllen und sich sogar nach einem Lehrerwechsel leicht verbessern, bis die Situation sich in der Qualifikationsphase der Oberstufe erneut verschlechtert. Dazu kommen negative Erfahrungen in den beiden anderen Schulfremdsprachen Französisch und Russisch. Im Mittelpunkt von Torstens Leiden an Englisch zum Interviewzeitpunkt stehen schlechte Noten, die langfristig sein Abitur gefährden können. Seine Strategie, den Englischunterricht irgendwie zu überstehen, erweist sich jetzt als brüchig, obwohl er versucht hat, seine Kenntnisse außerhalb des Unterrichts zu verbessern, da auch die neue Lehrerin es ablehnt, auf seine basalen Schwierigkeiten im Unterricht einzugehen. Zum Zeitpunkt des Interviews hat Torsten die feste Überzeugung gewonnen, dass er zum Fremdsprachenlernen ungeeignet ist und dass sich das Versäumte im Grunde genommen auch nicht mehr nachholen lässt.
Torsten kann mit Fremdsprachen nichts „anfangen“; sie bleiben ihm fremd. Der abstrakten Rede von der großen Bedeutung des Englischen für die Zukunft steht die Schwierigkeit gegenüber, dass er bis heute keinen Anknüpfungspunkt zwischen seiner Lebenswelt und den Themen des Unterrichts finden kann. Selbst wenn er davon spricht, dass Englisch in Zukunft gebraucht werde, ist und bleibt dieses Bedarfsargument doch ein externes Kriterium, kein innerer Wunsch, eine fremde Sprache und Kultur kennenzulernen. Bei Frau P. hat Torsten gelernt, auf äußeren Druck hin zu lernen. Da ihm selbstregulative Fähigkeiten aber fehlen und da er es nicht vermocht hat, einen inhaltlichen Bezug zu Themen des fremdsprachlichen Unterrichts aufzubauen, fordert er auch in der Oberstufe einen hohen externen Druck zum Lernen ein. Es kommen in seinem fremdsprachlichen Bildungsgang also mehrere, den Lernfortschritt behindernde Aspekte zusammen: wenig Interesse, Erfahrungen geringer Kompetenz und ein wenig lernförderliches Umfeld. Das Fremde einer fremden Sprache widerspricht Torstens Habitus, der eher auf Bodenständigkeit, Akzeptanz elterlicher Ambitionen und Erwartungen sowie enge Nützlichkeitserwartungen bezüglich schulischer Bildung ausgerichtet ist. Bezogen auf die Ausgangsfragestellung heißt dies, dass Fremdsprachen für seine persönlichen Handlungspläne nicht relevant sind, dass aber über die institutionelle Anforderung des Fremdsprachenlernens eine Bedeutung für Torsten insofern entstehen könnte, als ihre Nichterfüllung massiv in seine Biografie eingreifen würde.
Fußnoten
(1) Zu dieser Zeit gab es in diesem Bundesland eine Orientierungsstufe.
(2) Die Bildung der Kategorien erfolgt auf der Basis der Untersuchung von Kallenbach (1996) sowie aus dem Material heraus (Offenes Kodieren). Kallenbach untersucht in ihrer Studie subjektive Theorien vom Fremdsprachenlernen und führte halbstrukturierte leitfadenorientierte Interviews mit 17 Schülerinnen und Schülern. Außerschulische Erfahrungen sowie Lehrpersonen zählt sie zu den besonders relevanten Aspekten des Fremdsprachenlernens (vgl. auch den Beitrag in diesem Band).
(3) Vgl. zu diesem Begriff Trautmann (2005).
Literatur
Kallenbach, Christiane. (1996): Subjektive Theorien: Was Schüler und Schülerinnen über Fremdsprachenlernen denken. Tübingen: Gunter Narr Verlag.
Schütze, Fritz (1984): Kognitive Figuren des autobiographischen Stegreiferzählens. In M. Kohli & G. Robert (Hrsg.): Biographie und soziale Wirklichkeit. Stuttgart: J.B.Metzlersche Verlagsbuchhandlung, 78-117.
Trautmann, Matthias (2005): Überzeugungen vom Englischlernen. In Zeitschrift für Erziehungswissenschaften 1, 38-52.
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