Falldarstellung mit interpretierenden Abschnitten

(…)

Es soll exemplarisch eine jener Analysen, die im Rahmen des Forschungsprojektes bisher durchgeführt wurden, vorgestellt werden, die Analyse einer Episode aus einer Stunde im Fach Kunst an einer Integrierten Gesamtschule.[1] (…)

Die Analyse beschränkt sich nun auf den Arbeitsauftrag, der zu Beginn der Stunde gestellt wird. Dieses Vorgehen hat insofern eine gewisse Berechtigung, als Arbeitsaufträge im Unterricht stets von zentraler Bedeutung sind und den Verlauf des Unterrichts wesentlich beeinflussen. Hinzu kommt, dass der Arbeitsauftrag im vorliegenden Fall auf den ersten Blick nicht als besonders geschickt und pädagogisch gehaltvoll erscheint. Der Fall ist – anders gesprochen – kein leichter. Ja, er macht es zum einen notwendig, dass sehr kleinschrittig vorgegangen wird. Das ist insofern aber unproblematisch, als die Methode der objektiven Hermeneutik ein solches Vorgehen ja gerade verlangt. Zum anderen muss jedoch ein wesentliches Prinzip, dessen Befolgung laut der Methode der objektiven Hermeneutik eigentlich geboten ist, aufgegeben werden, das Prinzip, dass Texte linear interpretiert werden sollten.[2] (Die Darstellung der Analyse würde sonst zu unübersichtlich.) Stattdessen werden die relevanten Textstellen aus dem Kontext heraus genommen und sodann extensiv interpretiert.

Die Textstelle, mit der die Interpretation begonnen werden soll, lautet:

75 Lm: Und zwar (.) haben wir heute den Begriff (.)

Auf die verschiedenen Details dieser Äußerung soll hier nicht genauer eingegangen werden – das eine Erläuterung, eine Präzisierung ankündigende „und zwar“, das vergemeinschaftende „wir“, die Zeitangabe „heute“, mit der eine Abgrenzung von anderen Daten vorgenommen wird, das Verb „haben“ – vielmehr soll sofort das zentrale Moment dieser Äußerung aufgegriffen werden, nämlich dass offensichtlich ein „Begriff“ Gegenstand des Unterrichts sein soll. Dieses Moment gibt zu zwei Fragen Anlass: Zunächst ist – unabhängig von dem Kontext, in dem die Äußerung steht – zu fragen, worin die Bedeutung des Wortes „Begriff“ besteht. Also: Was ist ein Begriff? Im zweiten Schritt ist sodann der pragmatische Kontext zu berücksichtigen, also die Tatsache, dass die zu analysierende Äußerung im Kontext von Schule steht. Die zweite Frage lautet also: Was heißt es, genauer gesagt, was könnte es heißen, dass ein Begriff zum Gegenstand des Unterrichts gemacht wird?

Zu der ersten Frage ließe sich freilich viel sagen, hier sei nur kurz auf den „Brockhaus“ verwiesen, der erklärt, ein Begriff sei eine

„durch Abstraktion invarianter Merkmale gewonnene Vorstellung von Gegenständen, Eigenschaften und Relationen. (…) Der Begriff stellt den Gegenstand nicht in seiner anschaulichen Fülle, sondern nur in bestimmten Merkmalen dar.“[3]

Auf die zweite Frage soll etwas ausführlicher eingegangen werden. Begriffe können in unterschiedlicher Weise Gegenstand des schulischen Unterrichts sein: Im Ethikunterricht können philosophische Begriffe wie z.B. derjenige der „Gerechtigkeit“ oder der „Tugend“ zum Gegenstand gemacht werden, im Geschichtsunterricht kann z.B. der historische Begriff des „Absolutismus“ oder im Musikunterricht derjenige der „Sonate“ besprochen werden. In allen diesen Fällen geht es dann darum, dass entweder der „Inhalt“ eines Begriffes (im Sinne von der „Gesamtheit der im Begriff gedachten Merkmale“[4]) oder dessen „Umfang“ (die „Gesamtheit der Gegenstände, die ein Begriff bezeichnen kann“[5]) diskursiv geklärt wird (mit dem Ziel der „begrifflichen Erkenntnis“.) Von dieser Art der diskursiven Klärung eines Begriffs ist grundsätzlich zu unterscheiden, wenn etwa im Fach Musik Schüler dazu angehalten werden, mit bestimmten Instrumenten (z.B. Percussionsinstrumenten) eine Stimmung auszudrücken, die mit einem Begriff (z.B. dem der „Spannung“, der „Gelassenheit“ o.ä.) bezeichnet wird. Auch wenn z.B. im Sportunterricht im Rahmen einer Reihe zum Thema „Tanz“ die Schüler aufgefordert werden, eine bestimmte Körperhaltung oder Körperbewegung für einen vorgegebenen Begriff zu finden, so geht es nicht darum, dass ein Begriff diskursiv geklärt wird, vielmehr zielt eine solche Behandlung eines Begriffs darauf ab, für diesen eine Ausdrucksgestalt zu finden (mit Hilfe unterschiedlicher „Ausdrucksmaterialien“ und mit dem Ziel zu einer Art „sinnlicher Erkenntnis“ zu gelangen.)

Im Fach Kunst können nun Begriffe sowohl in der einen als auch in der anderen Art thematisch sein: Entweder kann der Unterricht darauf ausgerichtet sein, einen Begriff diskursiv zu klären – z.B. den Epochenbegriff „Expressionismus“ oder den technischen Begriff der „Perspektive“ oder ein Begriff ist insofern thematisch, als für diesen eine künstlerische Ausdrucksgestalt gefunden werden soll.

Wenn es um letzteres gehen sollte, was würde das bedeuten? Eine künstlerische Ausdrucksgestalt für einen Begriff zu finden setzt voraus, dass gewisse „Vorstellungen von Gegenständen, Eigenschaften und Relationen“ schon vorhanden sind, dass die Schüler bestimmte Merkmale mit einem Begriff verbinden, also ein gewisses „Wissen“ bereits besitzen. Darüber hinaus müssen Schüler sich aber auch dieses Wissen subjektiv angeeignet haben, sie müssen eine subjektive Vorstellung von bzw. ein subjektives Verhältnis zu dem Begriff haben, das sich sodann in einem künstlerischen „Werk“ verobjektivieren kann. Anders gesprochen, die künstlerische Produktion, die Aufgabe eine künstlerische Ausdrucksgestalt zu finden verlangt mehr als die bloße Reproduktion von Wissen, vielmehr setzt sie einen Verarbeitungsprozess, anders gesprochen, einen „Bildungsprozess“ voraus bzw. kann zum Medium eines Bildungsprozesses werden, in dessen Rahmen Schüler einen Teil ihrer Subjektivität in einem Objekt veräußerlichen.

IV

Um welchen Begriff soll es nun gehen?

76 Zärtlichkeit.

Der Begriff, den der Lehrer für die aktuelle Stunde vorgesehen hat, könnte sowohl auf die eine als auch auf die andere Weise behandelt werden: Der Begriff der „Zärtlichkeit“ könnte zum Gegenstand einer diskursiven Klärung gemacht werden, wenn er etwa als systematischer Begriff im Rahmen einer kunsthistorischen Betrachtung – z.B. „Zärtlichkeit“ in der Malerei des 19. Jahrhunderts – verwendet wird. Es ist aber auch vorstellbar, dass die Schüler dazu aufgefordert werden, eine künstlerische Ausdrucksgestalt für ihn zu finden. Im Folgenden wird sich zeigen, dass letzteres tatsächlich der Fall ist. Und es sind wieder verschiedene Fragen, die sich stellen: Zunächst ist wieder nach der allgemeinen Bedeutung des Begriffs zu fragen. Die erste Frage lautet also: Was ist überhaupt Zärtlichkeit? Sodann stellt sich die Frage, was der Begriff „Zärtlichkeit“ speziell für Schüler der Jahrgangsstufe 9 bedeutet. Mit Klafki gesprochen ließe sich sagen, dass es die Frage nach der Gegenwarts- und Zukunftsbedeutung der „Sache“ für die Schüler ist. Schließlich ist noch der Frage nachzugehen, warum der Lehrer ausgerechnet diesen Begriff für den Unterricht ausgewählt hat.

Auf die erste Frage soll wieder nur kurz eingegangen werden. Im Duden ist unter dem Stichwort „Zärtlichkeit“ von körperlichen Berührungen die Rede, von „Liebkosungen“, von „Küssen“ und „Umarmen“, aber auch von der Empfindung von Zärtlichkeit und von Blicken, in denen Zärtlichkeit liegt.[6] In jedem Fall beruht Zärtlichkeit auf Zuneigung. Sie kann sich in körperlichem Kontakt ausdrücken, der jedoch nie aggressiv, sondern immer durch Vorsicht und Rücksichtnahme gekennzeichnet ist. Zärtlichkeit ist – psychoanalytisch gesprochen – stets hoch sublimiert.

Die zweite Frage zu beantworten ist wesentlich schwieriger, ja, richtig beantworten lässt sie sich kaum, doch kann versucht werden, wenigstens grob auf sie einzugehen, indem gefragt wird, in welchen sozialen Beziehungen Zärtlichkeit auftauchen kann und wie Schüler der Jahrgangsstufe 9 eventuell dazu stehen. Grundsätzlich kann „Zärtlichkeit“ nämlich in verschiedenen intimen Beziehungen eine Rolle spielen: Der Umgang zwischen Eltern und ihrem Kind, speziell zwischen der Mutter und ihrem Kind, kann durch Zärtlichkeit geprägt sein. In den Liebkosungen kommt dann die Zuneigung, die die Eltern für ihr Kind empfinden, zum Ausdruck. Dies ist allerdings nur möglich, wenn das Kind klein ist und körperliche Kontakte zwischen Eltern und Kind noch unproblematisch sind. Mit zunehmendem Alter verliert die Beziehung zwischen Eltern und Kind an dieser körperlichen Dimension, die Beziehung wird abstrakter – was in der Pubertät so weit gehen kann, dass Jugendliche sich explizit gegen körperliche Kontakte verwehren. Sich allmählich von den Eltern ablösend empfinden sie die körperliche Zuwendung dann womöglich als einschränkend bzw. ihrem Alter einfach unangemessen. In dem Alter, in dem sich die Schüler, die hier unterrichtet werden, befinden, ist vermutlich „Zärtlichkeit“ im Verhältnis zwischen Eltern und Kind allenfalls in diesem negativen und sich abgrenzenden Sinne ein Thema. Stattdessen hat „Zärtlichkeit“ in einem anderen Kontext eine große Bedeutung gewonnen: dem der intimen Beziehungen zu Gleichaltrigen. Dieses Feld, in dem sich die Frage der Partnersuche und des Verhältnisses zur Sexualität stellt, ist in diesem Alter in hohem Maße brisant und aktuell – und die Frage stellt sich sofort, ob die Thematisierung dieses Feldes im Rahmen von Unterricht überhaupt möglich ist bzw. ob es nicht problematisch ist, wenn die Schüler dazu angehalten werden, sich im Unterricht zu Fragen zu äußern, die in so hohem Maße ihre persönliche Entwicklung betreffen, die so sehr ins „Private“ gehen.[7]

Im Rahmen dieses Feldes ist nun „Zärtlichkeit“ insofern von besonderer Bedeutung, als sie zwischen dem unkörperlichen Verliebtsein auf der einen Seite und dem unmittelbar sexuellen Kontakt auf der anderen Seite steht. Sie ist von der einen Seite aus gesehen sehr viel, etwas, das zu erreichen einige Jugendliche sich womöglich kaum vorzustellen wagen – ein Gegenstand unerfüllter Hoffnungen und Sehnsüchte. Von der anderen Seite aus gesehen ist sie „nicht alles“, ist gewissermaßen Vorstufe zu einer Art von Beziehung, die auch eine unmittelbar sexuelle Dimension hat.

Auf die dritte Frage, die Frage, warum der Lehrer speziell den Begriff der „Zärt-lichkeit“ für die aktuelle Stunde ausgesucht hat, kann nun mit der Vermutung geantwortet werden, dass er wahrscheinlich bewusst einen Begriff gewählt hat, der die Schüler eben „nicht kalt lässt“, sondern im Gegenteil aufgrund der Phase der psychosexuellen Entwicklung, in der diese sich gerade befinden, ein sehr „heißer“ ist. Hinzu kommt, dass der Lehrer davon ausgehen kann, dass die Schüler „irgendwie“ wissen, was „Zärtlichkeit“ ist und es ihm deswegen vielleicht nicht notwendig zu sein scheint, erst einmal im Unterrichtsgespräch den Bedeutungsgehalt dieses Begriffes zu explizieren.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Aufgabe eine künstlerische Ausdrucksgestalt für den Begriff „Zärtlichkeit“ zu finden durchaus eine bildende Wirkung haben, einen Bildungsprozess anstoßen kann. Es liegt nahe, hier im Sinne der didaktischen Analyse von Klafki von dem „Bildungsgehalt“ der Aufgabe zu sprechen, der eben darin besteht, dass die Schüler dazu aufgefordert werden bzw. die Möglichkeit erhalten ein subjektives Verhältnis zu einem zentralen Thema jener Entwicklungsphase, in der sie sich momentan befinden, zu gewinnen und dieses in einem „Werk“ zu verobjektivieren.

V

Die nächste Äußerung, die interpretiert werden soll, lautet:

54 Lm: Wir machen
55 jetzt wieder diese Übung.

Wieder möchte ich einige Facetten der herausgegriffenen Äußerung unberücksichtigt lassen. Nur kurz erwähnt sei, dass das „wieder“ darauf verweist, dass den Schülern die Vorgehensweise vertraut ist, sie nun zum wiederholten Maße praktiziert wird. Genauer eingegangen werden soll hier allein auf die Frage, was es heißt, wenn im Zusammenhang mit der Aufgabenstellung, die oben analysiert wurde, also der Aufforderung, für den Begriff der „Zärtlichkeit“ eine künstlerische Ausdrucksgestalt zu finden, von einer „Übung“ gesprochen wird. Dazu ist es erst einmal notwendig zu klären, was der Begriff der „Übung“ impliziert. Der Begriff setzt zum einen voraus, dass es etwas gibt, das geübt werden kann bzw. soll, und zum anderen, dass dasjenige, was geübt wird, (noch) nicht gekonnt wird (sonst wäre die Übung überflüssig.)

Sodann stellt sich die Frage, was denn der Gegenstand der Übung sein könnte. Zwei Antworten sind hier denkbar: entweder irgendwelche Mittel, die zur Lösung des Arbeitsauftrages angewendet werden sollen, oder die Erfüllung des Arbeitsauftrages selbst, genauer gesagt, die Suche nach einer künstlerischen Ausdrucksgestalt für irgendeinen Begriff. Dass es darum geht, dass die Verwendung irgendeines Mittels zur Lösung des Arbeitsauftrages geübt werden soll, ist nicht unwahrscheinlich, ist die vom Lehrer gestellte Aufgabe doch äußerst anspruchsvoll. Es wäre naheliegend, dass den Schülern didaktische Hilfestellungen gegeben, bestimmte Verfahren oder Techniken vermittelt werden, die nun geübt werden sollen. So könnte z.B. geübt werden, wie mit Hilfe eines bestimmten Verfahrens, etwa mit einem Assoziagramm, die Schüler versuchen können sich dessen bewusst zu werden, was sie mit einem Begriff verbinden. Oder es könnte eine bestimmte künstlerische Technik geübt werden, z.B. mit Farben bestimmte Stimmungen oder Gefühle zum Ausdruck zu bringen.

Die andere Möglichkeit besteht darin, dass die Erfüllung des Arbeitsauftrages selbst geübt wird. Dass der Lehrer davon spricht, es würde „wieder diese Übung“ gemacht, könnte dann so interpretiert werden, dass in der Vergangenheit schon (mindestens) ein Mal geübt worden ist, für einen Begriff eine künstlerische Ausdrucksgestalt zu finden und jetzt dieselbe Übung eben mit einem anderen Begriff durchgeführt werden soll.

Wenn das so ist, wenn die Übung also darin besteht, dass die Schüler künstlerische Ausdrucksgestalten für einen Begriff finden sollen, und wenn darüber hinaus den Schülern keine Mittel an die Hand gegeben werden sollten, mit denen sie den Arbeitsauftrag lösen können, so kann dies eigentlich nur unter der Prämisse geschehen, dass alle Schüler potentiell Künstler sind. Der Lehrer unterstellt, so lässt sich dieser Gedanke anders formulieren, dass alle Kinder „von Natur aus“ die Fähigkeiten, die zur künstlerischen Gestaltung notwendig sind – die Inspiration und die gestalterischen Mittel – besitzen. Sie benötigen keine Hilfestellungen, müssen nicht „an die Hand genommen werden“, um den Arbeitsauftrag zu lösen, weil sie prinzipiell dazu einfach in der Lage sind. Diese Vorstellung, die auch als „pädagogischer Optimismus“ bezeichnet werden könnte, kann sodann auf zwei diametral entgegengesetzte Weisen interpretiert werden: Zum einen kann sie als zynisch verstanden werden. Der Lehrer weiß ganz genau, dass die Schüler es eigentlich nicht können – denn sonst würde er ja nicht von einer „Übung“ sprechen -, er weiß, dass die Schüler überfordert sind. Sie haben nicht die Voraussetzungen um den Arbeitsauftrag lösen zu können und brauchen Hilfestellungen, aber da sie diese nicht bekommen, werden sie scheitern (zumindest etliche von ihnen.) Und indem die „Übung“ mehrfach wiederholt wird, machen die Schüler systematisch die Erfahrung des Versagens.

Zum anderen kann der „pädagogische Optimismus“ aber auch als in hohem Maße erzieherisch bedeutsam verstanden werden. Indem der Lehrer in die Fähigkeiten der Schüler vertraut, indem er so tut „als ob“, eben als ob sie bereits Künstler wären, setzt er auf die Mündigkeit der Schüler, auf ihre Eigenständigkeit, Unabhängigkeit (von erziehenden Personen) und zwar speziell auf dem Gebiet der künstlerischen Produktion. Freilich ist diese Art der Erziehung sehr riskant. Gemildert wird das Risiko allein dadurch, dass die Erfüllung des Arbeitsauftrages eben als „Übung“ begriffen wird, es also immer wieder neu eine Chance gibt, das Ziel zu erreichen. Und mit der Bezeichnung der Arbeit als „Übung“ ist auch verbunden, dass, wenn diese Arbeit misslingen sollte, es keine gravierenden Konsequenzen für die Schüler hat. Der „Ernstfall“ würde erst eintreten, wenn nicht mehr geübt, sondern das „Können“ geprüft wird, etwa im Rahmen einer Klassenarbeit.

VI

Vom Standpunkt jener Unterrichtsforschung, wie sie Gruschka in seiner „Vorstudie“ konzipiert hat, lässt sich sagen, dass zwei Dimensionen des Arbeitsauftrages bereits herausgearbeitet worden sind: die Dimension der Bildung und diejenige der Erziehung. Wenn die Interpretation zutrifft, wenn dasjenige, was an Möglichkeiten in dem Arbeitsauftrag liegt, tatsächlich sich entfalten kann, dann ist der Arbeitsauftrag in hohem Maße pädagogisch bedeutsam. Vom Standpunkt der didaktischen Analyse Klafkis aus gesehen ließe sich die pädagogische Bedeutung dadurch begründen, dass der Arbeitsauftrag – wie gezeigt – einen Gegenwartsbezug hat (und natürlich auch einen Zukunftsbezug, da das Thema „Zärtlichkeit“ für die Schüler letztlich ihr ganzes Leben lang relevant sein wird.) Worin die exemplarische Bedeutung des Arbeitsauftrages besteht, ist jedoch schwieriger zu sagen: Das Exemplarische könnte zum einen darin gesehen werden, dass der Begriff „Zärtlichkeit“ exemplarisch für andere Begriffe steht. Es wurde ja bereits die Vermutung geäußert, dass er nur einer von mehreren Begriffen ist, zu denen die Schüler eine künstlerische Ausdrucksgestalt finden sollen. Zum anderen könnte der künstlerische Schaffensprozess, der durch den Arbeitsauftrag angestoßen werden soll, als exemplarisch für das künstlerische Schaffen überhaupt betrachtet werden. In diesem Sinne wurde er oben interpretiert – und dabei darauf hingewiesen, dass er sowohl in der Dimension der Bildung als auch in derjenigen der Erziehung äußerst anspruchsvoll ist.

Auch die Frage, worin denn die inhaltliche Struktur des Arbeitsauftrages besteht, ist schwer zu beantworten: Zwar lässt sich – wie oben geschehen – Allgemeines zu dem Begriff der Zärtlichkeit sagen, doch setzt der Arbeitsauftrag letztlich darauf, dass die Schüler den Begriff selbst inhaltlich füllen – und ihre inhaltlichen Vorstellungen sodann in einem Kunstwerk verobjektivieren.

Die Analyse wird sich im Folgenden auf die dritte Dimension beziehen, die laut Gruschka im Unterricht immer präsent ist: auf diejenige der Didaktik. Der Arbeitsauftrag wird nämlich nicht den Schülern ohne Kommentar gestellt, ohne dass weitere Erklärungen zu ihm gegeben werden – was durchaus möglich gewesen wäre. Vielmehr wird er didaktisch gerahmt und zwar in mehrfacher Hinsicht:

  1. Der Arbeitsauftrag wird zunächst begründet.
  2. Dann werden bestimmte Bedingungen gesetzt, unter denen der Arbeitsauf-trag erfüllt werden soll.
  3. Schließlich wird eine Hilfestellung gegeben, wie der Arbeitsauftrag gelöst werden kann.

a.

In Reaktion auf die ersten Schülerkommentare zu der bevorstehenden „Übung“ erklärt der Lehrer:

16 Lm: Das ist eine ganz (.) tolle Sache.

Was bedeutet es, dass der Lehrer den von ihm gestellten Arbeitsauftrag bzw. die Arbeit an ihm als eine „ganz tolle Sache“ bezeichnet? Seine Formulierung kann m.E. in zweierlei Hinsicht interpretiert werden: Zum einen legt sie die Vermutung nahe, dass die Aufgabe, deren Erfüllung der Lehrer von den Schülern verlangt, eventuell nicht im Lehrplan vorgesehen ist. Wäre sie in ihm enthalten, so könnte der Lehrer sich nüchtern auf diesen berufen. (Themen, die standardmäßig Gegenstand des Unterrichts sind, als „ganz tolle Sache“ zu bezeichnen, wirkt unangemessen, etwas übertrieben.) Zum anderen könnte diese Formulierung ein Hinweis darauf sein, dass es Argumente, die allen Schülern einsichtig machen könnten, warum sie den Arbeitsauftrag erfüllen sollen, womöglich aus der Sicht des Lehrers gar nicht gibt. Statt auf eine rationale didaktische Begründung scheint der Lehrer darauf zu setzen, dass, wenn er selbst sich als von der Sache überzeugt, ja, begeistert zeigt, diese Begeisterung auf die Schüler überspringt, er sie also mitzureißen vermag.

16 Ihr habt da
17 spitzenmäßige (.) Ergebnisse, äh, produziert hier.

Auch diese Formulierung ist für den normalen, nüchternen schulischen Alltag ungewöhnlich. Z.B. können bei der Rückgabe einer Klassenarbeit die Ergebnisse gelobt werden, sie als „spitzenmäßig“ zu bezeichnen wäre aber auch dann unangemessen, wenn die Arbeit sehr gut ausgefallen ist. Die Bezeichnung „spitzenmäßig“ wird aber außerhalb der Schule häufig verwendet, und zwar wenn es darum geht, bestimmte Leistungen als besonders hervorstechend herauszustellen, oder wenn etwas als außeralltäglich inszeniert werden soll (z.B. im Fernsehen.) Indem der Lehrer die Ergebnisse eines bestimmten Typus von Aufgabenstellung emphatisch, überschwänglich lobt, setzt er darauf, die Schüler zur Erfüllung eines Arbeitsauftrages desselben Typus (aber mit einem anderen Inhalt) motivieren zu können.

17 die
18 wir uns irgendwann mal alle zusammen angucken werden.

Hier fragt sich, worauf das „alle zusammen“ sich bezieht – auf die Klasse mit dem Lehrer oder auf die Ergebnisse (in Form von Bildern)? Beide Lesarten sind möglich. Klar ist: Der Lehrer verspricht der Klasse, dass sie sich zusammen – einige oder alle – Bilder anschauen werden. Widersprüchlich ist jedoch, dass der Lehrer den Schülern einerseits dieses konkrete Versprechen gibt, andererseits das Datum der Einlösung des Versprechens völlig unbestimmt lässt. „Irgendwann“ kann in der nächsten Zeit, kann aber auch am Sankt-Nimmerleins-Tag sein. Völlig unklar ist, was mit den Bildern in der Zwischenzeit passiert. Vorstellbar wäre zum einen, dass die Schüler sie behalten und womöglich mit nach Hause nehmen – und eben „irgendwann“ für eine gemeinsame Betrachtung wieder mit in die Schule bringen. Zum anderen ist aber auch denkbar, dass die Bilder, die „spitzenmäßigen Ergebnisse“ vom Lehrer eingesammelt werden. Wenn das zutrifft, so könnte dies ein Stück weit eine Reserve der Schüler gegenüber diesem „Projekt“ bedingen: Im normalen, alltäglichen Unterricht erarbeiten Schüler ein Produkt, das womöglich vorübergehend von der Lehrperson eingesammelt wird (eventuell um es zu benoten), das sie aber letztlich als ihr Eigentum betrachten und behalten können. In diesem Fall aber könnte es sein, dass die Schüler der Ergebnisse ihrer Arbeit vollständig enteignet werden. Angesichts dessen wird es nun notwendig, ihnen wenigstens zu versprechen, dass sie diese „irgendwann“ wieder zu Gesicht bekommen werden – ob diese dann auch ausgehändigt werden und die Schüler sie behalten dürfen, bleibt offen.

19 Wo ich so mal eine Sammlung von den, von den Highlights
20 zusammenstelle.

Klar ist jetzt: Der Lehrer will den Schülern nicht alle Ergebnisse „irgendwann“ präsentieren, sondern nur „eine Sammlung“, die er selbst zusammengestellt hat. In diese Sammlung kommen die „Highlights“. Dieser Begriff passt noch weniger in den schulischen Alltag als der der „spitzenmäßigen Ergebnisse“.[8]

Beide Formulierungen – die Rede von den „spitzenmäßigen Ergebnissen“ und diejenige von den „Highlights“ – stehen in einer gewissen Spannung zueinander. Auf Nachfrage würde der Lehrer gewiss antworten, dass letztlich alle Bilder „spitzen-mäßig“ sind und die „Highlights“ aus der Menge der „spitzenmäßigen Ergebnisse“ herausragen. Die Rede von den „Highlights“ impliziert jedoch, dass der „Rest“ eben nur dürftige Mittelmäßigkeit oder einfach schlecht ist.

Dass der Lehrer von einer „Sammlung“ von „Highlights“ spricht, könnte dadurch motiviert sein, dass er hofft, unter den Schülern könnte ein Wettbewerb um einen Platz in der Sammlung der „Highlights“ entstehen – so dass die Erfüllung des Arbeitsauftrages einen zusätzlichen Reiz gewinnt.

b.

Es sind zwei Bedingungen, unter denen die Schüler den Arbeitsauftrag ausführen sollen. Die erste geht aus folgender Formulierung des Lehrers hervor:

8 Ich teile euch wieder ein
9 DIN A4-Blatt aus.

Diese Vorgehensweise ist in mehrfacher Hinsicht merkwürdig: Zum einen ist normalerweise davon auszugehen, dass die Schüler die für den Unterricht not-wendigen Materialien selbst mitbringen – zumindest im Hinblick auf Papier lässt sich das wohl sagen. Zum anderen ist das Format der Blätter, die der Lehrer austeilen will, für den Kunstunterricht eher ungewöhnlich: In der Regel wird im Kunstunterricht mit Papier im Format DIN A3 gearbeitet. Hinzu kommt schließlich, dass der Lehrer offensichtlich an jeden Schüler nur ein Blatt verteilen will.

Dass der Lehrer die Blätter, die benutzt werden sollen, austeilt, könnte damit zusammenhängen, dass er sie schließlich auch wieder einsammeln will – um am Ende des Übungsprozesses den Schülern eine Auswahl präsentieren zu können. (Und zum Einsammeln ist das DIN A4- Format besser geeignet als das größere DIN A3-Format.)

Für den Arbeitsprozess der Schüler ist die Tatsache, dass sie mit einem kleineren Blatt arbeiten müssen, weniger konsequenzenreich als diejenige, dass sie nur ein Blatt erhalten. Denn das hat zur Folge, dass sie keine Vorstudien anfertigen, nicht verschiedene Dinge erst einmal ausprobieren können, sondern sich vorweg alles so gut überlegen und sich ihrer gestalterischen Möglichkeiten so sicher sein müssen, dass sie sofort zu einer endgültigen, fertigen Ausdrucksgestalt gelangen.

Hinzu kommt eine andere, noch viel weiter gehende restriktive Bedingung, die der Lehrer folgendermaßen formuliert:

121 Lm: Wie immer (.) heute sechs Minuten Zeit.

Zwei Lesarten sind denkbar: Entweder der Lehrer bricht nach den ersten zwei Wörtern ab und es hätte z.B. heißen können: „Wie immer verwenden wir auf diese >Übung< nur einige wenige Minuten Zeit. (Nur) heute sollen es sechs Minuten sein.“ Oder die Äußerung ist als Einheit zu sehen: Für die Übung sind immer nur sechs Minuten vorgesehen. Dann ist es allerdings fraglich, warum der Lehrer von „heute“ spricht. Diese Zeitangabe veranlasst zu dem Schluss, dass die Zeit für diesen Typus von Aufgabenstellung immer stark begrenzt ist, die Begrenzung auf sechs Minuten aber eben nur für die aktuelle Stunde gilt.

Beide Bedingungen – dass den Schülern nur ein Blatt zur Verfügung gestellt wird und dass sie in sechs Minuten mit ihrer Arbeit fertig sein sollen – sind dermaßen restriktiv, dass durch sie die Möglichkeit der Erfüllung des Arbeitsauftrages tendenziell in Frage gestellt wird. Kann unter diesen restriktiven Bedingungen der Bildungsprozess, der – wie die Analyse zu zeigen versucht hat – durch den Arbeitsauftrag angestoßen werden könnte, überhaupt stattfinden, und kann unter diesen Bedingungen das erzieherische Zutrauen in die Mündigkeit der Schüler auf dem Gebiet der künstlerischen Praxis seine Wirkung überhaupt entfalten? Ist es nicht absehbar, dass unter diesen Bedingungen die Arbeit der Schüler scheitern muss, dass sie allenfalls dazu in der Lage sein werden, klischeehafte Vorstellungen von Zärtlichkeit bildlich darzustellen?

Wenn dem so ist, wenn durch diese restriktiven Bedingungen es verunmöglicht oder zumindest deutlich erschwert wird, dass die Schüler eine gelungene künstlerische Ausdrucksgestalt für den Begriff Zärtlichkeit finden, was könnten dann die Gründe dafür sein, dass der Lehrer diese setzt? Geht er tatsächlich davon aus, die den Schülern unterstellte Künstlerschaft könne unter diesen restriktiven Bedingungen irgendwie „herausgepresst“ werden, durch einen solchen externen Druck könne das künstlerische Potential der Schüler freigesetzt werden? Anzunehmen ist eher, dass es viel einfachere, dem schulischen „Betrieb“ geschuldete Gründe sind: Es wurde bereits die Vermutung geäußert, dass diese „Übung“ nicht im Lehrplan vorgesehen ist. Es ist also denkbar, dass der Lehrer die Unterrichtsstunde, die er mit der Klasse zu halten hat, in zwei Teile teilt: In den ersten ca. 10 Minuten wird die „Übung“ gemacht, die nicht im Lehrplan vorgesehen ist, die restlichen 35 Minuten findet Unterricht „nach Plan“ statt. Die Vermutung liegt nahe, dass diese Zweiteilung einer grundsätzlichen Dichotomie entspricht, der Vorstellung von dem freien künstlerischen Schaffen auf der einen Seite, das nicht reglementiert werden darf und in dem sich ohne jede didaktische Hilfestellung das in jedem Menschen angelegte künstlerische Potential entfalten kann und soll. Und auf der anderen Seite steht das heteronome, didaktisierte schulische Arbeiten, das sich den Anforderungen und den Gepflogenheiten des schulischen Betriebs unterwerfen muss. Vor dem Hintergrund dieses dichotomen gedanklichen Konzepts kann das Arrangement, das der Lehrer für die hier analysierte Episode geschaffen hat, als ein Kompromiss gedeutet werden, als ein Kompromiss zwischen der Anmutung von Künstlertum und den Bedingungen des schulischen Betriebs.

c.

Dass das Arrangement einen Kompromiss darstellt, zeigt sich auch an jener letzten Bemerkung, auf die schließlich noch eingegangen werden soll:

84 Lm: Ein Wesen, wenn ihr das so nicht (wirklich ausdrücken
85 wollt) oder (.) zwei Wesen.

Wichtig ist hier erst einmal der Einschub, denn er macht deutlich, dass dem Lehrer zwei Möglichkeiten der Erfüllung des Arbeitsauftrages vorschweben: Der Begriff „Zärtlichkeit“ kann entweder figurata ausgedrückt werden und zwar mit einem oder zwei Wesen – wie es auch an anderer Stelle heißt:

69 Dass ihr das (.) entweder mit einem Wesen oder (.) mit
70 zwei Wesen, die sich aufeinander beziehen (.) macht.

Oder der Begriff wird nicht figurativ ausgedrückt – und das heißt, so offensichtlich die Vorstellung des Lehrers, ihn „wirklich ausdrücken“. Diese Formulierung lässt erkennen, dass die figurative Darstellung nicht diejenige ist, die der Lehrer sich eigentlich wünscht. Lieber sähe er es, wenn die Schüler den Begriff nicht figurativ, also abstrakt darstellen würden, denn das – so lässt sich vermuten – kommt dem, was Zärtlichkeit „wirklich“ bedeutet, näher. Genauer gesagt, eigentlich lässt sich – so impliziert die Formulierung „wirklich ausdrücken“ – der Begriff „Zärtlichkeit“ gar nicht figurativ darstellen. Eine „wirkliche“ Darstellung müsste abstrakt sein. Warum spricht der Lehrer dann aber von der Darstellung „mit einem Wesen oder (.) mit zwei Wesen“, warum legt er den Schülern eine figurative Darstellungsweise nahe? Es ist zu vermuten, dass der Lehrer diese Hilfestellung gibt, weil er befürchtet, die Schüler könnten mit dem Arbeitsauftrag nicht zurecht kommen oder womöglich sogar gegen ihn protestieren. Das aber heißt, dass er sich letztlich widersprüchlich verhält: Auf der einen Seite wagt er es, die Schüler mit einer äußerst anspruchsvollen Aufgabe zu konfrontieren, auf der anderen Seite gibt er ihnen einen Hinweis, wie diese anspruchsvolle Aufgabe auf relativ simple Weise gelöst werden könnte.

VII

Wie lassen sich die Ergebnisse der Analyse des Arbeitsauftrages zusammenfassen? Zum einen wurde – hoffentlich plausibel – gezeigt, dass und wie die drei Di-mensionen, die für Unterrichtsforschung, soll sie eine „pädagogische“ sein, nach Gruschka „untersuchungsleitend“ sein sollen, in dem konkreten Fall präsent sind. Zum anderen wurde deutlich, dass, wenn auf diese Weise Unterricht analysiert wird, auch die Fragen der didaktischen Analyse von Klafki implizit beantwortet werden. Zuletzt geschah dies in Bezug auf die Frage der Zugänglichkeit. Zugänglich wurde den Schülern der Arbeitsauftrag dadurch gemacht, dass er „begründet“ wurde, dass Bedingungen genannt wurden, unter denen er erfüllt werden soll und Hilfestellungen geboten wurden, wie der Arbeitsauftrag gelöst werden kann. Es zeigte sich aber, dass die Zugänglichkeit, dass also dasjenige, was für Gruschka die didaktische Dimension im engeren Sinne ausmacht, hoch problematisch ist, dass – um mit Gruschka zu sprechen – die drei Dimensionen der Bildung, der Erziehung und der Didaktik in dem vorliegenden Fall in einem Spannungsverhältnis stehen und zwar dergestalt, dass die Dimension der Didaktik bzw. die Konzession an den „schulischen Betrieb“ dasjenige, was in dem Arbeitsauftrag als Möglichkeit angelegt ist, seine bildende und seine erzieherische Wirkung, seinen „Bildungsgehalt“ tendenziell negiert. Vor dem Hintergrund weiterer Analysen des Forschungsprojektes stellt sich die Frage, ob das Ergebnis, zu dem die Analyse dieser kurzen Episode gekommen ist – die Feststellung der Problematik der Didaktik bzw. der Präparierung der „Sache“ um sie „zugänglich“ zu machen, singulär ist oder ob nicht das hier präsentierte und analysierte Beispiel insofern „exemplarisch“ ist, als dies häufig der Fall ist – und eben häufig die Didaktik der Möglichkeit einer bildenden und erzieherischen Wirkung von Unterricht im Wege steht.[9] Es ist zu hoffen, dass das Forschungsprojekt diesbezüglich eine Klärung bringen wird.

Fußnoten:

[1] Im Gegensatz zu fast allen anderen Unterrichtsstunden, die im Rahmen des Forschungsprojektes untersucht werden, ist die vor-liegende eine, die nicht in der Jahrgangsstufe 8, sondern in der Jahrgangsstufe 9 stattgefunden hat (weil Unterricht im Fach Kunst laut dem Hessischen Lehrplan für die Jahrgangsstufe 8 nicht vorgesehen ist.)

[2] Siehe Wernet, Andreas, Einführung in die Interpretationstechnik der objektiven Hermeneutik, Opladen 2000. Dem Prinzip der Linearität ist jedoch in vor-angegangenen Interpretationen entsprochen worden: einer Interpretation im Rahmen der Forschungsgruppe, die seit einiger Zeit regelmäßig am Institut für die Pädagogik der Sekundarstufe der JWG-Universität in Frankfurt am Main tagt, und in einer ersten schriftlichen Ausarbeitung einer Interpretation durch den Verfasser.

[3] Brockhaus. Die Enzyklopädie, Bd 3, Leipzig Mannheim 1996, S. 32.

[4] Ebda.

[5] Ebda.

[6] Siehe: Duden. Das große Wörterbuch der deutschen Sprache in sechs Bänden, Bd. 6, Mannheim Wien Zürich 1981, S.

[7] Etwas Anderes ist es, wenn über ein solches Thema – etwa im Rahmen von Ethikunterricht – diskutiert wird. Dann kann, wer sich dazu nicht äußern will, Zurückhaltung üben. Andere, denen es nichts ausmacht, können zu Wort kommen und Dinge aussprechen, über die zu reden ihre Mitschüler sich vielleicht schämen. Diese Mitschüler können nun von dem Unterrichtsgespräch profitieren, insofern sie Anregungen zum Nachdenken über sich selbst erhalten. In dem vorliegenden Beispiel aber ist jede/r Schüler/in dazu aufgefordert, sich zu dem Begriff „Zärtlichkeit“ zu äußern.

[8] Auch die beste Klassenarbeit würde kein Lehrer unter normalen, alltäglichen Bedingungen als ein „Highlight“ bezeichnen.

[9] Diese skeptische Haltung gegenüber der Didaktik ist in den Schriften von Gruschka an verschiedenen Stellen zu finden. Z.B. Gruschka, Andreas, Kritische Pädagogik nach Adorno, in: Ders. (Hrsg.), Die Lebendigkeit der kritischen Gesellschaftstheorie. Dokumentation der Arbeitstagung aus Anlass des 100. Geburtstages von Theodor W. Adorno, 4. – 6. Juli 2003 an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main, Wetzlar 2004, S. 135-160.

Mit freundlicher Genehmigung des Peter Lang Verlages
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