Hinweis – Der Fall kann gemeinsam gelesen werden mit:

Einleitende Bemerkungen

[…] An unseren Forschungen, über die wir hier sehr selektiv berichten, wirkten Jugendliche im Alter von 11 bis 17 Jahren mit. Die Teilnehmer besuchten zum Zeitpunkt der Untersuchung unterschiedliche Schultypen. Im Folgenden beziehen wir uns auf eine einzige Gruppendiskussion, die im März 2000 von drei Gymnasiastinnen und einem Gymnasiasten im Alter von 13 bzw. 14 Jahren bestritten wurde. Die Diskussion fand in einem Raum einer katholischen Gemeinde statt, aus deren Jugendgruppe die Forschungspartner rekrutiert wurden. Zur Teilnahme meldeten sich die Jugendlichen freiwillig, als sie im Rahmen eines ihrer Treffen von dem Diskussionsleiter gefragt wurden, ob sie Lust hätten, sich zu je vier Diskutanden an einem Gruppengespräch zum Thema „Geschichte“ zu beteiligen. Die Teilnehmer besuchten damals die achte Klasse derselben Schule einer mittelgroßen Stadt im Südwesten Deutschlands. […]

Falldarstellung mit interpretierenden Abschnitten

 

Karin: Mein Bruder findet Winnetou so toll. Dann hab ich das mal gelesen, das war alles Schwachsinn. Der war nie bei Indianern und will dann
schreiben wie das da mal früher war.“ (Z.1199-1202)

Die Rolle literarischer Darstellungen wird in der gesamten Diskussion mehrfach erörtert. Dabei wird ein Unterschied gemacht zwischen literarischen Dramatisierungen, die lediglich auf Spannungseffekte aus sind, und solchen Darstellungen, denen, auch wenn sie spannend zu lesen sind, durch ihre erzählerische Plausibilität ein gewisser Realitätsgehalt zugesprochen werden kann. Dass ein Realitätsgehalt zugesprochen werden kann, hängt nicht zuletzt davon ab, welche Autorität man dem Autor eines Buches zuschreiben kann. Im Falle von Karl May etwa sind sich die Diskussionsteilnehmer, wenn auch nicht über den rein literarischen Gehalt seiner Romane, doch zumindest in Karins Urteil einig. Wer die Indianer, über die er so viel zu wissen vorgibt, noch nicht einmal gesehen hat, dem muss man die Kompetenz, darüber wirklichkeitsgetreu schreiben zu können, bestreiten. (Die im Vergleich mit geschichtstheoretischen Standards auffällige Naivität des in der Gruppe formulierten Konzepts der Zeugenschaft bleibt unthematisiert.)

Mit freundlicher Genehmigung des Forums Qualitative Sozialforschung.
http://www.qualitative-research.net/index.php/fqs/article/view/904
 

Nutzungsbedingungen:
Das vorliegende Dokument ist ausschließlich für den persönlichen, bzw. nicht-kommerziellen Gebrauch bestimmt – es darf nicht für öffentliche und/oder kommerzielle Zwecke außerhalb der Lehre vervielfältigt, bzw. vertrieben oder aufgeführt werden. Kopien dieses Dokuments müssen immer mit allen Urheberrechtshinweisen und Quellenangaben versehen bleiben. Mit der Nutzung des Dokuments werden keine Eigentumsrechte übertragen. Mit der Verwendung dieses Dokuments erkennen Sie die Nutzungsbedingungen an.