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Falldarstellung
„Daß du nicht getroffen hast, ist nich so wichtig.“
Basketball in einer 5. Klasse. Der Lehrer versammelt die Schülerinnen und Schüler, die zuvor mehrere Dribbelübungen ausgeführt haben. Die Schülerinnen und Schüler setzen sich am Mittelkreis; ihre Bälle haben sie vor sich auf dem Boden.
L: Gut, klappt gut. Ich denke, ihr habt ’ne ganze Menge schon da gelernt, wie wir den Ball unter Kontrolle halten. Nächste Übung. Hei-, nee, Benjamin, ne? Benjamin, wir haben ja viele Spitzenspieler, unter anderem Benjamin. Benjamin, ob du mal einmal auf den Korb zuläufst und mal kuckst… und wir kucken mal, wie schön er den Korb macht oder was er dabei falsch macht. Nich‘ so wichtig, daß ihr trefft, aber daß ihr abspringt. Ihr erinnert euch an den Absprung. Erinnert ihr euch? Entweder (zeigt das Abstoppen nach dem Dribbling mit Parallelstellung der Füße) hopp. Oder: (zeigt den Schrittstop). Aber keine drei, vier Schritte. Wir dürfen ja nur zwei Kontakte machen. Und das muß klappen. Ball unter Kontrolle – prellen, prellen, prellen, (zu Benjamin) Kommst du mal hoch.
Benjamin steht auf und wartet auf seinen Einsatz.
L: (zu Benjamin) Machste einmal vor. (Benjamin läuft los.) Du darfst dir die Seite aussuchen. (Benjamin stoppt und beginnt von vorne.) Jetzt.
Benjamin zeigt keinen Stop mit anschließendem Wurf, sondern einen Korbleger von der linken Seite. Er trifft den Korb nicht.
L: (während Benjamin den Korbleger zeigt) Schön prellen, uuund… Jaaa. Machste noch mal von der anderen Seite, bitte? Also.
Benjamin läuft von rechts an, springt wieder mit dem rechten Bein zum Korbleger ab und verfehlt auch diesmal den Korb, weil er zu weit unter den Korb gelaufen ist.
L: (währenddessen) und… hopp. Was kann er noch besser machen? Daß du nicht getroffen hast, ist nich‘ so wichtig. Was kannst du besser machen? Sag selbst.
B.: Also, nich‘ so weit laufen.
L: Ja, nich‘ so weit laufen. Aber?
S: Vorher abspringen.
L: Ja, nich‘ so dicht unter den Korb. Und denn kannst du mal hoch springen. Du willst doch möglichst nah an dem Korb sein. Dann ist der Weg zum Korb ja kleiner (streckt sich in die Höhe). Teilt euch mal – den Korb lassen wir aus, der is doof (zeigt auf einen Korb). Wir haben fünf Körbe, ungefähr fünf, sechs Leute unter einen Korb. (Die Kinder wollen loslaufen.) Stop, stop, stop, stop, stop. Wir laufen tatsächlich ungefähr von der Mitte an, prellen den Ball, und denn versucht ihr mal rechts, links, Mitte. Los, auf geht’s.
Die Schülerinnen und Schüler verteilen sich auf die Körbe. Sie üben teilweise den Korbleger und teilweise Sprungwürfe nach einem Anlauf.
Interpretation
Erste Auslegung
Was bezweckt der Lehrer damit, einen Schüler die Bewegung vorführen zu lassen? Erreicht er diesen Zweck? Wieso darf sich Benjamin die Seite zuerst aussuchen, wenn der Lehrer ihn danach auffordert, es noch einmal von der anderen Seite aus vorzuführen? Ist die Korrektur gerechtfertigt? Ist sie sinnvoll? Wie könnte man sonst Vorgehen?
Gehen wir erst einmal davon aus, daß der Lehrer Bewegungslösungen zu dem Problem „Ich dribble mit dem Ball auf den Korb zu und will oh- ne Unterbrechung werfen“ vermitteln will. Dazu deutet er bei seiner Ansage zwei Möglichkeiten an: den Sprungwurf nach einem Parallelstop mit beiden Füßen oder den Korbleger. Wichtig sei, hebt er hervor, daß man nicht mehr als die zwei regelgerechten Bodenkontakte habe. Es geht also darum, unter Einhaltung der internationalen Basketballregeln aus der Fortbewegung einen Korb zu erzielen. Andererseits kommt es dem Lehrer gar nicht auf den Korberfolg an, sondern darauf, daß die Kinder abspringen. Vermutlich liegt dem die Idee zugrunde, daß man sich damit gegen einen verteidigenden Spieler durchsetzen kann. Nachdem der Lehrer seine – recht vagen – Vorstellungen von Korbleger bzw. Sprungwurf dargestellt hat, läßt er „es“ nun Benjamin vormachen. Eigentlich ist es erstaunlich, daß Benjamin genau zu wissen scheint, was er vormachen soll – schließlich hat der Lehrer ihm nicht gesagt, ob es nun der Korbleger oder der Sprungwurf sein soll. Benjamin zeigt sowohl beim ersten als auch beim zweiten Versuch einen Korbleger. Einen Sprungwurf bekommen die Schülerinnen und Schüler nicht zu sehen, obwohl der Lehrer zwei Bewegungslösungen zur Wahl gestellt hat.
Trotz des diffusen Sollwerts hält der Lehrer aber an einem Bewegungsmerkmal fest, nämlich, daß der Sprung zum Wurf hoch sein solle. Da Benjamins Korbleger dieses Kriterium nicht erfüllt, korrigiert der Lehrer. Vorausgesetzt, es gäbe hier einen klaren Sollwert und das Vormachen hätte tatsächlich eine Funktion, dann wäre eine Korrektur durchaus folgerichtig. Eine Bewegungsdemonstration sollte schon die wichtigsten Bewegungselemente vorbildlich zeigen. Insofern hat die Korrektur des Lehrers eine gewisse Berechtigung. Allerdings kann man in Frage stellen, ob sie sinnvoll ist. Der Korbleger ist eine resultatorientierte Bewegung – es geht nicht darum, ihn besonders schön auszuführen, sondern den Korb zu treffen. Im Spiel kommt er zum Einsatz, wenn ein Spieler allein mit dem Ball auf den Korb zuläuft. Nun ist es für erwachsene Leistungsspieler in der Tat günstig, wenn sie zum Wurf möglichst nahe am Korb sind, also möglichst hoch springen. Einmal, weil die Schwierigkeit des Treffens mit geringerer Distanz abnimmt und dann auch, weil die Gegenspieler weniger Chancen haben, den Angreifer am Wurf zu hindern. Soweit die Logik des Leistungs-sports, der auch der Lehrer in diesem Fall folgt. Nun sind es aber Kinder der fünften Klasse, die hier eine solche Bewegung lernen sollen. Selbst wenn sie so hoch springen, wie sie es in ihrem Alter und bei ihrer Körpergröße können, werden sie die Distanz zum Korb nur unwesentlich verringern. Wichtiger ist, wie sie zum Korb stehen. Benjamin schätzt da seine Bewegung durchaus gut ein: da er zu nahe, schon fast unter dem Korb abgeworfen hat, konnte er nicht treffen. Seine Korrektur, er dürfe „nich‘ so weit laufen“, ist, um das Bewegungsziel eines Korberfolgs zu erreichen, wesentlich sinnvoller als die Forderung des Lehrers. Mit seiner Korrektur hat der Lehrer gegen mindestens zwei Normen verstoßen: „Korrigiere den Hauptfehler zuerst“ (hier die ungünstige Stellung zum Korb) und „Korrigiere mit einem realistischen Ziel“ (das geforderte hohe Springen werden die Kinder kaum erfüllen können). Zudem könnte noch ein dritter Leitsatz angeführt werden, nämlich „Korrigiere individuell“, insofern als der Lehrer kaum auf Benjamins tatsächliche Bewegungsausführung achtet, sondern auf nur auf das Bewegungsmerkmal, das er schon in seiner Ansage angemahnt hatte. Schließlich steht der Fehler nicht einmal in kausalem Verhältnis zum Korberfolg, so daß es fraglich ist, ob die Schülerinnen und Schüler den Fehler einsehen können (vgl. Norm in WOLTERS 1999). Wie diese „Normenkonkurrenz“ aufzulösen ist oder unter welchem Gesichtspunkt vielleicht alle genannten Normen zusammenspielen können, soll die zweite Auslegung zeigen.
Lösungsmöglichkeiten [1]
Zunächst lasse ich einmal außer acht, daß der Sollwert, möglichst hoch zu springen, für Kinder dieses Alters wenig Bedeutung für ihren Korberfolg hat. Erstens müßte der Lehrer Benjamin eindeutig sagen, was er genau vormachen soll. Um sicherzustellen, daß beim Vormachen auch das zu beobachten sein wird, worauf es dem Lehrer ankommt, hätten allerdings auch andere Mittel des Vorzeigens zum Einsatz kommen können. So hätte der Lehrer den Korbleger oder den Sprungwurf selbst vormachen oder eine Bildreihe zeigen können.
Hält man dagegen für wichtiger, von wo aus der Wurf erfolgt, dann müßte man anders vorgehen. Es wäre z.B. ein Erkundungsauftrag denkbar, bei dem die Kinder herausfinden sollen, bei welchem Abstand und welchem Winkel sie am leichtesten den Korb treffen. Dazu könnte man verschiedene Markierungen anbieten, so daß durch Ausprobieren die individuell optimale Abwurfposition gefunden werden könnte.
Fußnote:
[1] Erweiterte Auslegung zusammen mit dem [.] Fall [Bewegungskorrektur im Sportunterricht – Vorübung zum Pritschen].
Quelle:
Wolters, P. (1999). Bewegungskorrektur im Sportunterricht. Schorndorf: Hofmann.
Mit freundlicher Genehmigung des Hoffman Verlages.
https://www.hofmann-verlag.de/
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