Falldarstellung mit interpretierenden Abschnitten

BK und Musik

Herr Guppi, StR, wurde von den meisten SchülerInnen aufgrund seiner Toleranz und Liebenswürdigkeit geschätzt. Er unterrichtete die Klasse 9b in den Unterrichtsfächern BK(1) und Musik. Nur selten zeigte Herr Guppi den SchülerInnen gegenüber schlechte Laune, auch wenn die Klasse 9b seine Geduld oftmals auf eine harte Probe stellte. In meinen Aufzeichnungen heißt es diesbezüglich:

11.11.02
Am ausgelassensten verhielten sich die SchülerInnen in den BK- und Musikstunden bei Herrn Guppi. Da konnte es schon vorkommen, daß die SchülerInnen rülpsten, schrieen, laut redeten, aufstanden, mit Brot warfen etc. In BK hatten die SchülerInnen teilweise keine Zeichenblöcke dabei. Statt zu zeichnen, führten sie Gespräche mit ihren SitznachbarInnen, lasen in der „Bravo“, lernten Vokabeln oder schrieben Hausaufgaben voneinander ab. Als Herr Guppi ihnen das Zugeständnis machte, Hausaufgaben machen zu dürfen, wenn sie ihn vorher fragten, er als Gegenleistung aber erwartete, daß sich die SchülerInnen ordentlich benahmen, stimmten sie ihm zwar alle zu, aber schon wenige Minuten später warf Marcus Brotstückchen durch die Gegend und der Lärmpegel stieg extrem an.

Die BK- und Musikunterrichtsstunden sind ein weiteres Beispiel für Versagen der LehrerInnen in der Kunst der Machtdemonstration. Herr Guppi unternimmt keinen Versuch Macht zu demonstrieren: er droht keine Strafarbeiten oder gar Klassenbucheinträge an, setzt SchülerInnen nicht auseinander, noch wird er laut oder zeigt aufgebrachte Emotionen. Stattdessen ist er bereit den SchülerInnen Zugeständnisse zu machen, obwohl diese sich seines Erachtens unangemessen verhalten, weshalb er sie als Gegenleistung um „ordentliches Benehmen“ bittet.
Die SchülerInnen, die Herrn Guppi für seine Liebenswürdigkeit sehr schätzen, reizen trotzdem die ihnen zufallenden Möglichkeiten aus. Anstatt ein Zugeständnis dankbar anzunehmen und dem Wunsch Herrn Guppis nachzukommen, reagieren sie noch lauter und ausgelassener (Marcus wirft mit Brotstücken). Es ist niemand im Raum, der sich ihnen entgegenstellt. Die sogenannte „Freiheit des Narren“ ist die Folge: jeder Schüler und jede Schülerin handelt wie es ihm bzw. ihr beliebt.

Fußnote:

(1) BK steht für das Unterrichtsfach Bildende Kunst

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