Carmen Koch war zum Zeitpunkt des Interviews 38 Jahre alt und studierte Biologie und Englisch auf Lehramt an Gymnasien im 7. Fachsemester. Ihre Mutter kommt aus Mexiko und ist spanisch-baskischer Abstammung, ihr Vater kommt aus Deutschland. Carmen ist in Deutschland geboren und aufgewachsen. Sie gehört somit zur 2. Migrationsgeneration. Sie hat einen Bruder. Carmen ist geschieden und hat einen Sohn.
Seit dem Kindergarten hatte Carmen einen engen Kontakt zu ihrer Familie mütterlicherseits, die in Mexiko lebte:
„Ich [bin] in Deutschland in den Kindergarten gegangen. Dazu muss ich sagen, dass wir aber JEDES Jahr in den Sommerferien ähm zu meinen Großeltern nach Mexiko geflogen sind. Ähm dort habe ich eine sehr große Familie, meine Mutter hat acht Geschwister und die leben oder lebten alle im im in derselben Stadt.“
Carmen ging nach der Grundschule auf ein Gymnasium. In ihrer Schulzeit reiste Carmen mit ihren Eltern sehr viel, sodass ihr Interesse an Sprachen und Kulturen wuchs:
„Dadurch dass meine Mutter früher auch aus- oder in ihrer Studienzeit dann auch im Ausland gewesen war, meine Mama war in den Vereinigten Staaten gewesen, hatte dort einen Austausch gemacht gehabt und nach in Kanada war sie auch und hatte eben auch Kontakt zu ihren […] host families also […] ihrer kanadischen Familie und ähm wir haben diese dann besucht einige Male in Viktoria in Kanada und man hatte dann eben von klein auf dann auch noch ja, so einen Bezug zu der [englischen] Sprache, was auch ganz toll war.“
Ihre bereichernden Auslandserfahrungen konnte sie in ihrer Heimatstadt in Deutschland mit niemandem teilen:
„um jedes Mal immer wieder in die Kleinstadt zurückzukehren, wo die Leute einerseits das Anderssein oder das Wertschätzen des Anderssein nicht verstanden oder auch kein Interesse hatten, das zu hören, wie es war im Ausland oder so. Also das habe ich recht schnell gelernt, dass da kein großes Interesse war, mir zuzuhören oder zu wissen, wie es denn im Ausland war oder was man alles gemacht oder gesehen hat und überhaupt. Man kam da als Kind natürlich immer jedes Mal sehr, ja sehr en- enthu- enthusiastisch ähm aus den Sommerferien zurück, aber wie gesagt, da war dieses, da war kein Auffangen da dafür und dann hat man irgendwann da auch schnell gelernt, dass man das nicht zu erzählen braucht oder überhaupt und dass es wichtiger war ähm sich den anderen anzupassen.“
Familie Koch konnte immer wieder Austauschschüler aus anderen Ländern bei sich zu Hause aufnehmen:
„Das ganze Kennenlernen von anderen Ländern und ähm Kulturen und Leuten und auch das Wertschätzen des Andersseins und dass jede Kultur, jedes Land und jeder Mensch auch ähm etwas Positives hat, das hat mich auch recht früh dazu gebracht, dass ICH selbst ins Ausland gehen wollte. Also ich habe wirklich die ähm früh möglichste ja Möglichkeit dann auch genutzt, um ins Ausland zu gehen.“
Die 10. Klasse verbrachte Carmen in Frankreich im Rahmen eines Austauschjahres. Zurück in Deutschland machte Carmen in zwei Jahren ihr Abitur und entschied sich erneut, für ein Jahr ins Ausland zu gehen. Sie nahm ein Studium in Mexiko auf, in der Heimatstadt ihrer Mutter.
„Es war für mich mein mein, im Nachhinein kann ich sagen das WICHTIGSTE Jahr meines Lebens und das beeindruckendste Jahr meines Lebens und wo ich DIE Menschen kennengelernt habe, die mir, ich glaube für mich sehr sehr wichtig waren in meinem Leben bis heute und wo ich vielleicht auch all das erlebt habe, was ich in meiner mexikanischen Kultur nicht erlebt habe ähm oder vieles, sage ich mal, also es war ein ganz tolles Jahr.“
Zurück in Deutschland entschied sie sich dazu, Umweltwissenschaften zu studieren:
„Ich habe mich letztendlich dann für Umweltwissenschaften entschieden unter anderem, weil ich sah oder sehr viel Umweltverschmutzung in Mexiko vor allem sah, was dort nicht wichtig war und wo ich dachte: Ja, das wäre etwas Gutes, was ich studieren könnte, mit dem Ziel das vielleicht auch irgendwann einmal das auch hier einsetzen zu können.“
Kaum in Deutschland angekommen, plante Carmen einen weiteren Auslandsaufenthalt:
„Ich habe um ehrlich zu sein einen RIESIGEN Kulturschock gehabt, einen riesigen Kulturschock. Ich wurde in Norddeutschland ähm angenommen, Norddeutschland ist ja bekannt oder mein Vater ist ja Norddeutscher und die Norddeutschen sind ja etwas oder ziemlich reserviert, etwas zurückhaltend und kühl, ist mein Papa alles auch, aber nichtsdestotrotz hat ähm das ziemlich, war das ein ziemlicher Kontrast oder wirklich ein Kulturschock mit dem Land oder Mexiko, was ich dann vorher kennengelernt hatte und die Art und Weise wie sich die Leute dann gaben oder wie ich es auch dann kennengelernt hatte und obwohl ich nette Leute in Norddeutschland kennengelernt habe und, ich könnte sagen, irgendwo die Möglichkeit hatte hätte, mich integriert zu haben könnte, integrieren zu können, habe ich gleich wieder die Möglichkeit gesucht im Rahmen meines Studiums ins Ausland zu gehen.“
Sie bekam ein Stipendium und ging nach England, wo sie ihren Bachelor-Abschluss machte. Als Nächstes entschied sich Carmen für ein Master-Studium in Süddeutschland. Im Rahmen des Studiums hat Carmen ihren zukünftigen Mann kennengelernt, dem sie kurze Zeit nach dem Abschluss des Studiums nach China folgte. Sie stellte schnell fest, dass ihre Englischkenntnisse für das Leben in China nicht ausreichten:
„Ich wohnte in Shenzhen, das war in Südchina. Habe dann relativ schnell gemerkt, dass ich mit Englisch NICHT auskomme. Also es war das erste Mal, wo ich mich wirklich nicht kom- also nicht kommunizieren konnte über die Sprachen oder mit den Sprachen, die ich sprach, und es hat mir das erste Mal in meinem Leben auch ähm ziemlich große Unsicherheit gegeben.“
Carmen arbeitete ein halbes Jahr in einer schweizerischen Firma und wurde anschließend in die Schweiz versetzt. Sie arbeitete ein Jahr lang in der Schweiz und entschied sich erneut nach China zu ihrem Freund zurückzugehen. Dort heiratete sie und bekam ein Kind:
„Mein Sohn wurde sechs Monate später in Hongkong mit Krebs diagnostiziert. Er hat Krebs bekommen, das war natürlich für uns alle ein Schock.“
Bereits in China hatte Carmen die Möglichkeit, ihre ersten Lehrerfahrungen an einer internationalen Schule zu sammeln. Nach längerer Behandlung ihres Sohnes, kehrte Carmen auf Empfehlung der Ärzte nach Deutschland zurück. Kurz nach ihrer Ankunft konnte sie ihren Quereinstieg in den Lehrberuf starten:
„Ich [bin] in die Nähe meiner Eltern gezogen, um deren Unterstützung zu haben und habe angefangen an einer Berufsschule zu unterrichten. Ich war recht froh, dass ich dort eine Stelle gefunden habe, ähm ich muss dazu sagen, dass ich zuvor während des Krankheitsjahres meines Sohnes eine Lehrstelle von einer mexikanischen […] Freundin bekommen oder überlassen bekommen hatte, um ein paar Stunden, also in Teilzeit, Spanisch zu unterrichten. Das war an einer internationalen Schule in Hongkong.“
Drei Jahre später trennte sich Carmen von ihrem Mann, zog in eine andere Stadt und arbeitet dort bis heute an einem bilingualen Gymnasium. Sie entschied sich, ein Lehramtsstudium an der Universität in einer Großstadt aufzunehmen. Carmen begründete ihre Studien- bzw. Berufswahl folgendermaßen:
„Ich [möchte] die Welt ins Klassenzimmer bringen, weil es so viele, weil ich so viele tolle Erfahrungen und Menschen kennengelernt habe da draußen, dass ich das gerne meinen Schülern vermitteln und weitergeben möchte irgendwo über die Fächer und über das Interesse an den Fächern und über das, was sie im Leben machen können.“
Carmen besuchte das Projektseminar „Interkulturelle Kompetenzen und Mehrsprachigkeit als Ressourcen für den Lehrberuf“ im Wintersemester 2016/2017 und berichtete folgendermaßen von ihren Belegungsgründen:
„Ähm dieses Seminar habe ich belegt, weil als ich die die Beschreibung des Seminars mir durch gelesen habe, da habe ich mich irgendwo selbst wieder erkannt, also einerseits war das ja ausgeschrieben für Lehrer mit Migrationshintergrund und Mehrsprachigkeit und ähm das, was da stand, fand ich interessant und ich denke mir: Mensch das musst du für dich und vor allem für deine Schüler mitnehmen und da musst du hin. Ich habe sowieso eine ganze Liste an Modulen, die ich machen möchte, aber noch zusätzlich ähm, aber ja, ich dachte, da musst du rein. Dann habe ich irgendwie versucht mir da Platz zu machen ja, für das Seminar genau.“