Kenan Schirvani war zum Zeitpunkt des Interviews 34 Jahre alt und studierte die Fächer Wirtschaftspädagogik und Wirtschaft & Recht auf Lehramt an Berufsschulen im 2. Mastersemester. Kenans Eltern kommen aus dem Iran. Kenan ist in A-Großstadt in Deutschland geboren und gehört zur 2. Migrationsgeneration. Kenan ist verheiratet und hat eine Tochter.
Kenan ging in den Kindergarten und erwarb erst dort die deutsche Sprache. Nach der Grundschule kam Kenan auf ein Gymnasium. Dazu erzählte er Folgendes:
„Dann bin ich auf das Gymnasium gegangen, also fünfte Kasse ähm, obwohl meine Lehrerin auch damals gesagt hatte, lieber NICHT. Ähm es war immer so, mein Vater war beruflich eigentlich relativ wenig zu Hause, hatte aber schon immer auch den Anspruch zu sagen, okay es ist WICHTIG, studieren später und so weiter, also sollte schon mal was in Anführungsstrichen Vernünftiges bei herauskommen, aber er war grundsätzlich eigentlich nicht da, das heißt, dass meine Mutter diesen Part eigentlich übernommen hatte, aber meine Mutter […] war jetzt auch dahingehend nicht unbedingt hinterher, was die Schulbildung anging, sie hat halt quasi so gesagt, okay dann mach, hat halt keine Ahnung von gehabt.“
Zwei Jahre später bzw. in der siebten Klasse blieb Kenan sitzen.
„Siebte Klasse war es dann aber auch so, dass dann letztendlich dann äh in die Hose gegangen ist, das heißt, ich bin sitzen geblieben und dann ähm also hatte im Endeffekt meine Lehrerin damals auch Recht, dass sie gesagt hat okay ich also“
Kenan wechselte vom Gymnasium auf eine Realschule. Auf der Realschule fiel Kenan das Lernen einfacher:
„Ja Realschule, gut das ging dann von alleine nebenbei bis zur zehnten Klasse halt auch sehr gut, Zeugnisse waren super, alle waren glücklich zu Hause.“
Nach der Realschule entschied sich Kenan dazu, auf ein berufliches Gymnasium zu gehen, um dort das Abitur zu erlangen. Als Vorbild hatte Kenan seinen älteren Bruder, der Wirtschaftswissenschaften an der Universität studierte. So belegte Kenan Wirtschaft als Hauptfach. Von der zwölften Klasse erzählte er Folgendes:
„Dann ist es halt auch wieder, Zwölfte war dann schon sehr sehr also hab- habe sehr oft gefehlt auch und habe mich für andere Dinge interessiert, auch durch den Freundeskreis, der sich so ein bisschen herausgestellt hatte, auch so ein bisschen mit den, mit den äh, mit den Schülern mit Migrationshintergrund auch so. Man hat sich halt für andere Dinge interessiert, hat, was mit Schule jetzt nicht unbedingt zu tun hat, man hat ein bisschen abgehangen.“
Mit der Unterstützung seines älteren Bruders schaffte Kenan es, das berufliche Gymnasium mit Abitur abzuschließen:
„Ja, das hat dann einigermaßen geklappt. Dann in der Dreizehnten war es dann auch so, dass mein Bruder sich ein bisschen eingeschaltet, mein großer Bruder, sodass das IRGENDWIE dann funktioniert hat mit einem sehr schlechten Abschluss, aber immerhin mit einem Abschluss (lacht).“
Kenan immatrikulierte sich an der Universität für Wirtschafsrecht. Diesen Studiengang suchte Kenan aus folgenden Gründen aus:
„Eigentlich wusste ich zu dem Zeitpunkt noch, ich wusste eigentlich noch gar nicht so richtig, was ich machen möchte, so das war irgendwie, war halt dann Wirtschaftsrecht, hat sich gut angehört, mein Vater war glücklich. Ist ja auch so eine Sache, weil ich spreche jetzt von Iranern auch so, dass, da muss irgendwie, nach außen hin ist es wichtig dann, entweder muss der Sohn Arzt werden, er muss Anwalt werden oder muss irgendwie was in der Wirtschaft machen, was auch irgendwo angesehen ist, deshalb habe ich mich auch für den Studiengang entschieden.“
Nachdem Kenan verschiedene Praktika im Rahmen des Studiengangs absolviert hatte, stellte er fest, dass das nicht sein Traumberuf war. Er entschied sich für ein Lehramtsstudium und wechselte den Studiengang. So kam es zu der Entscheidung Lehramt an Berufsschulen zu studieren:
„[Ich] habe mich dann so ein bisschen entsinnt auch, also es kam jetzt nicht so, dass es von außen an mich herangetragen wurde mit Lehrer werden und ähm habe mich aber so aber ein bisschen erinnert, dass mich das an- so kurz vor dem Abi hat mich das schon interessiert auch, dass man so mit, mit Jugendlichen zu arbeiten, und äh aufgrund dessen habe ich dann mein Praktikum, war ich bei VW und habe dann gesehen, also acht, neun Stunden am Schreibtisch sitzen ist jetzt nicht so meins.“
Im Laufe des Lehramtsstudiums absolvierte Kenan die Schulpraktischen Studien. Er berichtete Folgendes zu seinen Erfahrungen als Praktikant an einer Schule:
„Da gab es schon viele Schüler vor allem halt die mit Migrationshintergrund, dass die dann schon äh ähm direkt Interesse entwickelt haben und ähm irgendwie diese, diese Verbundenheit, die hat man also quasi am ersten Tag schon schon gemerkt, was halt, was mich selber auch überrascht hatte, muss ich ganz ehrlich sagen also ähm, da kommt direkt ähm so eine Verbundenheit seitens der Schüler auch ähm quasi das Gefühl: Ach guck mal, der ist, der hat ja auch einen Migrationshintergrund, das ist ja interessant und dem höre ich jetzt mal zu. Und ähm also da hat man, war für mich persönlich auf jeden Fall überraschend, ich habe mir schon gedacht, das kann schon sein, dass das so kommen kann, aber so wie es jetzt letztendlich Auswirkungen äh im, in der Praxis halt wirklich war, […] ja da kamen viele Fragen auch über meinen, über meinen Lebensweg und ähm was ich denn so gemacht hätte und ja und wo ich denn herkomme auch, das wollten sie alle wissenm, ja unbedingt und ja, einer hat auch gleich Persisch mit mir gesprochen in der in der Klasse auch.“
Kenan besuchte das Projektseminar „Interkulturelle Kompetenzen und Mehrsprachigkeit als Ressourcen für den Lehrberuf“ im Wintersemester 2016/2017 und berichtete folgendermaßen von seinen Belegungsgründen:
„Ja ähm insbesondere jetzt, um zu sehen, okay ich, ich hatte mich ja ein bisschen damit auseinandergesetzt bei meiner Abschlussarbeit im Bachelor, um zu sehen okay, weil das war für mich das erste, ich habe das, ich glaube das erste Seminar, wo ich da irgendwie das wahrgenommen habe, dass so was angeboten wird. Es kann sein, dass vorher schon mal was war, als ich meine Bachelorarbeit geschrieben habe, meine ich auch irgendwas gesehen gehabt zu haben, aber da ist es mir in das Auge gesprungen und ich wollte auch nach der Arbeit unbedingt so ein Seminar belegen und habe das dann gesehen. Und ja ähm meine Erwartungen, ja um einfach zu sagen, es ist ja, man, man lernt ja selber auch nicht aus und einfach um sich selber zu sehen, okay inwieweit bin ich jetzt schon äh sensibilisiert was das Thema anbetrifft, was kann ich dazu lernen, was was gibt es Neues ähm, wo ich mich, meinen meinen (unv.) meine meine Kompetenz erweitern kann oder vielleicht auch andere Seminarteilnehmer, was haben die so zu erzählen, wie sind deren Erfahrungen (atmet laut) und ja und natürlich auch so ein bisschen darauf bezogen, wie gehe ich im Unterricht jetzt mit dieser Kom- mit dieser Vielfalt um, das waren so so meine Erwartungen an an das Seminar, um dann zu sagen, okay nach dem Seminar kann ich jetzt noch oder äh bestätigt das mein Interesse an der Thematik und kann jetzt sagen, ich mache noch eine Masterarbeit darüber, um dann zu sehen: Okay, als Lehrer später kann das eine Kompetenz sein, die mir weiterhilft, ja.“