Falldarstellung

Die hier vorzustellende Szene ist einer Unterrichtsstunde aus der ersten Klasse entnommen. In dieser Stunde wird die additive Zerlegung zweistelliger Zahlen im natürlichzahligen Intervall 11 bis 20 behandelt. Die Episode Dreizehn Perlen beginnt folgendermaßen:

01 L: jaha/so \. ich . bin mal gespannt was die Kinder sagen \ [hält eine Rechenkette in die Höhe:] 

02 Marina : ach so

03 Franzi : Dreizehn

04 [Marina, Franzi, Jarek und Wayne melden sich; einige Kinder zählen flüsternd.]

05 L flüsternd : zwei drei

07 Goran: dreizehn [meldet sich dabei schnell]

08 [Julian, Conny und noch zwei andere Kinder zeigen auf]

09 L flüsternd : zwei drei vier fünf Finger sehe ich . sechs . sieben . acht . + .. Wayne/

10 Wayne: dreizehn \

11 S: Ja!

12 [Marina Nimmt den Arm runter]

13 L: oder\

14 S: Ä

15 L: Jarek/

16 Jarek: äm .. drei plus zehn \

17 L: oder \ . . Marina/

19 Marina : [zeigt betont auf] zehn plus . drei \

20 L: oder \ oh . die Kinder sehen ganz schön viel ne/. das ist immer dasselbe aber die sehen ganz schön viel . Julian \

21 Julian: äh . öl . nee . doch ölf. plus zwei \

22 L: oder \ .. Jarek/

23 Jarek: Sieben minus null \

24 L: Sieben minus null/

25 S: häh/

26 S: häh/

27 L: versuchen wa mal \. komm mal nach vorne/sieben minus null/… der Jarek hat was gesagt/und das müssen wir mal überprüfen \ komm mal her

28 Jarek kommt nach vorne

29 L: [hält Jarek eine Rechenkette hin] zeig mal sieben minus null . zeig mal sieben/dreh dich mal zur Klasse um damit die Kinder das sehen können und damit man das vergleichen kann \ [hält wieder ihre eigene Rechenkette hoch; dabei zeigt sie nach wie vor dreizehn an] also \ . sieben/

30 Jarek: [zählt leise die Kugeln an seiner Kette ab]

31 L: zähl mal ganz laut/

32 Jarek: [zählt an seiner Kette ab und hält sie dabei hoch] eins zwei drei vier fünf sechs sieben [Perlenkette:] . minus null [lässt das abgezählte Ende fallen; zeigt] ist dreizehn \

33 [Währenddessen die Lehrerin redet geht Jarek an seinen Platz zurück.]

34 L: [erstaunt gehaucht] hha jetzt versteh ich \ was hat der Jarek gemacht \ … [legt ihre eigene Kette weg und übernimmt die von Jarek.] der hat behauptet/. der hat von dieser Seite angefangen und hat sieben abgezählt \ eins zwei drei vier fünf sechs sieben \ [zeigt es an ihrer Kette] da hat er gesagt. minus null ist . das . [zeigt] geht das \

 

Interpretation

Ich möchte hier keine systematische Analyse dieser Szene vorführen (s. hierzu z.B. Brandt & Krummheuer 2000; Krummheuer & Brandt 2001). Stattdessen möchte ich im Durchgang durch die Episode schlaglichtartig die fünf Dimensionen der Modellierung des Unterrichtsalltags verdeutlichen. Am Anfang der Episode emergiert ein interaktionaler Gleichfluss. (…) Das Ende der Episode wird dagegen als Beispiel einer interaktionalen Verdichtung gedeutet. (…)

Beispiel eines interaktionalen Gleichflusses

Die m.E. bekanntere Erscheinungsform, der interaktionale Gleichfluss, möchte ich hier aus Platzgründen nur kursorisch kommentieren. Im Transkript kann man diese Phase in den Zeilen 01 bis 22 identifizieren. Die Lehrerin hält 13 Perlen einer Perlenkette, die aus 20 Perlen besteht, hoch und fordert die Schüler auf, dazu Stellung zu nehmen. Ich kommentiere diese Phase entlang der fünf Dimensionen:

(1) Thematisierung eines mathematischen Inhalts: Bis Zeile 20 scheint sich in der Klasse eine inhaltliche Deutungsweise zur Frage der Lehrerin durchgesetzt zu haben und bis Zeile 22 auch vorläufig zu stabilisieren: In mathematischer Sprache könnte man davon sprechen, dass es um additive Zerlegungen der Zahl 13 geht. Die Beteiligten des Unterrichts würden dies möglicherweise anders formulieren und dies bietet einen Ansatz, diese Themenkonstituierung z.B. mit einer rahmenanalytischen Schwerpunktsetzung weiter zu klären (s. z.B. Krummheuer 1982).

(2) Rationalisierungspraxis: Wie wird die Richtigkeit einer Zerlegung begründet? Bis Zeile 22 werden keine Begründungen oder Rechtfertigungen expliziert und durch die Art der Lehrerin-Fragen „oder“ auch nicht forciert oder eingefordert. Dies ändert sich erst mit Jareks Antwort „sieben minus null“ in Zeile 23. Die Rationalisierungspraxis scheint sich somit danach auszudifferenzieren, ob eine Schülerantwort für die Lehrerin richtig oder falsch erscheint. Nur bei für sie falschen Antworten wird nach eingehenderen Erklärungen gefragt. Mit Hilfe einer Argumentationsanalyse könnten Jareks Begründungen genauer untersucht werden (s. z.B. Krummheuer & Brandt 2001).

(3) Interaktionsstruktur: Man kann recht problemlos den für das lehrergelenkte Unterrichtsgespräch typischen Interaktionsdreischritt Initiation-Erwiderung-Evaluation (Mehan 1979) rekonstruieren. Mit einer vertiefenden Analyse könnte man zu rekonstruieren versuchen, wie sich durch die Antworten der Schüler und Evaluationen der Lehrerin eine bestimmte Deutungsweise von „additiver Zerlegung“ im Unterrichtsdiskurs herausschält.

(4) Partizipationsform für tätig-werdende Schüler: Welche inhaltliche Autonomie müssen Schüler bis Zeile 22, also dem Abschnitt, in dem keine Begründungen von der Lehrerin eingefordert werden, besitzen, um angemessen das Unterrichtsgespräch mitgestalten zu können? Die zu Worte kommenden Schüler können ihre Lösungen „im Kopf“ vorher gerechnet haben. Die erste nicht-triviale Antwort 3+10 von Jarek in Zeile 16 kann aber auch durch die Beschaffenheit des Zahlwortes gleichsam ohne Rechenaufwand genannt werden. Sie wird u.a. auch dadurch nahegelegt, weil zuvor die Anzahl der sichtbaren Perlen mit 13 ratifiziert wird. Die beiden folgenden Antworten 10+3 und 11+2 können wiederum durch Ausrechnen, aber auch durch logisches Schließen oder durch die Strategie des minimalen Veränderns gefunden worden sein. Mit logischem Schließen meine ich im Fall von 10+3 die Anwendung des Kommutativgesetzes und im Fall von 11+2 die Strategie des gegensinnigen Veränderns bei der Addition (erster Summand von „10+3“ wird um 1 vergrößert und der zweite Summand entsprechend um 1 verkleinert). Mit der Strategie des minimalen Veränderns möchte ich ein taktisches Schülerverhalten beschreiben, das darin besteht, dass man ohne viel kognitiven Aufwand eine zuvor als richtig evaluierte Antwort leicht verändert und dann „mal schaut“, wie man damit bei der Lehrerin ankommt.

(5) Partizipationsform für nicht-tätig-werdende Schüler: Wie aufmerksam muss man als in dieser Szene nicht-tätig-werdender Schüler sein, um das Unterrichtsgespräch inhaltlich mitverfolgen und eventuell eingreifen zu können? Die obigen drei Interpretationen zu den ersten Schülerantworten geben hierzu Hinweise. Die Aufmerksamkeit muss bei einigen Interpretationen nicht groß sein: Man kann mit wenig eigenem rechnerischen Aufwand und auch mit geringer Aufmerksamkeit am Unterrichtsgeschehen dennoch richtige Antworten produzieren. Ob das bei Marina und Jarek der Fall ist, lässt sich nicht bestimmen. Entscheidend ist, dass durch den Verzicht auf Begründungen bei den ersten richtigen Antworten, ein erfolgreiches Tätigwerden möglich ist, das nicht auf einer irgendwie gearteten mathematischen Durchdringung der Problemstellung beruhen muss und für das man nicht das gesamte vorhergehende Unterrichtsgespräch aufmerksam verfolgt haben muss.

Insgesamt kann man diesen Abschnitt als die Entstehung eines interaktionalen Gleichflusses ansehen. Deutlich wird, in wie enger Verzahnung die verschiedenen Dimensionen des Unterrichtsmodells zusammenwirken. Die Interaktionsstruktur des Mehanschen Dreischrittes (s. o) ermöglicht den Verzicht auf eine Explikation von Gründen für die Antworten und dies ermöglicht zudem die erfolgreiche Teilnahme an diesem Abschnitt ohne die wünschenswerten mathematischen Reflexionen bei den antwortenden Schülern.

Beispiel einer interaktionalen Verdichtung

Dieser interaktionale Gleichfluss wird aufgelöst als Jarek die Antwort sieben minus null (23) hervorbringt. Er bringt damit offensichtlich eine unerwartete Antwort ein. Dies erkennt man z. B an der veränderten Evaluation der Lehrerin: Sie reagiert nicht wie zuvor mit „oder“ und fallender Intonation, sondern mit der Wiederholung der Antwort und ansteigendem Tonfall. Auch zwei Schüler könnten diese Abweichung ausdrücken wollen (25/26), die übrigens nicht zu Äußerungen aufgerufen worden sind. In der Veränderung des Tonfalls, der Veränderung der Lehrerinnenreaktion und in dem unaufgeforderten „Rein-Rufen“ von einigen Schülern deutet sich eine Veränderung des Interaktionsverlaufs an. Hierzu möchte ich eine stärker systematisierte Analyse vorlegen (zur Methode s. z.B. Krummheuer & Naujok 1999, 68-71 und 79-85).

Beginnen wir mit Jareks Antwort sieben minus null (23). Auf den ersten Blick erweist sie sich als schwer deutbar. Im methodologischen Sinne der Erzeugung alternativer Interpretationen zu einer Einzeläußerung sollen zunächst einige denkbare Deutungen zusammengetragen werden:

1. Jarek wagt eine relativ große Veränderung des ersten Summanden und ist mit der Bestimmung des zweiten überfordert. 2. Jarek möchte unter dem Erwartungsdruck, möglichst verschiedene Antworten zu nennen, die Möglichkeit zulässiger Lösungen durch additive Zerlegungen überschreiten und eine „subtraktive Zerlegung“ vornehmen. Mathematisch korrekt wäre in diesem Fall 13 = 7 – (-6). Nun verwenden Kinder, bevor sie systematisch einen Begriff von negativen Zahlen entwickeln, häufiger die Zahl 0 als Ersatz dafür. 3. Jarek rekurriert auf die sieben schwarzen Kugeln, die in der Hand der Lehrerin verborgen sind und die 13 sichtbaren Kugeln. Den Zwischenraum zwischen diesen beiden Kugelreihen nennt er „null“. 4. Jarek verwendet Begriffe der mathematischen Fachsprache metaphorisch. „minus“ hat dabei die Bedeutung von „weg“ oder „wegnehmen“; „null“ steht für „nichts“: Die linken sieben schwarzen Kugeln sind weggenommen worden („minus“) und zählen nicht („null“). Es bleiben die hochgehaltenen 13 Perlen.

Wie geht nun die Klasse mit Jareks Lösungsvorschlag um? Die Lehrerin verändert offenbar ihre „reply“-Routine und wiederholt Jareks Äußerung mit Stimmhebung zum Ende (24). Zwei Schüler bekunden möglicherweise ihr Unverständnis (25/26). Sodann wendet sich die Lehrerin direkt an Jarek: versuchen wa mal . komm mal nach vorne/sieben minus null/ (27). Der erste geäußerte Satz wirkt auf den Interpreten ein wenig abwertend: „Versuchen“ hat die Konnotation des auch ein Scheitern Implizierenden. Auch das „code-switching“ in den Berliner Dialekt signalisiert eine Veränderung der bisherigen interaktiven Grundlegung. Sodann bittet sie Jarek, vorne vor der Klasse seinen Lösungsvorschlag zu kommentieren. Es bleibt in diesem Moment für den Beobachter unklar, ob sich nun eine Art Dialog zwischen der Lehrerin und Jarek anbahnen soll, in dem ihm eine individuelle Hilfestellung gegeben wird, und der Rest der Klasse gleichsam in den Status von Zuhörern mit ungeklärtem bzw. wechselhaftem Aufmerksamkeitsgrad versetzt wird, oder ob dieser Dialog den Charakter einer Podiumsdiskussion haben soll, in der die beiden Diskutanten vor aufmerksamen Zuhörern wichtige Gesichtspunkte einer Themenentfaltung erörtern und die Zuhörer ggf. Möglichkeiten zum Mitreden erhalten.

In den Folgeäußerungen wendet sich die Lehrerin zunächst an die restlichen Schüler: der Jarek hat etwas gesagt/und das müssen wir mal überprüfen (27). Damit ist einerseits eine Einstimmung auf die folgende Situation gegeben, andererseits aber wohl auch die Erwartung einer erhöhten Aufmerksamkeit bei allen formuliert. Somit scheint sich hier eher eine Podiumsdiskussion anzubahnen, auch wenn nicht deutlich wird, ob die Klasse direkt in diese Überprüfung einbezogen werden soll oder die Lehrerin mit wir nur auf Jarek und sich selbst als Gesprächspartner rekurriert. Hierdurch wird auch für Jarek die Situation wieder etwas offener: Es muss nicht mehr unbedingt „unsinnig“ sein, was er vorgeschlagen hat. Es ist zumindest so weit bedenkenswert, dass es vor der ganzen Klasse besprochen werden soll, was durch komm mal her (27) nochmals hervorgehoben wird.

Jarek wird dann vorne zunächst gebeten, an der Rechenkette „sieben minus null“ zu zeigen (28/29). Er erhält jedoch gar keine Gelegenheit, dies zu tun. Vielmehr soll er plötzlich nur (noch) Sieben durch lautes Zählen an der Kette (29) zeigen, was er dann auch tut (32).

Aus Sicht des Interpreten schränkt die Lehrerin Jareks Möglichkeiten zur Darstellung seiner Überlegungen von Beginn an ein. Er wird nicht nur darauf verpflichtet, seine Lösung an der Rechenkette zu demonstrieren, er wird darüber hinaus auch in der Weise beeinflusst, dass er als erstes die Zahl Sieben an ihr zeigen soll. Es wird auf Podiumsebene von der Lehrerin offenbar nicht in Erwägung gezogen oder auch gar nicht für wünschenswert gehalten, dass Jarek eventuell zur Begründung seines Lösungsvorschlags in anderer Weise oder gar nicht mit der Rechenkette und/oder darüber hinaus an ihr nicht mit der Darstellung der Zahl Sieben beginnen kann. So ist z.B. die oben unter 3. wiedergegebene Interpretation noch mit den Mitteln einer Rechenkette darstellbar, indem man den Zwischenraum zwischen zwei Kugeln als Null interpretiert. Die unter 4. angegebene Deutung dagegen erscheint an ihr nicht darstellbar, da die Null gar nicht für irgendeine Entität der Rechenkette steht, sondern für das „Nicht-Dasein“. Auch diese Festlegung in der Vorgehensweise stützt die Interpretation, dass die Lehrerin eher Standardaufgaben und -wege erwartet. Unter diesen Standarderwartungen scheint Jareks Lösung zum Scheitern verurteilt, und er ist aufgefordert, dieses Scheitern in der Podiumsdiskussion vorzuführen.

Jarek zählt die sieben schwarzen Kugeln von dem schwarzen Kettenende her ab und hält dabei die folgende achte Kugel in der Hand. Sodann sagt er minus null (32), lässt die abgezählten sieben schwarzen Kugeln fallen, hebt die restlichen Kugeln hoch und bemerkt: ist dreizehn (32).

Dieser Vorgang ist mit der obigen dritten Deutung relativ stimmig zu erklären: Er versteht den Zwischenraum zwischen den sieben schwarzen und restlichen 13 Kugeln als Null und zerlegt die Zahl 20 bzw. die ganze Kette. Mathematisch könnte man seine Äußerung als 20-7-0=13 rephrasieren, was einer Zerlegung von 20=13+7+0 entspräche. Aufgrund der strikten Vorgaben durch die Lehrerin bleiben dennoch Zweifel, ob diese Demonstration dem ursprünglichen Ansatz von Jarek entspricht.

Die Interpretation der Episode wird hier beendet. Die erzielte Deutung dieser Phase soll nun noch einmal im Licht der fünf Dimensionen der vorgestellten Modellierung des mathematischen Unterrichtsalltags kommentiert werden.

(1) Thematisierung eines mathematischen Inhalts: Mit Jareks Beitrag werden die Zerlegungsmöglichkeiten der hochgehaltenen 13 Perlen erweitert. Neben den im interaktionalen Gleichfluss hervorgebrachten additiven Zerlegungen kommen nun auch subtraktive Zerlegungen ins Spiel. Der dazu benötigte Minuend ist dabei nicht mehr in einfacher Weise sichtbar sondern stammt implizit aus der als bekannt unterstellten Kenntnis von der Anzahl der Perlen an der verwendeten Perlenkette. Im Hinblick auf den weiteren Unterrichtsverlauf, der auf die Behandlung des Stellenwertsystems bei den Zahlen 10 bis 20 hinausläuft, wird Jareks Lösungsansatz später nicht mehr aufgegriffen.

(2) Rationalisierungspraxis: Man erkennt, dass Jareks Argumentation eine gewisse Explizitheit aufweist. Mit Hilfe des argumentationstheoretischen Ansatzes von Toulmin 1969 (s.a. Krummheuer 1995b) lassen sich derartige Argumentationen aufschlüsseln und vergleichen (s. hierzu Krummheuer & Brandt 2001). Hier nur soviel dazu: Jarek nennt sowohl die für seine Argumentation ausschlaggebenden voraussetzenden „Daten“ als auch die daraus seiner Meinung nach zu ziehende Konklusion: Er zählt von der vollständigen 20-Kette sieben schwarze Perlen ab und schließt so auf das von der Lehrerin vorgegebene Perlenkettenmuster von drei schwarzen und zehn weißen Perlen. Die Zulässigkeit dieses Schlusses führt er visuell an der Perlenkette vor, indem er zwischen zwei Perlen greift und umfasst.

(3) Interaktionsstruktur: In der Interpretation dieser Phase wurde eingehender darauf eingegangen, wie Jarek vorne auf dem Podium von der Lehrerin in eine gewisse Handlungsfolge zu drängen versucht wurde. Die dabei emergierende Interaktionsstruktur kann man als ein Interaktionsmuster verstehen, in der sich eine gewisse standardisierte Umgangsweise mit der Perlenkette widerspiegelt. Es ist gleichsam ein „Veranschaulichungsformat“ (Krummheuer 1992, 185-193), in dem die Handlungsschritte zum ratifizierten Umgang mit der Perlenkette hervorgebracht werden.

(4 und 5) Partizipationsform für tätig-werdende und nicht-tätig-werdende Schüler: Es lassen sich mit dem partizipationstheoretischen Ansatz von Goffman 1981 die Autonomiegrade von Äußerungen bestimmen. Es sollte auch ohne ausführliche Behandlung dieses Ansatzes erkennbar sein, dass Jareks Begründungen relativ autonom hervorgebracht erscheinen. Sie lassen auf eine mathematische Kompetenz schließen, die über die Fähigkeit zur additiven Zerlegung von Zahlen im Zahlraum bis 20 hinausgeht. Er hat hier bereits Handlungsautonomie erreicht und ist im eigentlichen Sinne in dieser Situation gar kein Lerner mehr. Ebenso sollte erkennbar sein, dass während dieser interaktionalen Verdichtung an die Zuhörer, wenn sie mitmachen wollen, höhere Aufmerksamkeitsanforderungen gestellt sind als während des anfänglichen interaktionalen Gleichflusses. Diese erhöhte Aufmerksamkeitsanforderung verbunden mit der erhöhten Explizitheit der Argumentation führt bei den nicht-tätig-werdenden Schüler gegebenenfalls zu einer Verbesserung ihrer Lernbedingungen. Zumindest zeigt sich im Fortgang des Unterrichtsgesprächs, dass sich mehrere offenbar hoch aufmerksam zuhörende Schüler zu Worte melden können und zu Jareks Darstellung fundiert Stellung nehmen.

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