Falldarstellung mit interpretierenden Abschnitten

Es ist zu Anfang ein ziemliches Chaos im Raum. Vorne links beobachte ich, wie Olaf einem Mädchen (Valerie?) eine Ohrfeige verpasst, die bis zu mir in die hinterste Reihe schallt. (Das kann doch nicht sein, denke ich mir. Wie hat er diesen Effekt wieder hinbekommen? Das Geschehen ist zu weit weg, um es genauer zu beobachten.) In dem Mittelgang zwischen den Tischen, die in zwei Reihen hintereinander stehen, wagen Peter und Gerd ein Tänzchen. Peter hat seinen Arm um Gerd gelegt und ,führt’. Die beiden probieren tatsächlich ein paar Tanzschritte hin und her, dann schlingt Peter sein Bein um Gerds Unterkörper, was wohl einen Tango andeuten soll. Nach einigen weiteren Takten will Peter von mir wissen, ob das „für den Anfang schon ganz gut“ gewesen sei. Das mag ich nicht verneinen. Die Lehrerin Frau Bartholomäus stellt langsam Ruhe her, nicht ohne einzelne namentlich anzusprechen. Die Jungs an meinem Tisch holen Blätter mit Farbmischübungen, die sie wohl das letzte Mal angefertigt haben, heraus. Joseph und Sven lachen über das Werk von Joseph. Es ist tatsächlich nicht sehr differenziert. Joseph legt das Blatt mit den Worten „bin schon fertig“ weg. (Georg Breidenstein)

Die ‚Chaos-Situation Unterrichtsbeginn’ wird anhand einer Auswahl von vier Szenen beschrieben, die sequenziell angeordnet werden. Dabei schweift der Blick des Ethnographen von der schallenden Scherz-Ohrfeige über das Tangotänzchen unter Jungen und das Bemühen der Lehrerin, Ruhe herzustellen, hin zum Spott der Schüler über ein misslungenes Werk. Gemeinsames Kennzeichen dieser Szenen ist, dass sie allesamt (mehr oder weniger) aufmerksamkeitserheischend und damit ‚wahrnehmungsdominant’ sind: So tritt das „Lachen“ aus der überkomplexen Masse der Handlungsvollzüge hervor und bindet die Aufmerksamkeit. Dabei ist es sofort möglich, kognitive Anschlussoperationen anzuschließen, die die singuläre Handlung des Lachens in einen sinnvollen Bezug – auf der Ebene des Protokolls: einer Szene – einbetten und auf diesem Wege Sinn zuschreiben: Wer lacht? Warum lacht diese Person? Wie wird gelacht? Über wen oder was wird gelacht? Wie reagiert der Ausgelachte? Wer lacht mit dem Lachenden? Wovon ist dieses Lachen Ausdruck – vielleicht von Spott, Langeweile, Häme, Distanz, Amüsement, Arroganz, Liebe, Vertrauen, Leidenschaft, vielleicht ein bisschen Verrücktheit? Lachen mag seinen Ursprung in einer psychischen Befindlichkeit haben oder ein Stimulus zur Exploration sein, es kann als Zeichen von Wohlwollen bei gleichzeitiger Distanzierung Verwendung finden, es mag als gutwillige Kommunikations- oder aber als mutwillige (oder unbewusste) Störungsstrategie benutzt werden, oder es kann als vernichtender Kommentar angewandt werden, dem sprachlich nicht direkt erwidert werden kann, es mag als Moment der Spannungsauflösung und der Einigkeitsbekundung herhalten oder aber auch im Sinne eines Gruppenbildungsprozesses angewandt werden, da es als Erkennungsmerkmal einer Zugehörigkeit zur gleichen Art gilt, usw. Dass der Ethnograph im oben zitierten Fall aus dieser kleinen Auswahl an Deutungsoptionen aller Wahrscheinlichkeit nach die richtige zu wählen wusste (das „nicht sehr differenzierte“ Werk), scheint mir ein deutlicher Hinweis zu sein, dass Lachen ein sozial beredtes Phänomen ist, das sich somit auch problemlos rekonstruieren lässt.

In komplexen Situationen (wie z.B. der obigen „Chaos-Situation“) kann teilnehmende Beobachtung ihre methodische Stärke sinnlogischer (teilnehmerrelevanter) Selektivität zur Geltung bringen. Dies korrespondiert mit unserer Erfahrung, dass die ebenfalls in diesen „Chaos-Situationen“ entstandenen Audiodokumente aufgrund ‚fehlender’ Selektivität eine Art polyphones Rauschen produzieren, welches für unsere Zwecke des Verstehens sozialer Situationen nahezu unbrauchbar ist. Für uns stellt sich folglich nicht die Frage, ob das Selektionspotential eines teilnehmenden Beobachters ‚objektiveren’ Erhebungsmethoden nachzuordnen wäre, sondern vielmehr, welcher Art dieses zu sein hat. Denn gerade der situative Orientierungszwang für den teilnehmenden Beobachter, die dominanten Sinnkonstruktionen der Akteure zu rekonstruieren, stellt zwar einerseits ein besonderes Verstehenspotential bereit (1), aber dieser Blick verführt andererseits dazu, diejenigen Handlungsträger zu vernachlässigen, die sich nicht durch besonders wahrnehmungspsychologisch aufdringliche Aktivitäten hervortun. In Zahlen gesprochen: In der ersten Erhebungsphase fand die ‚renitente’ Sandy in 394 Textstellen Erwähnung, die ‚brave’ Mona aber nur 36 Mal – und das trotz meines Bemühens, alle Kinder in den Blick zu nehmen! Mit der Selektivität der Teilnehmerperspektive ist es zugleich ‚gelungen’, Personen zum Verschwinden zu bringen. Es war also vonnöten, eine Perspektive zu wählen, die sich nicht ausschließlich an „action-lastigen“ Situationen orientierte.

Diese Einsicht wurde bestärkt durch die Beobachtung, dass sozial leise Phänomene wie Gestiken, Mimiken und persönliche Erscheinung für das Handeln der Akteure eine hohe Bedeutung besitzen. Im folgenden Protokollausschnitt geht es um die Lehrerin Frau Frank, die (irrtümlicherweise) davon ausgeht, dass die Situationsdeutungen der Lehrerin für unser Forschungsvorhaben maßgebliche Interpretationshilfen bereithalten würden und mich in Folge dieser Annahme wie ihren Praktikanten behandelt.

Tag der dritten Felderhebung, Mathearbeit, erstes Mal bei Frau Frank. (..) Ich versuche, mich den offenherzigen Gesprächsangeboten und Fokussierungsvorschlägen der Lehrerin sehr freundlich zu entziehen, was mir aber nicht so recht gelingen will. Nun gut, dann ergebe ich mich eben der Lehrerperspektive und lasse mich über ihre Arbeit aufklären (…) Sehr wichtig, so erfahre ich, wäre es, die Kinder von vorne zu sehen (meine übliche Beobachtungsposition ist seitlich, nach Fr. Frank ist das keine günstige Perspektive). In den Gesichtern könne man sehr viel lesen – und wie zu erwarten, beobachtet Frau Frank die Gesichter ihrer Schüler sehr genau. Für sie – so scheint es – stellt die Mimik eine Art Nebenkommunikationskanal zum offiziellen Unterrichtsgeschehen dar. Inmitten ihrer Ausführungen entdeckt sie ein allzu fragendes Schülergesicht und eilt prompt hin, um Hilfestellung anzubieten. (…) Kurz vor Stundenende lässt mich Frau Frank wissen: »Achten Sie auf die verbissenen Gesichter, wenn ich sage, dass sie jetzt fertig werden sollen.“ Ich frage Frau Frank, ob man an den Gesichtern ablesen könne, ob die Kinder, die sich melden, die Aufgabe wissen würden – oder nicht? – Ja, erfahre ich, mit relativer Sicherheit könne man das.

Diesen Ausführungen folgend läge der Schluss nahe, dass ein wichtiger Bestandteil des Schülerjobs darin bestünde, in den richtigen Situationen wissend oder zumindest denkend auszusehen. Meiner Einschätzung nach ist dies nur für bestimmte Unterrichtssituationen und nur für bestimmte Personen in „meiner Klasse“ wirklich bedeutsam – das Deutungsmuster der Lehrerin soll hier nicht über Gebühr strapaziert werden. Aber Aussagen wie diese machen deutlich, welche Relevanz Visualität im Feld genießt. Daher sollte auch die Aufmerksamkeit der Ethnographie auf solchen Gegenständen wie z.B. Mimik und Gestik, ja sogar auf der persönlichen Erscheinung liegen (vgl. auch Geser 1990).
Ich hatte also einen Blick zu erlernen, der auch ‚Langweiliges’ und Unauffälliges zu würdigen wusste, um ‚sozial leisere Personen’ als dauerhafte Teilnehmer- und Handlungsträger der Unterrichtssituation zu entdecken – die sie ja qua Anwesenheit und Mitgliedschaft unzweifelhaft sind. D.h., dass ich beispielsweise auch die Schüler ethnographisch zu beobachten hatte, die inmitten des überbordenden Chaos einer Freiarbeitsstunde nichts anderes tun, als still vor sich hin zu warten, mit missliebiger Mimik zu schweigen oder wie eine Mona Lisa unergründlich vor sich hin zu lächeln.(2)

Es ist das pausentypische Chaos in der Klasse – und das obwohl Frau Jansen im Klassenraum zugegen ist und um Ruhe brüllt. (..) Mona sitzt aufrecht, Blick in Richtung Frau Jansen gewendet, die Hände liegen ebenso wie die Utensilien (Etui, Hefte, Taschenrechner) geordnet auf dem Tisch. Ein leichtes Schulterruckeln, ein unschlüssiges Zucken umspielt ihre Mundwinkel. Sie wirft einen flinken Blick herab auf ihren Tisch, dann schräg rechts zu Frederik, der lautstark mit Florian über Drogen redet. Ein leises, anerkennendes Schmunzeln huscht ihr kurz über das Gesicht. Dann geht der Blick wieder nach vorn zur Tafel. Sie fasst sich, wartet unbeweglich gerade sitzend, dass es losgeht, erwartungsvoll.

Mit der Würdigung des ‚sozial Leisen’ ging – quasi unter der Hand – eine Veränderung des Forschungsgegenstandes einher. Waren zuvor Interaktionsvollzüge im Fokus und somit soziologischer Gegenstand, hatte ich es nun mit mikroskopischen Verhaltenselementen zu tun und ‚entdeckte’ Mimiken und ‚Mikrogestiken’, die es zu erfassen und zu deuten galt. Dies ist insofern eine besondere Herausforderung, als nonverbale Kommunikationen aufgrund ihrer sozialen Sprachlosigkeit nicht zweifelsfrei eindeutig und präzise adressierbar sind und somit immer ein Stück weit ,situativ-diffus’ und interpretatorisch offen bleiben. Ein Gesichtsausdruck lässt sich nicht zitieren – und die interaktive Bezugnahme durch ein Lächeln verbleibt ebenfalls situativ etwas vage.
Ich versuchte, über die kontinuierliche Beobachtung einzelner Personen über eine ganze Unterrichtsstunde hinweg sowohl ‚sozial laute’ als auch ‚sozial leise’ Verhaltensweisen in den Blick zu bekommen. Nicht mehr das, was sich situativ aufdrängte, sondern das, was die einzelne Person in der Unterrichtssituation tat, entwickelte sich zunehmend zum analytischen Gegenstand. Nahm ich in der ersten Erhebungsphase noch vier Schüler eines Gruppentisches in den Blick, so beschränkte ich mich in der folgenden Erhebungsphase bereits auf zwei, um zuletzt in der dritten Feldphase nur noch einer Person Aufmerksamkeit zu zollen.(3) Ich versuchte, Unterricht oder andere ,sozial laute’ Geschehnisse nur noch insofern in meinen Feldprotokollen zu berücksichtigen, wenn diese für die beobachteten Personen auch tatsächlich von Relevanz zu sein schienen (diese z.B. zu jenen Orten schauten, an denen es ‚action’ gab). Mir lag daran, die impliziten ‚Deutungen’ der Teilnehmer, die sie der Situation zuzuschreiben schienen, (soweit erkennbar) für meine Beschreibung zu nutzen.

Sandra schaut zu Holger rüber (und hört ihm vermutlich auch zu). Ein Grinsen erscheint in ihrem Gesicht. Bald ist dieses Grinsen wieder weg. Sie verfolgt mit ihren Blicken (und vermutlich auch mit ihren Gedanken) die jeweiligen Sprecher (Thomas, Detlev, Karsten). Karsten erzählt lang und breit von seinen Leseerlebnissen in (s)einer jovial-selbstgefälligen-selbstverständlichen Art (die perfekt darüber hinwegtäuscht, dass er den Text eigentlich nur vorn Hörensagen her kennt). Sandra verfolgt nun, wie sich Mirko über den Text äußert. Sie wirft ihm – nachdem er eine lustige Bemerkung tat – einen Blick zu, der zwischen Interesse, Distinktion und Koketterie oszilliert. Gerade die feinen – nahezu unsichtbaren Nuancierungen ihres Mienenspiels haben kommentarhaften Charakter. Bis 12:42 verändert sich die Körperhaltung bei Sandra nicht – einzig ihr Gesicht wendet sich den Sprechern zu, einzig die flüchtigen Nuancierungen im Mienenspiel lassen Ahnungen erwachen. Sie wirkt insgesamt sehr aufmerksam, interessiert. Jetzt schlägt sie ihr linkes Bein über ihr rechtes. (..) Sandra sitzt immer noch exakt genauso da (seit ihrer letzten Bewegung ). Ihre Miene ist zu einer Art Dauermaske geworden – einzig ihr Hals (vertikale Rotationen zum Fixpunkt ihrer Aufmerksamkeit) und ihre Augen (Bewegungen horizontal wie vertikal, manchmal auch diagonal) verändern sich. (..) Sie wirkt nun – von ihrer- Mimik her – leicht beleidigt.

Auch wenn diese Beschreibung nah und detailliert an das Verhalten der Schülerin heranreicht, machte ich in allerlei Interpretationszusammenhängen (4) die Erfahrung, dass in der Wissenschaftspraxis das Sprachtranskript als das härteste Datenmaterial behandelt wird, dicht gefolgt von Beobachtungsprotokollen, die (,sozial laute’) Interaktionsabläufe nachvollziehen. Protokolle, die ‚sozial Leises’ zum Sprechen bringen, gelten meiner Erfahrung nach nur bedingt als verlässliche Datenquelle. Die Rhetorik dieser Protokolle gerät meist ebenso in den Fokus der Analyse wie die Gegenstände selbst, die ein solches Protokoll abzubilden sucht: Wer schreibt hier? Aus welcher Perspektive schreibt dieser jemand? Was beschreibt er vom überkomplexen Geschehen? Welches Vokabular benutzt er? Schreibt dieser Autor über ein repräsentatives Geschehen, gar über eine repräsentative Praxis? – Diese nahezu reflexartige Re-Konstruktion dieser Sorte Daten mag zwei Gründe haben. Einerseits ist ein ‚sozial leises’ Phänomen schlichtweg als ,sozial leise’ anzusehen, und frei nach Nietzsche könnte man sagen: Wer schlecht hört, projiziert gern hinzu. Andererseits könnte eine derart nah heranreichende Beschreibung gewisse Anstandsgrenzen unterschreiten und möglicherweise voyeurhaften Charakters sein. Zudem ist die Erfahrung im Alltag eher ungewöhnlich, den situativen Kontext von Situationen wie Schweigen erhellen zu wollen – es sei denn, das Schweigen ist z.B. eisig und somit sozial beredt. Um empirisch „zweifelsfreies“ Material zu produzieren – so die implizite Unterstellung -, müsste sich mit gleicher kognitiver Selbstverständlichkeit zur Rekonstruktion des Lachens (siehe oben) nach Anschlussoperationen der Beobachtungseinheit, „Schweigen“ fragen lassen, um die Szene einer Unterrichtssituation zu erhellen: Wer schweigt? Warum schweigt diese Person? Wie wird geschwiegen? Über wen oder was wird geschwiegen? Etc. Was im Falle des Phänomens ‚Lachen’ auf der Ebene sinnvollerkognitiver Anschlussoperationen in der Beobachtungssituation (in aller Regel) mühelos gelingt und somit Handlungen als Szene beschreibbar werden lässt, scheint im Fall des Schweigens nur noch projektiv, bestenfalls formal oder ex post unter erheblichen gedankenexperimentellen Verrenkungen nachvollziehbar. Aber können die markierten Herausforderungen und Probleme wirklich bedeuten, dass ich als Ethnograph mit dem Schreiben aufhören sollte, wenn Feldteilnehmerinnen und -teilnehmer anfangen zu schweigen? Ist dies nicht eben schon die umreflektierte Übernahme der ,action-Perspektivität’ des Feldes, wenn ich mit meiner Orientierung an ‚sozial lauten Phänomenen’ all jene zum Verschwinden bringe, die die Unterrichtssituation (verbal) nicht dominieren? Eine empirische Vorstellung von Unterricht, die sich überwiegend an ‚sozial lautern’ Verhalten orientiert, bekommt nur bestimmte Phänomene, gemeinhin das Hauptphänomen des Unterrichtsgeschehens, in den Blick. Aber der Unterricht als Situation ist ja mehr als das Agieren des Lehrkörpers und markanter bzw. situativ herausgehobener Schüler. Die Fokussierung auf den einzelnen Schüler beleuchtet auch die ‚leiseren’ Seiten des Unterrichts, die in quantitativer Hinsicht den überwiegenden Teil des Geschehens ausmachen: Da ist das Gros der Schüler, die schweigsam mit ihren Blicken und ihrer Mimik den Unterricht kommentieren (Langeweile, Überforderung, (Des-)Interesse, Amüsement usw. anzeigen) oder die sich mehr oder weniger beiläufig mit Zettelchen, Stiften, Handys, Bravo- und Manga-Heftchen etc. beschäftigen. Die Lehrerin Frau Frank bezieht sich explizit auf ,sozial leise’ Phänomene, wenn sie Gestiken und Mimiken liest. Aber auch die Schüler beziehen sich nonverbal aufeinander, indem sie sich mit wohlwollenden, kritischen, amüsierten Blicken ihr Wohlwollen, Desinteresse oder ihre Ablehnung anzeigen. Die Unterrichtssituation als solche scheint also eine Überlagerung von verschiedenen Räumen zu sein, kleineren und größeren ,Mikro-Kosmen’, die füreinander partiell geöffnet bzw. verschlossen werden.(5) Eine empirische Unterrichtsforschung, die dieser Komplexität der Situation Unterricht gerecht werden möchte, muss sich folglich auch ‚sozial Leisem’ zuwenden, hätte sich allerdings auch den oben skizzierten methodischen Problemen bei der Beobachtung, der schriftlichen Fixierung, Interpretation und Analyse zu stellen.

Fußnoten

(1) Nach Hirschauer und Amann (1997, S. 19) gelingt dies durch die methodisch rekonstruktive Anpassung des Forschers an den Forschungsgegenstand: „Das Feld ist kein Dschungel, sondern ein sich ständig selbst methodisch generierendes und strukturierendes Phänomen. Aus diesem Grund liegt der Ethnographie – wie auch einigen anderen qualitativen Verfahren – das Postulat zugrunde, daß der Methodenzwang primär vom Gegenstand und nicht von der Disziplin ausgehen muß.“

(2) Es ist mitunter gar nicht leicht, eine solche Beobachtungsstrategie durchzuhalten. So verliert man erst mit der Zeit das Unwohlsein, das mit dem „Lebendigen-Unberechenbaren“ im Rücken verbunden ist. Zugleich „erleidet“ man eine erstaunliche situative Desorientierung und ist oftmals nicht mehr in der Lage, auf die Teilnehmerfrage „Was war gerade los?“ eine situativ angemessene Antwort zu geben.

(3) Dies ist selbstredend nicht immer geglückt. Mit dem Wechsel der Beobachtungsstrategie wanderte zugleich das Mikrophon des MD-Recorders vom Gruppentisch an den Hemdkragen der ,Forschungsopfer‘. Diesen Vorstoß in Fragen der „Belauschungstechnik“ verdanke ich Hedda Bennewitz, die diese Methode für ihre Schulklasse entwickelte, da „ihre“ Kinder derart leise redeten, dass ein Mikrophon in 50 cm Entfernung vom Mund das Gesagte nicht mehr einfing. In meiner Schulklasse bestand das Problem hingegen darin, die (wenn, dann) laute Tonquelle fokussiert zu treffen.

(4) An dieser Stelle sei allen Kolleginnen und Kollegen sowie allen Assoziierten des Zentrums für Schulforschung und Fragen der Lehrbildung der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg herzlich gedankt.

(5) Vgl. zur Bedeutung des Blickens sowie zur Gleichzeitigkeit diversen Geschehens im Klassenraum den Artikel von Georg Breidenstein in diesem Heft (Georg Breidenstein: KlassenRäume – eine Analyse räumlicher Bedingungen und Effekte des Schülerhandelns).

Literatur

Amann, K./Hirschauer, S.: Die Befremdung der eigenen Kultur. Ein Programm. In: Amann, K/Hirschauer, S. (Hrsg.): Die Befreiung der eigenen Kultur. Ein Programm. Zur ethnographischen Herausforderung soziologischer Empirie. Frankfurt a. M. 1997, S. 7-52.

Geser, H.: Die kommunikative Mehrebenenstruktur elementarer Interaktion. In: Kölner Zeitschrift für Soziologie 42 (1999), S. 207-231.

Hirschauer, S.: Ethnographisches Schreiben und die Schweigsamkeit des Sozialen. Zu einer Methodologie der Beschreibung. In: Zeitschrift für Soziologie 30 (2001), S. 429-451.

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