Falldarstellung mit interpretierenden Abschnitten

Funktion und Wirkung von Klassenwiederholungen

(…)

Die Forschung zu Leistungs- und Ungleichheitseffekten der Klassenwiederholung (vgl. Ditton 2004; Geißler 2005; Krohne/Meier 2004) hat zwei Bereiche vernachlässigt: Ausmaß und Folgen von Wiederholungen in der Sekundarstufe II und insbesondere die subjektive Wahrnehmung und Verarbeitung einer Wiederholung durch betroffene Schü­ler/innen. Der vorliegende Artikel präsentiert daher (…) Resultate einer qua­litativen Studie, in der Wiederholer/innen der gymnasialen Oberstufe zu Verarbeitung und Bilanzierung ihrer Wiederholung befragt wurden. (…)

Unsere Fragestellung richtete sich explorativ auf die individuelle Verarbeitung und Bilanzierung einer Wiederholung in der Sekundarstufe II; innerhalb dieses Rahmens wurden sowohl Aspekte der Leistungs- als auch der Persönlichkeitsentwicklung erfasst. Die zentrale These lautete, dass Schüler/innen der Ober­stufe eine Wiederholung unter gewissen Umständen durchaus positiv bilanzieren und verarbeiten können, da davon auszugehen ist, dass sie im Vergleich zu Schüler/innen der Primär- und Sekundarstufe I bereits über ein deutlich stabileres Selbstkonzept verfügen.

Klassenwiederholung in der Sekundarstufe II aus Sicht der Betroffenen – Fragestellungen und Methode

In der durch das Land Hessen geförderten Studie wurden insgesamt 22 Wiederholer/ innen der Sekundarstufe II an drei verschiedenen Schulen zur individuellen Verarbeitung und Bilanz ihrer Wiederholung befragt. Ihre Schilderungen wurden in Beziehung gesetzt zu den an ihrer jeweiligen Schule vorhandenen Förder- und Beratungsangeboten und zu dem übergreifenden Schulklima, das sie jeweils erlebten. Durch einen Methoden-Mix aus Problemzentriertem Interview, Dokumentenanalyse, Inhaltsanalyse, Do­kumentarischer Methode und qualitativer Typenbildung konnten die Ebene der Schule als Organisation und die der Schüler/innen als Akteur/innen erfasst und aufeinander bezogen werden. Im Rahmen dieses Artikels erfolgt eine Fokussierung auf jenen Teil der Studie, der sich auf die Wiederholer/innen und ihre individuellen Schulerfahrungen bezog. In diesem Bereich wurden folgende Fragestellungen verfolgt:

  • Durch welche Ursachen und Einflussfaktoren entsteht eine Klassenwiederholung in der Oberstufe?
  • Wie deuten, verarbeiten und bilanzieren Oberstufen-Schüler/innen eine Klassen­wiederholung?
  • Welche Bedürfnisse, Unterstützungsnetzwerke, Ressourcen und Bewältigungsstra­tegien liegen auf der Schülerseite vor und welchen Einfluss nehmen sie auf die Verarbeitung der Klassenwiederholung und die Gestaltung der Schullaufbahn?

Die Perspektive der Schüler/innen wurde mittels problemzentrierter Einzelinterviews (vgl. Witzel 1982) erhoben, deren Leitfaden mit Hilfe deduktiv gewonnener Kategorien entwickelt worden war.

(…)

Typische Verarbeitungsformen einer Klassenwiederholung in der Sekundarstufe II

Kurzbeschreibung der gebildeten Typen

Die Typen der Verarbeitung und Bilanzierung einer Wiederholung in der Sekundarstufe II und ihre Strukturvarianten, die aus den 22 Fällen gebildet wurden, werden im Folgen­den in ihren wesentlichsten Aspekten skizziert.

Typ A: Pragmatischer Konformismus

Bei den Befragten dieses Typs korrespondierte ein tendenziell niedriger familiärer Bil­dungshintergrund bei gleichzeitig hoher elterlicher Bildungsaspiration mit einer instrumentellen Wahrnehmung von Schule als Schlüssel zu sozialem Aufstieg. Dank eines stabilen Selbstkonzeptes und einem als unterstützend wahrgenommenen außerschuli­schen Umfeld konnte die Wiederholung bei diesen Schüler/innen meist extern attribuiert (als Folge der Umstellung auf die Anforderungen und Abläufe der Sekundarstufe II) und entsprechend positiv bilanziert werden. Im Wiederholungsjahr konnten Defizite schon durch geringe Erhöhungen der Lernzeit effektiv behoben werden.

Strukturvariante A1: Defensive Isolation

Diese Strukturvariante des Typs A unterschied sich von ihrem Grundtypus durch eine gravierende außerschulische Belastungssituation, die sich z.T. über mehrere Jahre hin­zog. Schüler/innen dieser Variante reagierten darauf mit einem Rückzug aus schulischen und teils auch außerschulischen Anforderungen, der – durch absinkende Leistungen, Fehlzeiten etc. – schließlich eine Nichtversetzung zur Folge hatte. Trotz eines tenden­ziell als belastend empfundenen sozialen / familialen Umfeldes konnten diese Befrag­ten ihre Wiederholung unter leistungsbezogenen Kriterien positiv bilanzieren und aktiv verarbeiten: Vermehrte Leistungsanstrengungen im Wiederholungsjahr wurden durch verbesserte Zensuren belohnt. Aus persönlicher Perspektive blieb die Wiederholungser­fahrung allerdings ein Misserfolg unter mehreren. Bildungsaspirationen und Zukunftsvorstellungen dieser Schüler/innen waren geprägt von einem Bedürfnis nach Sicherheit und Stabilität.

Strukturvariante A2: Offensive Konfrontation

Auch in dieser Variante finden sich Wiederholer/innen, die ihre Rückstufung analog zu Typ A aktiv verarbeiten und positiv bilanzieren konnten und deren Nichtversetzung, ähnlich wie bei Strukturvariante A1, auf außerschulische, meist familiäre Problem­konstellationen zurückging. Anders als bei Variante A2 findet sich hier allerdings kein Rückzug, sondern eine offensive Auseinandersetzung mit dem Phänomen. Die Wieder­holung wirkte erleichternd, da sie einen Schonraum zur Bewältigung der Krise bot, und sie setzte Energien frei, durch die die Befragten von besseren Leistungen und einer als positiv empfundenen persönlichen Entwicklung profitierten. So entwickelten sie z.B. Kompetenzen zur Bewältigung schulischer und privater Konflikte und ein verbessertes Zeit- und Selbstmanagement.

Typ B: Passiver Idealismus

Dieser Typ ist charakterisiert durch eine positive Bilanz bei passiver Verarbeitung der Wiederholung. Diese Befragten setzten sich nicht aktiv mit den Ursachen und Folgen ihrer Wiederholung auseinander, sondern profitierten ohne eigene Anstrengung davon, bestimmte Unterrichtsinhalte während des Wiederholungsjahrs ein zweites Mal vermit­telt zu bekommen. Die positive Bilanz dieser Schüler/innen richtet sich daher auf die eingetretene Leistungsverbesserung, die ohne zusätzliche Bemühungen erreicht wurde. Ihre Wahrnehmung von Schule war geprägt durch eine starke Fokussierung auf die Be­ziehungsebene und wurde dadurch überschattet, dass Schule im Vergleich zu persönli­chen Belangen und außerschulischen Beziehungen als weniger relevant wahrgenommen wurde. Die Haltung zur jeweils konkret eigenen Schule war dabei durchaus positiv und korrespondierte mit hohen eigenen Bildungsaspirationen, die sich mehr nach eigenem Interesse an Selbstverwirklichung richteten als nach Motiven wie Prestige oder finanzi­eller Absicherung.

Typ C: Desillusionierter Aktionismus

Befragte dieses Typs berichteten von gravierenden Erfahrungen schulischer Diskrimi­nierung und von Konflikten mit einzelnen Lehrenden. Sie hatten das Gefühl, auf Grund persönlicher Merkmale, z.B. wegen ihres Migrationshintergrundes, von bestimmten Lehrpersonen diskriminiert, negativ etikettiert und durch schlechte Noten sanktioniert zu werden. Da sie ihre Nichtversetzung dementsprechend auf Willkür und Ungerechtig­keit zurückführten, stellte sie eine gravierende Kränkung, einen Verlust von Lebenszeit und eine überflüssige Wiederholung bereits bekannter Inhalte dar. Ihre Bilanz fiel daher durchweg negativ aus. Allerdings zeigten Befragte dieses Typs eine ausgesprochen re­flektierte Auseinandersetzung mit den Ursachen und den Konsequenzen ihrer Nichtversetzung und bemühten sich während ihrer Wiederholungszeit sehr stark um eine Verhal­tensanpassung, um nicht erneute Konflikte zu provozieren.

Typ D: Desorientierte Opposition

Bei Befragten dieses Typs ging eine gravierende Inkongruenz zwischen schulischem und persönlichem Habitus mit hohen elterlichen Bildungsaspirationen einher. Schüler/innen dieses Typs wiesen meist nicht-lineare Bildungskarrieren auf und erlebten Schule und schulisches Lernen als subjektiv wenig sinnstiftend und sehr anstrengend. Ihre Wieder­holung ließen sie über sich ergehen, ohne sie zu reflektieren und ohne sie als Anstoß zur Änderung ihres Lern- und Arbeitsverhaltens zu nutzen, weshalb sie sie ausschließlich ne­gativ bilanzierten. Ein hoher familiärer Druck in Richtung Bildungsaufstieg wirkte stark belastend und führte außerdem zu einer deutlichen Diskrepanz von eigenen Bildungsaspi­rationen und Zukunftsvorstellungen und dem tatsächlich eingeschlagenen Bildungsweg.

Pragmatischer Konformismus: FF

FF (die Abkürzung steht für Freiwillige Feuerwehr, die Pseudonyme wurden von den Befragten selbst gewählt) ist zum Zeitpunkt des Interviews 20 Jahre alt und lebt ohne Geschwister bei seinen Eltern. Beide Eltern verfügen über einen Realschulabschluss; die Familie stammt aus Deutschland. Im Anschluss an seine Grundschulzeit besuchte FF den gymnasialen Zweig einer regionalen Gesamtschule und wechselte von dort auf ein Oberstufengymnasium. Beim Übergang in die Sekundarstufe II hat er allerdings „die Sache zu locker genommen und gedacht ,Ja, das machst du jetzt so mal so weiter’, eh – aber daraus wurde dann nichts, ((lacht))“ (FF, S. 17). Durch diese Haltung entstanden Defizite in mehreren Fächern.

Verarbeitung und Bilanzierung der Wiederholung

FF führt seine Nichtversetzung darauf zurück, dass er in seiner vorherigen Schule mit durchschnittlichem Engagement gute Noten erreichen konnte und diese Haltung in die Oberstufe mitbrachte. Bei genauerer Nachfrage beschreibt er den Unterschied wie folgt: „Auf der alten Schule- hat man gesagt gekriegt – ,lhr müsst genau das, das und das und das so machen’, (…). Hier ist es halt eher, man hat ein Thema, und es wird gesagt – oder es wird vorausgesetzt, das hat man drauf, und das muss man machen“ (FF, S. 4). Die vermehrte Eigenständigkeit in der Erarbeitung der Lerninhalte und das Fehlen einer Ori­entierung durch Anleitung der Lehrer/innen werden hier zu einem Problem, durch das sich FF – und mit ihm die Befragten des Typs A, also die meisten Befragten der Studie – zu Beginn ihrer Oberstufenzeit überfordert fühlen.

FF bezeichnet seine Nichtversetzung als „herben Rückschlag“ (FF, S. 16), bejaht aber ausdrücklich die Frage, ob sich die Wiederholung für ihn dennoch gelohnt habe. Auf rein schulischer Ebene beschreibt er verbesserte Leistungen und eine aktive Veränderung seines Lernverhaltens. Ohne Druck von außen habe er sich „hingesetzt“ und „mehr ge­macht“: „Von selbst, ja. ((lachend) Weil ich mir gesagt habe, ,das kann nicht so weiter gehen, das muss jetzt mal besser werden’)“ (FF, S. 19). Hier zeigt sich deutlich, dass FF den Misserfolg seiner Wiederholung zwar auf einen internen, aber zugleich auf einen veränderbaren Faktor attribuiert und entsprechend als Impuls in Richtung einer deutlichen Verhaltensänderung verarbeitet hat. Er erkennt seine mangelnde Motivation und sein feh­lendes Engagement beim Übergang in die gymnasiale Oberstufe als Problem und kann sein Wiederholungsjahr dazu nutzen, Einstellung und Leistung nachhaltig zu verbessern.

außerschulisches/familiäres Umfeld

Das Verhältnis zu seinen Eltern wird von FF zwar nur wenig ausführlich, aber insgesamt als positiv beschrieben. Es wird aber deutlich, dass sie Bildungsaspirationen in Richtung eines Abiturs für ihren Sohn verfolgen, wenn sie als Reaktion auf seine Nichtversetzung die Haltung vertreten, „es ist halt passiert, und (…) nicht gut, aber – es muss jetzt – besser werden“ (FF, S. 19). Interessant ist hier die Formulierung „es muss besser wer­den“, im Kontrast zu beispielsweise „es kann besser werden“. Im Unterschied zu seiner deutlichen Betonung, dass er von seinen Eltern keinen „Ärger“ wegen der Rückstufung bekommen habe, offenbart diese Wendung, dass er einem höheren Druck seiner Eltern ausgesetzt sein könnte, als er ihnen im Interview zuschreibt.

Er weist dennoch nachdrücklich darauf hin, dass er seine Einstellung zu schuli­schem Lernen und seine fachlichen Leistungen „von selbst“ verändert und verbessert habe. Hierzu korrespondierend beschreibt er eine zunehmende Übernahme von Ver­antwortung im Rahmen seines Ehrenamtes bei der Freiwilligen Feuerwehr, das ihm sehr wichtig ist und vermutlich als stabilisierendes Element außerhalb der Schule eine wichtige Ressource sozialer Unterstützung darstellt. Auch sein Berufswunsch zielte ur­sprünglich auf die Arbeit bei der Feuerwehr. Dafür ist allerdings eine handwerkliche Ausbildung nötig. FF schwankt noch zwischen dieser Alternative und einem möglichen Studium. Seine Zukunftsvorstellungen richten sich insgesamt auf ein traditionelles Mo­dell („Geld, Familie, Haus, halt so – Standard“, FF, S. 28).

Wahrnehmung von Schule, Förderung und Beratung

Für FF ist Schule bzw. das Abitur der Schlüssel zur Verwirklichung seiner Zukunfts­vorstellungen, also primär eine Instanz zum Erwerb von Bildungsqualifikationen, die Zugang zu begehrten Berufspositionen vermitteln. Dementsprechend nimmt er sein schulisches Umfeld auf sehr pragmatische, fast neutrale Weise wahr. Mit den Mitschü­ler/innen, auch im neuen Jahrgang, käme er sehr gut zurecht, und mit den Lehrer/innen gebe es „keine Probleme“ (FF, S. 15). Er räumt dann noch ein: „Man hat auch manchmal einen schlechten Tag. Der Schüler hat mal einen schlechten Tag, oder der Lehrer hat mal einen schlechten Tag, je nachdem wie es halt so läuft“ (FF, S. 15).

Dazu passend gibt es keine Konflikte mit einzelnen Lehrenden und keine Erfahrun­gen mit Diskriminierung oder als problematisch empfundener Leistungsbewertung, die FF im Interview benennen könnte. Er absolviert die Schule, ohne sie als Raum seiner persönlichen Entwicklung zu betrachten – diese findet offenbar außerhalb der Schule statt, in einem sozialen Umfeld, in das er stabil eingebunden ist. Da er auf der Ebene der schulischen Beziehungen und Interaktionen keine Probleme an seiner Schule wahr­nimmt und das klassische Hierarchiegefälle zwischen Lehrenden und Lernenden nicht in Frage stellt, fallen ihm kaum Verbesserungsmöglichkeiten für seine Schule ein. FF nimmt dabei seine Schule durchaus positiv wahr und kann sich mit ihr identifizieren; neben den verbesserten Zensuren in Folge der Wiederholung berichtet er einige positive Erfahrungen und Lernerfolge, wie beispielsweise eine Projektwoche oder eine Exkur­sion.

Zusammenfassung

FF als Beispielfall für den Typ des pragmatischen Konformismus zeigt deutlich die Problematik des Übergangs auf eine Schulform, deren Anforderungen und Inhalte den Schüler/innen nicht bekannt sind. Die plötzlich verlangte Eigenständigkeit hat FF an­gesichts seiner zuvor nachlässigen, aber hinreichend erfolgreichen Lernhaltung deutlich überfordert. Anders als Tina kann FF jedoch erkennen, wo das Problem liegt, und nach der Rückstufung daran arbeiten. Dies gelingt ihm u.a. deshalb, weil er sich selbst be­sonders im außerschulischen Bereich als so kompetent erleben kann, dass er sich das Erreichen seiner Ziele problemlos zutraut. Während Tina keine Möglichkeit sieht, eige­ne Wünsche in Bezug auf ihre Zukunft umzusetzen, und überhaupt kaum eigene Ziele entwickelt hat, hat FF konkrete Vorstellungen vor Augen und betrachtet Schule als sei­nen Weg dorthin. Seine Wiederholung ist dementsprechend zwar ein Rückschlag, aber auch ein Anstoß, den er dank einer aktiven Auseinandersetzung nachhaltig nutzen kann.

Fazit und Ausblick

Die beiden kurz skizzierten Fälle haben gezeigt, wie weit die individuellen Erfahrungen einer Klassenwiederholung auseinander liegen können: Je nach Verfügbarkeit außer­schulischer Unterstützung und Einschätzung der eigenen Selbstwirksamkeit kann eine Nichtversetzung in der Oberstufe ein Misserfolg sein, der keinerlei positive Effekte hat, oder ein Anstoß, der letztlich den Ausschlag für eine erfolgreiche Schulkarriere im Sin­ne eines erreichten Schulabschlusses gibt. Damit ist umrissen, mit welchen Herausfor­derungen sich die gymnasiale Oberstufe in Bezug auf die Heterogenität ihrer Lerngrup­pen auseinandersetzen muss. Zudem zeigen die Erkenntnisse aus unserer Typenbildung, dass es aus Perspektive der Wiederholer/innen schwierig ist, eine Nichtversetzung als eindeutig positiv oder eindeutig negativ zu charakterisieren. Unter Leistungsaspekten können fast alle Befragten eine positive Bilanz ziehen, unter persönlichen Aspekten deutlich weniger.

Einige der angedeuteten Aspekte verweisen auf wichtige Möglichkeiten für die Schulentwicklung: Die Befragten wünschen sich eine bessere Vorbereitung auf und Einführung in die Arbeitstechniken, die in der Sekundarstufe II gefordert werden, eine zuverlässigere (in manchen Fällen eine überhaupt vorhandene) Betreuung durch Tutor/innen und Fachlehrende und in einigen Fällen auch eine rechtzeitige Aufklärung über sich abzeichnende schulische Probleme. In der Rückmeldung der Ergebnisse unserer Studie an die drei beteiligten Schulen finden sich differenzierte Hinweise auf entspre­chende Maßnahmen und unterschiedliche Ansätze konkreter Unterstützung für Wieder­holer/innen, die sich aus den gebildeten Typen ableiten lassen. An dieser Stelle soll stattdessen ein kurzes Fazit der Studie unter methodischen Aspekten erfolgen: Obwohl mit teils hohem Arbeitsaufwand verbunden, hat sich gezeigt, dass ein typenbildendes Verfahren einen hohen Erkenntnisgewinn für dringend benötigte qualitative Forschung zur subjektiven schulischer Erfahrungen Wahrnehmung von Schülerinnen und Schülern (vgl. Helsper 2004) darstellt. Durch systematische Kontrastierung der Einzelfälle traten wichtige inhaltliche Zusammenhänge zwischen bestimmten Merkmalen und der Verar­beitungsweise von Wiederholungen in der Oberstufe hervor, die deutlich zeigen, dass das Erleben schulischer Erfolge und Misserfolge stark davon abhängt, wie Schule und Lernen generell wahrgenommen werden und ob stabile außerschulische Netzwerke und Ressourcen zur Unterstützung bereit stehen.

Gerade die Kombination unterschiedlicher Verfahren, die vertiefende Interpretatio­nen an einzelnen Passagen ebenso ermöglichte wie einen thematischen Überblick über das gesamte Material, stellte ein solides Fundament für den Prozess der Typenbildung dar. Unsere Studie markiert somit einen erfolgreichen Versuch, dem bisher wenig un­tersuchten Phänomen einer Klassenwiederholung in der Sekundarstufe II aus verschie­denen Blickwinkeln auf die Spur zu kommen. Mit den hier unbeantwortet gebliebenen Fragen, z.B. nach der retrospektiven Einschätzung ihrer Erfahrungen durch ehemalige Wiederholer/innen nach Beendigung ihrer Schulkarriere, bezeichnet sie zugleich wich­tige Bereiche zukünftiger interpretativer Schulforschung.

Nutzungsbedingungen:
Das vorliegende Dokument ist ausschließlich für den persönlichen, bzw. nicht-kommerziellen Gebrauch bestimmt – es darf nicht für öffentliche und/oder kommerzielle Zwecke außerhalb der Lehre vervielfältigt, bzw. vertrieben oder aufgeführt werden. Kopien dieses Dokuments müssen immer mit allen Urheberrechtshinweisen und Quellenangaben versehen bleiben. Mit der Nutzung des Dokuments werden keine Eigentumsrechte übertragen. Mit der Verwendung dieses Dokuments erkennen Sie die Nutzungsbedingungen an.