Hinweis – Der Fall kann gemeinsam gelesen werden mit:
- „Frau Önal – »Das war ganz schlimm«“
- „Herr Ludwig [1] – »Hola« und »Salut«“
- „Frau Mütz – »da hatte ich auch mal ne Schülerin, die aus Griechenland kam auch da einfach mal zu erzählen«“
- „Schüler_innen: Motive für die Bejahung des Prinzips Interkulturelles Frühstück – Sechstklässler_innen eines Gymnasiums“
- „Schüler_innen: Motive für die Bejahung des Prinzips Interkulturelles Frühstück – Achtklässler_Innen einer Integrierten Gesamtschule“
- „Schüler_innen: Motive für die Bejahung des Prinzips Interkulturelles Frühstück – Masud“
- „Schüler_innen: Motive für die Bejahung des Prinzips Interkulturelles Frühstück – Resümee der Schüler_innenbefragung“
- „Interkulturelles Frühstück – Resümee der Lehrkräftebefragung“
Einleitende Bemerkungen
Die Bereicherung des Unterrichtsalltages steht auch bei Herrn Schmidt im Mittelpunkt seiner Ausführungen zum Prinzip Interkulturelles Frühstück. Die vielen Möglichkeiten, »fremde« Welten darzubieten (in Form von Festen, Tänzen und Kochgelegenheiten), werden als spannend und interessant angesehen. Im Folgenden betont er vorrangig den Unterhaltungswert der Erfahrungen der Schüler_innen mit Migrationshintergrund oder – geschichte bzw. nicht-christlich religiösen Hintergründen. Interkulturelles Lernen stellt so eine außerordentliche, nicht-alltägliche Veranstaltung dar, welche kaum etwas mit »normalem« Unterrichtsalltag zu tun habe und auch nicht leicht zu integrieren sei.
Falldarstellung mit interpretierenden Abschnitten
Herr Schmidt: »Traditionen, Gesänge, entschuldige, wie Gesänge oder äh Tänze, Kochen, Rezepte so austauschen. «
Interviewerin: »Ja.«
Herr Schmidt: »Das, das haben wir schon mal gemacht. Ähm dass jeder sein Lieblingsrezept aus seinem Heimatland mitbringen musste. Und dann hat man, haben wir da auch son paar Sachen mal gekocht oder so etwas. Das, das sind Sachen, aber das äh ist schwer in den normalen Unterricht einfach zu integrieren.«
Im Gegensatz zu Frau Mütz geht Herr Schmidt nicht auf einzelne Schüler_innen ein, deren Herkunft er kennt, sondern stellt allgemein die Aufgabe, sein Lieblingsrezept mitbringen zu müssen – jedoch mit der Einschränkung: aus seinem »Heimatland«. Einige dieser Rezepte wurden dann auch gemeinsam ausprobiert. Dass es sich hierbei keineswegs um alltägliches Unterrichtsgeschehen, sondern um Veranstaltungen mit »Festcharakter« handelt, wie sie Frau Önal kritisiert, wurde bereits festgestellt. Allerdings ist die Konnotation hier eine ganz andere. Während Frau Önal die Kritik übt, dass Veranstaltungen dieser Art für den Alltag im Sinne eines gehaltvollen interkulturellen Lernens geradezu folgenlos bleiben, äußert Herr Schmidt sein Bedauern darüber, dass diese unterhaltenden Elemente nur schwer in den schulischen Alltag integrierbar seien.
Darüber hinaus ist u.E. von Interesse, dass Schüler_innen durch die Aufforderung, ihre Lieblingsrezepte mitzubringen, zwar Persönliches in den Unterricht einbringen können, aber die Gefahr besteht, dass sie auf ihr Anderssein reduziert werden, indem die Rezepte aus ihren »Heimatländern« stammen sollen. Es ist anzunehmen, dass viele der Schüler_innen in Deutschland geboren und aufgewachsen sind und somit Deutschland ihr Heimatland ist. Diese Auffassung von Heimat scheint Herr Schmidt allerdings nicht zu teilen. Er erwartet wohl eher »exotische« Speisen und nicht so sehr Grünkohl mit Pinkel, Schweinebraten mit Kloß oder Kasseler mit Sauerkraut. Vielleicht ist aber die Lieblingsspeise des Schülers mit türkischem Migrationshintergrund ja Milchreis, während die deutsche Schülerin am liebsten Döner zu Mittag isst? Hier werden Eindeutigkeiten nahe gelegt, die so keineswegs existieren müssen und es wird den Schüler_innen erschwert, sich selbst zwischen Deutschland und einem ggf. anderen Heimatland zu positionieren und kreative Umdeutungen des Topos »Heimatland« vorzunehmen.
Anmerkung der AutorInnen
Zum Schluss […] gilt es noch festzuhalten, dass die aufgeführten Beispiele weitgehend – die Migrationsgeschichten von Frau Önal bilden hier eine Ausnahme – keinen fachspezifischen Bezug aufweisen, der Geschichtsunterricht hier mithin zumeist ein eher zufälliger Ort ist und die Beispiele sich auch in anderen Fächern hätten ereignen können. Ferner ist darauf hinzuweisen, dass wir das Prinzip Interkulturelles Frühstück in der beispielsweise von Frau Önal kritisierten Variante in dem von uns erhobenen Videomaterial von Unterrichtsstunden des Faches Geschichte nicht finden konnten. Das mag zum einen daran liegen, dass es sich um eine besondere Situation handelt, die nicht in die täglichen Unterrichtsabläufe integriert ist. Es kann jedoch auch sein, dass das Prinzip Interkulturelles Frühstück zwar vielen Lehrkräften bekannt ist – schließlich spielt es ja auch in außerschulischen Kontexten eine prominente Rolle – und quasi als Prototyp des interkulturellen Lernens gelten mag. Daher müssen und wollen sich Lehrkräfte unter Umständen in den von uns geführten Interviews dazu positionieren.
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