Hinweis – Der Fall kann gemeinsam gelesen werden mit:
- „Frau Önal – »Das war ganz schlimm«“
- „Herr Schmidt – »dass jeder sein Lieblingsrezept aus seinem Heimatland mitbringen musste«“
- „Frau Mütz – »da hatte ich auch mal ne Schülerin, die aus Griechenland kam auch da einfach mal zu erzählen«“
- „Herr Ludwig [1] – »Hola« und »Salut«“
- „Schüler_innen: Motive für die Bejahung des Prinzips Interkulturelles Frühstück – Achtklässler_Innen einer Integrierten Gesamtschule“
- „Schüler_innen: Motive für die Bejahung des Prinzips Interkulturelles Frühstück – Sechstklässler_innen eines Gymnasiums“
- „Schüler_innen: Motive für die Bejahung des Prinzips Interkulturelles Frühstück – Resümee der Schüler_innenbefragung“
- „Interkulturelles Frühstück – Resümee der Lehrkräftebefragung“
Einleitende Bemerkungen
Wir wenden uns nun noch kurz der Seite der Schülerinnen und Schüler zu. Hat das Prinzip Interkulturelles Frühstück auch für sie eine Bedeutung und wenn ja welche?
[…]
Für unseren Kontext von Interesse ist zunächst einmal eine Gruppendiskussion mit Kindern einer fünften Klasse einer Integrierten Gesamtschule. Wie sich in der Gruppendiskussion herausstellt, ist einer der Diskutanten, der Schüler Masud, erst vor wenigen Jahren mit seiner Familie aus dem Irak nach Deutschland aufgrund des zweiten Golfkrieges geflohen. Der Schüler berichtet von Erfahrungen, die er während des Krieges gemacht hat und erwähnt, dass eine seiner Lehrerinnen ihn auch einmal aufforderte, darüber zu berichten:
Falldarstellung mit interpretierenden Abschnitten
Masud: »Frau Handke hat ja einmal gesagt, dass ich jetzt über Irak erzählen soll, weil ich war ja im Krieg dabei – Amerika und so – und deswegen hat sie gesagt also, wie hast du dich da gefühlt und so […]«.
Diese Form der Hervorhebung oder Besonderung wird von Masud nicht als negativ präsentiert. Im Gegenteil: Der Schüler sieht darin – wie sich im weiteren Verlauf der Gruppendiskussion zeigt – eine Möglichkeit, Un- und Halbwahrheiten aufzudecken und seinen Mitschüler_innen so zu erklären, wie »es wirklich war«. Augenzeugenschaft scheint insbesondere für jüngere Jugendliche überhaupt eine zentrale Form der Geltungsbegründung historischer Aussagen zu sein (Kölbl, 2004, S. 323-328).
Welche Absichten die Lehrerin verfolgte, Masud von seinen Erlebnissen berichten zu lassen und damit unter Umständen sogar traumatische Erinnerungen wachzurufen, kann anhand des Interviews mit der Lehrkraft, aber auch anhand der Gruppendiskussion, nicht rekonstruiert werden. In der Perspektive Masuds geschieht die Erzählaufforderung deshalb, weil er ja im Krieg dabei gewesen sei. Das lässt mindestens drei zumindest partiell verschiedene Interpretationsmöglichkeiten zu: Du bist im Krieg dabei gewesen, also kannst du uns besonders authentisch, glaubwürdig, wahrheitsgemäß etwas darüber erzählen. Du bist im Krieg dabei gewesen, also kannst du besonders anschaulich, lebendig, »emotional« (er wird ja auch gefragt, wie er sich gefühlt habe) davon erzählen. Du bist im Krieg dabei gewesen, also können wir von dir anderes erfahren als aus einem Zeitungsartikel oder dem Geschichtsbuch.
Literaturangabe
Kölbl, C. (2004). Geschichtsbewußtsein im Jugendalter. Grundzüge einer Entwicklungspsychologie historischer Sinnbildung. Bielefeld: transcript.
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