Hinweis – Der Fall kann gemeinsam gelesen werden mit:

Einleitende Bemerkungen

Sprachförderung am 21.06.2007

Skizzierung der Sprachfördersitzung und deren Zeiteinteilung

Zu Beginn der Sitzung begrüßt Frau Becker einen Jungen, der am Vortag aufgrund einer Krankheit nicht teilnehmen konnte. Der Junge erzählt von zu Hause und von einem Videospiel, woraufhin sich ein Gespräch über Spielkonsolen, Videospiele, Fernsehen usw., an dem alle Anwesenden teilnehmen, entwickelt. Frau Becker bricht nach mehreren Minuten das Gespräch ab und überprüft die Anwesenheit, in­dem sie die Kinder aufruft. Ugo, Maira, Zanib (Z:), Mergim, Berrin (Ber:), Sajid (Sa:) und Mehmet (Me:) sind anwesend.

Die Kinder sollen nun das Arbeitsblatt des Vortages fertig bearbeiten. Ein Junge soll den Kindern, die am Vortag gefehlt haben, das Arbeitsblatt und die damit verbunde­nen Aufgaben erklären. Der Junge stellt mit Hilfe von Frau Becker die Aufgaben vor und die Kinder beginnen mit der Bearbeitung des Arbeitsblattes. Frau Becker fordert nach mehreren Minuten die Kinder, die noch nicht fertig sind, auf, die Arbeit zu be­enden. Dies begründet sie damit, dass die anderen Kinder ansonsten zu lange warten müssten.

Anschließend fragt sie die Kinder: „Wer kann jetzt vorlesen, was er gemalt hat?“ Sie nimmt ein Kind, welches sich gemeldet hat, dran und ruft daraufhin die Kinder ein­zeln auf und fragt sie, wie viele Stifte, Schultüten, Wasserfarben und Uhren auf dem

Arbeitsblatt abgebildet sind. Die Kinder antworten entsprechend. Danach stellt sie die Frage: „Wer kann denn schon rechnen?“ Alle Kinder antworten mit: „Ja!“ An­schließend stellt sie eine Rechenaufgabe, die sich aus dem Arbeitsblatt ergibt: „Wie viel sind vier Stifte und vier Stifte zusammen?“ Sie stellt ebenso die entsprechenden Aufgaben für die übrigen Gegenstände. Bei der letzten Aufgabe müssen zehn Was­serfarben und zehn Wasserfarben addiert werden. Ein Kind gibt die richtige Ant­wort, woraufhin Frau Becker in die Gruppe fragt: „Wer kann denn schon bis 20 zäh­len?“ Sie ruft ein Kind, das sich gemeldet hat, auf, welches dann bis 20 zählt.

Bevor Frau Becker die Sitzung beendet, erzählt sie den Kindern, dass am nächsten Tag ein Zahlenspiel gespielt wird.

Die beschriebene Szene hat in Folgendem zeitlichen Rahmen stattgefunden:

Begrüßung (fließender Übergang) ca. 1 Min.
Gespräch ca. 6 Min.
Kontrollieren der Anwesenheit ca. 1 Min.
Verteilen der Arbeitsblätter ca. 1 Min
Kinder, die am Vortag nicht anwesend waren, ca. 2 Min.
schreiben ihren Namen auf das Blatt
Blatt in der Mitte falten ca. 1 Min
Ein Kind stellt den anderen Kindern das AB ca. 2 Min.
des Vortages vor
Kinder ergänzen die Gegenstände auf der  rechten Seite/Kinder, die am Vortag anwesend waren,malen die Wasserfarben an ca. 11 Min.
Die Uhren auf der rechten Seite genauso anmalen            ca. 4 Min.
Frau Becker bricht die Bearbeitung des AB’s ab/ Besprechung was gemalt wurde/Bestimmung der Anzahl auf der linken Seite und auf beiden Seiten zusammen  ca. 3 Min.
Aufforderung bis 20 zu zählen/Hinweis auf ein Zahlenspiel in der nächsten Sitzung ca. 1 Min.

Falldarstellung mit interpretierenden Abschnitten

Darstellung und Analyse der Sprachfördersituation vom 21.6.2007

B:             Schön das der Sajid wieder da ist. Freu ich mich. Ne!

Sa:           Ich hab ein Fernseher gucken ein Spiel.

B:             Was für ein Spiel hast du geguckt im Fernsehen?

Sa:           Ein Spiel. (Sajid macht Bewegungen mit den Händen, als würde er ein Joypad bedienen)

B:             Du hast ein Spiel für den Fernseher.

Sa:           Papa. Für mein 2001.

B:             Habt ihr eine Playstation zu Hause?

Ma:          Ja ich auch, (meldet sich)

Sa:           Ja. (meldet sich)

B:             Ja.

Mer:         Ich auch. Ich hab die Playstation 2.

B:             Ehrlich! Ihr alle habt eine Playstation?

Ma:          Ich viele Payschen <=Playstation>.

S:             Ich habe meine. Wir habe drei/

Sa:           Auto.

B:             Autorennen.

Sa:           Ich gewinn. Iche <=ich> geschafft (streckt die Faust nach oben)

U:             Gar nicht.

B:             Hast du das geschafft das Autorennen?

U:             Eh, Eh! (schüttelt den Kopf)

B:             Das kannst du doch gar nicht wissen.

U:             Doch! Ich war schon mal bei den, hat gar nicht geschafft.

B:             Du kannst doch gar nicht wissen, ob der Sajid das jetzt vielleicht geschafft

hat.

U:             Eh, Eh.

B:             Und ihr habt alle eine Playstation zu Hause?

MK[1]:     Ja!, Ja!

Ma:          Aber ich liebe Playstation.

B:             Du liebst Playstation.

Ma:          Und ich schiel <=spiele> auch.

B:             Du spielst auch.

U:             Te, te, tendo <=Nintendo> DS ist besser als Playstation.

B:             Mmh.

Sa:           S, s Auto zwei.

Mer:         Playstation ist besser.

B:             Aber wenn man so viel spielt

Me:          Playstation3.

B:             Hört mal!

Mer:         Playstation 3 ist viel zu teuer. (Mehmet schüttelt mit dem Kopf)

B:             Zuhören! Das ist wichtig. Wenn man zuviel mit der Playstation spielt, das ist nicht gut. Oder wenn man soviel Nintendo DS spielt. Nur ein bisschen, jeden Tag. Ein bisschen. Vielleicht 20 Minuten.

Ma:          Aber Becker.

B:             Das ist nicht gut für die Augen. Das ist nicht gut für das Köpfchen.

Ma:          Frau Becker.

B:             Ja?

Ma:          Ich schiele <=spiele> nur einmal.

B:             Du spielst nur einmal. Wichtig ist das ihr nicht zu lange spielt.

Ma:          Iche <=ich> nur bisschen   schiele <=spielen>. Habe nur bisschen schiele <=spielen>.

B:             Nur ein bisschen spielen. Vielleicht 20 Minuten am Tag.

U:             <unverständlich>

B:             Auch mit Nintendo, da gilt das gleiche. Ihr müsst etwas anderes spielen zu Hause und rausgehen.

Mer:         Nur wenn der Schnee kommt, dann dürfen wir zu lange.

B:             Da darf man länger spielen im Winter? Vielleicht ein bisschen, aber nicht viel länger. Ne! (Sajid und Zanib melden sich)

Mer:         Frau B in meiner/

B:             Was ist denn Zanib?

Z:             Wir haben, wir haben was heißt das?

U:             <unverständlich> (redet mit Mergim und Mehmet)

B:             Bei Super RTL? U. sei mal eben still, ich versteh die Zanib nicht. Was ist bei Super RTL? Was ist da?

Sa:           Super RTL, Toggolino bei Super RTL.

Z:             Nintendo DS ist da/

B:             Nintendo DS, ja?

Z:             Super RTL da kommt alles.

Mer:         Ey! Mr. Bean ist voll da lustig.

Z:              Wir haben Computerspiel. Wir haben Toggolino-Videospiel. Wir gucken, wir haben, wir gucken, mein Bruder spielt, em, Computer Toggolino.

B:              Dein Bruder hat so ein Spiel für den Computer?

Z:              Nein Computer. Nur Computer.

B:              Hat so einen Computer. Eh he.

Z:              Wir haben Computer, alle und haben was keine Ahnung. Was Gerät ist? (zeigt mit den Händen, dass sie etwas in die Hand nimmt und in etwas anderes hinein schiebt)

Mer:         Ich hab das nicht gesagt, (zu Ugo)

B:              Eine CD reinschieben. Ne! (Zanib nickt)

Z:              Ja. Wir haben was Neues. B: Was denn? Was Neues?

Z:              Auto kleben, da kann man Fernseher sehen.

B:              Ah ha.

Z:              Eine CD rein.

B:              Ah ha, mit ner <=einer> CD. Ah ha.

Z:              Da macht man alle CD rein oder Sponge Bob oder Garfield-CD.

B:              Ah ha, CD reintuen. Ihr habt alle Computer und so zu Hause?

AK [2]:     Ich. Ich auch.

Sa:            Ich, ich, ich. (meldet sich)

B:              Mensch, Mensch, Mensch.

Ma:          Ich neue puter <=Computer>.

U:             Meiner ist besser als alle!

Ma:          Becker ich habe neue puter <=Computer>.

B:              Nur einen Computer, hast du?

Ma:          Nein, neu.

B:              Einen neuen Computer hast du!

Sa:             Ey, ich, ich, ich. (meldet sich)

U:             Wenn jemand voll viel Fernsehen guckt ist doof.

B:              Ja viel Fernsehen gucken, dass ist nicht gut.

Mer:         Als ich im Krankenhaus war, hat mein Papa mir ein Playstation 2 gekauft.

Sa:            Ich werde kauf/ (meldet sich)

B:             Denkt mal dran Kinder nicht so viel Computer oder vorm Fernsehen sitzen oder Nintendo DS oder Advance, dass ist gerade egal wie es heißt. Das ist nicht gut/

Ma:          <Und Auto?>

B:              Ihr sollt raus gehen. Ihr sollt draußen spielen, Roller fahren, Seil hüpfen.

Das sollt ihr machen.

U:             Und Fahrrad fahren.

Sa:            Fahrrad fahren.

Z:              Oder genau Fahrrad fahren.

U:             Spielen.

Z:              Und auf Holz stampfen.

Ma:          Becker aber ich darf nicht draußen. Mein Mutter sagt, ich darf

nicht draußen. U: Noch mal spielen.

B:              Warum darfst du nicht nach draußen?

Ma:          Ich bin bruhn <=braun> und so.

B:              Bitte?

Ma:          Ich bin bruhn <=braun> und so.

Sa:            Braun.

Z:              Wenn sie rausgeht, dann ist sie <xxx>. (2) So braun.

B:             Aber dann kann man sich ja eincremen. Das ist ja nicht das Problem. Dann kann man sich ja Sonnencreme ins Gesicht schmieren.

Ma:          Nur weiß ist sch, schön sein, mein Mutter sagt.

B:             Nein! Du kannst ruhig noch ein bisschen Farbe kriegen, dass ist nicht schlimm.

Ma:          Aber ich kann bisschen rausgehen.

B:             Aber nicht so viel vor dem Computer sitzt. Ne, Sajid?

U:             Ich geh voll viel draußen.

Sa:           Hier runter. Hier hab ich mir wehgetan (zeigt seinen Ellenbogen).

U:             Ich geh voll viel raus.

B:             Das macht nichts, wenn man rausgeht dann tut man sich auch mal weh. Das ist nicht schlimm.

U:             Ich geh voll viele draußen.

B:             Richtige Jungs und richtige Mädels, die haben auch mal die Arme offen und die Knie offen. Die fallen mal hin, wenn die irgendwo runterspringen. Das ist nicht schlimm.

Mer:         Ja oder mal so! (Zeigt auf seinen Arm)

B:             Oder so wie der Mergim.

Sa:           Ich hab spielen (2) Frau Becker (2) Ich hab am Computer. <xxx>

B:             Am Computer tut man sich nicht weh. Aber Computer ist nicht gut für die Augen und nicht gut fürs Köpfchen (Maira tippt sich mit dem Finger auf den Kopf).

Mer:         Hast du den Feuerofen?

(Alle Kinder reden gleichzeitig miteinander)

B:             Alle Kinder nach dem Kindergarten. Sollen alle Kinder mal rausgehen und sollen spielen.

Mer:         Hast du Feuer gemacht?

B:             Und dann kann man auch mal hinfallen und sich wehtun. Das ist nicht schlimm. So Mergim du hörst jetzt hier zu!

Sa:           Ich habe mein Auto über Wasser, (zeigt mit der Hand die Flugbahn des Autos)

B:             Und jetzt möcht ich mal gucken, wer da ist. Also Ugo/

Ich habe dieses Gespräch von mehr als sieben Minuten in seinem vollen Umfang abgebildet, da ich denke, dass ein kürzerer Ausschnitt den lebendigen Verlauf nicht ausreichend wiedergespiegelt hätte. Dieser Gesprächsverlauf ist meiner Meinung nach ein sehr gutes Beispiel dafür, welchen Einfluss das eigene Interesse der Kinder auf ihr Sprachverhalten haben kann.

Auslöser des Gesprächs ist die Aussage von Sajid, ein Spiel am Fernseher gespielt zu haben. Diese Aussage wird von Frau Becker mit einer Verständnisnachfrage auf­gegriffen. Es entwickelt sich in der Folge ein Gespräch, an dem spontan mehrere Kinder teilnehmen. Wichtig ist hierbei, dass Frau Becker das Gespräch nicht direkt abbrach, sondern auf das Mitteilungsbedürfnis der Kinder insofern eingeht, dass alle etwas sagen können.

In dieser Sequenz fällt auf, dass die Kinder in gewisser Weise „gezwungen“ sind, eigene Sätze zu bilden, wodurch ihnen vermutlich ein Gefühl für die Bildung von

Satzstrukturen ermöglicht wird. Darüber hinaus erhalten sie die Möglichkeit ihre eigenen Ideen und Meinungen zu äußern, da sie nicht an die Beantwortung einer spezifischen Frage gebunden sind.

Betrachtet man jedoch in diesem Zusammenhang das Gespräch auf einer inhaltli­chen Ebene genauer, so fällt auf, dass es von Frau Becker weniger für den Aus­tausch untereinander genutzt wird, als vielmehr für Reglementierungen bezüglich des Umganges mit neuen Medien. Aufgrund dieser Reglementierungen wird der Gesprächsfluss der Kinder gehemmt oder gar unterbrochen, so dass beispielsweise die Aussage „Nur ein bisschen spielen. Vielleicht 20 Minuten am Tag“ die Thematik „Playstation“ beendet. Möglicherweise hätten die Kinder ohne diese Unterbrechun­gen im weiteren Verlauf des Gesprächs Erzählungen angeschlossen, die ein offenes und zudem an den inhaltlichen Interessen der Kinder orientiertes Gespräch ermög­licht hätten. Es kann angenommen werden, dass ein Vertiefen des Themas durch ge­zieltes und interessiertes Nachfragen durch Frau Becker als effektiv für die Sprach­forderung hätte angesehen werden können, da es die Sprach- und Satzproduktion der Kinder unterstützt hätte.

Im Kern zeigt diese Sequenz somit, dass das interessenbezogene Gespräch sehr wertvoll für eine Sprachförderung sein kann, da sich die Kinder eigenständig betei­ligen wollen. Gleichzeitig stellt das Gespräch aber auch Anforderungen an die Sprachförderkraft, die dieses Interesse der Kinder aufgreifen muss.

 

Fußnoten

[1] MK: = mehrere Kinder

[2] AK: = alle Kinder

 

Transkriptionsregeln

(steht auf) / (lacht)             Beschreibung nonverbalen Verhaltens

1. <Auto>                            bei unsicherer Interpretation, vermutete Aussage

ne <=eine>                         Orthografisch notierte Aussage mit vermuteter Bedeutung

/                                            Abbruch oder Unterbrechung

Unterstreichung                Simultanes Sprechen

2. (4)                                    Pause in Sekunden

GROSSBUCHSTABEN   Betonung

((Störung)) z.B.:               Durch eine andere Erzieherin

(vgl. Jeuk, 2003, S.145)

Literaturverweis:

Jeuck, S. (2003): Erste Schritte in der Zweitsprache Deutsch. Freiburg im Breisgau: Fillibach.

Mit freundlicher Genehmigung des Schneider Verlages.
http://www.paedagogik.de/index.php?m=wd&wid=2196

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