Hinweis – Der Fall kann gemeinsam gelesen werden mit:

Einleitende Bemerkungen

[…] An unseren Forschungen, über die wir hier sehr selektiv berichten, wirkten Jugendliche im Alter von 11 bis 17 Jahren mit. Die Teilnehmer besuchten zum Zeitpunkt der Untersuchung unterschiedliche Schultypen. Im Folgenden beziehen wir uns auf eine einzige Gruppendiskussion, die im März 2000 von drei Gymnasiastinnen und einem Gymnasiasten im Alter von 13 bzw. 14 Jahren bestritten wurde. Die Diskussion fand in einem Raum einer katholischen Gemeinde statt, aus deren Jugendgruppe die Forschungspartner rekrutiert wurden. Zur Teilnahme meldeten sich die Jugendlichen freiwillig, als sie im Rahmen eines ihrer Treffen von dem Diskussionsleiter gefragt wurden, ob sie Lust hätten, sich zu je vier Diskutanden an einem Gruppengespräch zum Thema „Geschichte“ zu beteiligen. Die Teilnehmer besuchten damals die achte Klasse derselben Schule einer mittelgroßen Stadt im Südwesten Deutschlands. […]

Falldarstellung mit interpretierenden Abschnitten

Heide: Ja und ich find das auch toll, wenn man dann noch so Erinnerungsstücke daran hat und so. (Z.123 f.)

Von unserem Jahrhundert stehen uns nicht bloß die Erzählungen der Großeltern oder anderer Verwandter zur Verfügung. Es verbinden uns auch, wie bereits erwähnt, „Erinnerungsstücke“ mit dieser Zeit. Solche Objekte, die man anschauen, zeigen, berühren, vielleicht mitnehmen, benutzen oder wegsperren kann, machen uns womöglich schon durch ihre äußere Gestalt darauf aufmerksam, dass sie nicht aus unseren Tagen stammen. Sie mögen geliebt oder gehasst werden, den Besitzer oder Betrachter mit Stolz oder Scham erfüllen, Sorgen oder Hoffnungen wecken.[1] In jedem Fall verkörpern sie narrative Abbreviaturen, Erinnerungsanlässe, die Geschichten und schließlich ein Bild der Geschichte evozieren. Sie stehen für eine Zeit, an die man sich erinnern kann, um an der Vergangenheit und den Erlebnissen anderer zumindest virtuell, imaginativ und emotional teilzuhaben – was einen vielleicht nicht unberührt lässt. Dass es sich bei den Erinnerungsstücken um Symbole handelt, ist daran zu erkennen, dass ihr Wert nicht in dem aufgeht, wozu sie gebraucht werden können – oft haben sie diese instrumentelle Funktion sogar völlig verloren. Die zu Kissen, Schürze und Tischdecke verarbeitete Hakenkreuzfahne etwa ist für die Heutigen kaum aus praktischen Gründen von Interesse. Sie steht vielmehr für eine Geschichte, die etwas über das Leben der Großeltern und deren historisch, nicht zuletzt transgenerationell vermittelten Einfluss auf das heutige Leben sagt.

Fußnote:

[1] Eine ausführliche Psychologie identitätsrelevanter Objekte hat unlängst Tilman HABERMAS (1999) vorgelegt.

Literaturangabe:

Habermas, Tilman (1999). Geliebte Objekte. Symbole und Instrumente der Identitätsbildung. Frankfurt a.M.: Suhrkamp.

Mit freundlicher Genehmigung des Forums Qualitative Sozialforschung.
http://www.qualitative-research.net/index.php/fqs/article/view/904
 

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