Hinweis – Der Fall kann gemeinsam gelesen werden mit:

Einleitende Bemerkungen

[…] An unseren Forschungen, über die wir hier sehr selektiv berichten, wirkten Jugendliche im Alter von 11 bis 17 Jahren mit. Die Teilnehmer besuchten zum Zeitpunkt der Untersuchung unterschiedliche Schultypen. Im Folgenden beziehen wir uns auf eine einzige Gruppendiskussion, die im März 2000 von drei Gymnasiastinnen und einem Gymnasiasten im Alter von 13 bzw. 14 Jahren bestritten wurde. Die Diskussion fand in einem Raum einer katholischen Gemeinde statt, aus deren Jugendgruppe die Forschungspartner rekrutiert wurden. Zur Teilnahme meldeten sich die Jugendlichen freiwillig, als sie im Rahmen eines ihrer Treffen von dem Diskussionsleiter gefragt wurden, ob sie Lust hätten, sich zu je vier Diskutanden an einem Gruppengespräch zum Thema „Geschichte“ zu beteiligen. Die Teilnehmer besuchten damals die achte Klasse derselben Schule einer mittelgroßen Stadt im Südwesten Deutschlands. […]

Falldarstellung mit interpretierenden Abschnitten

Ähnlich wie bei den obigen Zitaten zeigt auch die nächste Transkriptstelle, dass der Topos „Etwas-mit-eigenen-Augen-Sehen“ von größter Wichtigkeit bei der Beurteilung historischer Triftigkeit ist. Im Zusammenhang mit einer Diskussion über den sogenannten „Ötzi“ äußert Miriam:

Miriam: Ich weiß das war so, auf jeden Fall, wenn man so jemanden findet. Ich mein der hat ja/da hat ja nicht jemand ne Puppe irgendwie reingeschmissen . ((lacht)). (Z. 428-430)

Die Tatsache, dass der „Ötzi“ gefunden wurde, zeigt Miriam mit aller Gewissheit, dass es diesen Menschen gegeben haben muss. Das zeigen die Wendungen  „ich weiß das war so“ und die besondere Betonung „auf jeden Fall“. Unterstrichen wird das Ganze noch durch die Verneinung der – nicht im Ernst anzunehmenden (Miriam lacht dabei) – Vermutung, jemand könne einfach nur eine Puppe auf die Fundstelle geschmissen haben. Auch hier gibt es also einen Beleg, der mit eigenen Augen zu begutachten ist. Es wäre entwicklungspsychologisch zu prüfen, wie sich die Rolle der „Augenzeugenschaft“ verändert. Denkbar wäre eine Sequenz dergestalt, dass Kinder mehr oder minder noch ohne weiteres den Berichten von Autoritätspersonen Glauben schenken, wohingegen ältere Kinder und Jugendliche Belege, die sichtbar sind, fordern, und ältere Jugendliche die Problematik historischer Gewissheit schärfer erkennen, was sich beispielsweise in einer Problematisierung der Grenzen zwischen Fiktion und historischer Wahrheit zeigen könnte.

Mit freundlicher Genehmigung des Forums Qualitative Sozialforschung.
http://www.qualitative-research.net/index.php/fqs/article/view/904
 

Nutzungsbedingungen:
Das vorliegende Dokument ist ausschließlich für den persönlichen, bzw. nicht-kommerziellen Gebrauch bestimmt – es darf nicht für öffentliche und/oder kommerzielle Zwecke außerhalb der Lehre vervielfältigt, bzw. vertrieben oder aufgeführt werden. Kopien dieses Dokuments müssen immer mit allen Urheberrechtshinweisen und Quellenangaben versehen bleiben. Mit der Nutzung des Dokuments werden keine Eigentumsrechte übertragen. Mit der Verwendung dieses Dokuments erkennen Sie die Nutzungsbedingungen an.