Christina Nohl war zum Zeitpunkt des Interviews 32 Jahre alt und studierte Lehramt an Gymnasien mit den Fächern Sport und Englisch im 20. Fachsemester. Sie wurde in einer Großstadt in Südafrika geboren und kam mit vierzehn Jahren nach Deutschland. Sie gehört somit zur 1. Migrationsgeneration. Ihre Mutter stammt aus Deutschland und ihr Vater aus Südafrika. Sie hat einen älteren Bruder und eine ältere Schwester.

Christina wurde mit sechs Jahren in eine englische, öffentliche Schule in Südafrika eingeschult, die sie bis zur dritten Klasse besuchte. Christina wurde danach auf eine deutsche Privatschule geschickt, auf der sie und ihre Geschwister besser Deutsch lernen sollten:
„Dann ähm wollten aber meine Eltern äh, weil ich da ja nur Englisch ausgesetzt war, wollten aber unbedingt, dass wir alle als Kinder noch die deutsche Sprache noch ordentlich lernen und eventuell die Möglichkeit haben in Deutschland ein Abi zu machen, äh weil das der Abiturabschluss eben höherer Abschluss ist als die Abschlüsse in Südafrika selber. Die sind ja so mit Trick Abschlüsse, die werden jetzt nicht äh in Europa so anerkannt.“

In der deutschen Privatschule wurde der Unterricht von Lehrern, die Deutsch als Muttersprache hatten, gehalten. Die Lehrer kamen von Deutschland nach Südafrika im Rahmen verschiedener Austauschprogramme:
„[…] und da werden dann oft auch deutsche Lehrer extra in die Privatschulen ge- geholt, sodass dann auch äh akzentfreies Deutsch und und auch genau gelernt werden kann und nicht von einem Fremdsprachler sozusagen, sondern oft von einem Mu- Muttersprachler. Genau und da hatte ich dann äh meine ersten richtigen deutschen Begegnungen, obwohl meine Mutter ja äh Deutsch ist und hatte dann auch zu Hause immer Deutsch gesprochen mit uns.“

Christina kam in ihrer Schulzeit mit der Apartheid-Periode in Südafrika in Berührung:
„Also von 83 bis 94 war das ja noch mit der Apartheid und da hatte ich das in der mh, also ich war ja noch recht jung, habe aber eine ähm Begegnung mit der Apartheid äh sehr nahe äh kennengelernt oder erlebt äh in der zweiten Klasse, wo dann die erste schwarze Schülerin eingeschult wurde und das war dann für uns auch was ganz Neues, weil in einer englischen Schule äh waren wir alle nur Weiße und dann wurde dann das erste schwarze Kind, sozusagen Mädchen eingeschult und das war was ganz Besonderes, obwohl ich äh durch äh meinen Vater, der Pfarrer war, und äh ein ein eher demokratischer denkender Pfarrer ist, äh der auch in Europa eben ähm seine Ausbildung äh gemacht hat und auch in einer Familie groß geworden ist, die nicht rassistisch war und ähm genau, da hatten wir auch trotz dessen Begegnungen mit Schwarzen, weil äh wir dann, er dann sozusagen auch in schwarzen Gemeinden auch oft ähm mitgepredigt hatte oder auch in diesen äh so für irgendwelchen äh äh wohltätigen Zwecken dann auch unterwegs war in in Slums und so weiter und so fort und hatte dort ähm Essensausgaben gemacht und äh des Weiteren also hatte dann eben dort sich engagiert und dadurch hatten wir dann auch Kontakt eben auch zu ähm anderweitigen Rassen.“

Bis zur siebten Klasse ging Christina auf die deutsche Privatschule, bis ihr Vater eine Pfarrerstelle in Deutschland bekam. Familie Nohl entschied sich, die folgenden sechs Jahre in einer Mittelstadt in Deutschland zu verbringen. Christina erinnerte sich an ihr erstes Jahr in Deutschland:
„Das erste Jahr war auch schon eher so ein bisschen gewöhnungsbedürftig, also ich hatte schon recht viel Heimweh. Ähm das war einfach schon kulturell auch so ein bisschen anders, die Menschen wirkten auf mich etwas kühler, wenn man das sagen darf (lacht), aber es war eben noch mal eine ganz andere Mentalität. Also in Südafrika sind die oft sehr ähm ja, die kommen dann einfach auf dich zu, sind aufgeschlossen, etwas südlicher im Temperament und das war dann hier nicht so ganz der Fall und ich war halt Südafrikanerin und äh nicht auf den Mund gefallen und immer sehr offen.“

Christina kam auf ein Altsprachengymnasium und musste die siebte Klasse wiederholen. So erzählte sie von ihrer Klasse:
„[Ich] hatte auch eine ganz liebe Klasse, in der ich gekommen bin und die habe ich dann auch nie gewechselt, also man war dann durchgängig in dieser kleinen Schule, weil man dann in dieser Klasse, außer dann irgendwann im Leistungskurs, dann hat man sich ja noch orie- umorientiert und äh da hat man dann vereinzelt andere Leute gehabt, aber ansonsten war ich dann die meiste Zeit mit den gleichen Schülern immer unterwegs und habe auch sehr guten Anschluss gefunden gehabt.“

Christina absolvierte ihr Abitur und gleichzeitig lief der Arbeitsvertrag ihres Vaters aus. Sie und ihre Schwester entschieden sich, gemeinsam mit ihren Eltern nach Südafrika zu gehen. Christina machte dort ein Freies Soziales Jahr im Bereich der Jugendarbeit. Sie kam ein Jahr später wieder zurück nach Deutschland, um Englisch und Sport auf Lehramt zu studieren. Sie bewarb sich zunächst an der A-Universität. Da dieser Studiengang zulassungsbeschränkt war, wurde sie nicht angenommen. Als Nächstes reichte sie ihre Bewerbung an der B-Universität ein und wurde für Englisch und evangelische Religion angenommen. Als Christina die Eignungsprüfung für Sport nicht bestand, brach sie das Studium nach zwei Semestern an dieser B-Universität ab. Sie entschied sich danach, ihr Lehramtsstudium an der C-Universität fortzuführen. Sie wurde für ihre gewünschte Fächerkombination angenommen und konnte ihr Studium zum Wintersemester 2006/2007 anfangen. Von den ersten Jahren in Deutschland erzählte sie Folgendes:
„In den Anfangsjahren […] fühlte [ich] mich irgendwie als ob ich in der Sturm und Drang Phase war und musste mir jetzt erst mal alles selber packen und durch die Welt alleine sozusagen und ja, das war auch nicht ganz einfach sehr viel sehr erst, die ersten Jahre auch sehr viel Heimweh zu meinen Eltern halt und diese Entfernung war groß und man konnte nur sich skypen oder telefonieren und das war recht schwierig allgemein dann erst mal den Kontakt aufrechtzuerhalten.“

Nach 10 Jahren in der C-Großstadt konnte Christina für sich Folgendes festhalten:
„Ja ich fühle mich ganz wohl jetzt in C-Großstadt, also es hat zwar lange gebraucht, bis ich mich richtig etablieren konnte, aber an- mittlerweile habe ich das Gefühl, ich fühle mich schon fast mehr deutsch als dass ich südafrikanisch bin, also ich bin ja jetzt schon fast mein halbes Leben wieder in Deutschland.“

Christina besuchte das Projektseminar „Interkulturelle Kompetenzen und Mehrsprachigkeit als Ressourcen für den Lehrberuf“ im Sommersemester 2016 und erzählte Folgendes dazu:
„Ja also ich habe äh eher die Erwartungen von wegen wie seht ihr das im im Schulbereich, also ich hatte eben kein (unv.) was ihr als Interkulturalität sozusagen im Schulbereich äh, was ihr darunter versteht, das interess- das hatte mich interessiert, ähm si- ich glaube es auch irgendwie so eine Beschreibung von wegen Mehrsprachigkeit und das fand ich na- natürlich für mich auch interessant, weil ich auch mehrsprachig groß geworden bin, dann dachte ich naja gut äh, wenn es um Migrationshintergrund geht, dann ist das bestimmt ein ganz interessantes äh Seminar auch für die Zukunft als Lehrer mit mit vielen Migranten mit, denen man begegnen wird und das war für mich dann auch wichtig, weil es einfach als, weil wir damit konfrontiert sein werden und ähm genau. Das war für mich dann wichtig, dann auch noch so ein Seminar mitzunehmen.“