Dana Kemal war zum Zeitpunkt des Interviews 27 Jahre alt und studierte Lehramt an Haupt- und Realschulen mit den Fächern Mathematik und Politikwissenschaften im 10. Fachsemester. Sie flüchtete mit ihren Eltern aus der Türkei nach Deutschland. Dana ist im kurdischen Teil der Türkei geboren und wuchs die ersten 6 Jahren ihres Lebens dort auf. Sie gehört somit zur 1. Migrationsgeneration. Sie hat zwei ältere und drei jüngere Geschwister. Dana Kemal ist verheiratet und hat eine Tochter.

Zu Beginn des Interviews beschrieb Dana ausführlich ihre Erinnerungen an die Flucht mit der Familie. Sie fing so an:
„Wir sind ähm (2) eine Flüchtlingsfamilie. Wir sind ähm Ende ähm vierundneunzig geflüchtet ähm (8) von der ähm (4) von von Istanbul nach Albanien, dann von Albanien die Küste, dann mit dem Boot nach Italien, dann von Italien nach Frankreich mit dem Auto (2) und dann von Südfrankreich mit dem Bus nach A-Großstadt. (2) Meine Erinnerung daran ist, dass ich an der Küste von Italien, dass es ähm sehr dunkel war, wir sind aus dem Boot ausgestiegen, es war ein kleiner Boot. Ähm ich weiß von meiner Mutter, dass wir ungefähr dreiundzwanzig Leute waren und ich erinnere mich, dass ich mein Schuh verloren habe. Daran erinnere ich mich.“

Ihre Erinnerungen an die erste Zeit in Deutschland beschrieb sie so:
„Dann haben [wir] einen Asylantrag gestellt, ähm aber wir durften dann nicht bleiben. Wir sind dann nach A-Bundesland gebracht worden ähm in eine ganz kleine Stadt und ähm meine Eltern haben dann ähm wir haben da, vier Wochen waren wir in so einem ganz großem Heim. Ähm meine Erinnerung daran ist, dass ähm da sehr oft Schlägereien gab. […] Was ich vor meinem Augen habe ist, dass blutige Männer vor mir gelaufen sind ähm oder weggerannt sind, dass die Polizei sehr oft da war.“

Nach einem einmonatigen Aufenthalt in dieser Einrichtung in A-Mittelstadt konnte Familie Kemal in eine Wohnung einziehen. Bereits als Kind erfuhr Dana Rassismus im Alltag:
„Dann sind wir ähm fünf Jahre in A-Mittelstadt, ist eine kleine Stadt dreißig, vierzig tausend, glaube ich so ungefähr Einwohner, da war es auch nicht einfach für uns, weil sehr viele Menschen ähm gab, die ähm rassisch waren, und ähm also in der Schule habe ich keine Probleme gehabt, aber ähm draußen, wenn ich mit meinen Geschwistern auf dem Spielplatz war oder auch im Haus, also wir haben damals im Hochhaus gelebt und ich erinnere mich immer daran, wenn wir alleine im Fahrstuhl waren mit einem Deutschen, also einen Jugendlichen, der sich als Nazi ausgegeben hat, ähm da hat er immer vor uns sein Messer rausgeholt hat und dann sozusagen uns immer Angst Angst gemacht ha, und ähm auf dem Spielplatz hatten wir sehr oft Probleme. Ich habe mich sehr oft mit Kindern geschlagen.“

 Dana beendete in A-Mittelstadt die vierte Klasse. Sie zog dann mit ihrer Familie in ein anderes Bundesland. In D-Großstadt gründete ihr Vater eine Baufirma. Die Ankunft in D-Großstadt beschrieb Dana als Erleichterung. Sie kam auf eine Gesamtschule:
„bin dann hier ähm auf die A-Gesamtschule, das war für mich dann auch wieder eine ganz andere Welt, 90 Prozent ähm Ausländer, also Schüler mit Migrationshintergrund und in meiner Grundschule waren wir vielleicht mit meinen beiden älteren Geschwistern, mit meinem Bruder und Schwester und eine Cousine, waren wir vier oder fünf und hier war das dann ganz anders. (2) Ähm ich hatte auch das Problem dann mit ähm mit ähm mit vielen Menschen dann in Gespräch zu kommen, ähm ich habe mich zurückgezogen, war mir alles fremd. Auch die Menschen mit Migrationshintergrund waren mir fremd.“

Familie Kemal zog später erneut um. Dana ging dann bis zur neunten Klasse auf eine andere Gesamtschule, auf der sie ihren Hauptschulabschluss absolvierte. Sie erinnerte sich an die Empfehlung ihrer Klassenlehrerin hinsichtlich des späteren Berufsweges:
„In der neunten Klasse hat unsere Klassenlehrerin immer darauf bestanden eine Ausbildung zu suchen und ähm unbedingt einen Ausbildungsplatz zu finden. Ich wollte das immer nicht, aber die haben uns so extrem unter Druck gesetzt – natürlich kann ich das verstehen, die wollten, dass wir auf jeden Fall etwas machen – aber ich wollte das immer nicht und ich habe das auch nie gemacht. (2) Ich wollte immer ähm etwas höher, etwas mehr erreichen. Ich habe dann irgendwann für mich gemerkt, ähm mir werden hier so viele Möglichkeiten gegeben, […] ich muss mich anstrengen und ich weiß, dann habe ich das auch.“

Anschließend ging Dana auf eine Berufsfachschule und holte ihren Realschulabschluss nach. An dieser Berufsschule legte Dana ebenfalls ihr Abitur ab:
„Ich habe dann mein ähm ähm meine Realschule nachgeholt in dieser zweijährigen Berufsfachschule an der A-Berufsschule und dann an der A-Berufsschule kann man auch sein berufliches Gymnasium machen, das habe ich auch dann gemacht.“

Seit Oktober 2011 studiert Dana an der Universität in D-Großstadt. In Hinblick auf das Einsetzen ihrer Muttersprache in der Schule vertrat Dana folgende Meinung:
„Darf ich mit meinen Schülern die, wenn die Kurdisch können, Kurdisch sprechen, das weiß ich gar nicht (lacht). Ich glaube nicht, nein, nein ich würde sagen, ich würde das auch nicht machen, mit denen Kurdisch oder Türkisch zu sprechen, also ähm (2) mir ist schon wichtig, dass sie die deutsche Sprache lernen. Wenn ich sie vielleicht privat draußen sehe, dann kann ich mit denen Kurdisch sprechen, aber in der Schule möchte ich das nicht. (4) Würde ich auch nicht.“

Dana besuchte das Projektseminar „Interkulturelle Kompetenzen und Mehrsprachigkeit als Ressourcen für den Lehrberuf“ im Sommersemester 2016 und erzählte Folgendes dazu:
„Ähm also, ich finde also ganz interessant an Seminaren, wenn man ähm dann lernen kann, wie was in den Schulen ist, was auf uns zukommen wird, ähm auch mit ähm- wir werden dann dieses Blockseminar haben, wo wir dann etwas Praktisches üben können, das finde ich ganz als Vorteil, weil man das schon ausprobiert hat oder dass man diese Methoden kennenlernt, diese Sensibilisierung dafür ähm ich denke schon, rein schon durch dieses Zuhören Mitarbeiten und zusammen gestalten, ähm habe ich dann schon eine gewisse Grundkenntnis dazu, dass ich etwas mitnehmen kann in die Schule. (2) Und ja, meine Erwartungen sind ja auch, dass ich im Seminar lernen kann, das dann auch nicht nur in der Schule aber auch im im Alltag dann anwenden kann, dass ich dann meinen Mitmenschen beibringen kann oder zeigen kann, dass man Vorurteilen ganz anders umgehen kann.“