Fadim Akan war zum Zeitpunkt des Interviews 24 Jahre alt und studierte Ethik und Geschichte auf Lehramt an Gymnasien im 8. Fachsemester. Seine Eltern kamen in den 1980er Jahren aus der Türkei nach Deutschland. Er ist in einer Großstadt in Deutschland geboren und gehört zur 2. Migrationsgeneration. Fadim hat zwei ältere Schwestern.

Fadim besuchte einen Kindergarten. Als er sechs Jahre alt war, zog seine Familie in ein kleines Dorf im Süden Deutschlands. Er beschrieb den Umzug folgendermaßen:
„wir [sind] dann umgezogen […] nach A-Bundesland und ich dann ähm am Anfang Probleme gehabt habe, weil wir haben erst mal bei Verwandten gewohnt bis wir unser- unsere Wohnung und Haus hatten dort eine längere Zeit und äh der Dialekt hat es mir auch schwer gemacht und der Umzug in ein Dorf sozusagen weil A-Großstadt ist ja eine Stadt und man ist halt äh gewöhnt, dass man viele Freunde hier hat, viele Kinder auch um sich, dort war es nicht der Fall. Es war ein sehr kleines Dorf und […] äh es war halt auch so, dass meine schulischen Leistungen dann schlechter geworden sind am Anfang, aber das war auch stark damit verbunden, weil ich äh sehr viel Heimweh hatte nach A-Großstadt zu meinen Freunden und zu meiner Umgebung, meiner Komfortzone, die ich dann dort nicht mehr hatte.“

Anderthalbjahre später kehrte Familie Akan in die A-Großstadt zurück. Nach der Grundschule ging Fadim auf ein Gymnasium. Fadim war unter seinen Freunden, Familienmitgliedern und Verwandten der Einzige, der ein Gymnasium besuchte. Er erinnerte sich an seinen ersten Tag auf dem Gymnasium:
„wie gesagt, ich hatte den Anspruch du bist auf auf dem Gymnasium und du musst das schaffen, du bist der erste. So habe schon ein bisschen Druck gespürt und ähm ich habe nicht die schönste Handschrift gehabt, also sieht man ja teilweise heute noch und äh man hat mir immer gesagt so ja, du musst ordentlicher schreiben auch von meinen Eltern her und dann sollten wir am ersten Schultag was von der Tafel an- abschreiben und ich war so darauf fixiert darauf, dass ich ordentlich schreibe und schön schreibe, dass ich halt langsam geschrieben habe und dann hat es geklingelt, alle Schüler waren weg und ähm alle äh Lehrer waren auch schon weg und ich war der letzte Schüler, der noch im Klassenraum war und den Tafelanschrieb abgeschrieben habe und dadurch, dass ich gesehen habe, dass alle Schüler weg sind und äh ich noch nicht fertig war, dachte ich so ja ähm du bist vielleicht doch falsch hier, du wirst das Gymnasium nicht schaffen, alle haben schon abgeschrieben nur du noch nicht und dann habe ich, bin ich halt an dem ersten Tag weinend nach Hause gegangen.“

Im Laufe seiner Schulzeit belegte Fadim einen Deutsch-Begleitkurs, den er folgendermaßen beschrieb:
„In der ersten Zeit ähm gab es auch so Sachen, die ich nicht verstanden habe. Zum Beispiel haben wir in Deutsch-Begleitkurs gehabt und der war halt wirklich voll mit diesen acht bis zwölf Schülern, die einen Migrationshintergrund hatten und darunter waren auch Schüler, die zum Beispiel einfach nur äh einen ausländischen Namen hatten, aber die äh Muttersprache nicht sprechen konnten, also einsprachig mit dem mit dem Deutschen aufgewachsen sind, ähm und da saßen wir halt mit denen jedes Mal ähm noch mal in einem Deutsch-Begleitkurs. Wobei ich auch sagen muss, ich habe eine Zwei gehabt in Deutsch damals und habe mich jedes Mal auch gefragt okay, warum sitze ich jetzt hier mit allen anderen Ausländern, das versteht man ja, weil man fragt sich ja es gibt äh Mitschüler, die schlechter sind in Deutsch und für die ist dieser Kurs jetzt nicht pflichtgehend aber diejenigen, die jetzt einen Migrationshintergrund haben, die sitzen alle komischerweise in diesem Deutsch-Begleitkurs.“

In der 11. Klasse zog Fadim von zu Hause aus, um sich in einer Wohngemeinschaft mit Studierenden auf das Abitur vorbereiten zu können:
„Bin dann ähm mit sechzehn Jahren oder siebzehn während der elften, zwölften Klasse ausgezogen in eine ähm WG mit Studenten äh, um mich besser halt äh auf mein Abitur konzentrieren zu können und auch die Erfahrung mitzunehmen, äh es ist halt so, dass normalerweise in einigen Migra- Migrantenfamilien die äußerlichen Rahmenbedingungen zu Hause nicht so gegeben sind, dass man sich immer gut auf die Schule konzentrieren kann. Das heißt, man hat nicht immer ähm die Ruhe oder auch die Ö- Ortlichkeiten, dass man sich mal zurückziehen kann und lernen kann.“

Fadim absolvierte erfolgreich das Gymnasium mit bilingualem Abitur mit der Zweitsprache Englisch. Anschließend zog er in eine andere Großstadt um und nahm dort ein Lehramtsstudium auf. Immer wieder betonte Fadim im Interview, dass ihn seine Familie während der gesamten Schullaufbahn stark unterstützte. Eine entscheidende Rolle spielten außerdem seine LehrerInnen:
„Ich wollte ja schon seit der siebten Klasse Lehrer werden und äh das wussten auch einige Lehrer und die haben mir auch teilweise gesagt, dass aus mir ein guter Lehrer wird bestimmt. Vor allem auch später meine Tutorin, die hat sich sowieso sehr stark um meine Person ähm gekümmert und interessiert und äh sie hat mir auch die Garantie gegeben: Aus dir wird ein guter Lehrer.“

Nachdem Fadim sein Bachelor-Studium abgeschlossen hatte, kam er zurück in die A-Großstadt und nahm ein Masterstudium auf. Als angehender Lehrer verbindet Fadim mit seiner Mehrsprachigkeit sowohl eine Bereicherung als auch eine Belastung:
„ähm [Mehrsprachigkeit] ist eine Bereicherung, aber auch gleichzeitig eine Belastung, denke ich, beziehungsweise eine Gefahr […] eine Gefahr, dass ich definitiv oder ich hoffe es natürlich nicht, bestimmt irgendwelche Kollegen habe, die sich denken, ja okay, der bevorzugt die türkischen Schüler bestimmt.“

Fadim besuchte das Projektseminar „Interkulturelle Kompetenzen und Mehrsprachigkeit als Ressourcen für den Lehrberuf“ im Sommersemester 2017 und berichtete folgendermaßen über seine Motivation:
„Ich habe die Veranstaltung am Anfang aus Interesse gewählt, weil mich das Thema angesprochen hat, die Beschreibung auch äh sehr interessant war und weil ich dieses äh Themengebiet im Studium zuvor nicht bearbeitet hatte […] und ähm äh das Seminar hat dazu beigetragen, dass ich so selbstreflektiv geworden bin, weil viele Sachen mich ja selbst auch persönlich äh äh betreffen als angehender Lehrer mit Migrationshintergrund.“