Yara Saygun war zum Zeitpunkt des Interviews 26 Jahre alt und studierte Deutsch und Englisch auf Lehramt an Haupt- und Realschulen im 7. Fachsemester. Yaras Eltern sind in den 1990er Jahren aufgrund der Unterdrückung aus dem kurdischen Gebiet der Türkei nach Deutschland geflüchtet. Yara wurde in der Türkei geboren und kam mit fünf Monaten nach Deutschland. Sie gehört somit zur 1. Migrationsgeneration. Sie hat sechs Geschwister: einen jüngeren Bruder, eine ältere Schwester und vier ältere Brüder. Sie ist verheiratet.

Nach der Grundschule kam Yara auf eine Realschule, die sie mit einem Realschulabschluss verließ:
„Ich habe […] meinen Realschulabschluss gemacht, also die ähm Lehrer in der Grundschule waren halt der Meinung, dass ich in die Hauptschule sollte und ähm meine Eltern waren halt total in Panik.“

Im Anschluss ging Yara auf ein Berufskolleg und schloss dort eine Ausbildung als Wirtschaftsassistentin mit Fokus auf Sprachen ab. Anschließend entschied sie sich dafür, auf einer Wirtschaftsoberschule das Abitur zu machen, um später studieren zu können.
„Irgendwann habe ich gemerkt (2) keine Ausbildung spricht mich wirklich an, also alles, was ich gemacht hätte, wäre dann nur aus Verstand gewesen und nicht aus Liebe zum Beruf oder aus Interesse ähm für diesen Beruf. Deswegen habe ich dann einfach entschieden, dass ich es versuche. Ich habe gesagt, ich versuche es jetzt einfach – damals habe ich auch kein Kopftuch getragen – ähm ich versuche es jetzt einfach ähm und werde mein Abi nachholen und da gab es halt eine berufliche Schule, […] ähm Wirtschaftsoberschule hat man es genannt, und da hat man in zwei Jahren kompakt alles zusammen in Richtung Wirtschaft sozusagen mit dem Fokus auf Wirtschaft und Volkswissen- ähm Volkswirtschaft, ähm sein Abitur nachholen können.“

Nach langem Überlegen entschied Yara sich für ein Lehramtsstudium. Sie studierte zuerst sieben Semester lang die Fächer Deutsch und Englisch auf Lehramt an Gymnasien. Sie erzählte Folgendes von ihrem Studium:
„Ich war irgendwie, während meines ganzen Studiums war ich die Einzige mit Kopftuch, die Deutsch studiert hat, kam mir so vor. Ich habe niemanden kennengelernt, der irgendwie ähm mit Kopftuch Deutsch studiert hat. (1) […] und als ich dann beim Prüfungsausschuss war, bei diesem Herren, (2) meinte er so: ‚ja, sind sie sich sicher, dass sie Deutsch studieren wollen und haben sie überhaupt vor hier zu leben, sie wissen ja eigentlich, dass sie mit Kopftuch nicht unterrichten dürfen‘.“

Aufgrund negativer Erfahrungen an der Universität, zog Yara in ein anderes Bundesland und führte ihr Lehramtsstudium an einer anderen Universität fort. Auch während der Suche nach einem Praktikumsplatz machte Yara Diskriminierungserfahrungen mit einer Schulleiterin:
„Das [Kopftuch] passt nicht in unsere Schule und ich kann es nicht ähm, ich kann es nicht unterstützen, dass Sie hier ein Praktikum machen, aber wenn Sie bereit sind das Kopftuch abzusetzen, dann bitte schön, dann können Sie ein Praktikum machen, aber wenn, wenn Sie ein Kopftuch vorhaben weiterzutragen, dann ähm wird es schwierig.“

Yara zweifelte daran, das Referendariat nach dem Studium absolvieren zu können:
„Es ist sehr schade auf jeden Fall und ich bin mir ehrlich gesagt nicht sicher, ob ich das mache mit dem Ref, nicht mehr, obwohl ich das SO sehr will, aber ich zweifle daran, […] aber es ist nicht einfach, es ist gar nicht einfach. Als Ausländer ist es sowieso schwierig, aber als Frau mit Kopftuch (2) ist es noch schwieriger. Das kann ich auf jeden Fall nur bestätigen, LEIDER Gottes. (2) Ja, ich habe sogar darüber nachgedacht, ob ich mein Kopftuch im Ref aus- absetzen werde, weil das eineinhalb Jahre sind und ich Angst davor habe, aber (5) nein. Im Endeffekt bin ich ja trotzdem Ausländerin, daran kann ich ja für eineinhalb Jahre nichts ändern (lacht), deswegen, ja, das ist eigentlich alles, was ich dazu sagen kann.“

Yara besuchte das Projektseminar „Interkulturelle Kompetenzen und Mehrsprachigkeit als Ressourcen für den Lehrberuf“ im Sommersemester 2016 und erzählte Folgendes dazu:
„Also ich habe an diesem Seminar teilgenommen, weil […] ich habe mich einfach direkt angesprochen gefühlt, vor allem wegen meinen ganzen Erfahrungen und […] in diesem Seminar wollte ich einfach sehen, was denken deutsche Studenten über diese Sache, dass man einfach noch mal in den Dialog kommt mit Menschen mit unterschiedlichem Migrationshintergrund oder keinem Migrationshintergrund, das war für mich sehr interessant. Und allgemein auch nochmal selbst noch mal darüber zu reflektieren, was ich mit meiner interkulturellen Kompetenz eigentlich erreichen sollte, wenn ich irgendwann als Lehrer arbeite oder Lehrerin arbeite.“