Beim Verlassen des Schulgebäudes nach Unterrichtsschluss erschrecke ich über etwas, das mich unter dem linken Arm piekst, sodass ich einen kurzen, spitzen Schrei ausstoße. Als ich mich umdrehe, sehe ich O., einen Jungen aus der 2. Klasse, in der ich mein Praxissemester absolviere. Er lacht laut. Zu seinem Vergnügen stoße ich einen weiteren – jetzt gespielten – Schrei aus. Er lacht und sagt zu seinem Freund: „Ich habe sie gekitzelt.“ Ich erwidere: „Ja, und ich habe mich furchtbar erschrocken.“ Ich überlege kurz, was ich tun soll. Eigentlich ist mir diese Form der Annäherung zu viel, zu übergriffig. Ich weiß aber auch, dass O., der sonst eher durch Verhaltensweisen auffällt, die einer Depression gleichen, nur äußerst selten so offen und ausgelassen agiert. Ich frage mich, ob es seine Art ist, Nähe zu suchen und entschließe mich meinerseits hier mehr Nähe zuzulassen, als ich es sonst tun würde. Ich kitzele ihn kurzerhand zurück. Er windet sich, lacht laut, läuft über den Schulhof davon und ruft: „Tschüss, Frau U.!“
(Studentin L_4, Pos. 11-19)