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Falldarstellung mit interpretierenden Abschnitten

Eltern/LehrerInnen versus SchülerInnen

LehrerInnen versuchen in der Regel die Eltern der SchülerInnen auf ihre Seite zu ziehen, weil Widerstand der Eltern gegen Maßnahmen von LehrerInnen natürlich in mehrfacher Hinsicht kontraprodkutiv ist. Einerseits besteht damit die Gefahr einer direkten Auseinandersetzung mit den Eltern, zum Anderen wird den SchülerInnen in ihrem Konflikt mit den LehrerInnen der Rücken gestärkt, wenn sie wissen, daß die Eltern hinter ihnen stehen. LehrerInnen sind daher immer interessiert, das eigene Verhalten mit der Legitimation durch die Eltern zusätzlich zu authorisieren und mit den Eltern zusammen eine Gruppe der „Erwachsenen“ zu bilden. „Eine Front aufbauen“, wie Herr Hofstätter es am Elternabend formulierte.

07.10.02
Beim Elternabend am Schuljahresanfang standen vor allem die Schwierigkeiten der Klasse in Bezug auf ihr Verhalten und Benehmen gegenüber den LehrerInnen im Zentrum des Gesprächs. Die LehrerInnen versicherten den Eltern, daß sie die Situation im Griff hätten, baten die Eltern aber um Kooperation. Die LehrerInnen sagten, daß die beste Vorgehensweise in Bezug auf die Problematik der Klasse, der Aufbau einer gemeinsamen Front gegen die SchülerInnen sei. Nachdem die beiden Referendarinnen das Klassenzimmer verlassen hatten, sagte Herr Hofstätter, daß man die beiden jungen Kolleginnen unterstützen mußte, da sie ja ganz am Anfang stehen und auf die Noten der Unterrichtsbesuche angewiesen wären. Er appellierte an das Verständnis und die Unterstützung der Eltern, im Kampf gegen die SchülerInnen.“

Die LehrerInnen bitten die Eltern ganz offen um Kooperation. Sie kommen den Eltern von gleich zu gleich entgegen (Erwachsenenebene) und hoffen auf Solidarität. Indem Herr Hofstätter sich vertrauensvoll an die Eltern wendet, nachdem die beiden Referendarinnen Frau Biedermann und Frau Langhans den Raum verlassen haben, versucht er Eltern und LehrerInnen zu solidarisieren. Er macht auf die schwierige Situation der Referendarinnen aufmerksam. Wieder ist er den Eltern gegenüber sehr offen, „hintergeht“ gewissermaßen die beiden Referendarinnen, wenn er mit den Eltern ohne deren Wissen über sie spricht – alles in der Absicht die Eltern zu einer Unterstützung für das Vorgehen der LehrerInnen in Bezug auf die bestehenden Probleme mit der 9b zu erreichen.

02.10.02
Die SchülerInnen der 9b sagten Herrn Berger, daß sie sich ausgeschlossen fühlten, wenn die LehrerInnen über sie redeten und nichts davon vor Dienstag erführen, weil sie erst dann wieder Unterricht bei Herrn Hofstätter, ihrem Klassenlehrer, hätten. Sie bedauerten die Tatsache, daß die Eltern aufgrund des Elternabends am Montagabend mehr wüßten, als sie selbst. Die SchülerInnen waren der Meinung, daß es doch besser sei, die Eltern erführen von ihnen von der bestehenden Problematik.

Ebenso ärgerlich wie Herr Hofstätter auf die Solidarität von Jan mit seinen Eltern reagierte, reagierten die SchülerInnen auf die Solidarität der LehrerInnen mit ihren Eltern. Anstatt den Dialog mit den Schülerinnen zu suchen, bevorzugten die LehrerInnen den Dialog mit den Eltern, in der Hoffnung deren solidarische Unterstützung zu erhalten. Die ausgewählten Feldnotizen haben gezeigt, daß die im Lehrer-Schüler-Verhältnis herrschenden soziologischen Prinzipien Macht und Solidarität kohärente Größen sind. Das solidarische Gefüge stabilisiert und amplifiziert die jeweils eigene Machtbasis. Sowohl SchülerInnen als auch LehrerInnen versuchen zusammenzuhalten, um die andere Seite für die jeweils eigene Sache zu gewinnen. Statt miteinander zu arbeiten, zu denken und zu handeln, ist für die Interaktion zwischen SchülerInnen und LehrerInnen empirisch ein offensichtlicher Antagonismus festzustellen, der im nächsten Kapitel genauer betrachtet werden soll.

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