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Falldarstellung mit interpretierenden Abschnitten

Eltern versuchen in erster Linie im Interesse ihrer Kinder zu handeln. Dementsprechend kann es vorkommen, dass sie ihr Kind beim „Schwänzen“ einer Klassenarbeit unterstützen, wenn sie der Meinung sind, dass das das Beste für ihr Kind ist – wie etwa im vorliegenden Fall von Jan.
Aufgrund einer Chemotherapie während des letzten Schuljahres war er nur probeweise in die 9te Klasse versetzt worden. Das Halbjahreszeugnis sollte über seine weitere Schulkarriere entscheiden.

21.03.03
In der letzten Stunde wurde in der 9b eine Mathearbeit geschrieben. Herr Hofstätter ging die ganze Zeit durch die Reihen. Wie er bereits erwartet hatte, fehlte Jan wieder einmal bei der Mathematikarbeit. Als Herr Hofstätter die Benachrichtigung über Jans Abwesenheit fand, sagte er zu mir: „Das gibt es doch nicht. Und die Eltern unterstützen das auch noch. Und dann fragen sie mich, ob der Jan nachschreiben kann.“

Der Ärger von Herrn Hofstätter gründet vor allem auf der Solidarität der Eltern zu ihrem Sohn Jan: „Und die Eltern unterstützen das auch noch.“ Die Solidarität der Eltern zu Jan scheint die Solidarität der Eltern zu Herrn Hofstätter auszuschließen. Unter der Voraussetzung, dass LehrerInnen und SchülerInnen Antagonisten sind, kann die Solidarität der Eltern mit ihren Kindern nur bedeuten, dass sie gegen den Lehrer bzw. die Lehrerin Stellung beziehen. Selbst wenn Jan an diesem Tag nicht in der Verfassung war, um die Arbeit gut zu schreiben, sie aber hätte mitschreiben können (evtl. mit einem schlechten Ergebnis) ärgert es Herrn Hofstätter, dass die Eltern Jans Abwesenheit mit einer Entschuldigung legitimieren. Das Nachschreiben verursacht natürlich auch für ihn einen erheblichen zusätzlichen Zeitaufwand. Sein Ärger findet Ausdruck in dem Satz: „Und dann fragen sie mich, ob der Jan nachschreiben kann.“ Nachdem Jan Nachhilfeunterricht erhalten hat, wollen die Eltern einen Nachschreibetermin für die Arbeit, den Herr Hofstätter bewilligen soll. Gerade weil Herr Hofstätter durchaus ein Lehrer ist, der seine SchülerInnen über ihre SchülerInnenrolle hinaus auch in ihrem Schüler- und Mensch-Sein wahrnimmt, ärgert ihn das Verhalten der Eltern in Hinblick auf die anderen SchülerInnen der Klasse. Die Eltern verhalten sich den SchülerInnen gegenüber unfair, die sich vielleicht ebenfalls nicht fit fühlen die Mathe-Arbeit zu schreiben, dies aber trotzdem tun, weil ihnen ihre Eltern keine Entschuldigung schreiben.

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