Hinweis – der Fall kann gemeinsam gelesen werden mit:
‚Lehrer/innen sind ungerecht’: Hans
Falldarstellung mit interpretierenden Abschnitten
(…) Im Mittelpunkt der folgenden Analysen stehen in diesem Fall Aussagen, die der Schüler Thomas über eine bestimmte Lehrerin und ihren Unterricht macht. Darin liegt ein Unterschied zum vorangegangenen Beispiel, in dem es um eine Gruppe von Lehrern ging. Das Beispiel (B11) soll zeigen, welchen Einfluss die täglichen widersprüchlichen Erfahrungen mit bruchhaften Handlungsmustern auf das Verhältnis von Lehrern und Schülern haben können. Die widersprüchlichen Erfahrungen prägen entscheidend das Bild, das sich Schüler von ihren Lehrern machen, und führen zur Ausbildung von Handlungsmaximen, die einen praktischen Umgang mit den Widersprüchen erlauben. Diesen Zusammenhang von widersprüchlichen Erfahrungen und wissensmäßiger Verarbeitung soll das folgende Beispiel (B11) erhellen.
Beispiel (B11): Thomas
Zum Kontext:
Auf die Interviewfrage, wie denn der Wechsel vom Gymnasium auf die Hauptschule gewesen sei, antwortet Thomas mit einer kritischen Darstellung von Hauptschule und Hauptschullehrern. Insbesondere kritisiert er, dass er auf der Hauptschule nichts lerne. Als einzige positive Ausnahme erwähnt er den Mathematiklehrer, der hohe Anforderungen an die Schüler stelle. Daran schließt sich unmittelbar die folgende Sequenz an:
( 1) Aber so Frau H.,
( 2) die . mit einer Lässigkeit und . äh/
( 3) Man merkt das ja auch irgendwie,
( 4) ähm die Lehrer müssen sich ja auf die Stunden vorbereiten.
( 5) Frau H. kommt rein
( 6) und läßt uns erst mal schreiben,
( 7) und da braucht die sich gar nicht drauf vorzubereiten.
(I/1) Was lässt die euch schreiben?
( 8) Ja, zum Beispiel jetzt diese Literatur.
( 9) „Ja, Übungsaufsatz!“
(10) Und dann kommt sie immer damit, mit Notengebung
(11) und die/die weiß ganz genau,
(12) wenn sie nach Noten,
(13) dann ist die Arbeitsmoral um/um fünfzig Prozent besser,
(14) als wenn se sagt: „Nur so, nur so.“
(15) Als normaler Unterricht.
(I/2) Mhm.
(16) Als unterrichtsmäßig.
(17) Notengebung und dann ist eben der Druck da:
(18) „jetzt gut machen!
(19) Wenn wir ne Fünf haben,
(20) nicht gut,
(21) zwei ist gut.“
(22) Und dann setzt die sich davorne hin
(23) und macht irgendwas anderes,
(24) was sie eigentlich zu Hause machen muß.
(25) Und das kriegt man ja auch irgendwie mit als Schüler,
(26) und da denkt man sich auch schon:
(27) „Ja, das ist vielleicht ‘ne Lehrerin,
(28) die setzt sich davorne hin,
(29) macht irgend’nen Mist,
(30) wen se/was se zu Hause machen muß
(31) und läßt uns hier schreiben,
(32) damit se ihre Ruhe hat“, ne.
(I/3) Mhm.
(33) All’ so Sachen.
(34) Oder daß da Arbeiten korrigiert werden mitten im Unterricht,
(35) während die Schüler schreiben.
(36) Sind all’ so Sachen,
(37) wo ich mir dann auch sag’:
(38) „Wenn die so was macht,
(39) dann ist bei mir eben auch nicht die hundertprozentige Bereitschaft da.“
(40) Ich mach’ so,
(41) daß ich/also ich möcht’ jetzt probieren,
(42) in allen Fächern Zwei zu kriegen, ne.
(43) So ist mein Ziel so, was ich hab’.
(44) Und was dadraus irgendwie/was da äh rüber an/an Einsatz geht’ für
die Schule,
(45) irgendwie was äh/äh außersch/außer/außerunterrichtsmäßig was zu machen,
(46) da hab’ ich keinen/da ist/sind null Prozent Bereitschaft da.
Paraphrasierende Ablaufbeschreibung
Ähnlich wie im vorangegangenen Beispiel findet sich auch hier die Verwendung verschiedener sprachlicher Muster, die es erlauben, den Transkriptionsausschnitt in vier Abschnitte zu unterteilen.
Abschnitt I: (s1) – (s7)
Im ersten Abschnitt vermittelt der Sprecher ein Bild seiner Klassenlehrerin, Frau H., das im Gegensatz zu dem zuvor vermittelten seines Mathematiklehrers steht. Er hält seiner Klassenlehrerin Lässigkeit vor, die sich u.a. darin äußere, dass sie ihren Unterricht nicht vorbereite. Deshalb lasse sie die Schüler zu Beginn des Unterrichts zunächst einmal etwas schreiben. Er bestätigt damit noch einmal das Bild, das er bereits zuvor entworfen hat und sich wie folgt zusammenfassen lässt: „Frau H. ist keine gute Lehrerin.“
Abschnitt II: (s58) – (s24)
Die Interviewfrage in Segment (I/1) zielt auf die von Thomas kritisierte Handlungsweise der Lehrerin, die Schüler schreiben zu lassen, denn das erscheint für den Deutschunterricht nicht ungewöhnlich. Mit der Frage elizitiert der Interviewer eine ausführliche Antwort, in der Thomas die ‘Schreibaufgabe’ illustriert.
Der Abschnitt II enthält eine ausführliche Illustration des Sachverhalts „Übungsaufsatz“. Die Illustration beginnt in Segment (s8) mit der Ankündigung eines Beispiels aus dem Literaturunterricht, die vorab den exemplarischen Charakter des illustrierten Sachverhalts verdeutlicht. Illustriert wird der typische Verlauf einer Unterrichtsstunde Literatur, die der Schüler anhand von drei Unterrichtsschritten bzw. Musterelementen darstellt. Die Schilderung des typischen Verlaufs beginnt mit der wörtlichen Wiedergabe der Aufgabenstellung durch die Lehrerin: „Übungsaufsatz!“ (s9), bei der es sich um das erste Pragmem (Musterelement) des Aufgabe-Lösungs-Musters handelt. Damit wird zugleich der Illustrationsraum etabliert, der aus der Standardsituation Unterricht besteht. In Segment (s10) folgt die Wiedergabe der Ankündigung der Lehrerin, die Lösungen (Aufsätze) zu benoten, was für Übungsaufsätze insofern ungewöhnlich ist, als sie primär der Übung und weniger der Leistungsmessung dienen.
In den Segmenten (s11) bis (s16) folgt eine ausführliche Erklärung für die ungewöhnliche Benotung der Übungsaufsätze. Thomas interpretiert die Handlungsweise der Lehrerin mit dem Verweis auf das damit erzielte Ergebnis: ‘die verbesserte Arbeitsmoral’ (s13). Darin liegt für ihn der unmittelbare Zweck der Benotung. Den Grund, warum die Ankündigung einer Benotung zu einer ‘verbesserten Arbeitsmoral’ führt, erläutert er in den Segmenten (s17) bis (s21): Die Schüler bemühen sich um möglichst gute Arbeitsergebnisse bzw. Noten. Damit endet die Erklärung der für Übungsaufsätze ungewöhnlichen Benotung.
Mit den Segmenten (s22) bis (s24) kehrt der Sprecher zur Wiedergabe des typischen Unterrichtsverlaufs zurück, indem er die Tätigkeiten der Lehrerin schildert, denen diese während der Zeit nachgeht, in der die Schüler ihre Aufsätze schreiben. Die Lehrerin setzt sich ans Pult („davorne hin“ (s22)) und erledigt dort Arbeiten, die zu ihren häuslichen Aufgaben gehören. Um welche Arbeiten es sich dabei handelt, deutet der Schüler in Segment (s34) beispielhaft an. Die Erwähnung dieser Tätigkeiten impliziert einen weiteren, mittelbaren Zweck der Benotung: Die Lehrerin will die Schüler möglichst ruhig beschäftigen, um ungestört ihren eigenen Arbeiten nachgehen zu können. An dieser Stelle endet die Illustration.
Abschnitt III: (s25) – (s35)
Im dritten Abschnitt interpretiert der Sprecher die Handlungsabsicht der Lehrerin, die er in der Illustration bereits angedeutet hat, explizit. Seine Interpretation versteht er selbst als Entlarvung der Lehrerin, wie Segment (s25) zeigt: „Und das kriegt man ja auch irgendwie mit als Schüler“, was soviel bedeutet wie: Etwas erfahren oder wissen, was einem eigentlich verborgen bleiben sollte. Die Deixis „das“ verweist dabei auf die Absicht der Lehrerin, die er im Folgenden expliziert. Seine Interpretation indiziert er in Segment (s26) analog einer wörtlichen Rede als wörtliche Wiedergabe seiner eigenen Gedanken. Dieser Wiedergabemodus verdeutlicht noch einmal, dass er die Absicht der Lehrerin aus ihren (sichtbaren) Handlungen in einem (von ihm gewussten) mentalen Prozess schließt. Seine Schlussfolgerungen stellt er in den Segmenten (s27) bis (s32) folgendermaßen dar.
Er beginnt mit einer vorsichtig formulierten Einschätzung der Lehrerin, der die Wiedergabe der einzelnen Unterrichtsschritte in umgekehrter Reihenfolge folgt. Orientierte sich die Reihenfolge der Handlungswiedergabe in der Illustration an ihrer tatsächlichen chronologischen Folge, so kehrt der Sprecher sie nun um.
Er schildert zunächst, wie sich die Lehrerin an das Pult setzt und dort Arbeiten erledigt (s28) bis (s30), und anschließend, dass sie die Schüler schreiben lässt (s31). Mit dieser Umkehr der realen Chronologie in der Wiedergabe verfolgt er den Zweck, den finalen Zusammenhang des Unterrichtsverlaufs und damit die Handlungsabsicht der Lehrerin herauszustellen. Die Aufgabenstellung „Übungsaufsatz“ erscheint als Mittel zum Zweck, den der Sprecher schließlich explizit in den Segmenten (s31) und (s32) benennt:
„(Die) läßt uns hier schreiben, damit se ihre Ruhe hat.“
Den ‚eigentlichen’ Handlungszweck der Übungsaufsätze sieht der Schüler also darin, dass die Lehrerin in Ruhe ihren Arbeiten nachgehen will.
Auffallend ist die Verwendung der abwertenden Personaldeixis „die“ in Segment (s28) und des Begriffs „Mist“ in Segment (s29) zur Kennzeichnung der Tätigkeiten der Lehrerin. Insbesondere der Ausdruck „Mist“, den Lehrer bisweilen gegenüber Schülern gebrauchen, um diese bei unterrichtsfremden Tätigkeiten zu ermahnen (‘Lass den Mist’), deutet auf eine interessante Perspektive des Schülers hin. Er sieht in den Handlungen der Lehrerin musterfremde Tätigkeiten, weil sie einem anderen als einem unterrichtlichen Zweck dienen.
Zusammenfassend kann man festhalten, dass Thomas seiner Lehrerin einen strategischen Einsatz des Aufgabe-Lösungs-Musters unterstellt, der dem offiziellen Musterzweck widerspricht. Er geht davon aus, dass die Lehrerin mit den Übungsaufsätzen keine didaktischen Ziele verfolgt, sondern eigenen Interessen nachgeht.
Abschnitt IV: (s36) – (s46)
Den letzten Abschnitt bildet ein Resümee, das der Sprecher mit der Floskel „Sind all’ so Sachen, wo ich mir dann auch sag“ einleitet. Er generalisiert damit die vorangegangenen Aussagen und zieht daraus für sich eine Lehre. Er schränkt sein schulisches Engagement so weit ein, dass er nach Möglichkeit in allen Fächern noch die Note „gut“ erreicht. Über den Unterricht hinaus ist er nicht bereit, sich in der Schule einzusetzen.
Rekonstruktion des Aktantenwissens in (B11): die Lehrerin als Ursache einer widersprüchlichen Unterrichtspraxis
Das Beispiel (B11) enthält auf der diskursiven Ebene die Vermittlung eines stark negativ besetzten Lehrerbildes, die kritische Illustration eines typischen Unterrichtsverlaufs, der durch das Aufgabe-Lösungs-Muster bestimmt ist, sowie ein Resümee, in dem Thomas seine praktischen Konsequenzen darstellt, die er aus seinen Erfahrungen zieht. Auf der Wissensebene erlaubt das Beispiel die Rekonstruktion des Zusammenhangs von widersprüchlichen Unterrichtserfahrungen einerseits und der Ausbildung von Bild- und Maximen-Wissen andererseits. Ich möchte die Analyse mit einer Rekonstruktion des Wissens beginnen, das der Aktant über den Unterricht bei seiner Klassenlehrerin ausgebildet hat. Denn ich sehe hierin ein zentrales Erfahrungspotential, das Thomas’ Aktantenwissen wesentlich bestimmt.
Für eine differenzierte Rekonstruktion seines Wissens bieten sich insbesondere die Abschnitte II und III an, in denen Thomas den typischen Unterrichtsverlauf bei seiner Klassenlehrerin illustriert und ihre Handlungsabsichten interpretiert. Thema des Wissens ist der Unterricht bei Frau H., nicht die Lehrerin selbst; das Gewusste zu diesem Thema ist differenziert und vielfältig. Aufgrund des wiedergegebenen Unterrichtsverlaufs können wir zunächst einmal davon ausgehen, dass Thomas das Ablaufschema des Aufgabe-Lösungs-Musters sowie die Verteilung der Musterelemente auf Lehrer und Schüler kennt und dass er es adäquat exekutieren kann. In diesem Sinn dokumentiert die Illustration ein Musterwissen zum Aufgabe-Lösungs-Muster in Form des Übungsaufsatzes.
Wichtiger ist in unserem Zusammenhang jedoch sein Wissen über seine praktischen Unterrichtserfahrungen. Im Folgenden geht es daher um das Gewusste zum faktischen Unterrichtsverlauf, das sich mit folgenden Begriffen zusammenfassen lässt: ‚Schlechte Arbeitsmoral der Schüler’ (s13), ‚Notendruck durch die Lehrerin’ (s10) und ‚Unterrichtsfremde Tätigkeiten der Lehrerin’ (s23/24). Thomas weiß, dass sich die Schüler bei nicht-benoteten Übungsaufsätzen normalerweise nicht anstrengen, dass die Lehrerin deshalb die Noten als Druckmittel gegen die Schüler einsetzt und dass die Lehrerin in der Zwischenzeit unterrichtsfremden Tätigkeiten nachgeht. Thomas schildert damit ein zentrales Problem des Unterrichtens, auf das wir weiter unten noch zu sprechen kommen. Zunächst möchte ich jedoch der Frage nachgehen, wie er den Ablauf des Aufgabe-Lösungs-Musters sieht.
Eine entscheidende Bedeutung für Thomas’ Wissen über den Unterrichtsverlauf haben die Tätigkeiten der Lehrerin während des Aufsatzschreibens. Seine Beobachtungen während des Unterrichts sind für ihn Anlass, über Sinn und Zweck der Übungsaufsätze sowie die Absicht der Lehrerin nachzudenken, wie die Äußerung in Segment (s26): „(…) da denkt man sich (…)“ zeigt. Zu den beobachteten Handlungen gehören neben der Initiierung des Musters durch die Lehrerin (einschließlich der Ankündigung, die Aufsätze zu benoten) insbesondere die Tätigkeiten der Lehrerin während des Lösungsversuchs der Schüler. Diese Handlungen bearbeitet Thomas in einem mentalen Prozess und kommt dabei zu dem Ergebnis, dass die Tätigkeiten der Lehrerin nicht zum Aufgabe-Lösungs-Muster gehören („Mist“ (s29)), sondern dass sie musterfremd sind. Diese Interpretation führt zu seiner Annahme, dass die Lehrerin Übungsaufsätze nicht aus didaktischen Gründen aufgibt, sondern aus persönlichen. In den unterrichtsfremden Tätigkeiten der Lehrerin sieht Thomas den Nachweis, dass die Lehrerin die Übungsaufsätze zu ihrem eigenen Vorteil instrumentalisiert. Wir können an dieser Stelle festhalten, dass Thomas die Ursachen für seine widersprüchlichen Erfahrungen mit Übungsaufsätzen in einem ‚Fehlverhalten’ seiner Lehrerin sieht.
Hintergrund dieser Interpretation des Schülers ist die Dissoziierung der Musterelemente im Rahmen des bruchhaften Aufgabe-Lösungs-Musters. Denn die Aufteilung der Musterelemente auf Lehrer und Schüler hat bei schriftlichen Aufgaben praktisch zur Folge, dass der Lehrer während der Lösungssuche ohne Beschäftigung ist. Da ihm allenfalls die Kontrolle der Rahmenbedingungen bleibt, ist er dadurch in der Lage, währenddessen anderen Tätigkeiten nachzugehen, wie beispielsweise Klassenarbeiten zu korrigieren. Auf diese Weise wird die Aufteilung der Musterelemente als eine Folge der Funktionalisierung des Handlungsmusters Problemlösen für die Schüler sichtbar. Denn während sie nach der Lösung suchen, ist der Lehrer freigestellt für andere Tätigkeiten. Die Entbindung des Lehrers von der Lösungssuche sowie die Freistellung für andere Tätigkeiten sind eine Folge der Dissoziierung der Musterelemente. Sie sind somit objektiv vorhandene Elemente im Rahmen des Aufgabe-Lösungs-Musters, die unabhängig von ihrer jeweiligen Anwendung durch einzelne Lehrer bestehen. Die Beschränkung der Lösungssuche auf die Schüler ist Ausdruck der widersprüchlichen Unterrichtspraxis, die sich aus der Funktionalisierung von Alltagsmustern für die Schule ergibt.
Ein Vergleich des Wissens, das Thomas über seine widersprüchlichen Unterrichtserfahrungen ausgebildet hat, mit der Rekonstruktion des Musterbruchs zeigt, wo die Gründe für sein Wissen zu suchen sind. Die Widersprüchlichkeit des Aufgabe-Lösungs-Musters ist – das können wir jetzt sagen – nur partiell Bestandteil seines Gewussten. Er interpretiert die praktischen Folgen, die sich aus der Dissoziierung der Musterelemente ergeben, aus Aktantensicht als individuelles Fehlverhalten der Lehrerin („Lässigkeit“ (s2)). In der musterbedingten Nicht-Teilnahme der Lehrerin am Lösungsversuch sieht er einen illegitimen Handlungszweck der Lehrerin, nicht aber einen notwendigen Bestandteil des Musters. Das bedeutet, dass er seine widersprüchlichen Erfahrungen auf individuelle Fehler einzelner Lehrer zurückführt, während die Widersprüchlichkeit selbst aber Teil seines systematischen Nicht-Wissens bleibt. Thomas personalisiert das Problem, i.e. seine widersprüchlichen Erfahrungen, indem er der Lehrerin die Verantwortung dafür gibt, ohne die objektiven Widersprüche zu sehen.
In diesem Wissen über seine praktischen Unterrichtserfahrungen sehe ich ein zentrales Element seines Bild-Wissens über die Klassenlehrerin, das er an mehreren Stellen des Interviews, beispielsweise im ersten Abschnitt des Transkriptionsausschnitts, explizit verbalisiert. Es handelt sich dabei um ein Wissen vom Typ Bild, dessen Gewusstes man wie folgt paraphrasieren kann: ‘Frau H. ist eine schlechte Lehrerin, weil sie u.a. ihren Unterricht nicht vorbereitet.’ Seine widersprüchlichen Erfahrungen werden in Form dieses Bild-Wissens über die Lehrerin generalisiert. In einer Alltagsdeduktion leitet er sein negativ besetztes Bild von der Lehrerin zu einem erheblichen Teil aus seinem Wissen über ihren Unterricht ab. Auf diese Weise bestimmen die widersprüchlichen Unterrichtserfahrungen nicht nur das Unterrichtsgeschehen, sondern auch das grundsätzliche Verhältnis von Schülern zu ihren Lehrern, das wiederum auf das Unterrichtsgeschehen zurückwirkt.
Mit freundlicher Genehmigung des Peter Lang Verlages
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