Hinweis – der Fall kann gemeinsam gelesen werden mit:

Falldarstellung mit interpretierenden Abschnitten

I

Während als Konsequenz aus nunmehr zwei PISA-Erhebungen allenthalben von Bildungsstandards die Rede ist, gerät eine anderes Problemfeld der Schule etwas aus dem öffentlichen Blick, das der Erziehung. Weitgehend unbeachtet von publizistischer Beobachtung halten in den Schulalltag neue Konzepte der Durchsetzung von Erziehung Einzug. Dabei geht es um die methodisch geregelte Vermittlung der Sekundärtugenden als Arbeitshaltungen, die Einübung in das soziale Lernen und die eigenständige Regelung von Streit unter Schülern sowie gegen mangelnde Disziplin von Schülern um die Erziehung zur Kooperation im und für Unterricht. In dieser und weiteren, folgenden Fallstudien sollen die Konzepte für die neue Erziehung unter die Lupe genommen werden. Sie alle versprechen Lehrerinnen und Lehrern leicht handhabbare Abhilfen gegen Störungen, die sie daran hindern, ihren Fachunterricht erfolgreich durchzuführen.
Das „Trainingsraumkonzept“ nimmt die Sorge um die zunehmenden Disziplinprobleme im Unterricht praktisch auf und verspricht deren erfolgreiche Bearbeitung. Das nach dem Verbot repressiver Formen der Erziehung entstandene Gefühl, hilflos den Störungen durch Schülerinnen und Schüler ausgeliefert zu sein, soll mit dieser Methode geheilt werden. Im und mit dem Trainingsraum sollen die Störenfriede des Unterrichts mit langanhaltendem Erfolg zur Raison gebracht und als resozialisierter Teil der Schulklasse in die Pflicht der Mitarbeit am Unterricht genommen werden.
Als Initiator des Konzeptes in Deutschland gilt Stefan Balke. Er beruft sich auf das amerikanische Programm von Edward Ford, in dem zur „Stärkung der Eigenverantwortlichkeit“ aufgerufen wird. Das Konzept arbeitet mit der Annahme, dass die Schüler/innen in der Klasse bleiben wollen und letztlich für diesen Zweck bereit sind, die Kooperationsregeln für Unterricht zu respektieren. Daher ist als erzieherische Maßnahme bei mehrmaliger Störung des Unterrichts die Übersendung der Schülerin/des Schülers in einen extra eingerichteten Trainingsraum vorgesehen. Dieser sollte in der Nähe des Lehrerzimmers installiert und ständig von einer Lehrerin/einem Lehrer betreut werden. Als Ziele des Programms gelten:

„1. Das erste und wesentlichste Ziel des Programms besteht darin, die lernbereiten Schüler/innen zu schützen und ihnen entspannten, ungestörten und qualitativ guten
Unterricht anzubieten.

2. Das zweite Ziel des Programms besteht darin, häufig störenden Schüler/innen Hilfen anzubieten, die darauf ausgerichtet sind, daß sie ihr Sozialverhalten verbessern und die notwendigen sozialen Schlüsselqualifikationen erwerben.“ (1)

Um diese Ziele zu erreichen, sollen gemäß Programm folgende Regeln mit den Schülerinnen und Schülern bei Einführung des Konzeptes diskutiert und später für alle sichtbar in den Klassenraum gehängt werden. Die Regeln lauten:

„1.) Jede Schülerin und jeder Schüler hat das Recht ungestört zu lernen.

2.) Jede Lehrerin und jeder Lehrer hat das Recht ungestört zu unterrichten.

3.) Jede/r muß stets die Rechte der anderen respektieren.“

Das Konzept sieht ein weitgehend standardisiertes Vorgehen vor. Bei einer gravierenden Störung wendet sich der Unterrichtende nach einer ausdrücklichen Ermahnung an die Schülerin/den Schüler mit der Frage: „Möchtest du in den Trainingsraum gehen oder in der Klassen bleiben?“. Erst bei Nicht-Einlenken der Schülerin/des Schülers, schickt die Lehrerin/der Lehrer sie/ihn in den Trainingsraum. Für den gesamten Ablauf der Erziehungsmaßnahme liegen Formulare bereit, die die jeweilige Schule für sich adaptieren kann. Im Folgenden werden zwei Fälle analysiert, um sowohl einen Einblick in das Konzept selbst als auch seine konkrete Umsetzung zu erhalten (vgl. zur Analyse).

II

Das vorliegende Dokument umfasst zwei vorgefertigte Formulare, die den Ablauf gemäß dem Trainingsraumkonzept regeln. Die uns vorliegenden Blätter sind „gebraucht“, d.h. sie geben die Einträge eines realen Vorganges wieder. Das erste Blatt hat die Größe eines DIN A 5-Papiers und ist quer bedruckt. Auf den ersten Blick gibt es drei Bereiche: eine zentrierte und fett gedruckte Überschrift, einen das Hauptfeld bestimmenden, umrandeten Kasten mit den zentralen Informationen und den Kasten oben und unten umrahmende Kurzinformationen.

Die fettgedruckte Überschrift lautet „Information für die Arbeit im Trainingsraum“. Es handelt sich bei dem Blatt um eine Handreichung für die Benutzung eines bestimmten Raumes. „Information“ ist dann nötig, wenn sicher gestellt werden soll, dass etwas in einer bestimmten Art und Weise benutzt oder durchgeführt werden soll. Der verwendete Singular ist irritierend, aber wohl eher einer Angleichung an das Angloamerikanische als der Tatsache geschuldet, dass es tatsächlich nur eine Information für den Trainingsraum gibt.
Informationen dienen einem gewissem Zweck, hier der „Arbeit im Trainingsraum“. Der Begriff „Arbeit“ wird innerhalb der Schule anders verwendet als außerhalb von ihr. In ihr geht es vornehmlich um „Kopfarbeit“, die sich in Schularbeiten, Hausarbeiten, Klassenarbeiten etc. niederschlägt, von daher ist es eher unwahrscheinlich, dass auf Disziplinprobleme im Unterricht mit körperlicher Arbeit im Trainingsraum reagiert werden soll. Die Überschrift spezifiziert nicht, was sie irritierend ankündigt, wir erfahren erst einmal nicht, auf welche „Arbeit“ sich die Information bezieht. Aber sie wird immerhin über den Ort, den Trainingsraum, konkretisiert. Das macht nur dann Sinn, wenn angenommen wird, dass der Raum für diese Arbeit besonders hergerichtet ist. Was mag ihn auszeichnen? „Trainingsraum“ ist ein im schulischen Kontext zunächst ungewöhnlicher Begriff, denn in ihm geht es nicht um Training, nur selten um anhaltendes Üben, sondern um Lernen, Bildung und Erziehung. Begrifflich wird etwa eine Sportstätte nahegelegt, in der bestimmte körperliche Abläufe wiederholend absolviert werden. Trainiert werden einzelne Bewegungen, Spielzüge, aber auch Kraft. D.h. das Training separiert Einheiten, die nachher, im Spiel, bei der Kür, zusammen ein Ganzes ergeben. Die Konzentration auf das Einzelne macht dieses besonders bewusst und versucht, (Schwach-)Stellen gezielt zu verbessern. Unwahrscheinlich ist es wiederum, dass im Trainingsraum etwa durch Krafttraining an den Disziplinproblemen des Unterrichts gearbeitet wird. Denkt man nicht sogleich an ein therapeutisches Verhaltenstraining, das in der Schule keinen Platz haben kann, so kommt zunächst wenig anderes als eine sportliche Aktivität in den Blick. Was im Trainingsraum gearbeitet wird, muss so aus den drei folgenden Punkten hervorgehen.
Oberhalb des Kastens sind zwei Formularfelder aufgedruckt, die auszufüllen sind. Sie lauten „Über Schüler/in:“ und „Klasse“. Spätestens hier wird deutlich, dass es sich um das Dokument einer Schule und nicht einer Freizeiteinrichtung handelt. Es stehen statt „Name“ und „Alter“ die für Schule typischen Kategorien, die den Einzelnen bestimmen: in der Funktion des Schülers wird der Einzelne angesprochen und durch seine Zugehörigkeit zu einer bestimmten Klasse dingfest gemacht. Durch die Jahrgangsstufe und ggf. einen Zusatz zu dieser wird der Schüler zu einem Bestandteil einer festen Gruppe, der wiederum eine bestimmte Klassenlehrerin zugeordnet ist.
In das Dokument sind Vor- und Nachname eingetragen, dazu die weibliche Endung durchgestrichen, jedoch die Klasse fehlt. Entweder wurde sie vergessen oder das Ausfüllen ist nicht so wichtig, weil der Schüler genügend bekannt ist. Mit der Nennung eines bestimmten Schülers geht einher, dass in den Trainingsraum nicht eine ganze Klasse zum Arbeiten geht, sondern einzelne Schülerinnen und Schüler, denen eine besondere Form der Arbeit in der Schule zuteil wird. Damit könnte die/der Einzelne belohnt oder bestraft werden.

Unter diesen, den einzelnen Schüler identifizierenden Angaben beginnt der Block mit den drei Punkten, der durch seine Umrahmung als Hauptbestandteil kenntlich ist. Der numerischen Aufzählung geht folgender, einleitender Satz voraus: „Ich schicke den Schüler/die Schülerin in den Trainingsraum, weil:“. Hier wird der erste Teil eines Satzes präsentiert, der die Begründung für die „Arbeit im Trainingsraum“ liefern wird. Dabei ist auffällig, dass er mit einem bislang nicht spezifizierten „Ich“ beginnt. Es verweist darauf, dass eine einzelne Person dafür verantwortlich zeichnet, wer in diesen Raum geht. Innerhalb der Schule ist es wenig sinnvoll anzunehmen, dass dies eine andere Schülerin tun darf. D.h. diese Befugnis kommt nur der Lehrerin bzw. dem Lehrer zu. Sie oder er hat die rechtliche Stellung, den Schülerinnen und Schülern Anweisungen zu geben, die befolgt werden müssen.
Das verwendete Verb „schicken“ deutet auf diesen Zusammenhang hin. Geschickt werden im konventionellen Sprachgebrauch Pakete und Briefe. Es ist die Domäne der Post; Kinder werden geschickt, wenn sie etwas holen sollen. Es bedeutet, ohne Widerspruch das Angewiesene auszuführen. Innerhalb der Schule haben die Lehrer/innen diese Befugnis.

Was bei Eltern ohne Begründung, aufgrund ihrer Erziehungsbefugnis von Kindern ggf. erlitten werden muss, bedarf innerhalb der Institution Schule der Begründung. Mit der Konjunktion „weil“ wird eine Struktur vorgefertigt, die zum einen die Lehrer/innen zu einer Begründung zwingt und zum anderen eine Auswahl an Möglichkeiten an die Hand gibt. Dabei sind die ersten beiden Punkte nur durch ein Kreuz im Kästchen zu bestätigen, während die dritte Möglichkeit eine freie Formulierung auf vorgefertigten Linien erlaubt.

„1. Der Schüler/die Schülerin unterbrach mehrmals den Unterricht durch störende Gespräche mit dem Nachbarn.“

Die erste Begründung kann durch ein Kreuz bestätigt werden. Es kann angenommen werden, dass dieser Grund häufig zutrifft. Um welchen handelt es sich? Das Formblatt weist die namentlich ausgewiesene Person wieder in ihrer Funktion als Schüler/Schülerin aus. Dadurch wirkt der Satz offizieller und formaler – er kommt einem Verfahren gleich, dass ohne Ansehen der Person über diese etwas aussagt. Der Grund, warum der Schüler in den Trainingsraum geschickt wird, wird als Vergehen kenntlich und ermöglicht zum ersten Mal eine Annahme darüber, woran im Trainingsraum gearbeitet werden soll und welcher Art die Information ist.
Der Schüler unterbrach den Unterricht. Dies ist nur vorstellbar, wenn er etwas so in den Raum hineinrief, dass alle irritiert wurden und das Unterrichtsgespräch versiegte. Hier soll allerdings die Störung durch das Gespräch mit dem Sitznachbarn herbeigeführt worden sein, so dass wohl angenommen werden kann, dass es die Lehrerin war, die den Unterricht unterbrach. Das „mehrmals“ betont, dass, bevor jemand in den Trainingsraum geschickt werden kann, wiederholt gestört werden muss. D.h. die Lehrerin muss von den Störungen vorher Notiz nehmen, sie sich merken, um dann bei erneutem Auftreten einzugreifen.
Nun wird deutlich, dass der Trainingsraum nicht für eine Nachhilfe des Schülers oder eine Belohnung gedacht ist, sondern als Strafe. Das mehrmalige Stören verweist darauf, dass es ein Maß an Störungen gibt, das von Seiten der Lehrer/innen toleriert wird: einmaliges Stören sowie nicht störende Gespräche können den Unterrichtsablauf nicht massiv behindern, sondern werden akzeptiert. Die Lehrer/innen verstehen sich nicht als unmittelbar hart durchgreifende Instanzen. Sie werden erst aktiv, wenn in ihren Augen ein bestimmtes Maß voll ist. Der subjektiven Schmerzgrenze eines Unterrichtenden, Ausdruck des sich gestört Fühlens, steht eine standardisierte Formel gegenüber, mit der so getan werden kann, als sei der Fall eindeutig.

Die zweite Begründung lautet, wie folgt:

„2. Der Schüler /die Schülerin stört den Unterricht durch wiederholte Zwischenrufe“.

Auch hier handelt es sich um einen vorgefertigten, ausformulierten Satz, der durch die Lehrerin/den Lehrer durch ein Kreuz bestätigt wurde. Durch „wiederholte Zwischenrufe“ wird der Unterrichtsfluss gestört. Es ist vorstellbar, dass die Schüler/innen mit provozierenden Bemerkungen stören wollen oder auch nur unaufgefordert ihre Beiträge zum Unterricht liefern. Ob diese zum Thema passen oder nicht, wird hier nicht als Problem angegeben, sondern allein, dass durch das Hineinrufen der Unterricht gestört, aber deswegen nicht notwendig unterbrochen wird. Wenn solche Rufe mehrmals auftreten und die Lehrerin zum Formular greift, um den Störenfried aus dem Klassenraum zu entfernen, schafft sie die Unterbrechung.
Das Zwischenrufen verweist darauf, dass bei einem Unterrichtsgespräch nicht alle reden bzw. drangenommen werden können, sondern warten müssen, bis die Lehrerin sie aufruft. Die Schüler/innen wissen, dass ihre Beteiligungsnote herabsinkt, wenn sie nicht häufig genug dran kommen. Die Lehrerin muss versuchen, möglichst ausgleichend die Schüler zu beteiligen, was nur funktioniert, wenn sich alle an die Spielregeln des Aufzeigens halten und nicht einige die Abkürzung über das Dazwischenrufen nehmen. In der Begründung ist von „wiederholte[n] Zwischenrufen“ die Rede. Damit wird unterstellt, dass Lehrerinnen und Lehrer durchaus Verständnis für einen herausgeplatzten Beitrag haben. Wenn den Vorlauten die Regel in Erinnerung gebracht worden ist, wird einsichtsvolles Verhalten erwartet. Wird dieses nicht gezeigt, greift der Unterrichtende nach der Information für die Arbeit im Trainingsraum und der Zwischenrufer wird im Wiederholungsfall aus dem Unterricht entfernt.

Die dritte Begründung ermöglicht es der Lehrerin/dem Lehrer, „Andere Störungen“ zu formulieren. Die vorgezeichneten vier Linien bieten ausreichend Platz, um handschriftlich über die Störung des Unterrichtes Auskunft zu geben. Die dritte Möglichkeit enthält augenscheinlich die bunte Vielfalt singulärer Störideen der Schüler, die nicht mit den beiden Standardsituationen erfasst sind. Nach der Logik des Verfahrens dürften sie nur dann herangezogen werden, wenn die Schülerin/der Schüler das Verhalten nach Ermahnung nicht einstellt. Im vorliegenden Fall wurde keine solche dritte Form, sondern ein Folgeverhalten der Störung eingetragen:

„bestreitet sein Fehlverhalten und wird unverschämt er pöbelt mehrfach seine Mitschüler an besonders F [Vorname der Schülerin/des Schülers; SJ]“.

Die Ausführungen der Lehrerin zeigen wiederum, dass dem Griff zum Formular ein Ermahnen vorausgeht. Dieses wurde vom Schüler aber nicht widerspruchslos hingenommen, sondern er „bestreitet sein Fehlverhalten“. Die Störung wird nun erst zu einem gewichtigen „Fehlverhalten“, das geahndet werden muss. Fehlverhalten tritt im Straßenverkehr auf, wobei angenommen wird, dass die Regeln bekannt sind und deren Missachtung fahrlässig oder bewusst herbeigeführt wurde. Das Fehlverhalten liegt in der Person begründet. Somit wird aus einer bloßen Störung ein Vergehen der Person „Schüler“. Das Bestreiten der Vorwürfe der Lehrerin reicht jedoch als Begründung noch nicht aus. Die Störung wird gesteigert durch das unangebrachte Verhalten des Schülers: er „wird unverschämt“; d.h. eine Aussprache über die Ermahnung ist nicht möglich. Der Schüler wird so ausfallend, dass die Lehrerin die Notbremse zieht und ihn aus der Klasse weist. Das Prozedere des Trainingsraumkonzeptes, das eigentlich dazu führen soll, dass der Störenfried schnellstens aus der Klasse geht, um weiter unterrichten zu können, wird durch eine Diskussion über die Störung irritiert. Es erfolgt eine Störung des Systems, das gerade der Störung entgegenwirken soll.
Das unverschämt Werden wurde zunächst auf die Lehrerin bezogen. Der letzte Satz des Handschriftlichen bezeugt zudem, dass der Schüler auch „mehrfach seine Mitschüler“ anpöbelt, von denen einer beim Vornamen genannt wird. Die Lehrerin schützt damit nicht nur sich und ihre Autorität, indem sie gegen den delinquenten Schüler vorgeht, sondern stellt sich schützend vor die anderen Schülerinnen und Schüler. Die starken Vokabeln, wie „unverschämt“, „pöbeln“, „Fehlverhalten“ suggerieren die Unumgänglichkeit, mit der die Lehrerin zum Formular greift.
Auffällig ist an der Formulierung, dass der erste Teil sich noch an eine standardisierte und unpersönliche Struktur hält und im zweiten Teil zu einer Schilderung übergeht, die fast kindliche Züge des Verpetzens trägt, indem „besonders F“ Erwähnung findet, als ob die Lehrerin Zuflucht zu einem namentlich kenntlich gemachten Zeugen sucht.
Wir wissen immer noch nicht, was für eine Arbeit im Trainingsraum verrichtet werden soll. Immerhin ist nun klar, dass immer ein Störverhalten der Schüler der Anlass für die Verschickung ist. Zu erwarten wäre nun, dass im Trainingsraum an dem Verhalten der Schüler/innen gearbeitet wird, damit nach ihrer Rückkehr ein ungehinderter Unterrichtsverlauf möglich wird. Dies lässt allerhand Spekulationen, wie eine solche Bearbeitung aussehen mag, aufkommen; welche tatsächlich stattfindet, wird erst das zweite Dokument zeigen.

Das Formular ist eine Negativ-Folie, die zur Seite der Lehrerin legitimiert, warum sie jemanden aus dem Klassenraum entfernt und zur Seite des Trainingsraums und ggf. des Schülers, was als Arbeitsauftrag hervorgeht. Jemanden aus der Klasse zu entfernen und ihn vom Unterricht und dem zu Lernenden auszuschließen, ist eine besonders drastische Maßnahme. Die Gesetzgebung sieht vor, dass hierfür schwerwiegende Gründe vorliegen müssen. Ein Formular liefert den Nachweis, dass etwas vorgefallen ist, verifiziert das Geschehen durch Kurzinformationen, wie Typ der Störung, Name des/der Lehrer/In, Datum, Raum sowie Uhrzeit. Gemäß Aufsichtspflicht muss lückenlos nachvollzogen werden können, wo eine Schülerin/ein Schüler sich aufhält. Die Lehrerin bürgt dafür mit ihrem Namen und dem auf die Minute genauen Zeiteintrag.
Die Überschrift dieses Formulars verspricht durch die Wahl des Wortes „Information“ eine Handreichung für den Gebrauch eines bestimmten Raumes. Durch die Begründungen im Zentrum des Blattes wird deutlich, dass es sich um faktisch eine Art Laufzettel handelt, der über das Vergehen des Schülers Auskunft gibt und mit dem der Schüler bürokratisch kontrolliert weitergeleitet werden kann. Für das ehemalige Vor-die-Tür- bzw. In-die-Ecke-Stellen wird nun – modern – extra ein Raum bereit gestellt. Die Frage ist: Kehrt die alte Methode in neuem Gewand wieder oder kann das Verfahren als eine Hilfestellung für den Störenfried interpretiert wird? (vgl. weiter Fall)

Fußnote:

(1) Balke, Stefan: Das Trainingsraum-Programm. Ein Weg zum ungestörten Lernen und Unterrichten (letzter Abruf: 12/01/05).

Literaturangaben:

Stefan Balke: Die Spielregeln im Klassenzimmer. Das Trainingsprogramm. Ein Programm zur Lösung von Disziplinproblemen in der Schule. 2. Auflage, Bielefeld 2003.

Heidrun Bründel/Erika Simon. Die Trainingsraum-Methode. Umgang mit Unterrichtsstörungen: klare Regeln, klare Konsequenzen. Weinheim 2003.

Das FORD-Programm (Online-Ressource, abgerufen am 06.01.2005), http://www.learn-angebote/schulberatung/main/medio/banlass/av/ford.html (30/12/04).

Mit freundlicher Genehmigung von Budrich UniPress
http://www.budrich-journals.de/index.php/pk

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