Falldarstellung mit interpretierenden Abschnitten

Welche Berufs- und Studienwünsche nennen Schülerinnen? Stellt das Lehramt eine Option für sie dar? Welche Gründe für die Ablehnung des Lehramts werden genannt, und greifen hierbei geschlechtliche Vorurteile?

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Die Diskussionen verliefen strukturiert: Zunächst sollten sich die Schüle­rInnen zu ihren Berufsplänen äußern; anschließend wurde gefragt, ob die Studiengänge Lehramt/Grundschullehramt ebenfalls eine Option sein könn­ten. In einem dritten Schritt wurden die Schülerinnen und Schüler mit dem ungleichen Geschlechterverhältnis in den Studienfächern Grundschullehramt/ Sekundarstufe I konfrontiert. Der Genderaspekt wurde also immer erst am Ende der Diskussionen angesprochen, um eine Beeinflussung des Antwort­verhaltens durch Initiierung geschlechtsstereotyper Assoziationen zu vermeiden. Die Diskussionen wurden in den Schulklassen in der Regel sehr lebhaft geführt und dauerten etwa eine doppelte Schulstunde.

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Das Lehramtsstudi­um wird von nur sehr wenigen SchülerInnen überhaupt in Erwägung gezo­gen, und kein einziger männlicher Schüler interessierte sich für eine berufliche Zukunft in der Grundschule, was für die These eines gegenderten Berufs­feldes Grundschule spricht.

Abwertung des Lehrberufs

Im weiteren Verlauf der Gruppendiskussion wurde nach möglichen Gründen für oder gegen das Lehramt als Berufsziel gefragt. Sehr häufig wurde das Argument der persönlichen Stagnation im Beruf genannt: Als Lehrkraft müs­se man jedes Jahr immer wieder den immer selben Unterrichtsstoff vermitteln und ausschließlich gesichertes Wissen reproduzieren, anstatt etwas Neues zu entwickeln und sich auch persönlichen Herausforderungen zu stellen. Insbe­sondere für die Arbeit in der Grundschule müsse man nicht viel (Fach-) Wissen erwerben und anwenden, sondern sich lediglich mit allem ein biss­chen auskennen, z.B. in elementare Rechenarten einführen oder Grundwerte vermitteln können. Auch werden die verschiedenen Lehramtsformen von den Befragten hierarchisch geordnet; demnach

„…[hat] der Grundschullehrer (…) die niedrigste Stufe dieses Lehrerberufes da und hat mit kleinen Kindern zu tun, hat wenig Stoff, dieses Einmaleins, und da kommt es schon besser, wenn man Gymnasiumslehrer ist. Da bringt er einem etwas bei, der hat richtig was im Kopf, und das würde man von einem Grundschullehrer nicht denken. Das ist einfach diese niedrigste Stufe“ (w, Dürer-Gymnasium; Hinweis: Die Schulnamen wurden anonymisiert).

Der Beruf wird als weitestgehend simpel und monoton beschrieben. Ein Schüler fasst dies mit dem Begriff „Stillstand“ und verbindet damit Bedenken hinsichtlich der Aufstiegsmöglichkeiten:

„Wenn ich jetzt Grundschullehrer sein würde, dann würde ich mir immer die Frage stellen: Ich bin jetzt Grundschullehrer und was sonst? (…) Ich würde das als so einen Stillstand sehen (…) Wenn ich jetzt Grundschullehrer bin, kann ich nicht irgendwie großartig auf­steigen (…) dann bin ich Lehrer und dann helfe ich den Kindern oder begleite ich die Kinder beim Erwachsenwerden, aber ich selber erreiche ja nicht mehr viel, sondern bleibe nur da und das finde ich ein bisschen schade, für mich persönlich“ (m, Marc-Gymnasium).

Vielen SchülerInnen erscheint auch die finanzielle Seite des Lehramtsberufs wenig attraktiv: Ihrer Ansicht nach ist das Gehalt nicht sehr hoch, dies wird zudem als Ausdruck einer geringen gesellschaftlichen Anerkennung des Berufes gedeutet. Insbesondere bei den Befragten, die aus Akademiker- bzw. wirtschaftlich gut situierten Haushalten stammen, in denen hohe Ansprüche an die Kinder bezüglich ihrer zukünftigen beruflichen und finanziellen Erfol­ge gestellt werden, scheint der Lehrberuf fast einem sozialen Abstieg gleich zu kommen. Für manche hat die Perspektive der Verbeamtung einen negati­ven Beigeschmack und wird assoziiert mit fehlender Leistungsbereitschaft und Defiziten bezüglich Flexibilität und Innovation.

Andere SchülerInnen betonen die übermäßige gesellschaftliche Anspruchs­haltung den Lehrkräften gegenüber: Sie sollen unzureichende Erziehungsleis­tungen in den Familien kompensieren, seien dabei gleichzeitig einem großen Druck seitens der Eltern ausgesetzt, die möchten, dass ihre Kinder individuell gefördert und auf eine erfolgreiche Zukunft vorbereitet werden. Lehrkräfte werden unter dieser Perspektive von den Befragten vor allem als Lückenbü­ßer für ein gesamtgesellschaftliches Versagen und damit als im Zentrum öffentlicher Kritik stehend wahrgenommen:

„… Lehrer sind viel zu oft Sündenböcke. Wenn das Kind sich zum Beispiel nicht normal entwickelt, dann wird halt gesagt, warum haben Sie denn nicht darauf geachtet? Auch von den Eltern muss man sich ganz oft einige Dinge anhören, und diese Verantwortung für die Erziehung wird auch oft auf Lehrer projiziert, also, dass die dann irgendwie die Verantwor­tung haben sollen. Das würde mich abschrecken“ (w, Holbein-Gymnasium).

Viele Lehrkräfte, so die Befragten, machen einen überforderten Eindruck, klagen über die schlechten Arbeitsbedingungen an der Schule, üben ihren Beruf ohne Leidenschaft und Kreativität aus, seien im Alter ausgebrannt und verlassen daher den Beruf mehrheitlich als Frühpensionäre:

„Also die Lehrer werden auch immer unmotivierter. Ich merke das auch in der Schule und auch in meiner alten Schule vor allem, dass man einfach jedes Mal, wenn der Lehrer wie­der vorne stand, hat er wieder erzählt, ,Oh, ich habe so viel zu tun und ich habe überhaupt keine Ferien und ich muss so viel korrigieren‘, und also wenn ich das schon so höre, dann denke ich schon, ‚Oh Gott!‘, … und das macht natürlich auch so einen bleibenden Ein­druck bei den Schülern, die sagen dann: ,Nee, Lehrer will ich nicht werden‘ (w, Klee- Gymnasium).

Neben den generellen Vorbehalten der Befragten gegenüber dem Lehramt allgemein wird speziell das Grundschullehramt als besonders unattraktiv bewertet: Es stehe hierbei vor allem die Erziehung der Kinder im Mittelpunkt pädagogischen Handelns, das Fachwissen sei eher sekundär.

Aufwertung des Lehrberufs

Neben denjenigen Argumentationen der Schülerinnen, die das Lehramt als unattraktiv kennzeichnen, werden auch Aspekte genannt, die den Beruf ten­denziell überhöhen, ihn als besonders schwierig und daher anerkennungs­würdig erscheinen lassen:

„… ich kann mir keinen anstrengenderen Beruf vorstellen, als Grundschullehrerin zu sein, weil also schon allein die Eltern, also es sind nicht nur die Kinder, da kommen noch die Eltern dazu, und was dann da von den Grundschullehrerinnen oder -lehrern gefordert wird, das ist, glaube ich, schon immens, also die Eltern haben schon große Forderungen. Also, wenn mein Kind die vierte Klasse absolviert, soll es bitte das und das und das können, und das soll dann bitte alles die Lehrerin machen und am besten noch erziehen“ (w, Meese-Gymnasium).

Mehrfach wird – durchaus selbstkritisch – darauf verwiesen, dass in der heu­tigen Zeit die Kinder extrem undiszipliniert oder sogar verhaltensauffällig seien, so dass das Unterrichten einer Klasse von einem Lehrer allein kaum noch zu bewältigen sei. Gleichzeitig sei das Schulsystem jedoch nicht auf diese Herausforderungen vorbereitet und biete den Lehrkräften bei der Be­wältigung vielfältiger Probleme kaum Unterstützung an. Den Anforderungen des Lehrberufs fühlen sich viele insgesamt nicht gewachsen; dass einige Lehrkräfte komplexe Situationen dennoch „meistern“, nötigt ihren Schüle­rInnen Respekt ab:

„…aber wie die Kinder sich heutzutage entwickeln, viele Kinder sind auch Einzelkinder und können dieses Gefühl für Gleichaltrige gar nicht richtig aufbauen, wenn sie gar nicht im Kindergarten waren oder in der Vorschule gewesen sind, sondern einfach so für sich leben. Und dann wegen Kleinigkeiten fängt schnell Streit an. Und das dann als Lehrer von 30 Schülern oder so zu meistern, ich meine, die Klassen werden ja auch immer größer, das ist schon relativ heftig, würde ich sagen“ (w, Marc-Gymnasium).

In Bezug auf das Grundschullehramt wird die große gesellschaftliche Ver­antwortung betont, die damit verbunden sei, Kinder auf den „richtigen Weg“ zu bringen. Auch hier klingt Anerkennung für die Leistungen der Lehrkräfte an:

„Was ich über das Grundschulamt denke ist, dass das eigentlich eine unglaublich große Verantwortung ist, die man jahrelang täglich hat, weil man auf die Entwicklung von jungen Menschen einen sehr hohen Einfluss nimmt (…) Egal, was man tut, wie man tut, man beeinflusst die Kinder auf jeden Fall. Man muss diese Fähigkeit haben, alle Kinder auf einmal in die richtige Richtung zu beeinflussen. Ich glaube, das ist ein ziemlich schwerer Beruf, weil er mit einer sehr hohen Verantwortung verbunden ist“ (m, Meese-Gymnasium).

Bezugnahmen auf Geschlecht

Weder bei der Abwertung noch bei der Aufwertung des Lehrberufs zeigten sich bis zu diesem Zeitpunkt in den Diskussionen Bezugnahmen auf das Merkmal Geschlecht. Dass die Schüler und Schülerinnen geschlechtliches Wissen (vgl. Dölling 2005) in Form von Stereotypisierungen jedoch durchaus abrufbereit haben, zeigen ihre Äußerungen zu der Frage, wie das ungleiche Geschlechterverhältnis insbesondere im Lehramtsstudiengang Primarstufe zustande kommt. Diesbezüglich ist wichtig festzuhalten, dass die Frage der DiskussionsmoderatorInnen den ,Türöffner‘ für die dann folgenden stereoty­pisierenden Äußerungen bot; gegenderte Zuschreibungen kamen also erst in dem Moment zur Sprache, in dem das zahlenmäßige Geschlechterverhältnis zum Thema gemacht, sprich: dramatisiert wurde. So vermuten Schüler wie Schülerinnen, dass Frauen insgesamt empathischer seien, besser mit Men­schen umgehen und zuhören könnten:

„Ich würde sagen, auch wenn das jetzt ein bisschen nach Vorurteilen klingt oder so, aber ich denke, dass Frauen allgemein in solchen Sachen/, ja dass ihnen solche Sachen einfach mehr liegen so. Männer machen so was eher so was Mathematisches irgendwie so was in der Richtung, aber ich denke einfach, dass Frauen dieser Umgang mit den Menschen und dieses Psychologische ihnen einfach mehr liegt als den Männern, dass sie einfach mehr Gefühl für haben und so was lieber tun als Männer so, weil Frauen reden gerne und unter­halten sich gerne, das ist auch so“ (m, Dürer-Gymnasium).

„Ja und in der Grundschule hatte ich jetzt auch zwei Grundschullehrerinnen. Dass man einfach die Lehrerinnen sozusagen gar nicht so als Lehrerinnen sieht, so einfach, man duzt sie und man hat sie sogar gern. Ja sie gehen auch auf einen zu, wenn es einem schlecht geht, oder nimmt einen in den Arm oder so was in der Art. Und ich kann mir vorstellen, dass einfach Frauen da einfach auch mehr so den Instinkt haben“ (w, Kauffmann- Gymnasium).

Männer hingegen hätten andere Vorlieben, seien eher technikbegeistert, we­niger an Menschen und deshalb auch kaum am Lehramt interessiert. Sie ori­entierten sich bei ihrer Berufswahl stark an Sozialprestige und Einkommen; dies sei ihre soziale Rolle. Deshalb würden sie das Lehramt meiden und lie­ber z.B. Ingenieur oder Manager werden: Dies seien Berufe, bei denen Wett­bewerb und Leistung dominierten und man ein hohes Einkommen erzielen könne. Frauen hingegen würden andere Werte vermittelt, und sie seien wäh­rend ihres eigenen Heranwachsens stärker mit Kindern konfrontiert. Es gelte in unserer Gesellschaft als normal, dass vorwiegend Frauen den Umgang mit Kindern pflegen. Daher sei für sie eine Vereinbarkeit von Familie und Beruf auch wichtig, und diese sei ja beim Lehramt auch in besonderem Maße gege­ben.

Den Schülern und Schülerinnen ist dabei durchaus bewusst, wie stark ge­schlechtliche Zuschreibungen und Erwartungen wirken, und wie schwer es ist, sich ihnen zu entziehen:

„Ich glaube, weil das halt einfach nicht typisch ist, machen es auch so wenige, weil die meisten machen da irgendwas, BWL und so was, was halt viele machen, also das ist es doch eigentlich immer, was die Masse so macht, das machen die anderen auch meistens. Also das ist ja selten, dass ein Mann irgendwie, weiß nicht, Kosmetiker wird oder so was. Ja und deswegen würde ich sagen, dass es halt auch einfach so, dass ist so wegen der Gesellschaft, das spielt eine große Rolle“ (w, Rembrandt-Gymnasium).

Eine Schülerin setzt sich von ihren Freundinnen ab, die es offensichtlich als selbstverständlich ansehen, Kinder zu bekommen und dann nur noch halbtags zu arbeiten – unbenannt bleibt dabei der vermutlich mitgedachte, wahrschein­lich männliche Ernährer/Finanzierer der zukünftigen Familie:

„… ich bin auch die einzige, die sagt, ‚Ich will nicht unbedingt Kinder haben.‘ Alle in meinem Umfeld sagen, alle Mädchen sagen, ‚Ja, später möchte ich zwei oder drei Kinder haben, und dann möchte ich, dass ich irgendwie halbtags arbeite.‘ Das ist die klassische Antwort, muss ich ganz ehrlich sagen, aus meinem Umfeld“ (w, Meese-Gymnasium).

Dass die impliziten Hoffnungen der jungen Frauen nicht ganz unberechtigt sind, zeigt das folgende Zitat: Der Schüler rät seinem männlichen Kameraden davon ab, den Erzieherberuf zu ergreifen. Hierbei wird die männliche Familien-Ernährer-Rolle explizit thematisiert:

„Ein Freund von mir will Kindergärtner werden, und ich, also, er hat mich darauf ange­sprochen, also wir haben über Zukunft geredet, und dann habe ich auch einfach nur ge­dacht, ja, hast du dir das auch mal überlegt mit dem Geld. Wenn du irgendwann erwachsen bist und Familie, ob das, ob du genug Geld reinbringst und so. Und ja, das bringt ihn, das ist so sein negativer Aspekt so an dem Beruf. Sonst würde er gerne Kindergärtner werden, mit Kindern und so umzugehen, aber am Geld liegt das halt“ (m, Rembrandt-Gymnasium).

Zwischenfazit: Doppelte Abwehrstrategie gegenüber der Option Lehramt

Die Mehrheit der SchülerInnen orientiert sich innerhalb eines relativ schma­len Segments an bekannten Studien- und Berufsoptionen (wie Wirtschafts-, Rechts- oder Medienberufe). Das Lehramt wird von den Befragten mehrheitlich als eher unattraktive Berufsoption charakterisiert. Geschlechtsbezogene Zuschreibungen spielen dabei zunächst keine Rolle, werden auf Nachfrage aber benannt und beeinflussen – so kann man vermuten – die Berufsentschei­dung gegen das Lehramt. Die Schülerinnen und Schüler zeichnen ein Bild vom Berufs- und Arbeitsalltag von Lehrkräften, bei dem zwei verschiedene Argumentationsstränge in der Ablehnung des Berufs verbunden werden: Auf der inhaltlichen Ebene, also bezogen auf den Unterrichtsstoff, wird insbeson­dere das Grundschullehramt als Beruf gesehen, der langweilig und an­spruchslos bis hin zur Unterforderung ist und kaum Möglichkeiten der (per­sönlichen) Weiterentwicklung und des Aufstiegs bietet; auf der pädagogi­schen Ebene, also bezogen auf die Be- und Erziehungsarbeit mit Kindern (bzw. auch mit Eltern) wird das Lehramt als hochgradig schwierig, wenn nicht überfordernd eingeschätzt. Interessant ist an dieser doppelten Abwehr­strategie, wie wir dieses Argumentationsmuster nennen möchten, dass die Wahrnehmung und Einschätzung des Inhaltlichen und des Pädagogischen auseinander fallen, das Berufsbild des Lehramts dadurch ambivalent und doppelt unbefriedigend erscheint.

Das insgesamt hohe Maß an Ablehnung der SchülerInnen gegenüber dem Lehramt kann mit dem Befragungszeitpunkt (11. und 12. Jahrgangsstufe) zusammenhängen: Im Vordergrund steht bei vielen der Stress des nahenden Abiturs; ein Verbleib innerhalb schulischer Strukturen erscheint zu diesem Zeitpunkt wenig attraktiv. Viele möchten im Anschluss an die lange Schul­zeit das bekannte Terrain verlassen, sich in anderen Feldern ausprobieren oder auch „die Welt entdecken“.

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Fazit

Die doppelte Abwehrstrategie der SchülerInnen findet sich bei den Studierenden erwartungsgemäß nicht wieder[1]: Für sie ist die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen reizvoll und motivierend. Allerdings steht auch für sie die intellektuelle Herasuforderung nicht an vorderer Stelle: Wissen zu vermitteln, ist ihnen keineswegs zentral wichtig, die eigenen Interessen und Stärkne einzubringen, ist nur einem Teil wichtig. Zwar gibt es hier die von den SchülerInnen angesprochenen Unterschiede zwischen den Lehrämtern, dennoch ist die intellektuelle Neugier nicht das Hauptmotiv künftiger LehrerInnen insgesamt, und für die künftigen Grundschullehrkräfte steht dieses noch weniger als Ziel im Mittelpunkt.

Wir finden also auf der inhaltlichen Ebene, bezogen auf Wissenschaft­lichkeit des Studiums und das intellektuelle Niveau des zu vermittelnden Wissens tatsächlich eine gewisse Anspruchslosigkeit, während die pädagogi­sche Ebene, die Be- und Erziehungsarbeit und der Kontakt mit Kindern und Jugendlichen den zentralen Reiz von Studium und Berufstätigkeit ausma­chen. Dies drückt sich aus in Formulierungen wie „Kinder begleiten und unterstützen“, „Kindern was fürs Leben, Werte vermitteln“ und Ähnliches mehr. Der entscheidende Punkt ist unserer Ansicht nach jedoch, dass auch die Studierenden ihr künftiges Berufsfeld in einer Weise wahrnehmen und beschreiben, die auf eine Entkoppelung der inhaltlichen von den pädagogi­schen Ansprüchen hindeutet: Im Blick auf die Tätigkeit als Lehrkraft er­scheint „Fach- oder Fächerwissen“ sekundär, auf jeden Fall einem pädagogi­schen Tun nachgeordnet, das die Beziehungsaspekte in den Vordergrund rückt und nicht den fachdidaktischen Kern der Arbeit erkennt. „Pädagogik“ scheint zudem vor allem mit einer Haltung, kaum mit Wissenserwerb oder gar Wissenschaftlichkeit verbunden zu werden.

Die Frage ist, ob diese Unverbundenheit am Ende des Studiums zumin­dest ein Stück weit aufgehoben ist. Dazu bedarf es weiterer Forschungen, die Lehre und Studium in den Blick nehmen: Zum einen könnten hier Evaluatio­nen, also standardisierte Befragungen, die zunehmend zur Überprüfung und Verbesserung der universitären Lehre eingesetzt werden, herangezogen wer­den; zum anderen bedarf es qualitativer Forschung in Seminaren und Vorle­sungen, die genaueren Aufschluss darüber verschaffen, wie welcher Wissens­transfer von statten geht.

Eine andere Frage richtet sich darauf, wie mehr wissenschaftlich orien­tierte und leistungsstarke Schüler und Schülerinnen für das Lehramt gewon­nen werden können. Diese Frage ist sowohl mit dem Image des Berufsfeldes Grundschule wie auch mit der Ausstrahlungskraft des entsprechenden Stu­diengangs verbunden, was heißt: Wie können die tatsächlichen hohen fachli­chen wie pädagogischen Ansprüche an Lehrkräfte in der Grundschule und die Komplexität der wissenschaftlichen Ausbildung im Studiengang Lehramt Primarstufe/Sek I transportiert werden? Hierzu bedarf es nicht nur eines Insti­tutionen wie Disziplinen übergreifenden Vorgehens, sondern für die Erstel­lung angemessener berufsorientierender Informationen auch der Unterstüt­zung durch entsprechende Fachkräfte aus dem Bereich Kommunikation. Die bisherigen, geschlechtsdramatisierenden Kampagnen, wie beispielsweise die Helden des Alltags-Kampagne 2008 in Schleswig-Holstein, die auf eine Erhöhung des Männeranteils insbesondere in der Grundschule zielen und geschlechterstereotypisierend angelegt sind, sollten unbedingt abgelöst werden durch solche, die ein De-Gendering des Lehrberufs vorantreiben.

Fußnote:

[1] Hinweis des Fallarchivs: Die Studie beinhaltet einen quantitativen Forschungsteil unter anderem bezüglich Studierendenbefragungen zu diesem Thema.

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