Hinweis – Der Fall kann gemeinsam gelesen werden mit:

Einleitende Bemerkungen

Sprachförderung am 20.06.2007

Skizzierung der Sprachfördersitzung und deren Zeiteinteilung

An diesem Tag nehmen Ugo (U:), Maira (Ma:), Mariam (Mar:) und Mergim (Mer:) an der Sprachförderung teil. Zu Beginn der Sitzung klärt Frau Becker (B:) die An­wesenheit, indem sie die Kinder aufruft.

Danach stellt sie den Kindern ein Arbeitsblatt vor, das sie nach ihrer Anweisung in der Mitte falten. Nach dem Falten sehen die Kinder auf der linken Seite des Blattes untereinander angeordnete Tafeln mit Gegenständen in verschiedenen Mengen (Stif­te, Schultüten, Wasserfarben und Uhren). In einer Tafel befinden sich jeweils Gegenstände einer Art. Die Kinder sollen nun einen dieser Gegenstände sowie des­sen Anzahl benennen. Frau Becker ruft hierfür die Kinder einzeln auf oder stellt Fragen an alle Kinder. An diesem Dialog sind alle Kinder beteiligt. Nachdem alle Gegenstände mit ihren entsprechenden Anzahlen genannt wurden, sollen die Kinder das Blatt nun aufklappen. Auf der rechten Seite des Blattes sehen sie jetzt, die glei­chen Gegenstände wie auf der linken Seite, jedoch mit einer anderen Anzahl. Die jetzige Aufgabe der Kinder besteht darin, zu bestimmen, wie viele Gegenstände auf der rechten Seite des Arbeitsblattes im Vergleich zur linken Seite fehlen. Nachdem die Kinder alle fehlenden Gegenstände benannt haben, sollen sie diese auf der rech­ten Seite des Arbeitsblatts ergänzen, so dass auf beiden Seiten die gleiche Anzahl der einzelnen Gegenstände zu sehen sind.

Nachdem die Kinder die Gegenstände auf ihren Arbeitsblättern ergänzt haben, wird das Blatt erneut gefaltet. Die Gegenstände in der ersten Reihe der linken Seite sollen mit beliebigen Farben angemalt werden. Danach wird das Blatt wieder aufgeklappt und die Gegenstände auf der rechten Seite mit den gleichen Farben wie auf der lin­ken Seite angemalt. Die Aufgabe wird von Frau Becker an dieser Stelle, mit der

Aufforderung an die Kinder das Arbeitsblatt in der nächsten Sitzung fertig zu be­arbeiten, abgebrochen.

Frau Becker zeigt den Kindern nun das Buch „Die dumme Augustine“ – welches den Kindern bereits bekannt ist und liest ihnen die Geschichte vor. Dabei hält sie das Buch so, dass die Kinder die Bilder erkennen können. Während des Vorlesens lässt sie in mehreren Fällen das Satzende offen. Die Kinder beenden diese Sätze, wenn sie die Antwort kennen. Es handelt sich hierbei, jeweils um das letzte Wort des Sat­zes (z.B. Augustine oder Pferd). Die Kinder rufen in die Gruppe, wenn sie die Ant­wort kennen. Außerdem stellt Frau Becker Fragen, die sich auf den Inhalt der Ge­schichte beziehen. Mit dem Ende der Geschichte endet auch die Sitzung der Sprach­förderung.

Die beschriebene Szene hat in Folgendem zeitlichen Rahmen stattgefunden:
Begrüßung/ Kontrolle der Anwesenheit ca. 2 Min.
Verteilen eines Arbeitsblattes (AB)/ ca. 4 Min.
Namen auf das AB schreiben
Anweisungen zur Bearbeitung des AB/ ca. 2 Min.
in der Mitte falten
Kinder sagen was sich auf dem AB befindet ca. 2 Min.
Frage: „Wie viele Stifte fehlen auf der rechten ca. 1 Min.
Seite des AB“/ richtige Antwort
Auftrag/malen was fehlt/erster Gegenstand ca. 2 Min.
Nächster Gegenstand (Schultüten) ca. 5 Min.
Nächster Gegenstand (Wasserfarben) ca. 3 Min.
Letzter Gegenstand (Uhren) ca. 4 Min.
Anweisungen: Blatt falten/ersten Gegenstand ca. 1 Min.
bunt anmalen
Anmalen der Stifte ca. 3 Min.
Anweisung/Blatt aufklappen/anderen Stifte ca. 1 Min.
genauso anmalen/gl. Reihenfolge
Ersten Gegenstand genauso anmalen ca. 3 Min.
Frage: Wie lautet nächste Aufgabe/Antwort ca. 1 Min.
Nächsten Gegenstand anmalen (Schultüten) ca. 3 Min.
Was sollt ihr jetzt tun/Antwort ca. 1 Min.
Gegenstand genauso anmalen ca. 3 Min.
Blätter an Frau Becker/morgen Rest ca. 1 Min.
Buch: „Die dumme Augustine“/Frage ca. 2 Min.
Worum ging es in der Geschichte/Antwort
Vorlesen des Buches ca. 8 Min.

 

 

 

 

Falldarstellung mit interpretierenden Abschnitten

Darstellung und Analyse der Sprachfördersituation vom 20.6.2007

B:        Okay! So und jetzt. Wer fängt jetzt an mit vorlesen was man sieht?

U:        Ich! (meldet sich)

B:        Der Ugo! Ugo was sieht man da drauf?

U:        Stüft <=Stift>.

B:        Auf der oberen Tafel sieht man?

U:        Stüft <Stift>.

B:        Stifte! Wie viele sind es?

U:        Vier!

B:        Vier Stifte. Der Mehmet liest vor, was auf der nächsten Tafel zusehen ist. Guck auf dein Blatt. Drehs mal rum. Was siehst du auf der nächsten Tafel?

Me:     Schultüte! B: Wieviele?

Me:     Drei.

B:        Okay! Sag das mal in einem Satz. Auf der nächsten Tafel?

Me:     Auf der nächsten Tafel ist drei.

B:        Sind drei Schultüten abgebildet. Oder: sehe ich drei Schultüten.

B:        Mariam du bist dran! Auf der nächsten Tafel Mar: Wasserfarben.

B:        Sind Wasserfarben abgebildet. Und wie viele Farben sind da drin in dem Kasten?

Me:     Ich weiß es. (Frau B. hält die Hand vor ihren Mund) Mar: Zehn.

B:        Zehn! Zehn und der Mergim liest mal vor, was auf der letzten Tafel zu

sehen ist. In einem Satz. Auf der letzten Tafel.

Mer:    In der Tafel sind fünf Öhren <=Uhren>.

B:        Sind fünf?

Mer:    Uhr. (Ugo klettert unter den Tisch)

B:        Uhren zu sehen. Sind fünf Uhren zu sehen. Und jetzt ne ganz schwere Frage, wie viel Uhr ist es denn da drauf? Wer kann denn schon die Uhr lesen?

Me:     Zehn!

B:        Fast Zehn. Ne! Guckt mal, da fehlt gar nicht mehr viel, dann ist es fast Zehn auf allen Uhren. Ugo kommst du bitte wieder hoch!

In dieser ca. zweiminütigen Phase, in der die Kinder beschreiben sollen, was auf dem Arbeitsblatt zu sehen ist, übernimmt die Sprachförderkraft den größten Anteil des Gesprächsgeschehens. Dieses findet nach einem klaren Schema statt: Die Sprachförderkraft stellt die Fragen und die Kinder antworten nach Aufforderung auf diese. Auffällig ist hierbei, dass Frau Becker im Verlauf dieser Sequenz alleine 175 Wörter spricht, wohingegen alle Kinder gemeinsam auf lediglich 25 Wörter kom­men.

Die Antworten der Kinder haben größtenteils den Umfang eines Wortes. Lediglich zwei der zehn Antworten, die von den Kindern im direkten Bezug auf das Arbeits­blatt gegeben werden, haben den Umfang eines ganzen Satzes. Es ist jedoch hervor­zuheben, dass die Kinder nur dann vollständige Sätze formulieren, wenn sie zuvor von Frau Becker explizit dazu aufgefordert worden sind. Allerdings erfolgen diese Aufforderungen nicht konsequent, so dass Frau Becker in Teilen lediglich den kor­rekten Satz benennt und anschließend fortfährt.

Es ist im Weiteren anzunehmen, dass aufgrund der vorgegeben Aufgabenstellung, nach der die Kinder sagen sollen, was sie auf dem Bild sehen, kein „authentisches“ Gespräch entstehen kann. Die Kinder antworten lediglich in Einwortsätzen auf die Fragen, so dass zudem vermutet werden kann, dass von den Kindern nur schwer ein Verständnis für Satzstrukturen des Deutschen entstehen kann.

Des Weiteren kann angenommen werden, dass die in dem Arbeitsblatt zu bearbei­tende Thematik nicht den aktuellen Erlebnissen und Erfahrungen der Kinder ent­spricht, da sie sich zurzeit noch vor dem Übergang in die Schule befinden. Eben die­se aktuellen Erlebnisse hätten sich jedoch vermutlich positiv auf die Motivation der Kinder ausgewirkt.

Diese Sequenz lässt sich insgesamt betrachtet, schwer mit den einleitend als positiv bewerteten Rahmenbedingungen des Spracherwerbs, nach denen die Kommunika­tion in einer möglichst realen Handlungssituation stattfinden sollte und die Eigenak­tivität der Lernenden möglichst hoch sein sollte, vereinbaren.

Transkriptionsregeln

(steht auf) / (lacht)             Beschreibung nonverbalen Verhaltens

1. <Auto>                            bei unsicherer Interpretation, vermutete Aussage

ne <=eine>                         Orthografisch notierte Aussage mit vermuteter Bedeutung

/                                            Abbruch oder Unterbrechung

Unterstreichung                Simultanes Sprechen

2. (4)                                    Pause in Sekunden

GROSSBUCHSTABEN   Betonung

((Störung)) z.B.:               Durch eine andere Erzieherin

(vgl. Jeuk, 2003, S.145)

Literaturverweis:

Jeuck, S. (2003): Erste Schritte in der Zweitsprache Deutsch. Freiburg im Breisgau: Fillibach.

Mit freundlicher Genehmigung des Schneider Verlages.
http://www.paedagogik.de/index.php?m=wd&wid=2196

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