Hinweis – Der Fall kann gemeinsam gelesen werden mit:

Einleitende Bemerkungen

[…] An unseren Forschungen, über die wir hier sehr selektiv berichten, wirkten Jugendliche im Alter von 11 bis 17 Jahren mit. Die Teilnehmer besuchten zum Zeitpunkt der Untersuchung unterschiedliche Schultypen. Im Folgenden beziehen wir uns auf eine einzige Gruppendiskussion, die im März 2000 von drei Gymnasiastinnen und einem Gymnasiasten im Alter von 13 bzw. 14 Jahren bestritten wurde. Die Diskussion fand in einem Raum einer katholischen Gemeinde statt, aus deren Jugendgruppe die Forschungspartner rekrutiert wurden. Zur Teilnahme meldeten sich die Jugendlichen freiwillig, als sie im Rahmen eines ihrer Treffen von dem Diskussionsleiter gefragt wurden, ob sie Lust hätten, sich zu je vier Diskutanden an einem Gruppengespräch zum Thema „Geschichte“ zu beteiligen. Die Teilnehmer besuchten damals die achte Klasse derselben Schule einer mittelgroßen Stadt im Südwesten Deutschlands. […]

Falldarstellung mit interpretierenden Abschnitten

Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist darüber hinaus, dass die Forschungspartner den Gedanken einer „Entstehung“ äußern:

Heide: Guck mal, wenn man diese ganzen Fossilien findet und so, ja dann kann man doch alle, das irgendwie wichtige Schritte zurückverfolgen/
Karin: aber/
Heide: wie das alles entstanden is und so.
(Z. 459-463)

Der Gedanke, dass man anhand von Versteinerungen wichtige Schritte der naturgeschichtlichen Entwicklung rekonstruieren können müsse, zeigt, dass den Jugendlichen deutlich ist, dass etwas nicht einfach fix vorhanden ist, sondern einer Dynamik der Entstehung, Veränderung und Entwicklung unterliegt. Etwas ist nicht heute genauso da wie gestern, und das, was heute so ist, kann morgen anders aussehen.

Freilich, von einer „Entstehung“ gehen die meisten geschichtsphilosophischen Entwürfe aus. So gibt es ja auch im vormodernen Geschichtsverständnis Geschichten – zumeist Mythen und Legenden -, die die ursprüngliche Entstehung der Welt und ihre Entwicklung bis zum heutigen Tage zum Thema haben.

Entscheidende Differenzen zwischen solchen Konzeptionen und der hier angedeuteten liegen nicht allein darin, dass in ersteren der Gedanke der Geschichtlichkeit fehlt, sondern auch darin, dass die Jugendlichen ihre Auffassung des Entstandenen und Entwickelten rationalen Überprüfungen unterziehen. Die erzählte Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte wird, einschließlich ihrer kontingenten Momente, nicht einfach geglaubt oder als wahr hingenommen, sondern kann anhand materieller Spuren und anderer Kriterien auf intersubjektiv überprüfbare Weise nachgezeichnet werden.

Mit freundlicher Genehmigung des Forums Qualitative Sozialforschung.
http://www.qualitative-research.net/index.php/fqs/article/view/904
 

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