Fälle aus gleicher Erhebung:

 

Falldarstellung mit interpretierenden Abschnitten

Grundlegend kann über die SuS* der untersuchten Klasse gesagt werden, dass sie ein hohes Interesse an ihren Zensuren haben und sehr viel Wert darauf legen, gute Noten zu bekommen. Dafür sprechen mehrere Verhaltensweisen aus verschiedenen Beobachtungsprotokollen.

„Die Schüler bekommen in Deutsch Hefte zurück mit einer Aufgabe, die Frau Hansen benotet hat. Die Aufgabe war, dass die Kinder einen Witz in einen Comic übertragen sollten. Frau Hansen meint, dass sie die Noten nicht unter die Aufgaben in ihre Hefte geschrieben habe, sondern sie lediglich laut vorlesen wolle. Daraufhin protestieren alle Schüler gemeinsam lautstark. Sie fordern, dass Frau Hansen die Noten in ihre Hefte schreiben soll und sie willigt ein. Als Frau Hansen anfangen möchte, die Noten laut vorzulesen, erheben die Kinder erneut Einspruch.

Laura:            „Ich will nicht, dass alle meine Note wissen!“

Also flüstert Frau Hansen ihnen die Note ins Ohr. Die meisten Kinder reagieren hocherfreut. Alle haben eine 1.
[…]

Nach der Notenvergabe erklärt Frau Hansen die nächste Aufgabe. Sobald die Kinder loslegen sollen, tuscheln sie mit ihren Sitznachbarn oder ihrer Nachbarin wieder über ihre Noten.
[…]

Zum Ende der Stunde kündigt Frau Fritzen einen Test an.

Laura:            „Wird der Test benotet?“
Frau H:          „Ja.“
Akim:             „Zu wie viel Prozent geht die Note ins Zeugnis ein?“
Frau H:          „Zu 25%.“
Maja:              „Das sind ja ¼ der Note!“
Viele Kinder: „Waaaas?“

 Die Kinder werden sehr unruhig. Einige sitzen da mit großen Augen und offenen Mündern
[…]“ (Auszug aus Protokoll 2.2)

Durch das Einfordern einer schriftlichen und damit vorzeigbaren Eintragung der Note und die Thematisierung der Leistungsbewertung zwischen den SuS in der Arbeitsphase wird deutlich, dass die SuS ein hohes Interesse an ihren Zensuren haben. Diese Vermutung wird weiter durch die Reaktion der SuS auf die Ankündigung des nächsten Testes verstärkt, da sie sich darüber informieren, zu wie viel Prozent diese Leistungsbewertung in ihre Gesamtnote im Zeugnis eingeht. Allerdings möchten sie nicht, dass alle anderen Kinder der Klasse ebenfalls ihre Noten erfahren. Dahinter könnte die Angst stehen, dass eine schlechte Note vorgelesen wird und dadurch das Ansehen in der Klasse verloren gehen könnte. Auch die Jubelrufe auf das Erhalten einer sehr guten Note und die Anzeichen von Aufregung und Nervosität in Bezug auf die Ankündigung des nächsten Testes lassen eine relativ hohe emotionale Eingebundenheit bezüglich der Zensuren vermuten.

Die beschriebenen Verhaltensweisen deuten darauf hin, dass die SuS den Leistungsbewertungen eine hohe Bedeutung zuschreiben. Dies wiederum verweist auf einen hohen Grad an extrinsischer Motivation. An dieser Stelle kann allerdings keine Aussage darüber gemacht werden, inwiefern die Kinder das beschriebene Verhalten bezüglich der Notengebung als selbstbestimmt wahrnehmen. Aus meinen Beobachtungen geht nämlich nicht hervor, welche individuellen Bedeutungszuschreibungen bei den SuS vorliegen. Somit kann ich keine Vermutungen darüber anstellen, inwieweit die verschiedenen Kinder das Ziel gute Noten zu haben, in ihr Selbstkonzept integriert haben.

*SuS = Schülerinnen und Schüler

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