Als ich heute morgen wie gewohnt im Lehrerzimmer auf meine Praktikumspartnerin wartete, kam plötzlich die Sekretärin in den Raum gestürmt. Nachdem sie sich ein paar mal hektisch umgesehen hatte, blieb ihr Blick auf mir stehen und sie kam mit einer stürzenden Bewegung auf mich zu. Mit verunsicherter und hektischer Stimme fragte sie mich, ob ich in die Stufe I zu den Fledermäusen gehen könne, da spontan beide Gruppenlehrerinnen für den heutigen Tag ausfallen würden. Etwas überrumpelt und verunsichert ging ich schließlich in den ersten Stock zum Gruppenraum der Fledermäuse. Dort hatten sich bereits einige Kinder und die dazugehörigen Eltern versammelt und ein heiße Diskussion bezüglich des Gesundheitszustandes der Gruppenlehrerin begonnen. Um die aufgebrachte Stimmung etwas zu mildern, stellte ich mich zunächst vor und sagte den Eltern, dass sie beruhigt gehen könnten, da ich anwesend sein würde, bis eine Lösung gefunden würde.

Ohne einen Plan zu haben, wie ich vorgehen würde, wenn auch innerhalb der nächsten zwei Stunden keine Lehrperson auftauchen würde, die den Unterricht der Fledermäuse übernehmen könnte, startete ich mit dem Morgenkreis. Sofort fiel mir ein kleines Mädchen auf, welches unbedingt den Platz neben mir einnehmen wollte und ständig meine Nähe suchte. Während des gesamten Morgenkreises nahm sie mehrfach meine Hand, legte ihren Kopf an meine Schulter und umarmte mich. Ich fühlte mich in dieser Situation sehr unwohl und wusste nicht, wie ich die körperliche Nähe lösen konnte, ohne das Kind dabei zu verletzen oder zurück zu stellen.

Vor allem die Tatsache, dass ich das Kind kaum kannte und es mich umgekehrt auch vor gerade mal 5 Minuten kennengelernt hatte, trug zu meiner Überforderung und Hilflosigkeit bei.

Des Öfteren tat ich so, als müsste ich mich räuspern oder mich kratzen, um eine gewisse Distanz zu schaffen, doch das Kind ließ sich davon nicht beeindrucken.

Ich denke, wenn ich eine Situation solcher Art noch einmal erleben würde, würde ich dem Kind freundlich und höflich in einer ruhigen Minute erklären, dass ich es zwar sehr gern habe, mich mit dieser Nähe jedoch momentan nicht wohl fühle.

Kommentar:

Ich habe diesen Fall gewählt, weil er für mich sehr gut die Nähe-Distanz-Antinomie veranschaulicht. Ich wollte das Mädchen nicht zurückweisen oder bloßstellen, habe mich selbst jedoch in meiner Privatsphäre eingeschränkt gefühlt. Ich habe aus diesem Fall mitgenommen, dass es im Lehrerberuf oftmals kein richtig und falsch gibt und dass man meistens sehr flexibel und spontan reagieren muss.