Es ist kurz nach elf an der Montessori Schule. Meine Mentorin und die native speaker Lehrerin sind in der Klasse und bereiten mit ein paar letzten Handgriffen den Block vor. Die Kinder kommen nach und nach von der Pause in den Klassenraum. Meine Mentorin gab ihnen die Aufgabe, sich ein Kissen zu holen und sich in einen Kreis zu setzen, damit der Block im Sitzkreis beginnen kann. Auch ich kam gerade von der Pause rein, zog die Jacke aus und wechselte die Schuhe. Während ich mir grade die Schuhe für den Klassenraum anzog, blickte ich kurz auf. Dabei sah ich wie G. – ein Schüler aus der dritten Klasse – sich den Weg zu den Kissen erschwerte, indem er über seinen Stuhl balancierte. Das Bild, ihn auf einem Bein auf einem Stuhl stehend zu sehen, ließ mich schon schlimmes erahnen. Doch bevor ich was sagen konnte, geschah es schon: der Stuhl kippte nach hinten um und G. verlor zu allem Überfluss dadurch noch das Gleichgewicht, so dass er nicht kontrolliert auf den Füßen landen konnte. Bevor er mit den Füßen den Boden berührte, knallte er mit dem Kinn auf eine Tischkante und fiel dann zu Boden. Im Fall hörte ich noch die Mentorin seinen Namen rufen, sie hatte das Ganze also auch gesehen. Sie lief direkt zu ihm und hob ihn auf. Er stand mit dem Rücken zu mir, doch an seiner Reaktion konnte ich erahnen, dass es ernster sein musste. Als er sich dann weinend umdrehte, konnte ich verstehen, warum meine Mentorin so geschockt war: er hatte eine Platzwunde am Kinn und blutete sehr stark. Sie ging schnellstens mit ihm aus der Klasse raus. Der anderen Lehrerin und mir war klar, dass es nur einige Minuten dauert und wir versuchten, so unbeeindruckt und ruhig wie möglich den Unterricht starten zu lassen. Ich wischte das Blut vom Boden, während sich die Lehrerin in den Kreis setzte und mit der Stunde begann. Natürlich waren wir beide geschockt, genau wie manche Kinder, die auch Zeugen von dem Unfall waren. Aber dadurch, dass wir mit drei Erwachsenen in der Klasse waren, konnten wir die Situation gut bewältigen. Die Kinder fragten, wo meine Mentorin denn sei. Auf die Frage erzählte die Lehrerin kurz, was passiert ist und dass sich die Mentorin nun erstmal um G. kümmern muss. Nach einigen Minuten kam die Mutter von G. und holte ihn ab. Kurz darauf stieß auch meine Mentorin wieder dazu. Am Tag darauf kam G. wieder in die Schule und präsentierte fast schon stolz seine Wunde, die mit drei Stichen genäht wurde. Letztendlich war es also halb so wild und wir konnten die Situation gut meistern.

(Student M_3*_ protokolliertes seq. Int., Pos. 1-5)