Hinweis – Der Fall kann gemeinsam gelesen werden mit:

Falldarstellung mit interpretierenden Abschnitten

Bei der Analyse des Lehrstils werde ich mich auf den Unterricht von Frau Karakaplan beschränken, da die Kinder hauptsächlich von ihr unterrichtet werden und ich ihren Unterricht am häufigsten beobachtet habe.
Frau Karakaplam führt wöchentlich ein persönliches Gespräch mit allen SuS*, um mit ihnen den nächsten Wochenplan zu generieren. Zuerst kontrolliert sie die erledigten Aufgaben der vergangenen Woche, die sich ausschließlich in den von der Schule bevorzugten Lernheften befinden. Dabei meldet sie den Kinder nur zurück, welche Aufgaben sie falsch und welche sie richtig gemacht haben. Sie erkundigt sich nicht, inwiefern die Kinder sich sicher mit dem Lernstoff sind und ob sie das Gefühl haben, ein tiefgehendes Verständnis erlangt zu haben. Abschließend bestimmt sie, welche Aufgaben die Kinder als nächstes bearbeiten sollen. Diese Art der Wochenplanerstellung, die einen beträchtlichen Teil der Unterrichtszeit bestimmt, kann von den Kindern durchaus hauptsächlich als kontrollierend empfunden werden. Sie eröffnet auch keine Handlungsspielräume oder Wahlmöglichkeiten. Die Kinder bearbeiten zwar pflichtbewusst und wie beschrieben in den meisten Fällen auf freiwilliger Basis ihre Aufgaben, aber ihnen wird kein Einscheidungsrecht eingeräumt. Diese Faktoren sprechen dafür, dass dieses Unterrichtsarrangement keine autonomiefördernde Wirkung hat.
Dazu kommt, dass die Lehrerin den Noten ebenfalls einen ziemlich hohen Wert beimisst. Das wird besonders am folgenden Beispiel deutlich.

 Frau K: „Ich hab für euch etwas vorbereitet. Ein paar Tipps zur Bearbeitung der Arbeit.“

 Sie projiziert die Tipps mit einem Beamer an die Wand.

 Frau K.:  „Wenn ihr diese Tipps befolgt, könnt ihr sicher sein, die Arbeit gut zu schreiben. Damit ihr weiterhin tolle Kinder seid. Ich meine, ihr seid toll! Aber ich müsst die Mathearbeit schon gut schreiben.“ (Auszug aus Protokoll 7.1)

Hier wird deutlich, dass ihr Hauptaugenmerk darauf liegt, dass die Kinder eine gute Note schreiben. In ihrer Aussage verknüpft sie sogar die Eigenschaft der Kinder, toll zu sein und damit ihre Sympathie für die Kinder an die Bedingung, dass sie eine gute Note schreiben. Auch mit den Bearbeitungstipps (z.B. Beginne mit den Aufgaben, die dir am leichtesten fallen), die eigentlich zu einer erhöhten Selbstständigkeit beitragen könnten, beabsichtigt sie im Grunde nur, dass die Kinder eine gute Note schreiben werden. Des Weiteren konnte ich beobachten, dass sie die Namen der Kinder, die eine 1 geschrieben haben, immer laut vorliest (P 8.1, S.83). Auch diese Hervorhebung der Einserkandidaten zeigt, welche hohe Bedeutung die Lehrerin den Noten zu schreibt.
Der beschriebene Lehrstil der Lehrerin kann in hohem Maße als leistungsorientiert bezeichnet werden. Eine Orientierung am individuellen Lernstand der Kinder konnte ich nicht beobachten. Ich konnte auch nicht beobachten, dass die Lehrerin den Kindern Wahlmöglichkeiten oder Handlungsspielräume im Unterricht eingeräumt oder versucht hat, im Unterricht einen Bezug zur alltäglichen Lebenswelt der Kinder herzustellen. Die beschriebenen Faktoren können daraufhin weisen, dass ihr Lehrstil sich eher untergrabend auf die wahrgenommene Selbstbestimmung ihrer SuS auswirkt. Somit konnte ich keine Anzeichen von selbstbestimmten Verhaltensweisen in Bezug auf den Lehrstil entdecken.

*SuS = Schülerinnen und Schüler

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