Um etwas Abwechslung in unseren Alltag an der Schule zu bringen, schlug unsere Mentorin mir und meiner Teampartnerin K. vor, einmal eine Kernzeit, also 1 ½ Stunden in der Lerngruppe der „Pinguine“ zu verbringen.
In dem Wissen, dass wir bei den Pinguinen auf deutlich jüngere Kinder als in unserer Lerngruppe treffen würden, nahmen wir das Angebot dankbar an.
Bereits als wir den Gruppenraum betraten, fiel uns als erstes der unangenehme Geruch und die ohrenbetäubende Lautstärke auf. Die Kinder sprangen von ihren Stühlen auf die Tische und zurück, andere bewarfen sich in der Bau- und Kuschelecke mit Spielzeug, während wiederum andere Kinder versuchten, etwas zu lesen, oder eine Aufgabe im Arbeitsheft zu lösen. Vorerst geschockt, versuchte ich mich zusammen zu reißen und stellte mich bei dem zuständigen Gruppenleiter und dem unterstützenden FSJler vor. Als wir nun mit zehnminütiger Verspätung einen Sitzkreis bildeten, schien die Lautstärke und der Umgangston untereinander sich kaum geändert zu haben. Zwei Jungs warfen sich heftige Beleidigungen an den Kopf, woraufhin der Gruppenleiter ebenfalls anfing, die Kinder zu beleidigen. Innerlich fühlte ich mich aufgebracht und fragte mich, ob ich das gerade träumte oder ob so etwas tatsächlich Realität im Schulalltag sein konnte. Auch als andere Kinder in die Arbeitsphase starteten, blieben die Stimmung und die Kommunikationsnorm, sowohl unter den Schülern als auch mit der Lehrperson, unverändert. Schließlich fragte mich ein Junge (7 Jahre alt), ob er mir eine selbst geschriebene Geschichte vorlesen könne. Begeistert von so viel Engagement des Kindes setzte ich mich und begann aufmerksam zuzuhören. In seiner Geschichte beschrieb das Kind, wie es Teil des Videospiels GTA wurde, mit einem Freund in den Stripclub ging, andere Menschen „abballerte“ und schließlich selbst zum Opfer und von gefährlichen Löwen aufgefressen wurde. Ich konnte meine Empörung nicht verbergen und als der Junge fragte, ob mir seine Geschichte etwa nicht gefallen habe, wusste ich nicht, was ich entgegnen könnte. Ich sagte, dass er eine durchaus belebte Fantasie besitze und hakte nach, ob er das Videospiel schon einmal im echten Leben gespielt habe. Als er schließlich ziemlich nüchtern erklärte, dass er innerhalb des Spiels täglich 3-4 Std. Leute abballerte, musste ich mich erst einmal wieder neu sortieren. Ich versuchte mir zunächst nichts anmerken zu lassen, beschloss jedoch, meine universitäre Mentorin, welche ebenfalls stundenweise die Klassenführung in dieser Gruppe übernimmt, auf dieses Kind anzusprechen. Als ich ihr die Situation schilderte, entgegnete sie schließlich, dass der Junge aus katastrophalen Verhältnissen käme und dass sein Sozialverhalten sich schon deutlich gebessert habe. Ich für meinen Teil war immer noch mitgenommen und musste bis heute oft an diese Situation zurückdenken.
(Studentin L_1_BSP, Pos. 1-15)