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Falldarstellung mit interpretierenden Abschnitten

1. Interview Rainer 4. Passage (Übergang: Orig.: S. 24 13-34)

R: .. jaa ähm und wegen a.-schule noch mal zurückkommen //hmm// . also . es geht hauptsächlich darum weil mein . also weil- mehrere dazu gestimmt haben auch halt auch europa gymnasium is (klopft auf den tisch) da hat man mehr möglichkeiten jetzt mal //aha// äh und f.-schule wäre nur n landesgymnasium is auch nich schlimm also an den beiden hab ich mich be- beworben . aber die meisten leuten auch von meiner familie ham das dann abgestimmt also ich hab bei beiden bestanden auch . //hmm// unter den top dreißig jetzt . oder top zwanzig äh und habt da immer gut bestanden . jah und an der a.-schule (betont) ähm also ich find auch neue freunde an der a.-schule gehen zwei mädchen aus meiner klasse //hmm// und halt lasse auch . jah a f.- schule wäre würde benny hingehn und jetzt is der ganz allein das tut auch n bisschen leid aber . ich meine . also ich denke mal es is wichtiger auf d- wenn man auf die familie hört was die sagt als auf den besten freund ich meine man findet neue freunde //hm hm// also es gehen auch noch andere hin es geht keiner aus unseren klasse zum f.- schule es gehen aber aus der andern klasse die benny jetzt auch gut kennt //hmm hm// zum f.-schule . äh ja das wärs eigent- so weit zur a.-schule . deswegen gehe ich dahin hmm . äh weil viele aus meiner familie drauf warn . .

Thematische Struktur

S. 24 13-34 UT: Entscheidung für A.-Schule wegen der Familie

S. 24 13 UUT: Zurück zur A.-Schule

S. 24 14-15 UUT: mehrere haben dafür gestimmt

S. 24 15-19 UUT: an einem Europagymnasium mehr Möglichkeiten als auf einem Landesgymnasium

S. 24 19-20 UUT: meisten Leute aus der Familie haben abgestimmt

S. 24 20-23 UUT: bei beiden gut bestanden

S. 24 23-33 UUT: findet neue Freunde und wichtiger was Familie sagt

S. 24 33-35 UUT: Zwischenkonklusion: „gehe dahin … weil viele aus meiner Familie drauf warn“ (Diskussion zur Einteilung)

Formulierende Interpretation

S. 24 13-34 UT: Entscheidung für A.-Schule wegen der Familie

S. 24 13 UUT: Zurück zur A.-Schule

Ich möchte noch mal auf die A.-Schule zurückkommen.

S. 24 14-15 UUT: mehrere haben dafür gestimmt

Insbesondere geht es darum, dass mehrere dieser Schule ihre Stimme gegeben haben.

S. 24 15-19 UUT: an einem Europagymnasium mehr Möglichkeiten als auf einem Landesgymnasium

An einem Europagymnasium hat man mehr Möglichkeiten und die F.-Schule wäre lediglich ein Landesgymnasium, was ich ebenfalls als nicht schlimm erachte. Ich habe mich an beiden Schulen beworben.

S. 24 19-20 UUT: meisten Leute aus der Familie haben abgestimmt

Allerdings hat die überwiegende Zahl der Leute, auch aus seiner Familie, die Entscheidung bestimmt.

S. 24 20-23 UUT: bei beiden gut bestanden

Ich hatte bei beiden Gymnasien unter den ersten 30 oder 20 bestanden. Ich habe da immer gut bestanden.

S. 24 23-33 UUT: findet neue Freunde und wichtiger was Familie sagt

An der A.-Schule werde ich neue Freunde finden. Zwei Mädchen aus seiner Klasse und Lasse besuchen ebenfalls diese Schule. An das F.-Gymnasium würde Benny hingehen, der nun auf sich allein gestellt ist, was mir „n bisschen leid“ tut. Jedoch denke ich, dass es bedeutsamer ist, anstatt auf den besten Freund auf seine Familie zu hören, wie die sich äußert. Ich meine, dass ich neue Freunde finden werde. Die F.-Schule besucht zwar kein Schüler aus der Klasse von Benny und mir, jedoch Kinder aus der Parallelklasse, die Benny nun auch gut kennt.

S. 24 33-35 UUT: Zwischenkonklusion: „gehe dahin … weil viele aus meiner Familie drauf warn“ (Diskussion zur Einteilung)

Ja, das ist alles, was ich zur A.-Schule sagen möchte, aus diesen Gründen gehe ich zu dieser Schule. Da viele aus seiner Familie die gleiche Schule besuchten.

Reflektierende Interpretation

S. 24 13-34 UT: Entscheidung für A.-Schule wegen der Familie

S. 24 13 UUT: Wiedereinführung des Themas (Re)Proposition: Zurück zur A.- Schule

R: .. jaa ähm und wegen a.-schule noch mal zurückkommen //hmm// .

R. kündigt hier an, auf die A.-Schule zurückzukommen. Damit holt er sich selbst wieder in das Thema. „Wegen A.-Schule“ kehrt er noch mal auf etwas zurück. Das verweist darauf, dass die A.-Schule ein Impuls darstellt, um darauf Bezug zu nehmen. Der Generierungsmodus, der sich mit A.-Schule verknüpft, ist die Wiederholung. Die A.-Schule ist Anlass auf etwas zurückzukommen und das zu begründen. Hierin dokumentiert sich, dass verbunden mit der A.- Schule, ein Anlass und Generator des Wiederholungs- oder Fortführungszwangs (Rekurs) vorhanden ist, Argumentation- und Begründungsfiguren zu entfalten. Die Wiederholung (Begründung) deutet auf eine nicht ganz plausible Bezugnahme der Entscheidung für die A.- Schule. In der Formulierung „wegen A.-Schule“ steckt implizit ein unausgesprochener Gegenhorizont.

S. 24 14-15 UUT: Proposition: mehrere haben dafür gestimmt

R: es geht hauptsächlich darum weil mein . also weil- mehrere dazu gestimmt haben auch halt

Die Formulierung „es geht hauptsächlich darum“ ist eine Ankündigung dessen, worum es geht und fokussiert auf den thematischen Kern. Es handelt sich um etwas Grundlegendes oder Prinzipielles, was auf die Bedeutung des noch nicht Explizierten hinweist und eine Positionierung von R. erfordert. Doch der thematische Kern wird selbst nicht entfaltet und R. leitet durch „weil“ eine Begründungsfolge ein. Hierin dokumentieren sich abstrahierende Begründungsmomente für die A.-Schule. Die Begründung selbst ist Kern des Themas, was zu entfalten ist. Im Begründungszusammenhang bezieht sich R. dabei auf ein Abstimmungsresultat, welches als Grund für die Entscheidung für die A.-Schule eingeführt wird. In der Abstimmung dokumentieren sich eine Handlungspraxis und ein geregeltes Verfahren, um eine Entscheidung zu finden (wobei sich die Mehrheit durchsetzt). Dabei sind mehrere stimmberechtigt. „Mehrere“ deutet auf distanzierte, unpersönliche und identitätslose Menschen, die am Entscheidungsprozess teilnehmen. Dies verweist auf eine quasi parlamentarische (paritätische) Aushandlung, die der Entscheidung zugrunde liegt. Die eigene Stimme wird im Verfahren berücksichtigt, kann aber unter den vielen Stimmen untergehen. Hier dokumentiert sich eine gewisse Passivität von R. Zudem verweist die eigentheoretische und argumentative Stellungnahme und das Fehlen einer narrativen Entfaltung der eigenen Erfahrungen, auf eine heteronome, nicht autonome Erfahrungsqualität, die fremdbestimmte Anteile der Entscheidung dokumentiert (Verlaufskurvenpotentiale).

S. 24 15-19 Fortsetzung der Argumentation und Einführung eines Erzählgerüstes

UUT: an einem Europagymnasium mehr Möglichkeiten als auf einem Landesgymnasium

R: auch europa gymnasium is (klopft auf den tisch) da hat man mehr möglichkeiten jetzt mal //aha// äh und f.-schule wäre nur n landesgymnasium is auch nich schlimm also an den beiden hab ich mich be- beworben.

R. verbleibt auch in dieser Sequenz in der argumentativen Textsorte. „Auch“ steht dabei für eine Reihung der argumentativen Figuren (Fortsetzung der Argumente). Es sind weitere Begründungen notwendig, die Wahl der A.-Schule zu legitimieren. Dabei zielt R. hier auf das inhaltliche Profil der Schule ab, welches mit „mehr Möglichkeiten“ zu haben, als attraktiver begründet wird. Hierin dokumentiert sich ein Anspruch auf den Besuch eines exklusiven Europagymnasiums vor dem „negativen“ Gegenhorizont eines Landesgymnasiums. Die Orientierungen in der schulischen Karriere, ein Europagymnasium zu besuchen, verweisen auf einen exklusiven Bildungsanspruch. Die Einführung „hat man mehr Möglichkeiten“ auf der A.- Schule, ist eine passive, was auf den Einfluss fremder Orientierungen hindeutet. Es zeigt sich somit eine Ansprüchlichkeit, die nicht allein im eigenen Orientierungsrahmen von R. verortet ist. Vor diesem Hintergrund wird hingegen die Bewerbung an die eigene Person gebunden und somit aktiv dargestellt („hab mich an beiden beworben“) (Wechsel zwischen Textsorten argumentativ und erzählend mit eigener Erfahrungsqualität). Zudem verweist die Aufhebung („is auch nicht schlimm“) der tendenziellen Schlechter-Stellung des Landesgymnasiums im Vergleich der beiden Schulen auf einen eigenen konkurrierenden Orientierungsrahmen. Dieser tritt in Distanz oder Spannung zu den genannten Orientierungen, „mehr Möglichkeiten“ zu haben. Auch das Bewerben an beiden Schulen verweist auf einen zu erbringenden Nachweis der Fähigkeiten, eine begrenzte Anzahl von Plätzen und bestimmten Aufnahmeregelungen an beiden Schulen, was die Höherstellung der A.-Schule konterkariert. Die Bewerbung an beiden exklusiven Schulen dokumentiert einen Unterschied auf hohem Niveau zwischen diesen Gymnasien, wo es darum geht, auszusuchen, welches Gymnasium das Sahnehäubchen bietet.

S. 24 19-20 Fortführung der Argumentation UUT: meisten Leute aus der Familie haben abgestimmt

R: aber die meisten leuten auch von meiner familie ham das dann abgestimmt

In der Opposition zu der aktiven Bewerbung an beiden Schulen wird erneut argumentativ die Abstimmung der Familie für das Gymnasium eingeführt. Das deutet auf die Relevanz des Entscheidungskollektivs bei dieser Wahl. Zugleich manifestiert sich die Konkurrenz der Orientierungsrahmen in einem Wechsel in der thematischen Struktur. Das Entscheidungskollektiv wird über die „meisten Leuten auch von meiner Familie“ distanziert und mit fehlender emotionaler Bindungsqualität dargestellt und macht deutlich, dass die Abstimmung über die Kernfamilie hinausgeht. In der biographisch relevanten Entscheidungssituation des Schulwechsels wird hier ein Verfahren der Kollektiventscheidung zum Ausdruck gebracht, was auf eine Entscheidungsfindungskultur im breiten familialen Rahmen und darüber hinaus verweist. Der Wechsel der thematischen Struktur und die Spannung zwischen Entscheidungskollektiv und R. (Ich) deutet auf eine Entscheidung mit fremdbestimmten Anteilen hin.

S. 24 20-23 Anknüpfung an Erzählung UUT: bei beiden gut bestanden

R: also ich hab bei beiden bestanden auch . //hmm// unter den top dreißig jetzt . oder top zwanzig äh und habt da immer gut bestanden .

Hier wird erzählgerüstartig an die aktive Bewerbung an den beiden Schulen angeschlossen und das Bestehen der Aufnahmeprüfung an diesen Gymnasien beschrieben. Er hat bei beiden Gymnasien „immer gut bestanden“, was einerseits die (Leistungs-)Passung mit diesen exklusiven Schulen, andererseits die Möglichkeit, beide zu besuchen, dokumentiert. R. springt erneut in den Thematisierungslinien (passiv vs. aktiv) und wechselt den thematischen Rahmen. Hier dokumentiert sich ein Kampf der Thematisierungslinien der fremden Entscheidungsanteile und der eigenen innerhalb des Begründungsrahmens „wegen A.-Schule“. Es kommt ein „Kampf“ der beiden Instanzen bei der Schullaufbahnentscheidung zum Ausdruck.

S. 24 23-33 UUT: findet neue Freunde und wichtiger was Familie sagt

R: jah und an der a.-schule (betont) ähm also ich find auch neue freunde an der a.-schule gehen zwei mädchen aus meiner klasse //hmm// und halt lasse auch . jah an f.- schule wäre würde benny hingehn und jetzt is der ganz allein das tut auch n bisschen leid aber . ich meine . also ich denke mal es is wichtiger auf d- wenn man auf die familie hört was die sagt als auf den besten freund ich meine man findet neue freunde //hm hm// also es gehen auch noch andere hin es geht keiner aus unseren klasse zum f.- schule es gehen aber aus der andern klasse die benny jetzt auch gut kennt //hmm hm// zum f.-schule .

R. kommt auf die A.-Schule zurück und führt ein weiteres Argument für diese Schule ein: „ich finde neue Freunde“. Dies verweist darauf, dass ein Fehlen von konstanten und kontinuierlichen Beziehungen nicht dazu führt, die A.-Schule nicht zu besuchen. Außerdem begleiten ihn drei Schüler aus seiner Klasse. Hierin dokumentieren sich das Ringen und die Arbeit um rationale Argumente für die Entscheidung, zur A.-Schule zu wechseln. Die Befolgung des abstrakt formulierten Gebots („ich meine“, „ich denke“), der Familie bei der Entscheidung den zentralen Stellenwert einzuräumen („is wichtiger … wenn man auf die familie hört“), verhindert den kontinuierlichen Freundschaftskontakt zu Benny. Gleichzeitig gibt es Zweifel an dem Gebot und dem Entscheidungsmodus, weil Alternativen implizit mitschwingen.

S. 24 33-35 Bechließung und Neues Argument UUT:„deswegen gehe ich dahin … weil viele aus meiner Familie drauf warn“ (Diskussion zur Einteilung)

R: äh ja das wärs eigent- so weit zur a.-schule . deswegen gehe ich dahin hmm . äh weil viele aus meiner familie drauf warn . .

„Ja das wärs eigent-„: die artikulierbaren und darstellbaren Gründe für die A.-Schule sind erschöpft. Die Gründe werden mit einer aktiven Wahlentscheidung verbunden „deswegen gehe ich dahin“ und das Thema (Segment) geschlossen.
Allerdings wird mit der nachgezogenen Begründung „weil viele aus meiner Familie da drauf warn“ ein neues Argument entfaltet. Dabei dokumentiert sich eine Tradition in der Familie, diese Schule zu besuchen. Die Einrückung seiner Person in diese Familientradition, des Besuchs einer exklusiven schulischen Bildungseinrichtung und einer Statusplatzierung auf der Ebene des kulturellen Kapitals wird deutlich. Das verweist wiederum auf Reproduktion und quasi die Gesetzlichkeit einer „familialen“ Schullaufbahn an der A.-Schule.

Überlegungen zum Orientierungsrahmen für das Segment:

Vor dem Hintergrund der Entscheidung einer gymnasialen Schullaufbahn und wie es dazu kam, etablieren sich zwei konkurrierende Thematisierungslinien in dieser Passage. Das verweist auf zwei unterschiedliche Orientierungsrahmen für die Schulkarriere. Inhaltlich wird eine Konkurrenz zwischen Familie (Distanz, geringe emotionale Bindung) vs. eigenen Ansprüchen deutlich, die jedoch heteronom (Verhinderung der eigenen Ansprüche) durch die Dominanz der Familie bestimmt werden. Es existieren Bezüge in den Orientierungen von R., die die Ansprüchlichkeit der Familie z.T. negieren und eine eigene Alternative artikulieren. Zugleich gibt es zwischen beiden Orientierungsrahmen (familial-kollektiv vs. individuell-biographisch) Parallelen – etwa in der hohen Bewertung des schulischen Erfolgs und einem über schulische Leistungen vermittelten exklusiven Status. Die Entscheidung bleibt für R. jedoch hoch begründungswürdig, so dass rationale Versuche zur Plausibilisierung vorgenommen werden müssen. Die Frage ist, ob und wie Transformationen zur Entfaltung von eigenen Orientierungen verlaufen. Gibt es weiterhin eine Arbeit, die (in der Familie liegende fremdbestimmte) Entscheidung zu rationalisieren?

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