Weitere Interpretationen:
- Dirk (1)
- Dirk (2)
- sowie in: Kramer, R.-T. (2002): Schulkultur und Schülerbiographien. Opladen. S. 185-191
Fälle aus gleicher Erhebung:
- Schule und Biographie: Mark
- Schule und Biographie: Romy
- Schule und Biographie: Maren
- Schule und Biographie: Maria
Falldarstellung (narratives Interview)
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//ich hatte dir ja erz- . super . so ich hab jetzt ’ne uhr mit datum heute ist der fünfundzwanzigste . dritte neunzehnhundert- sechsundneunzig .. und im folgenden ist aufgezeichnet ein schülerinterview mit einem schüler der . zehnten klasse .. ja . ja so wir können uns duzen schätz‘ ich mal ja// freilich na // dirk heißt du ich heiß‘ thomas .. äh . ich hatte dir ja beim letzten mal erzählt .. daß wir uns also auch so für lebensgeschichten von schülern interessieren// . hm . //und ich würde dich jetzt einmal bitten . daß du mal so versuchst dich zurückzuerinnern . an die zeit als du ganz klein warst .. und einmal von da an ruhig ausführlich erzählst wie das war . und wie dein leben bis heute so verlaufen ist .// . hm //und ich werd‘ jetzt erstmal ruhig sein und dir zuhören// gut . alles klar .. tja . fang mer mal janz klein an . jeborn wurd ich in . h. . am [datum] . neunsiebzich . //hm// .. ja . dann bin ich da zur kinderkrippe jejang also da erinnere ich mich nich mehr so jenau dran was da so war .. hm kindergarten . im k.-viertel . //hm// da hab ich also erst jewohnt . also nordteil . der stadt
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. tja . dann kamen ziemlich viele schulwechsel . zuerst war ich also in der x-schule . in der ersten klasse .. die schule wurde dann .. dicht jemacht beziehungsweise umjeändert das war dann für .. hörbehinderte oder sowas .. dann . y-schule das war auch im k.-viertel .. //mhm// . tja .. und dann nach bin ich nach süd gezogen . z-schule süd noch zu ddr-zeiten . //hm// . tja was is nennenswertes passiert . hm . ziemliches sorgenkind war ich weil ich etwas tolpatschig war . also diverse äh . kopfverletzungen also genau waren es bis zu meinem siemten lebensjahr jenau sieben kopfverletzungen . //hm// haha das fand mein vater nich so spaßig . //hm// . tja . dann . ham mer dann ne wohnung anjeboten jekricht beziehungsweise meine eltern dann in süd und .. das war damals schon was in der ddr so ne neubauwohnung so mit zentralheizung und so da also . beziehungsweise fernheizung . //hm// und . ham mer dann och zujeschlagen . tja ich hab noch n . kleinen bruder . //hm// der ist och hier of der schule . der ist jetzt dreizehn jahre alt .. der hat da also . von der alten wohnung nich soviel
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mitjekricht .. naja . ansich . schon ne schöne zeit jewesen alljemein weil wir hatten n . garten in t. ham mer also immer noch . und ziemlich viel of m dorf jewesen und . da hat mer natürlich viel mehr freiheiten als in der stadt und besonders k.-viertel ziemlich dreckig alles viel verkehr und so . //hm// schon zu ddr-zeiten also da war nich viel . war zwar n spielplatz aber das war . naja n bißchen keimig um das mal so auszudrücken . und of m dorf wars dann doch schöner und . beide omas auch da und .. also ich einlich eintlich meine meisten freunde warn damals schon of m dorf . //hm// .. tja dann .. kam de wende .. fand ich eindlich janz jut weil . so dann . der schule war gleich nebenan war ne kaufhalle da sin mer immer in der hofpause hin un ham uns westprodukte jeholt gleich nach der wende .. hm na un dann . mein vater schon immer ziemlich sparsam jewesen also . das . war eigentlich so ne sache wo ich bißchen drunter jelitten habe also . was heißt jelitten . im endeffekt kams alles doch der familie zugute aber . er war ehmt auch sparsam und . er hat meiner meinung nach an . an der
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falschen stelle öfters mal jespart . ich mein jut also . gleich nach der wende is er . mit m . mit meim onkel . rüberjefahrn . ham mer sämtliches geld jesammelt . //hm// also was mer dann jekricht ham als begrüßungsjeld und was mer dann . gleich umtauschen konnte .. und da ham mer uns erstmal en westfernseher jeholt so richtig mit fernbedienung und farbfernseher das war schon nich schlecht . das . setzte allerdings voraus daß wir beim erstem mal wo mer in . g. warn . nichts kaufen durften . konnten und sollten weil es war ja alles für n fernseher verplant das jing natürlich nich . //hm// und . war n bißchen deprimierend sich das alles nur angucken zu können und dann . nich irgendwie was weiß ich da wollt ich ne batman-figur ham //hm// da war ich also . ’sehr begeistert‘ (betont gesprochen) . und die hab ich nich jekricht . ja . war schon traurig aber es war . schön wir sin mit der oma hier zusammen also zu fünft sin mer dann im trabi rüberjefahrn . das war cool //hm// .. tja dann . war äh an . der andern also an der schule dann in süd . also wenig mit
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lernen .. da war also die lehrer die warn überfordert die hatten . selber äh keene ahnung wos langjeht . //hm// das war dann . vierte klasse hauptsächlich fünfte klasse .. hm mein zeugnis sah allerdings sehr gut aus . weeß och nich vielleicht . fanden mich die lehrer damals sympatischer als heute .. also ich weeß nich mein . fünfte klasse abjangszeugnis damals von der schule als ich dann hierher wechselte das warn gloobe alles einsen eine zwei oder so war da dabei . //hm// . is leider jetzt nich mehr so aber was solls is vorbei . //hm// . ja hm .. süd ähn . war eigentlich son beweggrund da wegzugehen von der schule es war also schon damals . ziemlich äh so . gewalt und so war an der schule eigentlich schon immer . und .. war eben .. ’nur‘ (betont gesprochen) ne real- beziehungsweise hauptschule also das is ne jesamtschule jetzt .. un . da war also der . naja das niveau war nich so hoch sach ich mal //hm// . un .. och so bißchen . naja streß jehabt mit n lehrern un so dadurch daß ich dann eben . so n paar freunde hatte die eigentlich keine richtjen freunde waren .. tja dann nach der
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wende . wie jesacht äh . alles n bißchen kraß jewesen so . zu hause na jut das jing einjermaßen . mein vater hat ja so es zepter da in der hand . nich unbedingt jetzt negativ jemeint aber . //hm// . er hat doch äh im endeffekt immer s letzte wort . //hm// jehabt . naja und dann .. ach so was ich noch schön fand an meiner kindheit . das war mein vater hat dann im x-werk jearbeitet in t. und die hatten eben immer ferienlagerplätze und da bin ich im . mit m siebten lebensjahr . es erste mal ins ferienlager jefahrn und seitdem eigentlich jedes jahr und manche jahre zweimal also ich war schon elfmal im ferienlager oder so . un . das war doch . tolles ereignis dann zu ddr-zeiten vor allem so unter kumpels und so un . keene eltern die da irgendwie jestreßt ham . un .. was weeß ich dann anjefangen zu rauchen kurz nach der wende im ferienlager . //hm// . dann unterm klo versteckt un heimlich jeraucht also . war schon spaßig . un . die betreuer warn eigentlich och immer ziemlich locker . warn eigentlich och so . achtzehn- neunzehnjährige immer .. un dann . am anfang ham se dann immer ja keen alkohol
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keine zijaretten . un am letzten abend also das war dann . s einemal kann ich mich noch erinnern kam dann die zwee betreuer rein mit m kasten bier . und da ham mer dann erstmal jeder en bierchen jetrunken und //hm// das war schon spaßig . //hm// naja ähm pff was is noch zu sagen . von der erziehung her bin ich en bißchen .. naja so erzogen so stolz ofs vaterland und so . soll jetzt sich nich irgendwie zu kraß aussehen daß ich dann irgendwelche ausländer äh . zusammenschlage das is blödsinn //hm// also in der form . bin ich eigentlich gegen sämtlichen radikalismus ejal in welcher richtung . und das find ich absolut blödsinnig . //hm// was weiß ich und ich meine jut ich hab dann . jetzt schon so meine kumpels und so . dann sin . paar äh sind ehmt och so meine richtung aber . ja in der schule läßt sich das eigentlich wenig vermeiden weil . sind och äh och linksjerichtete dabei und das sind trotzdem kumpels ich meine . //hm// danach kann mer nich jehn ich jeh da nich nach der politischen meinung . ob da nun eener sacht na nazis raus oder ausländer raus . solange der für mich en kumpel is un . och äh
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pf das zu schätzen weeß un so un . is das alles . in ordnung .. naja und dann . a- war da noch son ereignis mit äh . falschen freunden kurz nach der wende . das war dann . so daßßß . ich war vierzehn un n kumpel von mir . und hm . war da jemand der war sechzehn un .. der war für uns ehmt . der chef und .. der konnte nun alkohol kaufen bier kaufen zijaretten kaufen was wir nich konnten //hm// und dadurch ham mer also ziemlich das jemacht was er wollte .. und dann bißchen in konflikt mit m jesetz jeraten also es war nich so toll .. im . endeffekt weeß nich die schuldfrage .. wer da nun schuld war das jing alles ziemlich hastig es . war also nich daß wir jetzt irgendjemanden zusammenjeschlagen hätten oder so . es war einfach nur streß und es war ehmt dummerweise am marktplatz und direkt daneben es polizierevier und . da ham se uns natürlich dann gleich reinjezogen //hm// . naja das war och en ziemlicher knacks dann in der familie also .. meine mutter jeheult und so und . mein vater . hat das och nich so besonders toll verarbeitet .. im endeffekt wars jar nich so weiter schlimm weil . is ja nischt
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weiter rausjekommen und . kam dann ne verwarnung und da wurde keen war keen verfahren oder sowas //hm// aber . ehmt so ne . gutbürgerliche familie sach ich mal da bringt das doch schon n ziemlichen knacks rein . //hm// un . mich hat das ehm . ziemlich belastet daß mein vater mir das immer wieder vorjehalten hat . eben . das kommt teilweise jetzt noch also . was weeß ich . wenn ich mal sage na . ob ich mal nun länger draußen bleiben kann oder so sacht er nee denk an damals un so was da passiert is und das kann jederzeit widder passieren . un er sieht ehmt da nich ein daß ich da . älter jeworden bin und doch was draus jelernt habe . //hm// .. tja was is noch zu sagen .. ja in der schule . fühl ich mich eigentlich recht wohl . bis of en paar sachen so äh en paar diktatorische lehrer sach ich mal //hm// die dann unbedingt ihrn stoff durchziehen wolln und die ehmt nich akzeptieren daß ich das alles en bißchen lockrer sehe .. ich weeß nich du warst ja da- . bei bei der hier zensurenkonferenz und da wurde mein name ja och erwähnt . obwohl ich das finde eigentlich . is blödsinn nur weil ich dann
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im unterricht dann quatsche naja . weeß nich //hm hm// . akzeptiern die lehrer nich was soll ich machen ich hab da sowieso nischt zu sagen .. jut pff . noch irgendwas .. tja . ja ich fahre leidenschaftlich gern moped falls das jemanden intressiert //nur zu// da . weeß nich wenns um lebensjeschichte jeht also . mein vater der hat ne alte schwalbe und da hab ich ehmt mit 13 jahren anjefangen moped zu fahren . eben widder of ‚m dorf draußen weil da . die möglichkeit da war //hm// . of m feldweg da mit m moped rumfahren .. tolles ereignis jewesen immer . un .. ziemlich viel halt mir da selber beijebracht morgen hab ich fahrprüfung . dann darf ich dann regulär auch auf der straße fahrn . //hm// das is dann nich schlecht wenn ich das schaffe . wenn nich würd ich allerdings trotzdem fahrn . //lacht kurz// sach ich so wies is … tja . ansonsten .. pf . weeß nich eigentlich nich so viel zu sagen noch irgendwas was dich intressieren würde oder so . //hm .. ja wenn dir jetzt .. nichts weiter einfällt erstmal dann ..// hm .. nöö . eigentlich nich . //dann äh . kann ich ja noch mal n bißchen vielleicht .
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bestimmte sachen nachfragen also .. äh . das war jedenfalls schon mal . n so das was mich och intressiert also von daher liegste schon richtig . äh .. eine sache .. die müßt ich aber of jeden fall noch mal n bißchen genauer wissen und zwar bist du am anfang wo du anjefangen hast mit deinem . kindheit . ganz früh . biste eigentlich ziemlich schnell so of schule jekommen also hast ziemlich schnell erzählt .. äh daß de dann in der schule warst und viele schulwechsel und so weiter .. äh da würde mich mal intressieren . die andre sache also . praktisch das was außerhalb von schule passiert . was du praktisch so für aufwachsbedingungen hattest . du hast erzählt daß du viel of m dorf warst . äh vielleicht kannst du das mal noch n bißchen erzählen wie das war und wie das dann sich so weiter- ..// hmm //entwickelt hat// . naja das war eben . bei uns damals k.-viertel da war nich so viel mit freunden . obwohl ich eigentlich da so nie so die probleme hatte also kontaktfreudig war ich eigentlich schon immer un .. weeß nich aber . ehmt . die meisten freunde hatt ich dann . ehmt of m dorf das lag .
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wahrscheinlich auch dadran . daß so in . meiner näheren umgebung .. war nich so warn nich so die tollen leute //hm// . äh es eenzje war dann ehm . hatt ich ne sehr jute freundin eigentlich vom .. vierten oder fünften lebensjahr an . die wohnte dann eben zwei häuser . weiter und . war eigentlich äh . sie war eigentlich mehr so so jungentype . //mhm// und da ham mer eben allen möglichen blödsinn zusammen jemacht . was weeß ich dann im keller vom altbauhaus dann zusammen jekokelt und lauter sowas . un eier aus m fenster jeschmissen un lametta of irgendwelche büsche jehangen und //hm// das mitten im hochsommer .. ham mer schon n paar sachen durchjemacht aber . eigentlich nie so daß da dolle streß wär außer wegen dem . kokeln dann im . keller da war mein //hm// vater nich so begeistert von //lacht// oder als wir die scheibe einjeschmissen ham bei unserm nachbarn das fand er auch nich so toll .. naja . gut ansonsten … war im endeffekt war eigentlich alles ne schöne zeit weil .. ähm .. muß mal so sagen meine mutter is eigentlich für mich en . so sowas och wien .
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guter freund äh guter kumpel oder sowas . mit der kann ich mich eben über alles unterhalten unnn . die hat dann uns och jesagt als ich anjefangen habe mit rauchen . jut .. is deine entscheidung . du darfst zwar vom jesetz her noch nich aber . ich kann da sowieso nischt dran ändern . und das war dann was andres als mein vater das erfahren hat der hat mir erstmal eene jeklebt . irgendwie //mhm// und . er fands wohl nich so toll aber . da meine mutter auch heimlich raucht . äh beziehungsweise jetzt darf se äh . offiziell . weil mein vater is en strikter nichtraucher und da ham mer ehmt zusammen immer heimlich jeraucht und . ha . war schon son so ne sache die hat uns da och ziemlich zusammenjeschweißt . //hm// .. naja of m dorf eben . was da jewesen is was weeß ich da warn mer ehmt . da war n tonloch in der nähe ehmt immer baden jewesen und so . sicherlich am anfang bißchen probleme jehabt weil . so de dorfjugend is ehmt so eh der is aus der stadt der is doof . jenau wie ich das am anfang jedacht hab n dorftrottel so unjefähr . aber das hat sich dann mit der zeit jelegt also ich
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hab jetzt . och so ich bin jetzt eigentlich immer noch ziemlich jedes wochenende of m dorf . also in t. da was weeß ich dann is eben jetzt is eben nich mehr kirschenpflücken und baden jehn sondern jetzt jehn mer ehmt da . in de disco . //hm// . un . repariern an unsern mopeds rum weil das is da alljemein so üblich da hat jeder ab vierzehn jahre hat da in irgend ner form e moped . //hm// und . da ham mer och de tollsten ideen wir wolln zum beispiel en ((?)) bauen aber ob das irgendwann was wird is die andre sache .. naja mein vater der sieht das teilweise nich so jerne weil da . sind son paar leute dabei . was weeß ich die ham eben . sind eben in der schule nich so toll und so . aber wie jesacht das intressiert mich irgendwo nich mich intressiert einfach daß derjenige n juter kumpel is daß ich mit dem och mal . was weeß ich quatsch machen kann oder sowas . //hm// und . was intressiertn mich wie der in der schule is oder was der später mal wird oder .. selbst wenn der irgendwann of der straße landet oder so das intressiert mich zu dem zeitpunkt nich . wo ich mich mit ihm jut unterhalten kann was weeß ich n bierchen trinken kann mal was weeß ich .
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zusammen wir uns über weiber unterhalten oder irjend sowas . //hm// .. hm naja . zu meiner frühen kindheit da muß ich also . sagen //hm// nich so die tollen erinnerungen also .. die schulwechsel weeß nich ham mir eigentlich nie soviel ausjemacht .. weil . wie jesacht kontaktfreudig und so war ich . //hm// . allerdings muß ich sagen wenn ich jetzt irgend jemanden aus der . zweiten klasse treffen würde den . da würd ich mich wahrscheinlich kaum dran erinnern . wer das nun war . weil . wie jesacht also erste klasse x-schule zweite klasse war dann y-schule und dritte klasse warn mer dann schon in süd also of der schule . //hm// . un .. war also bißchen durchenander das janze . //hm hm .. na mit dem dorf . hab ich eigentlich jefragt weil ich äh bis jetzt noch nich weiß wie de da eigentlich immer hinjekommen bist also es war . mit dem garten ja hing das mit dem garten zusammen// hm //oder mit großeltern// großeltern und garten also . beide omas wohnen also da .. und eben mit m garten . äh mein vater der is also das is so was weeß ich son steckenpferd von ihm . daß er eben da seinen garten hat und
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//mhm// das da eben jemacht wird und kartoffeln anjepflanzt werden . und lauter sowas . und . er war eben . also meine .. eltern sind eben . da meine omas da wohnen natürlich auch von da . und noch ne enge verbundenheit besteht da . und . war eigentlich .. ich gloobe mein erstes lebensjahr hab ich sojar da jewohnt wenn ich mich recht entsinne bei meiner oma noch im haus weil meine eltern noch nich die wohnung hatten . //hm// . die ham also ziemlich zeitig jeheiratet //hm// .. und .. da war eigentlich immer da sind mer also mindestens jedes wochenende hin und ab und zu mal auch in der woche . //hm// . also erst . wars en bißchen kompliziert weil . weil mer keen auto hatten zu ddr-zeiten .. das war aber eigentlich nich es problem also meine mutter ist dann mit uns los mein . bruder noch im kinderwagen und ich nebenher da sin mer dann bis nach t. jefahrn und dann mit m zug nach t. das is ja bloß eene station .. wo meine mutter dann noch es babyzeug noch in der hand hatte und . ab und zu bin ich och mit meinem vater mitjefahrn ehmt of m moped der hatte . vorne son kindersitz da sin mer dann //hm//
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mit m moped rausjefahrn ejal welches wetter war .. und so alle wichtjen ereignisse sind eigentlich da abjelaufen das war eben jeburtstage sin mer hinjefahrn . weihnachten oder so warn mer eigentlich . immer da und . och ostern und so .. warn immer so schöne sachen weil meine oma großen garten und so und ostereier suchen dann im großen garten . //hm// und im winter war eben immer es größte für mich da war dann immer m . äh mein cousin da . der wohnt in l. . der is .. sieben jahre älter als ich oder so . und . das war mal ne zeit lang so mein großes vorbild .. weil . der hat eben ahnung jehabt und da ham wir dann immer so de tollsten sachen jemacht im winter dann irgendwelche schneehäuser jebaut und sowas . eben richtig feuerfest daß wir da drinne och feuer machen konnten //hm// und .. und im sommer e- hinten am teich nennt sich das da war mal en alter teich also der is mittlerweile ausjetrocknet . das jehört eigentlich nich zum grundstück meiner oma dazu aber das äh wird so von som bach einjeschlossen auf der einen seite und das war of der andern seite ehmt vom grundstück meiner oma . das is vielleicht
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in der länge . pf siebzig meter und in der breite dreißig meter oder so .. //hm// und wachsen son paar bäume und da kümmert sich eigentlich keener drum . und da ham mer eben immer da hinten jesessen und feuer jemacht und kartoffeln im feuer jebraten und würstchen überm feuer jebraten . //hm// und . das waren eben die sachen die mir damals spaß jemacht ham un . eigentlich heute noch mach ich das och noch jerne . //hm// .. naja . mittlerweile hat sich das noch n bißchen jeändert wir ham dann . jetzt mit ‚m mit kumpels ham mer da so e alten bauwagen jefunden der steht da irgendwo verlassen . of m feld .. und den ham wir uns schon janz schön einjerichtet . da is noch n alter ofen drinne das heißt wir ham also so ziemlich en janzen winter dort verbracht und . die hütte renoviert .. also wir sin mittlerweile schon soweit daß mer tapezieren könnten wir ham . die alles sauberjemacht das so war . de reinste rumpelkammer . aber wir hams ehmt ausjeräumt teilweise verbrannt den mist der drinne war teilweise //hm// eben irgendwo .. wegjebracht sach ich mal . //hm// . und . das is
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eben zur zeit das wo wir uns drinne ofhalten weil . is irgendwo so ne sache weil . of m dort is ehmt doch . ju- sicher kann mer teilweise was machen aber vor allem im winter . wo soll mer da großartig hin die janze zeit drinnehocken hat mer einfach keene lust . //hm// und als wir das dann jefunden ham ham mer ehmt jesacht naja das bau mer ehmt aus zu unserm . ‚klubhaus‘ (betont gesprochen) //hm// und .. das isses mittlerweile eigentlich och jeworden .. was weeß ich da hörn mer musik und trinken unser bier und rochen un . spieln karten un sowas .. un das macht einfach spaß das . jeht also nich da drum daß es irjendwie ne toternste anjelejenheit is oder so . sondern einfach nur aus spaß .. //hm .. na . äh .. ja dann hattste vorhin anjedeutet daß de mal mächtig streß hattest mit der polizei . kannste das vielleicht// hm //noch mal bißchen erzähln was da passiert is un . wie das dann so weiterging// ja und zwar war das so . daß ich eben . mit diesem jenigen welchem dem sechzehnjährigen und . kumpel von mir und noch zwee mädels warn noch dabei . sind wir eben dann . vom h.-platz runter zum
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l.-platz jeloofen . un e kumpel von mir hat ehmt so ne dumme bemerkung fallen lassen ich weeß es echt nich mehr was es war aber irgendwie . son opi da anjequatscht oder sowas un der hat das wahrscheinlich irgendwie in de falsche kehle jekricht .. un is da of meinen kumpel los un .. wollten dann . was weeß ich eene scheuern oder sowas . //hm// und der war dann och nich zimperlich der hat dann gleich sein messer jezogen überzogenerweise //hm// . un . fracht was das soll un so weeßte aber eigentlich .. war damals noch mein eindruck daß wir im recht warn weil . meiner meinung nach hatten wir nischt gemacht un . er hatte eben anjefangen also . der opi . //hm// un . dann kam dann noch en . jüngerer mann dazu der hatte ehmt den eindruck . der hatte . nich de hälfte mitjekricht un so . un kam dann dazu un sah dann einfach nur wie mein . freund dann da mit dem . mann da . was weeß ich um das messer rang un so . und der dachte naja aha die wolln den alten mann angreifen oder sowas //hm// un is dann dazwischen hat meim freund . eene jepfeffert und . vor de wand un so . //hm// und is dann ehmt
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gleich zu dem polizeirevier un . wir sin dann . weil wir uns echt im recht jefühlt ham sin hinterher un so . un wollten eigentlich mehr oder wenjer uns dann . da äh . äh rechtfertigen und . //hm// sagen wies wirklich war . ‚und‘ (gedehnt gesprochen) de polizei hat sich da allerdings irgendwie wenig drum jekümmert . weil . die ham ehmt erstmal nur of die aussage von dem mann jehört weil der war erwachsen wir hatten wir ham sowieso keene ahnung nach dem motto . //hm// . un wurden dann sofort äh in . äh was weeß ich in einzelne verhörzimmer jebracht daß mer ehm uns nich unternander absprechen konnten oder sowas . un . selbst nachdem wir dann alle . eindeutig es selbe erzählt hatten un . och so .. eigentlich alles äh ziemlich klar war von unsrer seite . wurden wir dann eben dann doch schuldig jesprochen un . war n bißchen kraß weil wir wurden gleich durchsucht un alles was weeß ich vielleicht wollten se an . uns dann eben exempel statuieren oder sowas . //hm// wurden eben gleich durchsucht un . teilweise eben äh mußt mer uns bis of n schlüpper ausziehn un so und . daß se
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eben wirklich sahen daß mer keene waffen oder sowas bei uns hatten .. naja dann eben fingerabdrücke nehmen und fotos also ich kam mir da irgendwie vor wie so’n schwerverbrecher oder sowas //hm// hätten nur noch de handschellen jefehlt aber ich schätze wenn . irgendeener rü- von uns was falsches jesacht hätte dann wärn die wahrscheinlich och noch dazujekommen .. naja und dann ehmt . ham mer ehmt schiß jehabt . ehm . einfach vor unsern eltern un so wie die da drof reagieren und schon übelste pläne jeschmiedet . wie mer abhauen wollen in der nächsten nacht un so . //hm// un . weeß nich ähm . am anfang hat mein vater echt .. bißchen überleiert reagiert verständlicherweise hätt ich wahrscheinlich och wenn ich dann .. mußte mich dann eben vom polizeirevier abholen un . wußte in dem moment nich was vorjefallen war . //hm// die polizei stützte sich dann ehmt of die aussage von dem jungen mann den äh der alte mann war weg also den . hat keener mehr jesehn und der hat dann och nischt weiter ausjesacht . //hm// so und dann äh weitere aussagen von irgendwelchen verkäuferinnen die
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hinterm schaufenster da so de hälfte mitjekricht ham . und das war ehmt für die de wahrheit un . da hat sich keener drof drum intressiert was wir dann jesacht ham . war den irgendwie . ziemlich ejal hatt ich den eindruck . //hm// . naja und . dann zu hause jewesen und erstmal große besprechung und . die meine eltern sind dann zu den . eltern von den andern dann hin . un . und die ham die dann eben beredet was da nun zu tun wäre .. //hm// weil wie jesacht das wär vielleicht in . irgend ner . was weeß ich assozialen familie oder so . wär das überhaupt keen thema jewesen hu warst bein bullen pech . aber . es is ehmt so daß ich . daß das nich . daß das wir nich so ne familie sind daß da wirklich noch en zusammenhalt besteht . und . deshalb das äh . ziemlich .. ähm dolle jehandhabt wurde daß da doch überlecht wurde was jetzt . un . eigentlich wars doch ne erleichterung . für alle obwohl . ich eigentlich von anfang an davon ausjegangen bin daß da nischt großartig kommt weil ich hatte mich mit n paar kumpels unterhalten un so . //hm// und die sachten alle ach . brauchst dir keene sorjen machen das is
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ne lappalie is nischt weiter passiert . nur eben mein vater der hat das ziemlich krass jesehen //hm// .. naja und . in der folje wie jesacht der hats mir dann . des öfteren vorjehalten . un aber es war ehmt . s als keene vorstrafe oder sowas irjendwo einjejangen . stand eben dann nur in dem brief daß es ne verwarnung is . und daß das bis zu meinem sechzehnten lebensjahr vorjemerkt is falls noch was . äh passiert wird das dann eben mit dazujezogen . //hm// aber ansonsten is da erstmal überhaupt nischt mehr . //hm// . und es kam dann och nischt mehr weil .. ich war dann einfach äh . de- in dem moment so einsichtig zu sagen naja dann . mach ich ehmt nischt mehr in der richtung un .. warum . ich fa- das war ja och nich irjendwie jeplant //hm// daß wir da nun durch de stadt ziehn und da terror machen oder sowas . weil is eigentlich nie meine art jewesen .. naja un . mein vater sah sich bestätigt der hat ne- immer vorher jesacht ja der is n . assi jib dich nich mit dem ab un so un . such dir deine freunde woanders un . da isses nun mal so in der jugend da denkt mer sich ach der alte der
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erzählt da irjendwas un . der spinnt sowieso bloß //hm// rum der hat sowieso keen plan .. un ich such mir meine freunde selber aus da hat er sowieso nischt zu sagen . und in dem moment war . ich da irgendwie och nich objektiv der . jings einfach nur dadrum . mein vater widersprechen erstmal und erstmal selber alles austesten ich weeß ja sowieso alles besser . //hm// un . das würd ich ihm natürlich nie ins jesicht sagen daß ich das wirklich so empfinde aber . es is einfach so . //hm// und er sah sich dann bestätigt und . s hat mich dann doch irgendwo n bißchen anjekotzt ehrlich jesacht er hat dann wirklich jesacht na siehste ich hatte recht und ehmt mit diesem erhobenen zeigefinger ich hatte recht .. un . das war das was mich am meis- eintlich am meisten jenervt hat an der sache . der vorfall selber den empfand ich jar nich als so schlimm weil .. is ja nischt weiter passiert wie jesacht . //hm// . und nur eben daß mein vater da so kraß reagiert hat .. //hm// . war ehmt das entscheidende . na jut an der familie weiter im weiteren umkreis oma unter oder so is da einlich nischt jelangt
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.. weil da wollte mein vater ehmt dieses äh . schöne familienbild aufrechterhalten . versteh ich natürlich och warum .. solln sich da irgendwelche entfernten verwandten da . s maul zerreißen ma of jut deutsch un .. kommt doch im endeffekt sowieso nischt bei raus . //hm … hm na jetzt muß ich noch ma kurz überlegen . äh .. ja du hattst ja erzählt du hast einen . bruder . ja der is .. jünger als du// hm . dreizehn .. //äh .. viellei kannste da noch mal so erzählen wie ihr unternander einlich so mitenander umgeht wie so die beziehung zu deinem bruder is .// wow //vielleicht ma och also von// oh //. ja klein . auf wie sich das so . und dann wie sichs so weiterentwickelt hat bis heute// naja von klein auf irgendwie . pff am anfang hat er mich eijentlich wenig intressiert und der hat mich eigentlich och wenig jestört s eenzje wo ich mich dran erinnere .. wo er .. mich echt jenervt hat das war irgendwann mal zu weihnachten da hatt ich dann zu ddr-zeiten son . äh fernjesteuertes auto bekommen . un ehmt an so ner strippe wie das damals so üblich war son polizeiauto . und der trottel is
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natürlich erstmal da drofjetreten noch am selben abend und da wars im eimer . und da war ich doch ziemlich sauer of ihn .. weeß nich da muß ich . fünf oder sechs jahre alt jewesen sein das is so es eenzje wo ich mich dran erinnere .. und . naja ansonsten . eigentlich n recht gutes verhältnis allerdings . wie das ehmt so is zwischen jüngeren jeschwistern . ä un also jüngeren un älteren jeschwistern .. da war eigentlich nie so das perfekte verhältnis obwohls teilweise manchmal hauts hin un manchmal hauts ehmt nich hin //hm// das kommt ehmt . of de laune an .. und es war ehmt bißchen doof weil wir hatten .. in der neubauwohnung is ehmt nur ne dreibau- äh dreiraumwohnung jewesen .. und da hatten wir ehmt . zusammen n zimmer .. und da jeht mer sich doch mittlerweile doch of n .. ziemlich of n senkel . weil er wollte nun seine musik hörn ich will meine musik hörn un er will seine poster da dran machen un ich will meine poster da dranmachen . //hm// un er will . er will ehmt jetzt computer spieln oder ich will computer spieln . lauter sowas das sind ehmt dann so ne punkte . wo mer sich dann doch
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ab und zu mal ofrecht obwohls im endeffekt eigentlich nichtigkeiten sind aber . is ehmt der kleenere bruder und da muß mer ehmt seine rechte wahren und umjedreht denk er sich jenauso von dem .. laß ich mir doch nischt sagen nur weil der da zwee jahre älter is oder . drei jahre .. zweenhalb jahre sinds jenau . un .. naja und dann regt . regen sich dann meine eltern of ja ihr müßt nur zanken un wie das ehmt so üblich is da sind //hm// kommt dann . so en halber familienkrach zustande un . dauernd . sagen dann meine eltern ja dauernd euer jestreite und könnt ihr euch nich mal vertragen . na und dann verbünden wir zwee uns widder jejen de eltern weil . //lacht leise// die ham ja sowieso unrecht das is ja erstmal klar und dann . verziehn wir uns ins zimmer und gucken dann zusammen fernsehen oder sowas und . manchmal läufts ehmt . was weeß ich manchmal spieln mer ehmt zusammen computer was weeß ich irjend n spiel was dann ehmt zu zweet möglich is . //hm// un .. jetzt ham mers allerdings . janz jut jeregelt weil . ehmt dreiraumwohnung war zu eng .. aber wir hams dann ehmt so
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jemacht daß mein bruder jetzt im . schlafzimmer meiner eltern is . ich in meinem zimmer . un meine eltern die ham jetzt ne . so ne ausziehbare couch im wohnzimmer und schlafen dann ehmt da weil die ja . tagsüber sowieso kaum zu hause sind . //hm// eben arbeiten und so .. un . da geht das eigentlich obwohl jetzt im . herbst entweder jeplant is daß wir n haus bauen . in t. natürlich .. wo mer jetzt es . familienland widder zujesprochen jekricht ham . //hm// ‚und‘ (gedehnt gesprochen) dann . oder wenn das ehmt nich klappt mit dem bau weil . wie jesacht äh deutschland un so . äh baujenehmijung kriejen das is manchmal schon ziemlich schwer .. //hm// dann .. is wolln mer uns eben irgendwo ne eigentumswohnung kaufen möglichst ne vierraumwohnung natürlich . //hm .. ja das äh .. läßt ja eigentlich auch bestimmtes .. of bestimmte finanzielle ressourcen so schließen vielleicht kannste mal erzählen was deine eltern eigentlich so machen .// na ähm . na jut finanzielle ressourcen eigentlich nich so . äh . so toll ich meine . jut es läßt sich jut leben mein vater der is wie
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jesacht . ähm .. elektriker im . kraftwerk t. //hm// also im ehemals . war er da im y-kraftwerk das war son kohlekraftwerk das ham se allerdings zujemacht . //hm// un er hatte ehmt . glück er war ehmt von . dreihunderfünfzig äh leuten die in dem alten werk waren . wurden ehmt achtzig oder siebzig gla- äh nur übernommen und er hatte ehmt glück und wurde mit übernommen .. un ehmt . dadurch mit paar lehrgängen und so aber . er is eigentlich janz zufrieden . //hm// . un och . es jeld muß ich ehrlich sagen das stimmt bloß wie jesacht dann is halt widder die äh . geizige knausrige sparsame . äh seite an meinem vater .. daß er eben erstmal s jeld zurücks- hält es könnten ja irgendwann mal schlechte zeiten kommen //hm hm// . tja meine mutter die hat im . zu ddr-zeiten als äh kinderstomaschwester jearbeitet also das heißt zahnarzt- äh helferin . helferin heutzutage . //hm// eben äh . hauptsächlich in irgendwelchen schulen weil zu ddr-zeiten warn ja doch dann äh . im .. in der weststadt und so in den schulen . warn ehm ähm richtje . zahnarztpraxen drinne wo ehmt dann die schüler hinjingen . äh
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weil ja alles organisiert und so daß ehmt //hm// wirklich dann . äh was weeß ich eenma im monat jeder schüler da zum . beim zahnarzt war oder sowas //hm// . und . naja da war se ehmt bis nach der wende und nach der wende wurde das dann zujemacht .. und da hatte se dann ziemliches glück da hat se dann .. ähm . kann ich äh firmennamen nennen oder is das jetzt schlecht //ja ja// hat se dann bei a-firma anjefangen da ehmt auch im . dentaldepot nennt sich das . das is ehmt verkauf und . vertrieb von äh sämtlichen zahnarzttechnischen materialien . das fängt also bei irgendwelchen bohrern un so an und //hm// jeht dann ehm bis hin zu zahnarztstühlen und kompletten einrichtungen von zahnarztpraxen .. und dadurch daß se ehmt zu ddr-zeiten schon in dem bereich jearbeitet hat äh hatte se dann och ne ziemliche ahnung . weil dann zuerst . wirklich die ddr-sachen . noch mit verkauft wurden da hatte se da un konnte dann mit der zeit sich im dann .. noch anpassen an die äh sachen die dann eben aus m westen kamen . //hm . hm// naja gut das war dann . bis vorsjahr im .. januar . hat äh war dann . wurde dann bei a-firma ähm .
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stellen abjebaut . ‚un‘ (gedehnt gesprochen) sie hatten ham dann ehmt jesacht naja das . frau .. so ähm sie könn dann bei uns zwar noch arbeiten allerdings erstmal nur halbtags . //hm// weil wir einfach zu viele stellen ham . na un das wollte se . nich machen weil . s war für sie keene auslastung so nur halbtags .. un da hat se dann sich ehmt beworben und zwar bei . b-firma das is ehmt dieselbe branche und dasselbe jebiet . und daa wurde se dann och anjenommen weil se ehmt schon erfahrung hatte so . un weil se ehmt och über a-firma dann . paar computerlehrgänge jemacht hätte hatte un ehmt och äh . computermäßig e bißchen . bewandert war //mhm// . so wurde se dann ofjenommen dort . in den ‚kreis‘ (betont gesprochen) der b-firma äh mitarbeiter . äh und das is eigentlich isses n ziemlicher saftladen sach ich mal einfach so wies is . weil s wird äh von zwee .. westdeutschen ähm da jeleitet das janze . un die kümmern sich da wenig um irgendwelche mitarbeiter oder ausgaben oder so . also die zahlen eben die miete nich und warten eben is auf n letzten drücker un . mittlerweile isses
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soweit daß die zum äh firma da ziemlich pleite is . //hm// .. un . jetzt hat allerdings ähm . zufälligerweise s äh . da der personalchef von ihrer damaligen a-firma-abteilung anjerufen . hat ehmt jesacht naja so un so könn se nich wieder bei uns anfangen . weil jetzt wieder personalmangel herrscht un so un wir würden ihnen och äh was weeß ich dann . sechs stunden am tag . und wir würden ihnen dann och entsprechend . jutes jehalt zahlen . na und da hat meine mutter natürlich anjenommen . //hm// jetzt und da kommt noch n punkt dazu .. und zwar war die arbeitsstelle jetzt hier b-firma . das war im . im außenbezirk von l. und . //hm// da mußte se ehmt jeden tag .. weeß ich früh um sieme los um dann um achte dazusein und dann . wurden da ehmt überstunden jemacht . dadurch daß die ham . sich da keen plan jemacht . ob dann die leute familie hatten oder nich das war den ziemlich ejal . //hm// . und . dann is se dann manchmal abends um sieme nach hause jekommen und dann hatten se in letzter zeit hatten se inventur . isse dann abends um zehne oder sowas nach hause jekommen und das war ehmt nischt mehr ..
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un . da kam das eben . janz günstig nachdem dann . b-firma sowieso höchstwahrscheinlich pleite macht . //hm// beziehungsweise . äh schon von .. äh . mehreren firmen aufjekauft und dann widder abjestoßen wurde weil se echt jesehn ham die firma bringt nischt mehr .. un da siehts eigentlich ziemlich äh schlecht aus un . es is ehmt doch janz jut daß se nun bei a-firma jetzt widder anfangen kann . //hm// .. bleibt ehmt //na na// in dem jebiet //na ..// (uhr piept) .. //ja vielleicht ne letzte frage noch mal . äh .. du hattest .. vorhin son bißchen anjedeutet daß de son bißchen . erzogen wurdest stolz aufs vaterland .// hm . //äh hast du auch erzählt also ich weiß nich ob das jetzt zusammenhängt kannste ja dann einfach mal sagen . äh daß sich ehmt viel .. äh bei eurer familie jetzt in t. da abspielt wo praktisch auch die großeltern wohnen// hm //. äh vielleicht kannste einfach noch mal n bißchen dann zu den großeltern un so erzählen was das eigentlich so fürn familienleben is bei euch und .. äh .. ehmt son bißchen dazu noch mal stellung beziehen . äh wo das
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vielleicht herkommt mit diesem äh . stolz aufs vaterland oder so// naja ähm zum . direkt jetzt mal zum stolz ofs vaterland wos direkt herkommt weiß ich nich also . //hm// is einfach so ‚unsre‘ (gedehnt gesprochen) familie war eigentlich da schon immer ziemlich nationalbewußt und . äh och äh hauptsächlich eben mein cousin den eben dieser aus l. . der dann //hm// in . so mein vorbild war und mein vater . die ham sich da och ziemlich so en kopp jemacht und so und familie wo kommts her un so . un ehmt da wurde ehmt mit stolz festjestellt daß ehm unsre familie original aus deutschland kommt schon seit weeß ich wievielen generationen . //hm// und . da warn se alle begeistert und . naja und mein vater hat ehmt och jesehen dadurch daß er viele bekannte hat so of m bau un so was weeß ich . ehmt schwarzarbeiter aus m ausland un sowas un was ehmt los is auf der straße . äh mit ausländern und so sicherlich jibts .. überall schwarze schafe und . sind aber immer son paar sachen die da zusammenkommen was weeß ich zum beispiel daß da eben . n türke was auch immer das war . hat ehmt da meine
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freundin dann ähh . auf m markt da was weeß ich anjemacht un . pf of n arsch jefaßt un so . da hab ich jesacht eh verpiß dich un so kann doch nich sein hier . //hm// und da is der einfach janz cool zu mir jekommen mit fünf mann rückendeckung un ich war alleene un hat mir paar ofs maul jehaun .. //hm// einfach . sinnloserweise sicherlich das hätte och en deutscher sein können . aber . es war ehmt in dem moment . n ausländer und . s schürt doch so ne sache ziemlich dolle an .. un . naja pf von der familie her .. jut also ich weeß nich ob e . s einlich . ziemlich .. bei . allen so bei uns in der fami- familie nich jetzt unbedingt . jetzt . hier im richtiggehender haß oder sowas auf ausländer . doch eben diese alljemeine unzufriedenheit un . //hm// daß ehm .. daß ehm . mein cousin vor allem der is äh . da ziemlich ahnenbezogen un so . un . der is was weeß ich den intressiert zum beispiel so es germanische reich un sowas . //hm// un der . geht ehmt davon aus daß ich och so in der richtung . mich da entwickeln sollte un . ich denke eigentlich och daß das so kommt . //hm// bloß es is ehmt
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nich so daß wir da alle nun fanatische hitleranhänger sin oder son blödsinn weil das bringts nich der mann war en trottel un . der hat da ziemlich viel scheiße jebaut . un . deshalb kann man sowas einfach nich verantworten und .. es is natürlich absolut scheiße daß da irgendwelche juden vergast wurden und so un s is der letzte blödsinn da noch zu behaupten das es alles jelogen is von irgendwelchen medien oder so . //hm// daß die das alles nur erfunden ham . un . das wär och es letzte daß ich schätze da würde keener aus meiner familie da mithalten un sagen na hitler das war schon n toller mann der hat das schon toll jemacht und deutschland erweitert un so . //hm// das is unsinn . un . ich bin jetzt och nie . würde och nie irgendwie ne reichskriechsflagge irgendwo in mein zimmer hängen . jut ich sache ehrlich ich hab ne deutschlandfahne in meinem zimmer hängen aber . es . in schwarz rot gold und . das ist einfach of dieses hm . nationalbewußtsein und . weeß nich so deutsche eigenschaften eben diese disziplin un so . sicherlich jibts . en haufen deutsche eigenschaften die ehn da ankotzen können bei
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vielen leuten die mer da sieht . un . weeß nich . aber es is ehmt diese alljemeine . sache . s jefällt mir ehmt denn . un . ich finds wahrscheinlich isses och irgendwo ne trotzbewegung wenn ich dann sehe die irjendwelche leute die dann sagen ähm unser vaterland is doch scheiße und . und dann in andern ländern seh ich was weeß ich irjendwelche amis oder so . die sind doch och stolz of ihr vaterland und die werden dafür irgendwie och nich . zur rechenschaft jezogen oder dann gleich als nazis hinjestellt . //hm// und deshalb find ich das n bißchen blödsinnig was hier in . dem staat jemacht wird //hm// also daß zum beispiel hier bei uns an der schule .. wird ehmt jeduldet daß hier ähm . irgendwelche . linke hier äh . parolen rumschreien un sowas meene die schmiern die nich irjendwo hin aber mer sieht och unter der bank was weeß ich hier anarchie für deutschland un so ne sachen .. was mir nich jefällt un .. dann is widder äh da sind paar kumpels von mir wir sind eben . nationalbewußt und . da mußte der eene . was weeß ich aus irgendwelchen gründen weil da ne lehrerin jesehn hat daß der dann . mir docs rumjerannt is und . dann hat die ehmt jesacht
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na das is en nazi und dann hat n hat gleich bei den eltern anjerufen und zum direktor un so . //hm// und . der hat dann allerdings mit herrn a. jeredet und . hat ehmt seine meinung da klar hinjelecht . und da hat ers dann . hat och herr a. dann . ausnahmsweise ma was einjesehen hat och jesacht naja wenn das so aussieht . daß ihr da nich irgendwie äh . was weeß ich terror macht oder sowas . un solange das im rahmen bleibt un ihr die schule nich f äh irgendwie da mit reinzieht und versucht eure meinung zu verbreiten . //hm// dann is das alles in ordnung und .. //hm// is is ehmt einfach so . daß mich das alles ja was weeß ich mit irgendwelchen linken . einfach ankotzt . wie die hier äh ihre sprüche abziehen un so un einfach sagen na scheiß vaterland und so . ich meine wenns ihn nich jefällt dann solln se jehn . so sehe ich das un . weeß nich irgendwo sollte mer doch denken daß sein vaterland .. äh doch irgendwo ne bedeutung hat un . einfach nur zu sagen es is scheiße das is sinnlos . also versuch ich doch lieber da was zu tun un irgendwie das . was weeß ich in . welcher form auch
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immer zu verbessern . //hm . na .. jut . dann würd ich sagen äh . könn mer den teil ruhig abschließen das war jetzt ja doch ne recht umfangreiche sache .. und kommen dann eben zu den fragen die sich direkt ehmt auf schule beziehen ja// . hm . //äh und da wär also . äh bei den fragen jetzt . vielleicht um das noch mal vorweg zu sagen haste bestimmt zu einigen sachen jetzt schon was jesagt .. äh// hm //in deiner erzählung aber . ich stell die fragen einfach noch mal so wie se kommen und vielleicht// hm //kannste dann ehm . fällt dir da vielleicht noch mehr zu ein oder willstes noch mal so// na klar //. äh zusammen im zusammenhang irgendwie darstellen .. äh die erste frage ebend . wie bist du überhaupt auf diese schule gekommen// .. naja wie ich eben schon jesacht habe . kam das ehmt nach der wende . ‚un‘ (gedehnt gesprochen) die schule äh da in h. hat ehmt einfach in dem moment nicht den ansprüchen genügt un da meine eltern ham ehmt jesehn daß ich in der schule ehmt . top leistungen kann mer eigentlich sagen erbracht habe . aus welchen gründen auch immer teilweise lags sicherlich dadran daß
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die lehrer sowieso keen plan sich da jemacht ham wer da welche noten kricht . un eigentlich mit jeder leistung die da einjermaßen sich überhaupt am . unterricht da beteiligte . //hm// daß die da sofort jesacht ham das war toll . eins . //hm// un dadurch ehm auf die schule und . mer hat ja dann och jehört dann äh gymnasium das is was tolles und wer ofs gymnasium geht der is schon . muß schon jut sein un so . //hm// un . kam ehmt . teilweise doch aus m antrieb meiner eltern aber . ich wäre echt nich hierher jejang wenn ichs nich selber jewollt hätte un . da ichs ehmt selber wollte und .. eben so klar war eigentlich daß mer . mit m abitur de meisten chancen hat dann doch en beruf zu kriegen . denn mer hat das ja dann doch im jesehn in medien was dann für arbeitslosenzahlen da //hm// verkündet wurden . und da wollte mer da sich doch seine chanchen erhalten und möglichst noch verbessern . un das war eigentlich der grund hierherzujehn //hm// . wie jesacht dann ehmt noch äh . brutalität an der alten schule was eigentlich jetzt immer noch is . was weeß ich irgendwelche
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schutzgelderpressungen und das ehmt irgendwelche leute sinnlos zusammjeschlagen wern . //hm// is nich mein stil und . jefällt mir nich und . wollt ich ehmt einfach nich mehr dableim . //hm hm . und gibts da jetzt gründe warum ausjerechnet hierher jekommen seid oder// . hm . tja direkt gründe jut äh das . gymnasium hier wurde von unsrer . ehe- also von meiner ehemaligen schulleitung empfohlen //hm// und och so von der nähe her wars äh mit am günstigsten hat sicherlich och ne rolle jespielt . äh es is hm von h. schon e janzes stückchen weg aber doch es nächste gymnasium was hier die möglichkeit . äh jeboten hat . //hm// un .. mer hat dann ehmt och jehört naja s .-gymnasium also s. das is schon e name jewesen schon .. was weeß ich schon . zu ddr-zeiten . //hm// un . da ham mer uns ehmt jedacht naja wenn die schule en juten ruf hat und . wenns möglich is dann . ehmt hierher //hm .. ja . was findest du jetzt gut . und was stört dich an dieser schule// .. hm ne sehr komplexe frage //ja// würd ich sagen //lacht// . tja . gut find ich .. hm was find ich gut . also erstmal an der schule äh ..
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gut finden . s is schwer an ner schule irgendwas gut zu finden weil mer meistens dann doch die negativen aspekte sehr hervorhebt . hm na ich muß sagen daß ich ein- daß mer eigentlich mit ähm . den meisten .. lehrern jut auskommen kann . das mer hier .. ziemlich viele . jute kumpels ham kann wenn mer nich unbedingt . s irgendwie verklemmt oder äh irgendwie abnormal is oder sowas . //hm// hn kann mer dann och hier seine äh . juten kumpels ham .. und naja .. einerseits äh hier jefällt mir die leistungs- äh leistungsanforderung hier schon un andrerseits mißfällt se mir natürlich auch weil wirklich . vorausjesetzt wird daß mer sich zu hause hinsetzt un lernt //hm// was mir eigentlich nie jefallen hat un was ich eigentlich och bis jetzt nich jemacht hatte .. tja . mißfallen jut tut mir auch ähm bißchen . die einstellung von unserm herrn direktor . der dann doch ziemlich vieles ähm . echt irgendwie übertrieben . äh sieht un .. was weeß ich irgendwelche sachen .. daß eben im schulhaus . de mütze abjenommen wird un lauter son blödsinn was eigentlich im grunde keen intressiert ob ich
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da nun mein basecap im schulhaus ofhabe oder nich das is . stört ja an un für sich keen . //hm// un dann . die allbekannte story daß ehmt küssen an unsrer schule verboten is . war ehmt och son . ziemlicher schlag unter de gürtellinie weil . hat mer sich dann doch jefracht was das soll . //hm// ja weiterhin ähm ich als raucher find es natürlich nich so jut daß es keene raucherecke direkt an der schule jibt . sondern daß mer ehmt vors tor jehen muß un . un doch irgendwelche lehrer sich dann doch noch . ähm dann irgendwie dann rausnehmen zu sagen . naja . das is en raucher oder so . also da jibts zum beispiel den herrn b. also dem . jefällt das überhaupt nich daß mer raucht . un . er akzeptierts also och nich un . er läßt dann ab und zu doch mal ne spitze bemerkung fallen . die nich unbedingt sein muß . //hm// . un meine jut . zum beispiel herr c. unser herr sportlehrer der sieht das alles ziemlich locker . was weeß ich wenn ich dann irgendwie in sport ne leistung nich bringe dann sacht er naja . eene wenjer rochen oder sowas also . ihm is das eigentlich ejal ob ich da roche oder nich der sieht das alles von der lockeren seite un . vie- bei vielen lehrern isses och
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so un .. warn schon paar lustje stories vor allem mit m rauchen . was weeß ich das war dann eben .. in der . siemten klasse oder so . daß mer dann alle heimlich in park jerannt sin und dann hinten um drei ecken uns irjendwo versteckt ham und heimlich jeraucht ham . //hm// daß es ja keen lehrer sieht oder so und dann erstmal kaujummi un . parfüm oder was och immer . //hm// um das dann doch . vorn lehrern zu verbergen . was im grunde sinnlos war denn es hätte sich so und so keener dafür intressiert muß ich heute sagen aber es war ehmt für uns damals .. schon . was weeß ich teilweise och äh spinnerei und . war ehmt . spannend sich da hinten zu verstecken vorn lehrern um da heimlich zu rauchen //hm hm// .. nu nochwas naja .. jefallen tut mir ehmt daß das janze hier ähm . jetzt modernisiert wird obwohl mit ziemlichen . umwegen und sinnlosen sachen . nich jefallen tun mir zum beispiel die farben die anjewählt wurden oder zum beispiel diese schönen gelben punkte und wellenlinien die dann sinnloserweise da irjendwohin jemalt wurden . och die farbgebung in den räumen dann irgendwelches türkis oder so also
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dann . die treppenjeländer .. daß dann ehmt der hintergrund die wand selber blau ist und dann e rotes treppenjeländer da drüber also das entspricht nicht meinen farblichen vorstellungen von schönheit . aber das is ja im grunde ejal .. un . was weeß ich in der schule sich wohlfühlen ich kenne eigentlich niemanden der sich direkt in der schule wohlfühlt . un dafür ist das jebäude eigentlich och nich da denk ich es is einfach dafür äh da . daß es den praktischen nutzen hat jemandem was beizubringen un wirklich ofs leben vorzubereiten . //hm// und das denk ich schafft die schule eigentlich schon weil durch die leistungsanforderungen un so . wird mer dann doch äh merkt mer dann doch schon wies dann irgendwann mal weiterjehn wird . //hm . na haste jetzt praktisch meine nächste frage vorwegjenommen (lacht) fühlst du dich an deiner schule wohl .. jut die ham mer . äh könn mer gleich zur nächsten kommen . ja . du hast bestimmt auch schon mal einiges über andre gymnasien gehört .. äh . wenn du jetzt deine schule da mal so mit den andern vergleichst . was denkst du ist jetzt typisch und
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charakteristisch für diese schule hier .// hm . naja pf typisch charakteristisch . hm .. ziemliche äh sache is zum beispiel dieses sammelsurium von schülern äh von sämtlichen ecken und das is bei . einigen gymnasien sicherlich auch so- äh gymnasien sicherlich auch so . allerdings . äh weiß ich nun daß das äh nich überall so kraß is . //hm// und dann eben auch ähm . der ernst hier äh wie an sämtliche sachen ranjejangen wird is ähm . stärker vorhanden . zum beispiel t.-gymnasium da . was weeß ich da intressierts einfach keen wenn mer da mal ne stunde fehlt oder so . fehlt mer ehmt is er is mer ehmt nich da //hm// und da sind . die anforderungen am t.-gymnasium zum beispiel nich so hoch .. dann u.-gymnasium wo eben hier . kumpels und so aus t. hinjehn .. die sachen ehmt och naja . da isses einfach nich so . un . das is allerdings och so ne positive sache unser direktor hält ja nun es zepter in der hand und er schaffts irgendwo auch .. ähm . das janze hier en bißchen in ordnung zu halten och wenn .. mer wirklich wejen jeder sinnlosen sache dann da hinmuß und . sämtliche taten hier rechtfertigen muß
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//hm// . was an andern schulen nich so is dann wird eben in der pause jemanden mal . was weeß ich . paar reinjehauen oder sowas das intressiert einfach kaum jemanden .. un . das is eigentlich schon . och ne schöne sache daß das hier so äh unter kontrolle jehalten wird . bloß eben wie jesacht in . vielen dingen . ziemlich überzogen . //hm// . tja was noch leistungsmäßig . würd ich sagen ähm . licht die schule hier im . oberen mittelfeld nehm ich mal so unjefähr an . also es jibt dann doch noch irgendwo elitegymnasien in h. die dann doch äh höhere leistungsanforderungen ham . es jibt aber ehmt och viele wo die anforderungen nich janz so hoch sind beziehungsweise wesentlich niedriger . //hm .. ja .. ne frage ganz aktuell für dich .. möchtest du an deiner schule bleiben oder würdest du lieber die schule wechseln// . hm da haste natürlich wieder was jehört nehm ich an na haste ja och jesacht . //hm// un . naja . ähm ansich an der schule bleiben .. würd ich in . eigentlich schon . wenns ähh . nich möglich is daß ich dann doch meine äh richtung die ich später mal .. einschlagen möchte .. daß ich
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die nich schon irgendwie wählen kann . und da besteht eben die möglichkeit daß ich of en wirtschaftsgymnasium wechsle . //hm// und da das wirklich das is was mich intressiert .. würd ich das schon vorziehen weil das (lauter knall) wern ehmt bei was weeß ich in irgendwelchen . ähm fachjebieten was weeß ich . bankwirtschaft oder (lautes stimmengewirr) irjendwelche kaufmännischen jebiete . wird dann doch jemand eher jenommen der en fachabitur in wirtschaft hat . als jemand im . alljemeinen abitur und insofern .. wärs nicht schlecht und . is allerdings die frage ob das . äh nun klappt . //hm// weils . es ähm . arbeitsamt beziehungsweise eben de berufsberatung meldet sich nich . //hm// obwohl äh ich .. desöfteren anrufe aber scheinbar hat doch niemand intresse dafür .. tja und die andre frage is natürlich och ob ich da ofjenommen were ich sach janz ehrlich also meine leistungen sind im moment nich so . die besten und . dann sind doch . also zwei vieren of m . halbjahreszeugnis jewesen meine sicherlich das is für jemand anders der sacht ehmt na jut zwee vieren . sind eigentlich och
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nich so die wichtjen fächer also das is sozialkunde und .. was wars noch chemie also is auch nich das unbedingt was nun im wirtschaftlichen bereich intressiert na jut sozialkunde vielleicht doch n bißchen . //hm// aber ähm . chemie intressiert ja eigentlich wenig . wenn ich dann irgendwelche . äh in irgend ner bank arbeite .. na und . is eben die frage ob ich dann jenommen werden würde . //hm// ((2)) .. //hm … ja . und das is jetzt eigentlich ne frage .. äh wo ich dich mal einfach so . of en experiment . äh . hinführen will daß de dir einfach mal irgendwas vorstellst son ideal vielleicht . und zwar .. beschreibe einmal genauer . wie eine schule wäre . die du jetzt wirklich . richig toll fändest und . wo du ehmt absolut gerne hingehen würdest// .. hm .. kurz überlegen .. naja das wär ne schule .. die die schule eigentlich äh schon fast sein könnte . mit n paar ausnahmen .. und zwar einmal ähm . daß wir äh keine lehrer ham die alle über vierzig oder . fünfzig sind und . damit überhaupt nich mehr im leben stehen . //hm// . also irgen- also of jeden fall jüngere lehrer die dann
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. sich och irgendwo ähm . sich mit den problemen der schüler irgendwo assoziieren können und dann ehmt och sehen . naja das is so und das kenn ich noch aus meiner zeit oder so . //hm// un . ich kann mir nich vorstellen daß irgendjemand der dann irgend was weeß ich . in der weimarer republik dann zur schule jejangen is . sich äh vorstellen kann wie das äh für mich jetzt is hier äh was lernen zu müssen weil dann doch andre äh bedingungen da warn . naja und dann eben . die lehrer n bißchen lockrer nich so verkrampft und . jede äh . kleinigkeit dann . eben einfach äh . was weeß ich . als grobe verletzung . der schulordnung sehen was weeß ich mal übern gang rennen oder mal ne sch- tür knallen oder irgend sowas //hm// oder einfach . wie jesacht mit m basecap dann in der schule rumloofen . was wirklich blödsinnig is .. so daß das janze äh . sollte noch n bißchen freundlicher jestaltet wern och so vom . outfit her . daß eben paar mo- bißchen moderner was weeß ich .. zum beispiel . kunstraum oder sowas könnte mer doch mal . irgendwie en graffitty an de wand machen oder sowas weil . dafür is es en
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kunstraum un .. ich meine jut is en gymnasium aber trotzdem kann doch sowas an der wand sein das stört doch keen und . da kann doch och keener irjendwie anstoß dran nehmen . //hm// . und
Kassettenwechsel
//jut . na// . jut ähm .. ja daß eben was weeß ich veranstaltungen nich so eng jesehen wern . daß ehmt . nich punkt zweiundzwanzig uhr wirklich alle lichter ausjehn daß dann doch mal ne halbe stunde länger jemacht wird und ich schätze da würde sich och es kultusministerium nich derartig drüber ofregen . wenn das ne halbe stunde länger jeht . //hm// un .. eben wie jesacht daß dann äh ne raucherecke is und daß ehmt in der pause noch en paar möglichkeiten sind für schüler .. wie ja das jeplant is mit dem schülercafe das find ich wirklich ne coole idee . //hm//äh da is och mal was wo mer sich mal hinsetzten kann oder so un . was weeß ich e kaffee trinken oder en tee trinken . jeder ehmt wie er da lust hat un .. bloß dann is ehmt wieder die sache . daß im schülercafe garantiert wieder 53
es rauchen verboten sein wird . //hm// . was mir natürlich nich so jefällt . ich meene sicherlich äh . jibts en großen anteil nichtraucher an der schule . aber dann könn ses doch wenigstens so machen daß se dann separate ecke machen wo dann ehmt die leute sich hinsetzen können und ihre zijarette rauchen . können . wenn sie wirklich wollen müssen oder was auch immer //hm// . un . dürfte eigentlich kaum jemanden störn da ja so ziemlich alle schulen .. irgendwo ne raucherecke ham un pff . da doch niemand sich drüber aufregt . //hm// .. naja was sollte noch verbessert werden .. hm . zufrieden bin ich eigentlich mit der technischen ausstattung hier an den schulen also is schon nich schlecht also . in wichtigen . fächern was weeß ich jetzt irgendwelchen naturwissenschaftlichen fächern . //hm// daß da ehmt fernseher und videorecorder vorhanden is und daß dann ehmt . polylux überall vorhanden is . un . so ne sachen is schon nich schlecht das . macht sich schon janz günstig … naja . vielleicht noch äh . sportmöglichkeiten . könnten noch verbessert werden an so ner idealen schule //hm// daß eben dann
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im . wirklich die materialien zur verfügung stehen . und daß dann eben nicht jede sportstunde hockey jespielt wird wie das zur zeit üblich is weil wir von eem von irjend em sponsor son hockeyspiel da äh . jekricht //lacht// ham . wird ehmt jede sportstunde hockey jespielt . und ich meine ich hab nischt jejen hockey aber //lacht// mit der zeit wirds etwas langweilig .. tja . un so ne sachen und . daß ehmt zum beispiel drüm in dem äh neuen jebäude isses ehmt verboten dann plakate oder sowas anzubringen .. was ich en bißchen blödsinnig finde weil en . klassenraum das könnte mer ruhig en bißchen schülerfreundlicher jestalten . wie das hier versucht wurde so einjermaßen . was auch immer das sein soll .. ähm daß dann ehmt weeß ich . irgendwelche poster dranjemacht wern das müssen nun nich unbedingt poster ausm playboy sein oder so was natürlich och nich schlecht wäre . aber . weeß ich irgendwelche . musikgruppen oder irgendsowas einfach was das janze e bißchen lockrer macht un daß mer sich eben da nich vorkommt . wie in irgend som keimfreien raum wo dann wirklich alles in .
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irgendwelcher lernstoff in einen reinjedrückt wird . //hm// . ne ideale schule sicherlich noch das is ziemlich alljemein jetzt . daß eben die lehrpläne entscheidend verbessert werden in der hinsicht . daß mehr aktuelle sachen reinkommen un . daß ehm äh . vom . von doch viele lehrer aus lehrersicht unwichtje sachen eben da jestrichen wern . was weeß ich daß ehmt .. jeschichtlich nich äh janz so viel da direkt behandelt wird . wer dann . ich meine sicherlich isses schon kann mer schon mal wissen wer da irgendwann mal könig war oder kaiser oder was auch immer . aber mich intressiert dann ehm nich was seine tochter dann an dem und dem tach um die uhrzeit jemacht hat oder so //hm// weil is einfach sinnlos . un . s dann ehmt irgendwelche zum beispiel in englisch oder so . das der stoff dann n bißchen moderner jemacht wird daß mer dann eben och mal was weeß ich .. äh . über new york oder sowas paar moderne sachen hört ich meine jut mer . liest dann irgendwas über chicago . dann hört mer irgendwas von alcapone in chicago und sowas und das ist dann doch en paar jährchen her und
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intressiert eigentlich en fuchs und . //hm// insofern könnte was weeß ich dann irgendwelche kriminalität in new york oder sowas oder ehmt über irgend ne . sprüher oder skater in new york oder irgend sowas . was dann och wirklich mal jemanden intressieren könnte . //hm// .. na und das war ein- wär eigentlich das was mich da .. tja . ideale schule im grunde kann mer eigentlich sagen jibts nich weil . ideal für jeden schüler denk ich sind eigentlich ferien . //hm// und ich gloobe eigentlich nich daß ich da die große ausnahme bin daß ich ehmt schule liebe oder so .. aber es jibt och en paar sachen die mer da verbessern kann //hm// wie ehm jesacht //hm na .. äh das hattste och schon ma vorhin im gespräch son bißchen drinne .. was hältst du so von eurem schulleiter// .. hm . naja .. naja schulleiter jut er . hat . meiner meinung nach zu altmodische ansichten .. jeht das janze en bißchen zu streng an .. un äh kommt sich meiner meinung nach son bißchen vor wie der große herrscher in . seinem eigenen reich oder sowas also daß er ehmt da . denkt er kann da schalten und walten wie er will //hm//
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und teilweise hat mer ehmt och en eindruck daß ihm der schülerrat da ziemlich im weg is äh daß er dann ehmt doch . von irgendwo . ne kleine maßregelung oder zumindest vorschläge bekommt . was ihm da nich so paßt und . es is dann och so wenn mer dann . da was weeß ich durchs schulhaus jeht oder so und dann kommt dann der . herr a. dann lang . dann stellt mer sich wirklich brav hin grüßt freundlich und ist dann widder froh wenn er weg is . weil er wirklich an . irgendwelchen dingen anstoß nimmt der hat zum beispiel schon schüler zu sich jebeten . weil äh die kleidung ihm nich paßte was weeß ich weil s war ihm zu ausjeflippt oder was äh es entsprach ehmt nich dem stil eines gymnasiums . //hm// un meiner meinung nach ham wir aber äh keine regelung daß irgendwelche schuluniformen jetragen wern müssen wie das in england der fall is . //hm// . un ich meine jut irgendwo . kann mer sagen äh es sin hn jehörts zum juten verhalten daß mer eben im . in dem gebäude oder so seine mütze abnimmt . aber wenn ich dann von einem raum zum andern haste dann intressiert mich einlich nich ob ich dann noch meine mütze
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irgendwie abnehme oder ob ich die of m kopf lasse . //hm// weils die pausen sind so so schon ziemlich knapp bemessen denk ich mal . dadurch daß ehmt . die . raumänderung .. andres thema aber das sach ich jetzt mal trotzdem //hm hm// mit den raumänderungen .. s ziemlich blöd jemacht das hab ich ehmt hab ich ehmt in der ersten stunde hab ich janz unten in der zweiten stunde dann janz oben . und in der dritten stunde in der zweiten etage //lacht// und ich bin eigentlich nur am hin und herrennen und das is n bißchen blöd jemacht würd //hm// ich sagen . jut schulleiter . naja wie jesacht eben . er hat eben das zepter in der hand und der nutzt das also voll aus . er sieht viele sachen zu krass . was weiß ich da wurde im . von irgendjemandem mal im bus ne federmappe rumjeschmissen von irgendjemandem . un nur weil ich da dabei war wurd ich da eben … putzfrau //hm// wurd ich da eben ä hinjerufen und mußte mich dann . als zeuge da hinstellen und sagen was da jenau passiert war obwohl ich da überhaupt keen plan hatte . und dann hat er mich noch verwarnt daß ich es nächste mal da jefälligst
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eingreifen soll und die ordnung da im bus aufrechterhalten soll . was mich einlich nischt anjeht sach ich mal so wies is . un . sin och zu viele sachen . die jetzt irgendwie außerschulisch passieren was weeß ich . n wenn er dann irgendwo was weeß ich n . er hat mich dann mal irgendwann abends of m marcht jesehn . n ich war da . etwas nich mehr janz nüchtern um das mal so auszudrücken .. und da hat er dann och äh . jesacht das das nich sein muß und so un für einen schüler des gymnasiums jehört sich das nich und das is meiner meinung nach blödsinn weil ich kann in meiner freizeit machen was ich will . //hm// wenn mich da jemand irgendwie äh . bevormundet dann sind das meine eltern und of keen fall mein schullehrer . //hm// äh schulleiter //hm// .. (lautes stimmengewirr) //so warte mal is … an … ja . war fertch war . schulleiter// ja //soweit . äh . dann hab ich jetzt son paar fragen zu lehrern . äh vielleicht erstmal allgemein was hältst du so von deinen lehrern// . hm die meisten zu alt und zu knurrig ((oder: knochig)) . äh zu äh . aristokratisch einjestellt also . was weeß ich ehmt alles muß
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seine ordnung ham un un das muß alles mit disziplin vonstatten jehn . un . der lehrer der . hat ehmt das recht sich da maßlos ofzurejen . wenn jemand in der ersten stunde dasitzt un noch nich janz bei der sache is weil er eben noch irgendwie von seinem . bett träumt oder sowas . //hm// was eigentlich ziemlich üblich is wenn ich früh halb achte in der schule bin da bin ich nich munter . un das sehn die meisten lehrer nich ein . daß die een dann sachen du hast munter zu sein du hast jetzt zuzuhören und dann machste das jefälligst och .. und ich muß allerdings sagen daß dann doch en paar lehrer jibt die äh wirklich . absolut . cool sin sach ich mal wies is . also da kann mer wirklich mal . seinen spaß mit denen machen ich meine sicherlich muß mer wissen wo die grenzen sind aber . is eijentlich nich schwer sowas rauszufinden wenn mer das eenmal weeß dann . kann mer eigentlich da wenig . mitje- mit irgendwelchen lehrern zusammenstoßen . //hm// sind ehmt .. weeß nich kann ich ruhig mal nennen herr d. zum beispiel en superlehrer frau e. super lehrerin also das war mal meine
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klassenlehrerin . bis zur . achten klasse . //hm// . un noch n paar andre herr f. zum beispiel frau g. is nich schlecht un . obwohl . frau g. und herr f. doch etwas . älter sind sach ich mal . ar trotzdem ham se irgendwo noch nich äh den sinn für die jugend verloren . wobei zum beispiel ähm . frau h. . die ne enge freundin meiner oma is . //hm// . aber is ja ejal . äh frau h. .. doch äh . das janze ziemlich äh eng sieht und dann doch sacht daß wir in .. mitarbeiten müssen . und sie siehts ehm och nich ein wenn jemand mal abschaltet oder so . was meiner meinung nach völlig normal is in der se- sechsten stunde dann bin ich nich immer voll da und in der ersten stunde och nich . un .. dann akzeptiert se ehmt nich wenn da mal drei schüler nich mitarbeiten . isses für die ne für sie natürlich gleich de halbe klasse die nich mitarbeitet . //hm// und dann is das n wahnsinniges verbrechen an der menschheit für sie … //hm// das is eigentlich zu lehrern so alles //hm hm .. ja . und wie siehst du jetzt einlich so das verhältnis . äh zwischen lehrern und schülern in deiner schule// . na größtenteils janz
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in ordnung . würd ich sagen .. so pf . meisten lehrern kann mer einlich janz jut aus mer grüßt sich ehmt of . der treppe un . halt mit m . ä de meisten lehrer grüß ich och wenn ich se of m marcht sehe oder sowas //hm// un . is einlich nich schlechtes dabei würd ich sagen also . sin . groß . größtenteils sin se in ordnung bloß ehmt . so die älteren lehrer das is nich so mein fall . //hm// und die meisten schüler verstehn sich einlich och janz jut mit den . s jibt ehmt son paar lehrer dies immer jibt wo mer ehmt sacht na . jetzt haich widder bei dem . na der dödel der ä kann mir doch jestohlen bleim oder sowas . aber pff is eigentlich . normale sache da sind daß nun nich jeder jeden lehrer leiden kann un umjedreht isses sicherlich och so daß nich jeder lehrer jeden schüler leiden kann //hm// .. ar . jeht eigentlich kann mer ertragen //hm (lacht) na das is schön (lacht) . äh ja pf . was denkst du einlich jetzt so von dem unterricht . den du täglich so hast// . langweilig . stinklangweilig .. muß ich mal so sagen wies is weil wie jesacht lehrpläne un so . äh ziemlich veraltet äh alles
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ziemlich einjestaubt un so . //hm// paar sachen sind dann schon .. die mich da intressiern ich mache da ehrlich jesacht den fehler . ich jehe ehmt danach was mich intressiert was in der schule wirklich grundfalsch is mer sollte . wirklich überall mitarbeiten aber . ich mache ehmt hauptsächlich das mit was mich intressiert un was mir och spaß macht . //hm// und dadurch ehmt teilweise schlechte noten .. un naja … weeß nich kommt ehmt immer of n lehrer an die wie der den unterricht jestaltet also . manche lehrer verstehns ehm . jut äh irgendwelchen stinklangweiligen stoff dann jut rüberzubringen noch einjermaßen daß mer doch noch mit eem ohr wenichstens hinhört . //hm// un andre lehrer den . scheint das irgendwo vollkomm ejal zu sein die bla . bla bla und dann ihr stoff is fertig und das wars dann für sie und die intressiert dann och nich . ob die schüler nun da mitjekomm sind oder nich und . naja . //hm// und ehm son . is ehmt klar in der zehnten klasse isses nich mehr so einfach wie in der fünften klasse und . da muß mer sich doch dahinterknien .. wers nich macht is selber schuld . //hm … ja
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vielleicht kannste noch mal irgendwie .. äh bißchen ausführlicher erzählen . wie lehrer und schüler jetzt im unterricht eigentlich mitenander umgehen .// . tja lehrer und schüler im unterricht äh es is en . en paar lehrer jibts ehmt die dann äh ab und zu mal ausrasten also wo dann wirklich vollkommen sinnlose dinge jeschehn äh wie zum beispiel in musik da war ehm eene schülerin die sacht normalerweise im halben jahr sacht die dann ä zu ihrer banknachbarin eenma was . und das war wahrscheinlich der falsche tach den se da erwischt hat und sie wurde dann prompt von der musiklehrerin vor de tür befördert un rausjeschmissen . //hm// die wußte überhaupt nich wie ihr jeschah dann in dem moment weil .. das is normalerweise absolut ruhjes mädchen sacht nischt großartig . meene vielleicht bißchen schüchtern und so aber . pf . arbeitet normal och einjermaßen jut mit im unterricht und wurde ehmt dann für eenma quatschen gleich ausm unterricht rausbefördert .. naja un ansonsten .. spezielle lehrer äh frau j. is zum beispiel referendarin verstehts ehmt noch nich janz so jut of
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äh schüler einzujehn . die ähm . peilt dann noch irjendwo noch nich wos langjeht würd ich mal einfach so sagen wies is .. sie was weeß ich sie versucht dann ehmt .. mit allen mitteln ihren stoff durchzuziehen .. versucht dann och krampfhaft witzig zu sein und sowas . //hm// um ehmt die herzen der schüler für sich zu jewinnen ich meine versteh ich sicherlich och is nich einfach als referendarin .. //hm// aber . sie hat dann meistens och ungünstige zeitpunkte zum beispiel die eene lateinstunde is ehmt dann . die achte stunde am freitag . und am freitag in der achten stunde da hat einfach keener mehr bock //hm// of irgendwelches latein . latein is ne tote sprache begrabt sie endlich und es war für mich och der größte fehler daß ich latein jewählt habe .. irgendwann mal .. aber das is jetzt sowieso zu spät .. naja ansonsten . die meisten lehrer die verlangen ehmt dann viel und die denken ehmt . ähm . sin ehmt lehrer und sie können ehmt von den schülern alles verlangen sie sehn ehmt nich ein . wenn da jemand viel zu tun hat schon zu hause was weeß ich ich hab dann n kurzvortrag fürn nächsten tag
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muß ne arbeit vorzubereiten . und dann wird ehmt da trotzdem ne kurzkontrolle jeschriem also die intressiert das schicksal einzelner äh ziemlich wenig . //hm// un . naja jehn da wenig drof ein dann einje lehrer verstehns blendend . zum beispiel frau h. die unterrichtet ehmt deutsch un jeschichte . beide fächer äh ehm in unsrer klasse . und sie verstehts blendend diese fächer äh mitenander äh derartig zu vermischen daß da keener mehr durchblickt . zum beispiel hat ses schon jeschafft in ner jeschichtskurzkontrolle äh de rechtschreibung zu bewerten un lauter so ne dinger un . //hm// weeß nich vielleicht isse doch schon bißchen zu alt un senil oder sowas . aber .. irgendwie es macht dann keen spaß wenn mer dann .. in jeschichte drof hinjewiesen wird wie was jeschriem wird un wenn mer dann äh . in deutsch irgend . stoff behandelt . daß sie dann erzählt was zu der zeit dann grade modern war un welcher kaiser da jeherrscht hat das intressiert mich einlich nich wenn ich irjend ne kurzjeschichte lese . //hm// . das sind eigentlich so die sachen wo mer da mal n bißchen was ändern
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könnte och aber . //hm hm .// lehrereigenheiten … //ja . ähm auch ne sache wo de dir vielleicht en beispiel . so überlegen kannst . äh beschreibe einmal . wie lehrer . äh an der schule hier mit vorschlägen oder mit kritik . von seiten der schüler umgehen// .. na das kommt natürlich widder of de lehrer an //hm// . da is zum beispiel hier ähm . frau e. . ähm unsre ehemalje klassenlehrerin .. äh die hat sich da wirklich äh total dahinterjekniet wenn da jemand was jesacht hat was ihm nich jepaßt hat und . wenns ernst jemeint war dann hat se da wirklich is se der sache och nachjejang . //hm// un . hat sich dann ehmt och beim direktor wenn da irgendwann mal was vorjefallen is was ehmt wo der direktor dachte na das is en verbrechen . dann is se ehmt och hinjejang hat jesacht der schüler der is im unterricht normalerweise so un der is da überhaupt nich so die art das war vielleicht mal irgendwas was mal vorjefallen is . un sie macht das einlich janz jut .. in der beziehung sie äh redet dann och mit schülern wenn da mal irgendwas nich is also . die hat da irgendwie och so äh e
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siemten sinn dafür . //hm// daß se merkt wenn . jemand da oder irjendwas nich in ordnung is irjendwie zu hause oder sowas . und dann unterhält se sich da mit ihm das find ich eben echt top . wobei unsre jetzige klassenlehrerin frau k. der is das irgendwo ziemlich ejal was wir da zu hause erleben oder och nich .. un . weeß nich die . scheint das nich so richtig zu intressieren . was weeß ich zum beispiel klassenfahrt oder sowas . meine jut ich finds in ordnung wenn se uns selber entscheiden läßt aber se sollte sich doch en bißchen mehr drum kümmern . //hm// das ham einlich die lehrer ich weeß nich ob de das mitjekricht hattest dieses jahr alljemein versäumt für sämtliche klassenfahrten . äh . ins ausland muß normalerweise n antrach jestellt wern was weeß ich bei irjend . ministerium oder sowas . //hm// und da ham sich ehmt die lehrer keen plan jemacht ham das nich jemacht das muß normalerweise e vierteljahr vorher jemacht wern . //hm// un jetzt sind ehmt sämtliche klassenfahrten die da irgendwo ins ausland jingen in frage jestellt . weil die das jetzt erst nachjereicht ham un
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jetzt äh is zur zeit da keener da intressiert das keen . un is ehmt dann die frache ob wir dann doch nach h. noch fahrn könn wie mers einlich vorhatten . //hm// oder nich un . find ich eigentlich ne . ziemlich äh . sauerei daß die sich da nich drum kümmern wir solln uns och um unsern schulstoff immer kümmern . und wenn da jemand de hausaufjam verjessen hat dann wird dem och halb der kopf abjerissen . un sie entschuldigt äh sich da so bißchen förmlich und sacht dann naja pf tut uns leid un so daß mer uns da nich jekümmert ham aber das wird schon irjendwie klappen . //hm// un wenn nich fahrn mer nach d. //hm// .. irjendsowas //ja das is bitter (?) (lacht kurz)// naja .. vor allem d. ha //(lacht) hm .. ja .. äh ne ähnliche frage eigentlich . da gibts wahrscheinlich auch unterschiede . ä zwischen verschiedenen lehrern aber .. äh vielleicht kannste ja och ja vielleicht so zwei beispiele mal raussuchen die sich n bißchen gegenüberstehen . erzähle einmal ruhig genauer wie lehrer an eurer schule mit den wünschen . äh oder sorgen oder problemen von jugendlichen umgehen// .. hm ja als äh negatives
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beispiel . herr .. or wie heißt er .. hm hm b. .. den namen . verjißt mer eigentlich nich aber irgendwie (?) //(lacht)// .. äh chemielehrer .. fünfundsechzig jahre er jeht dies jahr in rente nehm ich an … ‚und‘ (gedehnt gesprochen) naja das is ehmt jemand von der alten schule der achtet ehmt . total of disziplin im unterricht da wird ehmt am anfang ofjestanden und . begrüßt und ehmt sachen . zentimeterjenau of m tisch . und am ende wird noch mal ofjestanden und verabschiedet und nich mit m klingelzeichen sondern der lehrer beendet das janze //hm// und da muß wirklich nach der pfeife jetanzt wern . und den intressiert das nich ob da (knallen) schüler äh . was weeß ich mal ne schlechte note kricht oder sowas . un .. hm pf . och was weeß ich wenn mer dann ehmt sacht naja so un so . ähm ich bewerbe mich jetzt mit dem zeugnis da hatt ich en beispiel . ä namen brauch ich ja da jetzt nich nennen is ja //hm// och ejal un .. da hat er ehmt jesacht na was intressierten mich das sie ham die leistung nich jebracht un sie stehen kippe un ich bin der meinung sie äh . sollten die schlechtere note kriegen also
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kriegen sie die schlechtere note . jut dem war das dann ejal ob der dann derjenje dann sich da mit dem zeugnis bewerben mußte . //hm// un mit der note besser vielleicht was weeß ich im endeffekt hat derjenje dann doch das äh . jekricht das jing hier um . umweltschutztechnischen assistenten im äh so ner fach- . schule . //hm// fachhochschule . was weeß ich was das da is . //hm// un . naja und dann . als jutes beispiel kann ich eigentlich nur widder frau e. sagen also . die intressiert das wirklich wie ich dann vorhin schon anjeführt habe .. ob da jemand sorgen hat oder so un .. wie jesacht se merkt das dann och un . jeht da nicht da steht da nich vor der klasse un sacht na was isn mit dir los oder sowas . sondern sie sacht wirklich nach m unterricht eh warte doch mal wasn los un so un . //hm// jeht das eigentlich och wesentlich besser //hm// . und das war zum beispiel of der klassenfahrt mit frau e. zum . pf . sie hat dann äh irgendwie kam dann ihr .. freund oder sowas dahin un wir ham dann unsre witzchen da drüber jemacht weil sie war zu der zeit verheiratet aber is ja och ejal is ja ihre .
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privatanjelegenheit //(lacht)// .. und sie hat das dann och akzeptiert und pf . naja jut die hat dann ehmt ihre witzchen über uns jemacht daß wir ehmt im mädchenzimmer erwusch- erwischt wurden und lauter sowas und .. n war dann och irgendwie von . die eene war dann krank oder so un . da hat se dann sich dann och jekümmert daß dann . die eltern da sich keene sorjen machen oder sowas //hm// und hat sich dann och jekümmert daß die dann jesund un so nach hause kommt un so . wo .. äh eigentlich viele andre lehrer jesacht hätten naja das wird sich schon irjendwie rejeln die eltern komm her holn die ab und fertig . //hm// aber sie hat sich dann ehmt wirklich dahinterjeklemmt un so //hm// . und och bei vielen andern sachen . das is irgendwelche äh hm projekte sind wie fasching oder sowas . da sind eigentlich son paar lehrer was weeß ich frau l. und . eben frau e. und herr f. und so . die dann wirklich sich dann . mit dahinstellen und eijne sachen dann och of de beene stellen was weeß ich jetzt n . letzten fasching hatten se da so ne tanzshow hinjelecht . un . fand ich echt jut
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un (lacht kurz) war nich schlecht . un . das sin und och die die dann naja mit helfen das auszustaffieren . und n paar andre lehrer die sachen ehmt na du du und du ihr helft da mit den fasching vorzubereiten und fertig //hm// und die stelln sich aber dann ehmt selber hin sagen ehmt na das könnt mer so machen un akzeptiern aber och . wenn n schüler sacht na das könn mer aber och so machen da wird das ehmt so jemacht oder so . je nach dem wie dann jeder findet daß es besser is . hm . das is eijentlich nich schlecht jeregelt hier bei manchen lehrern . //hm .. ja un was meinst du jetzt äh// (räuspert sich) //worauf legen die lehrer an dieser schule besonderen wert// .. ordnung und disziplin . sin eigentlich so die sachen . //hm// ähm ordnung . in der beziehung daß ehmt immer sämtliche matrialien da sein müssen zum beispiel in musik . wenn mer da nur es buch verjessen hat da muß mer ehmt am anfang der stunde stehenbleim wenn sich alle in andern hinsetzen . muß ehmt sagen tja . tut mir leid frau m. ich hab mein buch verjessen oder ich hab meine hausaufjam verjessen . un wirklich mittelalterliche methoden
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das mer s dann stehnbleim muß das doch . dumm . mer kann doch och . vor der stunde hinjehn sagen so un so ich hab meine hausaufjam verjessen . oder sich denn mal melden wenn se fracht oder so . //hm// aber da vor der stunde stehnzubleim da vor der janzen klasse oder so das is doch . blödsinn . weil we un dann akzeptiern die meisten och ehmt keene entschuldijung . da kann ehmt was weeß ich . krass jesacht wirklich de oma jestorm sein oder sowas intressiert nich die hausaufjam //hm// ham dazusein . //hm hm// und disziplin ehmt wie jesacht in der beziehung am anfang . äh aufstehen un so . is wie jesacht nich bei allen lehrern so das also . ähm . wie ich dir das schon . im park jesacht hatte . sin eigentlich so das hier die lehrer ziemlich zusammjestückelt sin und daß da eigentlich so zwei fronten sich jebildet ham einmal //hm// die jüngeren lehrer //hm// die dann ihre ansichten vertreten . was weeß ich herr n. frau e. äh herr f. . eintlich älter aber doch mit zu den jüngeren jehörend . frau l. un was weeß ich nich un so und dann die älteren lehrer was weeß ich frau h. frau o. . un .. direktor als rückendeckung
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un so . die dann versuchen die alte ordnung da irgendwo aufrechtzubewahren . was blödsinn is //hm// irgendwo weil . wir sin nich mehr in . zwanzjer jahren oder so und . wir . leben in neunzjern beziehungsweise . //hm// bald im jahr zweitausend un so . un da kann mer doch schon ma n paar sachen eher durchjehen lassen .. //hm … ja und wie wichtig ist leistung . äh für eure lehrer// . sehr wichtig also . wie jesacht also herr a. hat äh die schule selber mal als en elitegymnasium bezeichnet . und die lehrer versuchen also . viele lehrer versuchen das och kräftig da . äh irgendwo zum ausdruck zu bringen daß das en elitegymnasium is . //hm// un . ähm wern ehmt viele hausaufjam umfangreiche hausaufjam aufjejem viele vorträge wern ofjejem . daß ehmt wirklich jeder äh . sich dahinterklemmt und . dann . hm .. sacht naja jut un macht das un macht da . dies mach jenes . //hm// in arbeiten muß wirklich jelernt wern also das is nich mehr so daß . weeß ich hier wie früher of der schule wo ich war . da war ehmt ne arbeit jut das hat mer sich abends noch mal kurz anjeguckt un damit war jut also da muß wirklich jelernt
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wern . //hm// un in . vielen fächern vor allem in der elften merk ich das hab ich ja och . kumpels un so . die sachen ehmt da is echt eijeninitiative jefracht die lehrer die schneiden dann n thema an . sachen das kommt in der arbeit dran und da muß wirklich dann . noch in . zusätzlichen büchern zusätzlicher literatur nachjeschlagen wern . //hm// un . das . fängt och schon in der neunten zehnten klasse an bei kurzvorträgen oder so . da reichts ehmt nich wenn mer den text da der im lehrbuch steht dann abschreibt oder so . sondern da soll mer wirklich noch mindestens zwee lexikas und dann noch . was weeß ich in geographie oder so . zum beispiel in jeschichte en vortrag ham mer jemacht übern vietnamkriech . //hm// das war dann derartig umfangreich . da hab ich dann äh . wurde nur anjefangen mit der jeschichte vietnam . und . äh jing dann geographische lage un so . dann der sämtliche äh verlauf des krieges sowohl in usa wie dort die bevölkerung reagierte mit äh . sämtlichen sämtlichen strategien die dann von amerikanern einjebracht wurden und weitere äh sachen die dann passierten . zusätzlich
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sollt mer noch n video zusammschneiden so aus irgendwelchen bekannten kriegsfilmen äh . die dann wirklich das . realistisch vermittelt ham . um dem janzen noch en letzten schliff zu jeben ich meine jut wir ham das och jemacht wir ham im endeffekt och beede ne eins drof jekricht .. aber im endeffekt ist das äh sowas is ne größere a . äh leistung die eigentlich erbracht wird als für ne arbeit zu lernen un so . und dann zählt ne arbeit im endeffekt doch mehr und das find ich irgendwo . bißchen //hm// (?) jut wir ham uns da wirklich vier wochen oder so . ehrlich jes- dahinterjeklemmt wirklich hart jearbeitet . und da kricht mer da ehmt ne mündliche note eins na . schön das kann ich och in ner kurzkontrolle kriegen wo mal kurz en paar fakten abjefracht wern . //hm .. hm …. na warte . nu muß ich noch mal kurz gucken hier . äh .. ja . beschreibe einmal . und äh . vielleicht kannste da och noch mal dich of bestimmte beispiele beziehen .. wie lehrer eigentlich darauf reagieren wenn schüler jetzt irgendwas nich wissen . wenn sie da . äh häufig bestimmte sachen nich können oder wenn sie oft ehmt
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schlechte zensuren kriegen// . naja die äh . lehrer machen sich da eigentlich nich so den plan also zum beispiel äh . klassenbeispiel sabine ähm .. echt .. dufte kumpel und so un .. mit der kann mer och mal was weeß ich blödsinn machen oder so . und die peilt das ehmt nich in englisch sie . kricht das einfach nich in de reihe un . schreibt da schlechte zensuren . un . frau o. sacht dann ehmt nur .. naja dann müssen se mal mehr lern da müssen se noch mehr lern da müssen sich mal richtig hinsetzten da müssen se öfter de hausaufjam machen oder so . un dann . is das für die lehrer erledigt also die intressiert das da ziemlich wenig ob //hm// ‚denn‘ (gedehnt gesprochen) hier sabine in der nächsten arbeit widder ne fünf schreibt oder sowas .. und och wie jesacht dann war zum beispiel äh hier . halbjahreszeuchnis ähm stand ich zwischen zwei und drei in englisch .. also ziemlich jenau zwei komma fünf . un hab dann och jesacht na das is möglich daß ich das zeugnis brauche ehmt um mich of dem wirtschaftsgymnasium zu bewerben naja is ejal . ich jeb ihn erstmal die schlechtere
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note .. ((andere person: ham sie noch unterricht hier drin)) //ja wir ham hier noch en gespräch drinne .. ja … danke// . alles klar . //hm// un . da hat . un das hat sie ehmt och nich intressiert un . hat sich ehmt für die schlechtere note entschieden un hat ehmt jesacht na wenn de bis zum halb- äh bis zum endjahr so weitermachst kriste deine bessere note un ich sollte mich dann ehmt darüber noch freuen oder so .. un . weeß nich das fand se unheimlich witzig . hatt ich den eindruck . //hm// ich fands wenjer witzig naja och so ähm .. frau k. jut unsre klassenlehrerin muß ich mal ehrlich sagen . och wenn se sich in . der sache mit der klassenfahrt nich so arrangiert hat . bei zensuren da kümmert se sich dann doch schon bißchen wieder wie zum beispiel sabine hat se dann wirklich mit der mutter jeredet und so un . is da och hinjefahrn un so un hat dann . das da versucht zu klären .. //hm// und . da son bißchen eigeninitiative mit reinjebracht . was mer aber äh . garantiert nich von allen lehrern sagen kann . //hm .. hm .. ja .. äh auch mal so aus deiner schicht . äh schicht (lacht kurz) sicht .
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schicht mach mer grade hier . äh .. was meinst du weswegen entstehen so meistens ausenandersetzungen . zwischen lehrern und schülern . an deiner schule hier// . naja direkt ausenandersetzungen würd ich erstmal äh wenjer sagen weil . die meisten traun sich irgendwie nich en lehrer zu widersprechen . is einfach so un . //hm// weil dann . die meisten lehrer doch . zum direktor rennen und sachen na .. ‚der‘ (betont gesprochen) hat das und das jemacht und vorm direktor ham de meisten eigentlich alle jesacht richtigjehend angst also das is nich mehr respekt was eigentlich ne jesunde sache wär . //hm// äh respekt sollte mer doch ham . sondern das is schon wirklich angst weil . die sachen sind blödsinn was der macht ehrlich . //hm// sacht .. un naja konfliktsituationen eben . was weeß ich . aus . teilweise wie jetzt hier das beispiel war aus .. kleenen schwatzereien oder sowas . daß dann die lehrer das zu kraß sehen und daß oder daß sie selber schlechte laune ham und dann sagen . na hier un so du könntest ruhig mal n bißchen mehr mitarbeiten . un . dann . is das ehmt für sie gleich was
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anstößiges un s wird dann gleich zum klassenlehrer äh da jetratscht oder sowas . //hm// .. echt wejen jeder kleen sache un . äh frau h. zum beispiel is dann .. zig mal zum beispiel zum klassenlehrer jerannt . weil ihre meinung damals in der achten klasse war unsre klasse irgendwie jespalten ihrer meinung nach . un . das da warn ehmt grüppchen jebildet und das is janz schädlich und da wurden warn welche außenstehende un außenseiter . un das is aber irgendwo normal wenn sich leute nich einbinden un nich äh . dann mitmachen wolln und in ruhe jelassen wern wolln . dann wern die in ruhe jelassen und das is och klar . daß ich . mich ehmt . für die leute mehr intressiere als für die andern weil ich einfach andre intressen habe .. un . dann . isses klar daß da irgendwo ne jewisse grüppchenbildung . zustande kommt und vor allem . wars ehmt so was sie so anstößig fand . daß eben die jungen ne gruppe bilden und die mädchen ne gruppe bilden na //hm// das is ja wohl es normalste von der welt daß sich äh daß da da nich son totales jemisch entsteht . es is vielleicht möglich daß das in irjend ner
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klasse mal . der fall is oder so . aber das is eigentlich in seltensten fällen . //hm// daß da wirklich äh . hundertprozentige einigkeit in ner klasse herrscht das jeht nich . //hm// dafür sin wir hier individuum . un da kann mer nich sagen ((1)) bildet jetzt ehmt ne gruppe sind hier nich in der ddr und das is keene pionierorganisation oder sowas . un wir sin o nich ‚in nazizeiten‘ (lachend gesprochen) und das is och keene hj wo hier jeder dann . sagen muß na . sie ham recht und klar und wir sin ne einigkeit und wir stehn dazu //hm .. hm ….. hm . ja vielleicht kannste dich trotzdem mal so an äh . irgendwie .. ein ereignis erinnern was noch e bißchen so herausragt wo also wirklich en n . einlich größerer konflikt vielleicht . äh bestand zwischen lehrern und schülern oder auch zwischen einem lehrer und nur einem schüler . un äh da mal einfach darstellen wie eigentlich dieser konflikt entstanden is und wie der so weiter verlaufen is// . naja pf is einlich so die größte sache was so unsre klasse betrifft war eigentlich das .. mit dem äh . mit der grüppchenbildung weil . war
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eigentlich frau h. war eben die gegenpartei die hat ehm jesacht na das is nich in ordnung das kann nich so weiterjehn . //hm// und wir standen dann ehmt of der andern seite und die is dann och damit zum direktor un . hat dann da de sinnlosesten . maßnahmen ergriffen . um das janze zu unterbinden das war irjendwann och ne janze zeit lang äh is se dann ehmt zu frau e. jerannt unsrer klassenleiterin un hat da jedesmal ihr leid da erzählt und anjefang zu heulen oder sowas . und das problem war sie hat dann allerdings ne rückendeckung jekricht von irgendwelchen andern lehrern . //hm// un . die das ehm jenauso jesehn ham und da hat sich das janze wirklich ziemlich ofjespalten . daß ehmt n paar lehrer jesacht ham ja die klasse is die schlimmste da is alles jespalten un da entsteht is keene einigkeit un so . //hm// un die andern lehrer die ham dann ehmt . die modernere ansicht jehabt da daß das völlig normal is daß da nich jeder es selbe sacht wie der andre . //hm// . tja das war einlich der konflikt //hm// unsre klasse hatte da im endeffekt hatten ham das die lehrer unter sich ausjetragen also
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unsre klasse hatten dann überhaupt nischt mehr zu sagen . das war dann mehr oder wenjer ne diskussion zwischen lehrern die dann eigentlich um grundsatz- äh . prinzipien ging . //hm// wo äh wir eigentlich keene rolle mehr jespielt ham am anfang jings ehmt dadrum .. daß ehmt ein bestimmter schüler war ehm außenseiter . //hm// . un . pff . meiner meinung nach war das en spinner der hat nur unsinn jelabert un . weeß nich .. n frau h. hat ehmt verlangt . daß wir äh ihn trotzdem einbinden . //hm// un . das is aber nich wenns nich mein intresse is mit jemandem befreundet zu sein dann kann mich niemand zwingen mit demjem- . äh je- weiligen menschen da befreundet zu sein . und das äh funktioniert in ner klassenjemeinschaft nich un . woanders //hm// funktionierts erst recht nich . //hm// un . insofern hab ich mich hab ich dann och weiter abstand jehalten zu dem hm eigentlich die meisten och . das war nich so daß wir den nach der schule äh jemeinschaftlich verprügelt hätten oder sowas .. der war ehmt einfach außenseiter un . un hat das aber irgendwie och nich weiter jestört er wollte ehmt für sich sein
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. hat seine ruhe jehabt und . //hm// hat ab und zu mal n scherz jemacht jut keener hat jelacht aber das war was andres //hm// . un . ansonsten naja hat er denn ehmt . in h. der hat och in h . jewohnt seine freunde jehabt aus der alten schule noch un . pff . er hat da och nich irjendwie jeheult oder sowas deswejen . daß er hier keene freunde hatte un frau h. hat das . eben total kraß jesehen . sie hat dann eben jesacht naja der hat nur angst daß wenn er jetzt jejen euch spricht ä daß er dann überhaupt nich mehr akzeptiert wird . un hat dann eben de sinnlosesten vermutungen und schlußfoljerungen da äh anjestellt un .. dann kam das ehmt wie jesacht zun lehrern un . //hm// dann hatte frau h. mit ä frau e. debattiert un dann jings ehmt um dieses äh altmodisch oder modern un . im endeffekt hat sich is das im sand verlaufen und das kam allerdings jetzt in der . zehnten klasse noch mal . daß ehmt frau h. diesmal zur frau k. unsrer jetzigen klassenlehrerin jejang is . un ehmt jesacht hat ä daß es noch schlimmer mit der gruppenbildung ich weeß nich das hat se ja gloobe och bei der //hm// klassenkonferenz hatte da hatte
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se das ja och jesacht //hm// . also für sie scheint das irgendwie son hobby zu sein da irgendwelche fehler in . irgendwelchen klassen zu suchen . //hm// un . allerdings sinnloserweise also //hm// großartige . //hm// großartig wirklich äh schlimme ereignisse warn hier an der schule eigentlich noch nich un . es is .. nich so daß hier dauernd jemand zusammjeschlagen wird wie an irgend ner real oder hauptschule un . da kann mer eigentlich och als schüler der schule hier ziemlich stolz drof sein daß das nich passiert . //hm// natürlich paar kleene reibereien un . das is dann immer das wo sich der . direktor dran hochzieht daß eben . da ma ene prüjelei war . aber is irjendwo janz klar daß unter jugendlichen das da mal was weeß ich wejen . ener freundin oder was och immer daß dann irgendwann mal . //hm// kricht dann ehmt och eener eene jescheuert oder so . //hm// un hier an der schule wurde meines wissens nach noch keener krankenhausreif jeschlagen was in andern schulen . äh beinahe wöchentlich der fall is . //hm .. hm . nur mal intressehalber der . äh schüler
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der jetzt hier so diese außenseiterrolle hatte .// hm //is der noch da . bei euch in der klasse oder is der// nee der is dann äh ofgrund von schulischen leistungen is dann äh of de realschule jewechselt und . weeßte der hat da jetzt och seine freunde un pff //hm// . der weint uns keene träne nach un umjekehrt sicherlich jenauso nich un .. es is nich so daß da was fehlen würde jetzt in der klasse oder so //hm// wie jesacht ehmt . war außenseiter .. ich hatte och nich den eindruck daß er da was andres wollte un .. wenn er j- in ruhe jelassen wern un ich och keen intresse da . von ihm an ihm da habe dann //na .. na// zumindest wars dann rein schulisch daß er dann jewechselt ((1)) die leistungen nich mehr jebracht . //hm .. äh .. ja wenn de dir jetzt mal so .. ich weiß nich ob das der fall is ob sowas vorkommt hier . äh wenn de dir vorstellst en lehrer macht jetzt irgendwie druck .. äh is irgendwie . besonders ungerecht vielleicht of einen einzelnen schüler hat den irjendwie of m kieker . äh wie gehst dann du oder deine klasse damit um// . tja hn . sicherlich kommts immer drof an . was das
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für n schüler is wenn . ich den persönlich och nich leiden könnte warum sollte ich mir dann n plan machen ob der lehrer dann druck of den ausübt . allerdings isses dann so was weeß ich das war zum beispiel ne zeitlang in chemie so im . vorjen jahr äh als mer noch bei herrn b. hatten . der hat dann hat dann ähm . eben eine schülerin dann besonders . äh nich leiden können und . manche schüler hat er ehmt besonders jut leiden können . aus welchen gründen och immer er is en bißchen senil . //hm// . oder sowas oder . un naja es war ehmt keen . keene große möglichkeit da besonders mit umzujehn wir sin ähm . nach ner weile äh zu frau k. jejang ham ihr ehmt jesacht daß das . äh da läuft . un . muß allerdings och jesacht wern daß der herr b. hier ne ziemlich jehobene ähm . stellung hat also daß ehmt . äh viele lehrer da zu ihm aufblicken un so . //hm// und das so ne art idol is und . hat ehmt frau k. die ihn persönlich och nich äh . scheinbar och nich so jut leiden kann ich kann das jetzt nich . jenau sagen weil das ja un sie hat uns nich jesacht ob sie ihn leiden kann oder nich . sie hat ehmt einfach
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jesacht naja da müßt ihr ehmt noch warten das is noch jetzt en halbes jahr un . ob sich das bessert oder nich da kann ich im o im endeffekt o nischt //hm// machen . weil . mer kann ja och nischt machen mer kann ja dann . selbst als klassenlehrer kann mer nich hinjehn zu dem lehrer na hörn se mal zu das könn se nich machen der kann ja alles abstreiten der kann ja sagen na . der- . jenje is wirklich schlecht oder der is wirklich //hm// jut //hm// . un da läßt sich im grunde och nischt weiter machen un wenn wir da hinjehn dann . bringts im endeffekt och nischt weil das janze dann meiner meinung nach höchstens noch verschärft wird . //hm .. hm .. äh . aus welchen anlässen isses eigentlich in letzter zeit .. an dieser schule zu härteren strafen . gegenüber . schülern gekommen .. ja . war n bißchen blöd jetzt .. also . erinnre dich einfach so an bestimmte anlässe . wos zu härteren schulstrafen kam// . tja die letzte äh . harte sch- schulstrafe war einfach der grund daß ne schülerin äh eine stunde lang bei herrn b. . unentschuldigt jefehlt hat und . äh scheinbar wars eene der schüler äh . die
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er da of m kieker hatte . //hm// un da is er dann zum direktor un da wurde dann . entsprechend gleich en schulverweis ausjesprochen . //mhm// . tja dann .. war noch in meiner vergangenheit ich hab och schon n schulverweis jekricht . das war dann eben . äh irgendwie ich war da mal of m äh nachhausewech äh s . in der siemten klasse oder so . hatt mer dann irgend . jemanden so irjend son kleen jungen oder so der ä also och aus der schule weeß nich war eene klasse jünger oder so . //hm// der hat uns da irjendwie blöd anjemacht un . zu e kumpel un mir jesacht eh was seid ihr für idioten oder irjend so . was weiß ich weiß das o nich mehr so jenau wies war .. un da ham wir je- eh meise oder was ham eme jefeuert un so . un das kam dann ehmt zum direktor un ach naja dann ehm jesacht naja so un so das . is nich in ordnung . un ihr habt jetzt die unterste stufe der äh . kriminellen leiter er- . klommen oder irjend son blödsinn hat er dann ehm rausjehauen . //hm// un dafür ham mer ehmt en schulverweis einheitlich jekricht weil mer ehmt den jungen da . //hm// so derartig stark mißhandelt
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hatten //hm// . naja un naja weitere schulstrafen pf .. mor so ne kleinen sachen eben .. äh großartige sachen äh strafen spricht der . äh herr a. ja nich aus . is einfach so daß er dann ehmt das schafft ss äh denjenigen vor . den lehrern irgendwie bloßzustellen .. daß er dann sämtliche mittel ergreift daß er ehmt die eltern anruft in die schule bestellt zu ner jemeinsamen aussprache wegen irjendwelchen sachen die vollkommen nichtig sind . //hm// . un das is . zum beispiel war is da so ne sache . daß eben ne zeitlang hat also der herr a. hatte ja och irjendwie mal n herzanfall oder irgend sowas in der art . un da warer ehmt ne zeitlang nich da und da hat ihn .. herr p. vertreten als direktor .. un ich muß sagen so .. wenn wir den als be- direktor behalten hätten wär ich wesentlich glücklicher jewesen weil der mann is echt sympathisch . //hm// der hat wirklich ne beziehung zu seinen schülern . und irgendwie wars seltsam daß in den . vier oder fünf wochen . äh nich einer zum direktor mußte wegen irjend ner sache weil .. für . vielleicht lags dadran daß die sich ehm
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jedacht ham na der is okay bei dem mach mer ma nischt . ar ich schätze es lach einfach dadran daß der sich nich wejen jeder kleinigkeit da irgendwie ofjespielt hat oder so .. //hm// un bei herrn a. is eijentlich so daß alle zwee wochen irjendwie jemand dahin muß . wejen sonstwas für sinnlosen sachen zum beispiel jetzt hier der eene äh aus der neunten weil er ehmt raucht . hatte eben die äh el- hatte ehmt die //hm// klassenlehrerin die eltern anjerufen . un jesacht ja der raucht un außerdem hat er ne glatze das bestimmt en nazi und . äh dann mußte der ehmt och zum direktor un . s ehmt pf sinnlose sachen wie jesacht . //hm// un da kann mer eijentlich nich sagen also große schulstrafen wurden meiner meinung nach och noch nich verhangen . und //hm// von der schule jeschmissen wurde meiner meinung nach och noch keener direkt . vielleicht irgendwie hintenrum bißchen rausjeekelt oder so daß er dann doch of de realschule jewechselt hat oder of e andres gymnasium . ar direkt rausjeschmissen wurde noch keener . //hm … äh . auch noch ma ne frage (krach) äh// (räuspert sich) .. //äh
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beschreibe einmal . ruhig ausführlicher jetzt . wieder die zwei pole mal n lehrer vielleicht .. den du hier einlich äh . gut annimmst an der schule und einen lehrer den de eigentlich mehr so .. äh . am meisten ablehnst// .. noch ausführlicher .. //ich wundre mich och grade . das hatt mer eigentlich och schon mal da oben ja …. jut is quatsch laß mer die weg// . alles klar (lacht kurz) //hm . aber was de noch mal erzählen kannst is äh . wenn du dir jetzt n ideallehrer erträumen könntest .// hm //einfach mal zu beschreiben wie würde der jetzt eigentlich so in deinen augen sein// . also weiblich äh un so war das erstmal klar .. naja ‚eben‘ (gedehnt gesprochen) . jute beziehung zun schülern ähm . möglichst jung noch also das och (räuspert sich) nich jetzt zu jung wie die referendarin ehmt daß die dann ehmt noch keen plan hat wos langjeht . //hm// sondern och n bißchen . autorität sollte schon dahinterstecken also . mer muß och wissen wer der lehrer is un . wer der schüler is . //hm// und dann . aber of jeden fall daß dann ehmt außerschulisch mal n bißchen was unternommen wird daß der lehrer sich ehmt kümmert .
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was weeß ich daß ma irjend ne theatervorstellung is oder so da muß nich jeder hinjehn wer ehmt keen intresse hat jeht ehmt nich hin . aber daß ehmt der lehrer sacht na hier is was un so ich könnte da karten organisiern könn mer doch ma hinjehn . //hm// un ich schätze da wern och de wenichsten abjeneigt dajejen . //hm// und daß ehmt . was weeß ich daß ehmt of klassenfahrten das äh nich wie schule behandelt wird . daß dann wirklich absolutes rauchverbot und kein alkohol und so ich meine . äh . wir sin sechzehn un . laut jesetz dürf mer unser bierchen trinken . un solange sich keener sinnlos besäuft un dann irgendwo in de ecke reihert das is dann . das is nich mehr schön aber . ehmt isses isses nich so daß es äh dann . irgendwie tragisch wäre wenn dann eener da en bier trinkt oder so //hm// und das sollte son lehrer eigentlich och akzeptiern .. un . ehmt . och freundlich sein ich meene jut mer kann nich erwarten daß en lehrer immer jute laune hat weil das . kann von mir keener erwarten also kann ich das och von keem andern dann erwarten . //hm// aber er sollte doch schon ähm .. verstehen
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die ähm . was weeß ich privaten probleme . dann doch irgendwo zu hause zu lassen dafür is er lehrer . um dann doch ähm bißchen of die schüler einzugehn . is klar jibt nich immer hat jeder sein juten tach aber . //hm// hm . n lehrer solltes doch trennen sein privates von der schule dann . irgendwie .. //na . und dann eben noch die frage gibst so jemand .. son ideallehrer// naja das wäre eigentlich wie jesacht frau e. schon ziemlich nah dran . //hm// also //hm// . sicherlich perfekt is niemand un ohne fehler is och niemand un . ar sie is doch schon ziemlich nah dran an der sache . //hm .. un bloß ma zeichen jemacht zu der frage vorhin// ja //weil das irjendwie .// (räuspert sich) //ha ich mich jetzt selber och jewundert warum die hier noch ma kommt . ja . na n paar sinds noch .. äh .. jetzt son// (hustes) //äh wo de auch schon bißchen etwas zu jesacht hast wie . schüler mitenander umgehen so .. äh vielleicht kannste da mal darstellen . was du eigentlich jetzt gut findest . daran oder was dich stört . wie eben schüler an deiner schule mitenander so .// hm //umgehen// na was ich in
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letzter zeit äh ziemlich cool finde daß es ehmt . diese akzeptanz von . äh anderen . politischen meinungen . äh //hm// das is wirklich . ä ziemlich astrein . sicherlich im . frühjahr wurd ich äh . was weeß ich als nazi bezeichnet oder sowas ar das is war eigentlich mehr oder wenjer ziemlich scherzhaft also das hat mir keener deshalb äh eene reinjehaun oder sowas . //hm// und das find ich also top daß hier äh keener deswegen . irgendwie beleidigt oder belastet wird . un ich jehe .. mittlerweile hab ich och e paar kumpels hier an der schule die . bißchen so mit meiner meinung übereinstimmen . //hm// un deshalb jeh ich da aber nich zu irjendjemanden hin der dann hier links is un sache eh scheiß zecke oder sowas . //hm// und weil ich das ehmt blödsinn finde . und das find ich eben okay daß das akzeptiert wird von allen seiten . //hm// und daß mer ehmt och kumpels ham . kann die ehmt ne andre politische meinung ham . weiterhin okay find ich alljemein daß hier äh . nich so so ne jewalt herrscht oder sowas . wie mer immer hört von irgendwelchen andern schulen was weeß ich
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schutzgelderpressung un dauernd schläjerein oder sowas . //hm// das findet hier ja überhaupt nich statt oder . wirklich nur im sehr jeringen maße und schutzjelderpressung da hab ich o noch nischt von jehört .. und das find ich eben . top also .. kann mer eijentlich nischt sagen . //hm .. un was stört dich jetzt so gibts da was// tja . stören .. naja von meiner politischen meinung her stört mich das irgendwie schon also es kratzt mich schon irgendwie daß dann äh de meisten dann hier im . also daß dann viele mit m iro rumrennen oder sowas . //hm// oder ehmt lange haare ham oder so aber . das is . ne private meinung un . pf da kann . kann ich mich eijentlich nich drüber ofrejen . //hm// n bißchen stört mich daß hier äh so drogen un so ziemlich kraß bei manchen sin aber . das is jeden seine sache ich habs och schon probiert un . s hat mir nich jefalln un wenns jemanden jefällt soll er machen aber ich finds eben bißchen kraß in letzter zeit . //hm hm . äh da muß ich hm glei mal nachfragen was für drogen// ‚war klar‘ (lachend gesprochen) //was denkstn was da so .// tja was heeßt denken //worums da
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geht// äh pf . großteil weiß ichs also hm . es nenn ich äh . am besten ma keene namen weil das //hm// is dann doch jedem seine sache . //hm// eben . als ziemlich äh bei vielen jetzt schon vor drei jahren oder so anjefangen ehm haschisch rauchen un sowas .. jut pf . haschisch rauchen wird sowieso bald legalisiert wie das aussieht un . mer kanns in . jedem jeschäft koofen so unjefähr . //hm// un . so krass isses nich mir persönlich hat selbst das nich jefalln also ich hatte da n ziemlichen blackout von . un . deshalb hat mich nischt weiter anjetörnt oder so daß ich dann sache ach das mach ich das is cool . un ich würd mich o nich hinstellen un deshalb irjendwie . haschisch rauchen . //hm// bloß das problem is daß ehmt bei vielen hn . ä oder bei . naja bei .. mindestens zehn schülern wo ich jetzt och namen sagen könnte . das och in letzter zeit so härtere sachen dazukommen . das jing ehmt los mit ecstasy irgendwelche chemischen sachen die da äh irgendwie reinjezogen wurden .. //hm// n paar leute ham ehmt schon koks jeschnüffelt un so ne sachen . da ich meine in der zeitung liest mer da
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nischt drüber aber mer hört dann doch äh . von allen seiten daß es doch schon so weit is . //hm// un . mir hat och schon jemand anjeboten hier von der schule eh willste nich ma mitkommen un so koksparty un . ich hab keen bock drof und . //hm// das jefällt mir einfach nich . //hm// un . ich weeß nich heroin spritzen oder so haich bis jetzt noch nischt jehört un . weeß nich .. es jibt n paar leute wo den ichs zutrauen würde daß ses irjendwie ma probieren würden aber meines wissens nach hats noch keener jemacht also . //hm// wär schon nich schlecht wenns dabei bleibt . //hm// aber koks is doch schon . ne janze spur zu hart //na hm// und ecstasy och . //na also das . verblüfft mich jetzt an der stelle auch n bißchen weil ich das .// hm //noch nich so mitbekommen// naja das äh //also mit diesen haschisch . un so . das könnt ich mir och gut vorstellen bei einigen leuten aber// hm //das// na es wird es wird ziemlich //hm// unter also es wird ne nich . groß äh jesacht //ja// es war mal so . sojar mal ne zeitlang so daß hier ähm . eener en an der schule ehmt hasch je- dealt hatte un so . //hm// un och
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en paar äh pillen so unter de leute jebracht hat .. un . is nich in ordnung //hm// . kann mer sagen was mer will . //hm// . un . das is ehmt so ne sache . wo der direktor mal n bißchen mehr da hinterher sein sollte als zwischen äh als irjendwelcher schlägereien zwischen fünftkläßlern . //hm hm// was ja wirklich nich so kraß is . //hm … ja .. äh versuche mal vielleicht zu beschreiben . so hast ja jetzt auch schon also grad von dieser politischen ausrichtung hastes jemacht ar vielleich jibts ja da noch äh . andere spielarten . äh versuche mal genauer zu beschreiben welche unterschiedlichen gruppen von jugendlichen . du jetzt hier an dieser schule wahrnimmst// . hm naja das . äh muß ich sagen das is eigentlich äh so ziemlich aus sämtlichen äh politischen freizeitlich aktiviert äh aktiven leuten . so ziemlich alles dabei is licht warscheinlich dadran daß eben aus allen teilen von h. und umgebung //hm// sojar aus m umkreis teilweise leute hier sin . also wir ham hier äh linksautonome linksradikale wir ham äh . rechtsjerichtete wir ham teilweise och rechtsradikale hier . wir ham äh . sprüher un . skater äh
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rapper hip-hopper . dann . viele sportlich äh . versierte le- leute kumpel von mir was weeß ich hier basketball un so wird hier ziemlich groß jeschriem . //hm// volleyball och un . paar die fußball spieln ehmt . hn so ziemlich aus allen richtungen un och n paar computerfreaks un so äh //hm// . weeß nich das is so son paar richtungen ich kann mich eigentlich zum beispiel in drei richtungen also computer intressiert mich janz cool äh dolle un . was weeß ich dann äh hip hop un so hör ich mir jerne an . hn klamottenmäßig sieht mers wahrscheinlich och en bißchen . un dann ehmt noch diese äh rechtsjerichtete meinung aber . da sieht mer dann zum beispiel och widder daß das nich so kraß is bei mir weil . //hm// normalerweise äh jeder äh richtje nazi . sach ich mal der en hip hopper sieht der klatscht den weg und . das is wirklich blödsinn und . deshalb //hm// hör ich och hip hop weil mir die musik jefällt //hm .. also is bunt jemischt ja// bunt jemischt //na// un . //hm// ehmt das is ehmt das coole daß hier keener deshalb paar ofs maul kricht weil er hip hopper is oder so . //hm … ja . äh vielleicht gibts das ja
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be- bei euch jetzt irgendwie versuch mal zu beschreiben . vielleicht einen schüler oder eine schülerin . äh die also beim . recht großen teil . von . den andern mitschülern so anerkannt wird un akzeptiert is// . naja das is eigentlich . weeß nich das is so äh . wenn de so rausguckst in der pause die leute die da rauchen . //hm// sin eigentlich so die äh . zu der gruppe zähl ich mich och . //hm// weil . das is widder irgendwie die raucher das is so ne eigene gruppe das is zwar dann och aus den andern bereichen so jemischt . //hm// aber die ähm . ham teilweise nich so viel mit den andern am hut was weeß ich aus welchen gründen aber irgendwie hat sich das son bißchen rauskristallisiert . weil die in jeder pause draußen sind die andern machen hier drinne ihr ding in der pause un wir sin ehmt draußen un rochen //hm// und dadurch sind eben . äh wir dort draußen und da würd ich aber nich sagen daß da eener mehr oder wenjer anerkannt is . //hm// was weeß ich es jibt hier son paar schillernde persönlichkeiten sach ich mal wie zum beispiel äh . guido . tom jenannt x. . ähm darauf läßt sich zurückfügen äh
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zurückführen y. y. un . das is eben auch einer dieser jenigen welchen . //hm// äh aber so richtig jetzt hier . eener mehr oder wenjer anerkannt jut äh zum beispiel .. z. ähm ein- . z. jenannt heißt hans müller oder sowas . äh . jemand der desöfteren mal n bißchen so dumm jemacht wird oder so . //hm// aber och nich jetzt so kraß daß der jetzt deswegen heulend nach hause rennt oder sowas . //hm// sondern einfach mal so hm paar spitzen dem jejenüber weil er is halt n bißchen komisch rum . //hm// den haste bestimmt schon jesehen son langer son dunkelgrüner ähm . mantel so gummiartiger stoff . und haare sind nach hinten und son zopf nach hinten . //hm// so bißchen breiter a ich gloob . müßteste eijentlich schon jesehn ham //hm bestimmt . hm … aber da könntste jetzt nich also . so bestimmte merkmale aufzählen warum jetzt jemand praktisch so von ner größeren schicht anjenommen wurden oder warum jemand abgelehnt wird .// naja . einfach das merkmal daß äh jemand .. besser reden kann besser mit äh irgendwelchen andern leuten umjehn kann .. weil pf ich seh das bei mir ich hab jetzt im ..
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n kleinen kreis von leuten wo ich sage das sind beste freunde von mir . //hm// und dann aber hn .. ziemlich riesengroßen kreis von leuten wo ich sage das einfach nur kumpels . //hm// das komme eenerseits dadurch eben durch ferienlager dadurch daß ich mal hier äh in h. bin mal of m dorf draußen un . dann ehmt hier in der schule und dadurch widder kumpels und . //hm// . das is eigentlich riesengroß und die leute . ich weeß nich d- ich würde jetzt deshalb nich sagen daß ich dann . (lautes klappern) daß ich das . daß ich zum beispiel deshalb .. dolle anerkannt werde oder so .. aber . ich würde schon sagen .. jetzt nich irgendwie eigenlob aber ich bin eigentlich schon ziemlich akzeptiert un . aber eigentlich zum beispiel kerstin is ziemlich akzeptiert äh kerry aus meiner klasse is ziemlich akzeptiert . //hm// un noch .. drei
Kassettenwechsel
//ja … gut un wenn das jetzt praktisch äh doch mal äh zu . konflikten oder problemen kommt . in der schülerschaft äh// hm //wie geht ihr dann da mitenander um//.. naja pf äh . es hört 105
sich jetzt ‚vielleicht n bißchen‘ (lachend gesprochen) äh äh klischeehaft an aber das wird einfach ausdiskutiert . also da wird ehmt gesacht eh hn . machst machst hier scheiße oder sowas muß nich sein un so un halt dich mal n bißchen zurück oder sowas . //hm// un is eigentlich o noch nich so daß jemand da irgendwie dolle negativ ofjefallen wäre oder sowas .. eben . höchstens hier eben .. dodo eben mit seim hasch oder so . da wird ehmt jesacht eh . laß doch mal die kacke oder so hier an der schule muß nich sein aber de meisten pf . die sagen ehmt naja . soll er machen is doch sein ding un .. s äh teilweise äh isses ne jute mischung aus ähm . neutralität jejenüber andern sachen und teilweise och wo mer wo mer mal mitredet . //hm// eben daß eigene sachen private sachen wirklich akzeptiert werden . weil . wie jesacht das sind unternander äh nich beste freunde sondern einfach nur kumpels un unter kumpels da kann mer nich sagen na du hast jetzt das zu machen oder du hast das zu machen .. sondern da kann mer wensten ma sagen naja findch nich in ordnung aber mach ruhig oder so . //hm// un . da hat
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ehmt jeder zu entscheiden seine meinung und . das is einlich das was ich hier och so okay finde . //hm …. wenn de jetzt mal so an äh möglichkeiten vielleicht denkst .. äh . wo für die schule bestimmte entscheidungen getroffen werden jetzt vielleicht . schülercafe als beispiel// . hm //äh wie siehst du das eigentlich gibts da oder wie siehst du so die möglichkeiten .. daß schüler an dieser schule einfluß auf solche entscheidungen nehmen können// .. jar nich und zwar licht das daran begründet äh daß . daß es hier en sehr großes desintresse an solchen dingen herrscht . //hm// also .. (andere person: ich hab mal ne frage könnten sie vielleicht neman hin) //nebenan . äh ..// (gerät wird abgeschaltet) ja äh wie jesacht das große desintresse hier un .. es gibt schon die möglichkeit daß da was jemacht wird an der schule .. ähm der schülerrat hat sich da schon dahinterjeklemmt der hat dann ehmt jesacht naja hier so un so die ham ja dann drüm en briefk- briefkasten einjerichtet wo wir ehmt vorschläje äh //hm// sojar anonym da . reinbringen konnte . //hm// also mer mußte da nich ma hintreten . aber .
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ich gloobe da wird hn hm in dem eem monat wo der hängt wurde äh eene janze ä meldung da drinne jefunden un die war och gloobe sojar noch bißchen stumpfsinnig oder sowas . naja .. als schülerrrat selber ähm . is da schon intressiert un .. paar so leute jibts dann schon die dann hinjehn zu ihrm klassenleiter un äh klassen- . sprecher . //hm// un ehmt sagen naja das könn mer doch so un so machen . un . wern dann meistens och die vorschläge vorjebracht . und der schülerrat muß ich sagen so . wie er im moment besteht die äh .. machen da schon äh janze sachen also .. is schon nich schlecht was die machen bloß . is ehmt wie jesacht von den . was weeß ich knapp tausend schülern oder was wir hier ham . //hm// ähm die meisten .. wenig intressiert an dem was hier passiert also . //hm// die ziehn ihrn stoff durch und sind froh wenn se nach hause kommen also . die intressiert das dazwischendurch oder so was danach is relativ wenig . //hm .. hm …// (räuspert sich) //ja . un da haste jetzt praktisch schon mit angefangen aber vielleicht kannste ruhig noch mal . äh da noch n bißchen mehr zu sagen
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wie du eigentlich so die arbeit der schülervertreter .. äh siehst// .. naja erstmal .. ziemlich wichtje arbeit weil wenn die andern keen intresse ham da was zu machen dann sollten wenichstens die leute die dann och . bißchen was zu sagen ham . //hm// och äh . ihre möglichkeiten wahrnehmen .. un . machen se äh großteils nich schlecht wird natürlich ä viele sachen . werden dann im endeffekt vom von n lehrern oder vom direktor oder so jesacht was wie das dann im endeffekt jemacht wird . aber es hat sich in letzter zeit schon jebessert daß dann ehmt doch äh der schülerrat n bißchen mehr zu sagen hatte . //hm// wenn de das zum beispiel mit dem schülercafe daß das durchjedrückt wurde un so .. das is schon nich schlecht da . äh wurde schon seit ewigen zeiten wird da schon drüber diskutiert ob das nun kommt oder nich . //hm// aber scheinbar siehts jetzt so aus als obs dann doch endlich durch is . //hm// . weil wir ham schon mittlerweile schon leute jesucht die da . hm dran mitarbeiten wolln un so .. un . das is zum beispiel eene entscheidung die da janz günstig da jetroffen wurde . dann noch
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son paar andre sachen so mit klassenfahrten un . klausurregelungen un so da ham se dann och . nich unbedingt das letzte wort aber dann doch schon bißchen da mit //hm// äh vorschlagss- . ähm . vorschlagsanteil . die sich da reinbringen können //hm .. hm .. ja und dann äh könnte man sich ja .. grad . ähm . wir wissen das ja alle noch von andern zeiten wo also (es knallt) schülervertretungen nich so . großjeschrieben waren . äh vielleicht kannste da mal sagen was de eigentlich überhaupt so von der einrichtung .. von schülervertretung so hältst// . naja pf wie jesacht das ne . coole sache . weil . is so ziemlich ne de einzje möglichkeit da wirklich was zu machen weil wenn da n einzelner zum klassenlehrer jeht . un sacht na . könn se das nich so machen der denkt naja pf der eenzelne der //hm// will dann will da hat da mal ne meise der will dann mal das un das . intressiert keen . aber so ne schülervertretung das ä sieht dann doch n . äh so aus daß dann doch n äh paar mehr leute dahinterstehen . un das sin meistens dann och äh sachen die irgendwo wichtig sind oder wo wirklich en echtes
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intresse dafür besteht . //hm// und das is eigentlich ne jute möglichkeit sowas rüberzubringen . //hm// ich meine so ne art schülervertretung war ja in der ddr och bloß daß da ehmt keener was zu sagen hatte //hm// sondern daß da vorschläje von . andern seiten dann ehmt anjenommen wurden einfach mal . //hm// .. (stimmengewirr im hintergrund) insofern is das schon .. jute sache //hm … ja wie schätzt du so . das freizeitangebot an eurer schule ein// .. doch . würd ich schon sagen is nich schlecht . //hm// äh hat sich schon . ziemlich verbessert also . was sich dann so ergeben hat also vor allem so in sportlicher richtung ehmt basketball volleyball fußball gloobe och noch oder wird is noch im äh gange das einzurichten . //hm// dann eben äh . astronomie daß da n kurs besteht wo mer dann ehm och mal sterne beobachten kann wer da unbedingt lust dazu hat . //hm// un äh . computerkabinett steht ehmt dann äh . offen daß mer dann .. nach anmeldung oder ehmt in der äh . arbeitsjemeinschaft dann ehmt sacht . naja mach mer ehmt das und das .. un hauptsächlich aber ehmt sport es jibt dann ehmt
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noch hier die . theater-ag die dann . schon seit ner janzen weile besteht . //hm// die dann eigentlich och schon paar janz jute sachen rausjebracht ham würd ich sagen .. ja zum dann gibts ehmt noch äh musikmäßig jibts da noch was da jibts ehmt n . jazzchor .. jazz blues ach irjend ne musik weeß ich nich . zumindesten n irgendwelche äh .. chöre chore //hm .. chöre ja// chöre es is okay un un ehmt so ne sachen //hm// da sin . es kommt ä nur immer drof an wo sich . wo och äh lehrer da sind die das machen . //hm// die dann och intresse an sowas ham das is zum beispiel in astronomie äh herr q. . der sich dann dafür intressiert un das deshalb och ofjemacht hat . //hm// weil es is nich so daß die . schulleitung oder so grundsätzlich dagegen wäre daß sowas besteht .. das is ehmt nur immer ne sache ob dann die lehrer wirklich intresse ham sowas dann durchzuziehn . //hm// un bei vielen lehrern besteht dann eben der fall und zum beispiel die volleyball-ag . die wird dann von nem . äh ehemaligen schüler dieser schule jeleitet der is mittlerweile .. sechzig .. sechzig also die schule besteht doch schon ne
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weile wie ich das so //hm hm// jemerkt habe //hm// . un der leitet das eben und da könn mer ehmt oben in die turnhalle rein und . basketball eben von herrn b. un . herrn r. . //hm// . und sind ehmt doch viele lehrer die sich außerschulisch dann doch noch irgendwo intressiern . och wenn se innerschulisch äh wenig intresse an ihrer schule zu sch- äh ham schein //hm hm .. ja und äh .. gibts da och so möglichkeiten daß ihr als schüler selbst bestimmte . sachen organisiert jetzt freizeitangebote hier an der schule oder .// hmm //wie siehts damit aus// na sicherlich äh irgendwo . besteht die möglichkeit schon es hat se wahrscheinlich nur noch keener wahrjenomm . äh es is ehmt so daß ehmt bei . den janzen arbeitsjemeinschaften doch e großes mitbestimmungsrecht besteht . //hm// also eben . daß eben .. es is wie jesacht das is freizeit und es soll nich sein wie schule daß ehmt der lehrer oder . ag-leiter oder wer och immer . dann sacht na jetzt wird das jemacht jetzt wird das jemacht . sondern daß ehmt wirklich die leute dann entscheiden können . //hm// is klar daß bei irgend ner sportart der trainer dann
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doch zu //hm// sagen hat was jemacht wird soll und es kommt nischt invo- sinnvolles dabei raus . //hm// ar daß zum beispiel in der theater-ag daß dann einije vorschläge jemacht wern daß dann äh . leute ankomm un sachen ja hier . das stück jefällt mir könn mer das hier nich ma machen oder so . daß eben da von der theater-ag aufführungen äh jemacht wern . die dann . wie ich das so mitjekricht habe nich unbedingt von frau h. ausjehn die das leitet . //hm// sondern doch äh auch von den schülern die dann sagen na wir könnten doch zu dem und dem äh . was weeß ich die veran- zu der und der veranstaltung //hm// oder so was weeß ich tach der offnen tür oder so . könnt mer doch ruhig ma was machen . //hm// und ehmt daß eben hier bein wenn fasching is oder sowas . daß dann doch och n intresse der schüler besteht daß dann äh was weeß ich irjendwelche mädels aus der elften daß die da dann äh äh . gymnastischen tanz da oder sowas machen was weeß ich was das war . //hm// sah of jeden fall nich schlecht aus //hm// . und äh . daß dann da jemand irgendwelche würstchen grillt oder so . un daß da och wirklich intresse
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besteht un . och die schülerzeitung zum beispiel daß . was macht schülerzeitung wa ich weeß ja nich großartig isse jetzt nich mehr nur das was nur in der schulleitung is . //hm// daß dann och äh in der . von schülern mit artikel äh rausjejeben werden . un .. das och wirklich äh die schüler da intresse zeigen un och wirklich welche machen . ich meene jut ich hab noch keene artikel jemacht . //hm// un ich hab keen intresse aber wenn jemanden wirklich mal . was nich jefällt un . das ehmt ne möglichkeit is dann . wird die och schon jenutzt //hm . hm … ja . vielleicht kannste noch mal von deinen eltern erzählen wie wichtig is eigentlich so deinen eltern die schule// .. hm das is en bißchen ähm . unterschiedlich widder also meine mutter sacht ehmt . naja es is dein leben du bist irgendwo alt jenuch es is nich so daß se ehmt desintresse hat aber sie sacht ehmt . du mußt .. mehr oder wenjer irgendwann och selber lernen . äh was da zu tun ist . //hm// sie sacht dann . äh sicherlich äh fällt se mir nich um hals oder sowas wenn ich da mit ner vier oder sowas nach hause komme . //hm//
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aber . sie äh . meckert och nich en janzen ahmd drof rum . wo mein vater widder das äh . absolute gegenstück is er sacht dann ehmt hm das darfste nich machen das kannste nich machen da mußte dich verbessern . //hm// irgendwo äh . wenn ich nur . was weeß ich wenn jetzt nur meine mutter alleine was sa- . was sagen würde wenn mein vater nich wäre würde och meine mutter nich wäre umjedreht //hm hm// dann würde das zwar irgendwo in ne falsche richtung jehn aber das gleicht sich dann irgendwo aus un da äh find ich dann dadurch irgendwo n richtjen mittelweg also is schon nich schlecht wie das so is //hm// . ehmt daß ehmt mein vater sacht du mußt dich wirklich dahinter knien und meine mutter sacht naja . mach das mal locker du krichst das schon irjendwie hin //hm// ehmt . meine mutter die äh . schafft das dann irgendwie mich . irgendwie selber wieder ofzubauen also das sich daß die mich da widder selber n bißchen optimistischer macht . //hm// un mein vater äh sacht dann eben den macht dann eben den teil wo . wirklich die leistung erforderlich is . //hm … ja und das is eigentlich äh die
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frage och noch mal die sich da anschließt . äh erzähle einmal wie deine eltern dann reagieren eben wenn du wirklich äh . mit schlechten noten da nach hause kommst// .. naja ähm . gott sei dank isses ja so daß ich nun nich jede woche mit ner fünf oder ner sechs nach hause komme . un deshalb jeht das eigentlich och so . ähm . tja zu meinem eigenen schutz zeig ich nun fünfen . nich unbedingt meim vater . weil muß ja nich sein reicht ja wenn meine mutter unterschreibt oder das sieht . //hm// un . es is . (lautes stimmengewirr im hintergrund) was weeß ich in ner kurzkontrolle oder so kommt das schonma vor ausrutscher pech kann passieren un . is och nich so daß ich nun dadurch absolut schlecht stehe un .. viel äh paar fächer hab ich mittlerweile von der drei och schon of de zwei un so . un vors jahr in latein ne vier of ne drei runterjearbeitet un . //hm// die drei scheine ich ja och zu halten .. un . meine mutter schafft das dann ehmt noch zu sehen daß ich ehm äh die sieht dann den zusammenhang mein vater sacht fünf oh gott is das schlecht . //hm// un meine mutter sacht ehm naja vergleiche ma dann die
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andern noten da haste da janz schlecht normal äh . äh nich janz so schlecht und dann wars ma e ausrutscher . //hm// kann passieren //hm// . unterschreibt se dann och ma siehts meistens locker un dann roch mer zusamm eene un (lacht) dann is das janze jeritzt . //na das is ja cool (lacht) ja .. was meinst du sollten sich äh . eltern eigentlich stark für schule intressiern un och so am schulleben beteiligen . oder fändest du das eher nicht so gut// . hmmm na krasse frage weil es is . mer hört ja immer wieder beispiele das äh schüler . zu dollen leistungsdruck und dann was weeß ich laut //hm// bildzeitung erhäng se sich dann wahrscheinlich oder sowas . //hm// ich meine sicherlich kommt vor . un das is of jeden fall falsch also .. mer soll die eltern sollten dann schon sagen . komm . knie dich dahinter aber . //hm// eben of ne art un weise daß se eben den- . jenjen dann nich an schreibtisch prüjeln und dann dem das buch vor de nase un jetzt lerne . sondern daß se ehmt versuchen das janze bißchen äh . ehmt wie meine mutter das macht so en bißchen . optimistischer //hm// dann zu äh aussehen
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zu lassen daß se ehmt sagen naja .. kann passieren ne schlechte note mach doch mal n bißchen was un . versuchs doch wirklich ma . //hm// nich un aber was dann och falsch is daß dann son son . son nach dem motto na mach ma du krichst das schon hin . das is och blödsinn weil dann denkt der schüler naja meinen eltern is das sowieso ejal . ich selber ich wer das schon irjendwie hinkriegen . ich kann das schon un . pech . //hm// die äh giebts ja an der schule hier och paar beispiele . paar ehmt die . wo die eltern dann ehmt sagen naja . mach mal ruhig ma bißchen mehr un paar sagen dann ehmt . du mußt jetzt du mußt das jetzt lernen und . andre ham dann ihre ehmt überhaupt keen intresse un das sieht mer dann aber och in beeden richtungen führt das irgendwohin aber zum gegenteil . //hm// wo die . oder ehmt wo die eltern keen intresse ham das wird dann .. fällt dann irgendwann ziemlich schlecht äh . runter und dann is natürlich is jeschrei von den eltern her groß . //hm// . und dann wo ehmt zu doller druck is dann eben durch die nervosität ofrejung was weeß ich . wo dann der leistungsabfall dadurch
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stattfindet . //hm// . also muß wie jesacht son . mittelding da jefunden wern . //hm … ja un was erwarten deine eltern von dir// .. in welcher beziehung (lacht kurz) .. meinst du jetzt . //ja . überhaupt also gibts bestimmte erwartungen die deine eltern irnwie an dich mal so// . naja meine eltern //herantragen// . erwarten äh of jeden fall . daß ich en lieber junge bin .. un nee daß ehmt . das ich .. äh hauptsächlich erstmal daß ich in der öffentlichkeit keenen . irgendwie terror mache oder so . was weeß ich äh . zu irgendwelchen demonstrationen jehe und bullen mit steinen beschmeiße oder sowas . //hm// muß nich sein un . wer ich och nich machen . un .. eben . schulisch erwarten se . daß ich meine leistungen bringe daß ich es bestmögliche aus mir raushole aber mich och nich überarbeite daß ich eben och nich dann . en janzen tach nur dasitze . sie wollen irgendwo och daß ich irgendwie am jesellschaftlichen leben doch irgendwo teilhabe . //hm// weil vor allem meine mutter sacht dann . eben paß of du bist . ä bist nur eenma jung und dann nutze deine jugend wesent-
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wesentlich äh aus solange es ehmt noch jeht . //hm// un .. mein vater hat dann zwar die ansicht .. das was äh so jut wie de jetzt lernst desto wenjer brauchst du später arbeiten aber das is och blödsinn im endeffekt arbeitet jeder irgendwo jenausoviel wenn er arbeitet //hm// . un dann denk ich sollt ich wenichstens meine zeit jetzt noch nutzen .. und das sehen meine eltern größtenteils och ein . //hm// … naja dann erwarten se vor allem noch irgendwo n familienbewußtsein . das muß ehmt da sein . //hm// .. verständlicherweise . //hm// . also . is nich bei allen so aber .. bei allen familien aber meine eltern sagen dann ehmt naja äh guck doch mal wieder zu oma un so un .. die freut sich och wenn se dich sieht un .. äh . guck ma bißchen nach deim bruder un . hm was weeß ich unterhalt mer uns ehmt mal ne runde manchmal is e bißchen sinnlos . sitzt ehmt mein vater am ahm- äh am ahmbrotstisch un . versucht ehmt krampfhaft ne unterhaltung da zustande zu bringen . //hm// wo ich fertig bin vom tach den ich dann so habe un eigentlich keen bock habe mit mein eltern dann noch zu
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reden welche probleme ich in der schule habe . ar das block ich dann meistens irjendwie ab . //hm .. hmm .. ja . wenn de jetzt noch mal einfach .. bißchen so an das denkst was de jetzt alles so erzählt hast äh .. kannste dann vielleicht mal zusammenfassend sagen . wie wichtig is eigentlich die schule für dich// … hm .. tja . wie wichtig ist die schule … of jeden fall äh in .. bezug of beruf un späteres leben un geld un so of äh .. vom logischen standpunkt her sehr wichtig . //hm// äh allerdings von meinem eijenen schweinehund her und vom äh . faulen standpunkt her .. hm wenjer wichtig ehmt es . jeht ehmt äh . dann doch äh . freundschaft und . was weeß ich disco oder sowas jeht dann doch vor . un . irgendwo muß ichs schaffen da .. widder den den einklang dazu finden daß ich ehmt da zwischen den zwee sachen da son weg finde //hm// daß ich of keenen fall mich äh hier irgendwie fertigmache und dann . übelster streber bin oder sowas . weil sowas licht mir nich un . wer ich nich machen . un . daß ich aber och nich äh .. zu sehr äh dann im desintresse verfalle und dann einfach sache ach das jeht schon
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seinen jang . //hm// .. also is doch schon .. in dem lebensabschnitt . ne . jehobene stellung also an //hm// wichtigkeit . //also das is dann praktisch äh . das abitur ja was die .// das is of jeden fall . ejal äh . obs jetzt fachabitur das wird äh wenn ich of das wirtschaftsgymnasium //hm// jehe oder en alljemeines abitur . aber of jeden fall is erstmal das ziel wo ich hinarbeite //hm hm .. ja na dann noch mal eigentlich so die frage . äh was du so für vorstellungen hast wies dann in deinem leben weitergehen wird// .. tja äh .. naja . was ich eigentlich hoffe daß ich nich äh irgend son . schreibtischhengst da were der da n janzen tach hinterm schreibtisch sitzt sowas licht mir nich . //hm// un . mein traum wäre eigentlich irgendwas . was weeß ich äh so bißchen durch de welt ziehen oder sowas irgendwo was weeß ich .. äh ideale wäre von irgend m reichen onkel in amerika . n was weeß ich ne million erben und dann erstmal durch de weltjeschichte das wär erstmal das was mich am meisten reizen würde .. weil . trotz äh nationalbewußtsein äh hab ich doch nicht das intresse
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an andern ländern verloren un . //hm// . wär ja och blödsinn . es jibt och überall äh of der welt schöne plätze un . deshalb muß kann mer sich das würd ich mir . alles . jerne ma angucken was weeß ich hier . irgendwelche pyramieden oder sowas oder . //hm// südamerika ma n dschungel oder sowas wär schon nich schlecht . //hm// fehlt ehmt das nötige kleinjeld un . ich hoffe irgendwie daß ich das schaffe jetzt mit m abitur .. un dann . hn lehre äh machen oder ne ausbildung . un nachdem ich dann meine ausbildung fertig habe dann . irgendwie vielleicht ma n jahr nach amerika oder irgend sowas daß wenigstens der ansatz da ist . wenn s jeld vorhanden is //hm hm// un so ne sachen //hm .. und so dann äh . vielleicht noch im familiären bereich// naja familiär . ich denke eigentlich schon daß ich ne familie gründen möchte . //hm// mer weeß nie was passiert aber . s doch so äh . das was ich machen will . //hm// hmm welcher art jetzt un . wieviele kinder und was jenau das weeß ich noch nich un . ich weeß och noch nich wo ich dann später ma wohnen werde sicherlich äh in deutschland in . ha dem land möcht ich
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eigentlich bleiben . //hm// aber äh ob ich jetzt nun unbedingt noch in h. wohne oder äh durch berufliche bedingungen irgendwie was weeß ich wohin ziehe //hm hm// . weil einfach dort bessre möglichkeiten sind weeß ich echt noch nich //hm . na . jut das war meine letzte frage jetzt ham mers jeschafft .. äh viellei kannste noch ma einfach kurz so . hm erzählen wie de jetzt insgesamt die situation . praktisch . das jespräch jetzt hier so empfunden hast .. // hm na of jeden fall ziemlich locker un so .. fands nich schlecht äh . och so mit dem lebenslauf ich meine das jibt n intressanten einstieg of jeden fall //hm// . kommt natürlich äh von of jeden drof an //hm// wie er äh wie sein lebenslauf bis jetzt war .. und naja . die fragen jut äh . muß ich ehrlich sagen teilweise en bißchen . zu sehr wiederholung . //hm// vielleicht lichts och an mir daß ich nich zu äh konkret of die fragen einjejangen bin sondern is so ne art von mir da son bißchen auszuschweifen und dann äh . //hm// . ziemlich //nee is einlich// andre andre sachen noch mit einzubeziehen . //is ja eijentlich schön wenn man das och en
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bißchen komplex sieht ja// hm //un nich bloß so// naja //na// weil ich find finds en bißchen sinnlos dann of jede frage dann drei sätze fertig das //hm hm// licht mir nich mach ich nich //na . und hier so mit dem jerät un so hatts de da irjendwie .// hm na am anfang . schon bißchen komisch aber . //hm// . da ich jemanden habe dem ich in de augen gucken kann beim erzähln //na// da jeht das eijentlich //na .. na schön freut mich . jut . ich denk och is janz jut jelaufen also .// na //na// dann jehts doch //na schöne sache . jut dann könn wirs ausmachen war// . alles klar //stop//
Interpretation
D: gut . alles klar .. tja . fang mer mal janz klein an
Betrachten wir diese erste Sequenz in seiner formalen Struktur, so kann man festhalten, dass hier auf einen vorgängigen Interaktionsakt positiv zustimmend reagiert wird. Dabei wird mit der Zustimmung zugleich ein hohes Maß an Klarheit und Sicherheit transportiert, so dass hier insgesamt von einer Interaktionssituation ausgegangen werden kann, die nicht von sich aus eine solche Klarheit impliziert, sondern die im Gegenteil auch hochgradig offen und unbestimmt sein kann. Die Zustimmung verdeutlicht damit zunächst, dass der Sprecher in der Lage und bereit ist, die offene und unbestimmte Interaktionsanforderung aufzunehmen und zu erfüllen.
Auch im weiteren Fortgang dieser Sequenz zeigt sich diese bereitwillige Annahme von Interaktionsanforderungen. So wird zwar mit ‚tja‘ der Beginn der Umsetzung mit einem Zweifel und einer Relativierung versehen, die der zuvor ausgedrückten Evidenz entgegensteht. Jedoch folgt direkt im Anschluss die Ankündigung der Umsetzung der Interaktionsaufforderung, die hier mit dem Beginn des ‚janz kleinen‘ signalisiert wird. Dabei kann das ‚janz klein‘ entweder eine Strukturierung der Darstellung mit hohem Detaillierungsgrad ankündigen, oder es wird auf frühe Entwicklungsphasen im Sinne eines teleologischen Stufenmodells Bezug genommen. Dann wäre davon auszugehen, dass hier ein Bildungsprozess im thematischen Zentrum der Darstellung steht, der sich entweder auf die eigene Person oder eine Gruppe/Organisation bezieht. Die Phase ‚janz klein‘ wäre dann tendenziell am Anfang der Entwicklung dieser Bildungsgeschichte zu verorten. Diese Bildungsgeschichte ist somit in dieser Variante als Gegenstand der Interaktion klar ausgewiesen, wobei im Weiteren eine monologische Darstellung dieser Bildungsgeschichte über verschiedene Phasen zu erwarten ist.
D: jeborn wurd ich in . (stadtname) . . am achtzehnten zehnten . neunsiebzich . //hm// . .
Mit dieser Sequenz können die vorangegangenen Überlegungen aufgenommen und weiter konkretisiert werden. Deutlich wird, dass hier der Beginn einer Bildungsgeschichte präsentiert wird, die wiederum als eigene Lebensgeschichte des Sprechers bestimmt werden kann. Das heißt, im thematischen Fokus der Interaktion steht das gelebte Leben bzw. der Lebensverlauf des Sprechers, der hier in Form einer Lebensgeschichte präsentiert werden soll. Die lebensgeschichtliche oder biographische Präsentation wird hier mit der Kennzeichnung des lebensgeschichtlichen Ausgangspunktes begonnen.
Dieser Beginn ist nun insofern interessant, als er einerseits eine spezifische formale Struktur der lebensgeschichtlichen Präsentation andeutet und andererseits zugleich auch auf fallspezifische Modifikationen der formalen Struktur hinweist. So deutet sich zunächst an, dass sich der Interviewte hier an formalen Mustern der lebensgeschichtlichen Darstellung orientiert. Dies würde insofern dann nachweisbar sein, wenn der Interviewte im Weiteren sich an den harten Sozialdaten des Lebensverlaufs abarbeitet und hier besonders die institutionellen Übergänge und Statussprünge ausweist. Es zeigt sich aber auch, dass die Umsetzung dieser formalen Muster selbst eher nicht formal, sondern umgangssprachlich und abkürzungshaft formuliert wird. Und zugleich deutet sich eine leichte Priorität der lokalen Einbettung des Ursprunges der Lebensgeschichte an.
Schließlich wird mit dieser Eröffnung der lebensgeschichtlichen Darstellung auf zentrale sozialhistorische Rahmungen und damit eine spezifische Generationslagerung des eigenen biographischen Verlaufes verwiesen. Diese Rahmungen und Lagerungen sind jedoch in dieser Sequenz bisher nur angetippt und noch nicht expliziert. Jedoch könnte sich in den weiteren Formulierungen zeigen, dass gerade die lokale Rahmung des Wohnortes oder die zeithistorischen spezifischen Aufwachsbedingungen der 80er Jahre entscheidende Weichenstellungen für den Individuationsprozess des Interviewten bereitstellen. In diesem Zusammenhang ist auch die Formulierung ‚wurde‘ sehr stimmig, weil mit ihr gerade das ‚passive Moment‘ einer externen und nicht aktiv zu beeinflussenden Rahmung zum Ausdruck gebracht wird. Aus der Perspektive der Prozessstrukturen kann hiermit formuliert werden, dass der Interviewte gewissermaßen passiv erleidend und konditionell mit den Bedingungen des Aufwachsens konfrontiert wird, die sich aus der zeitlichen und lokalen Lagerung heraus ergeben. [1] So kann abschließend darauf verwiesen werden, dass gerade mit der Explikation der zeitlichen und lokalen Verortung des eigenen Lebens ganz grundlegende Rahmungen des Lebensverlaufs implizit markiert sind, die jedoch noch nicht die Konturen der individuellen Fallentwicklung verbindlich abstecken und insofern noch nicht das Selbst als aktives Handlungs- und Bewusstseinszentrum zum Ausdruck bringen. Bis zu dieser Sequenz kann der Interviewte lediglich die konditionelle Abhängigkeit des Selbst illustrieren.
Dabei erscheint auch die längere Pause bis zum Einstieg in die nächste Sequenz markant. Hier kann zumindest festgestellt werden, dass durch den Interviewten kein schneller Anschluss angestrebt wird, der vielleicht diese einseitige konditionelle Charakterisierung des Selbst aufhebt. Diese wird damit für den Beginn des lebensgeschichtlichen Verlaufes noch einmal gefestigt. Gleichwohl kann aber die Pause auch die Zäsur markieren, die nun für den weiteren Text eine Umkehrung ankündigt, indem im Weiteren sich das aktive und individualisierte Selbst konstituiert.
D: ja . dann bin ich da zur kinderkrippe jejang also da erinnere ich mich nich mehr so jenau dran was da so war . .
Betrachten wir diese Sequenz am Anfang formal, dann kann zunächst festgestellt werden, dass sich einerseits die Orientierung der Darstellung an formalen Markierern weiter fortsetzt, insofern hier eine Institutionengeschichte anschließt. So steht bei dieser Sequenz die Zugehörigkeit zur Kinderkrippe im thematischen Zentrum. Andererseits sind jedoch mit dieser Thematik und deren Einführung zwei zentrale Erweiterungen ableitbar.
Erstens zeigt sich in der Formulierung ‚bin ich da zur Kinderkrippe gegangen‘ ein Modus der aktiven Positionierung des Selbst zur Welt, die Schütze deutlich der Prozessstruktur biographischer Handlungsschemata zugeordnet hat. Zwar kann hier nicht davon ausgegangen werden, dass der Besuch der Kinderkrippe ein biographisches Projekt des 1-3jährigen Interviewten darstellte. Jedoch deutet die Formulierung darauf hin, dass der Interviewte diesen Besuch nicht als Übergriff, Bedrohung und konditionelle Verstrickung erfahren hat, sondern im Gegenteil als Raum der individuellen Selbstentfaltung.
Im engen Zusammenhang dazu zeigt sich zweitens, dass für den frühen Sozialisationsraum die familialen Bindungen und hier besonders die elterlichen Beziehungen ausgeblendet bleiben. Dies ist übrigens auch vor dem Hintergrund der formalen Darstellungsmuster biographischer Präsentation markant, da hier zumeist an die Stelle nach der Geburt die Eltern mit ihren Geburtsdaten und Berufen platziert sind. Aber auch neben dieser formal markierten Lücke ist eine systematische Leerstelle aufgrund der inhaltlichen Thematik zu verzeichnen. Denn gerade die Thematik der Geburt erzwingt beinahe den familialen und elterlichen Anschluss, der jedoch hier ausbleibt.
Vor dem Hintergrund der festgestellten positiven Bezogenheit auf die Kinderkrippe, die tendenziell zur Freisetzung von Individualisierungspotentialen beiträgt, sind die fehlenden familialen und elterlichen Bezüge noch einmal in gesteigerter Form als fehlende Bindungen zu markieren. Hier kann riskant davon ausgegangen werden, dass der familiale Nahraum und besonders die elterlichen Bindungen nicht in dem Maße wie die Kinderkrippe geeignet sind, die Individualität freizusetzen und als aktives Selbst erfahrbar zu machen. Damit würde die positive Wahrnehmung der Kinderkrippe vor allem aus den Defiziten der Familieneinbettung resultieren. Jedoch kann weiter festgestellt werden, dass gerade diese Defizite nicht thematisch vermittelt werden und insofern entthematisiert sind. Das heißt, während auf der einen Seite die Einbindung in die Kinderkrippe die Bearbeitung defizitärer familialer Bindungen ermöglicht, insofern hier das individualisierte und aktive Selbst freigesetzt wird, deutet sich auf der anderen Seite ein entthematisierender (in einer starken Ausprägung: verdrängender) Umgang mit den defizitär erlebten Familienbindungen an.
Schließlich ist jedoch die angehängte Formulierung noch erklärungsbedürftig, womit mangelhafte Erinnerungen an die mit der Kinderkrippeneinbindung zusammenhängende Erlebnisse zum Ausdruck gebracht werden. Da diese Aussage inhaltlich wenig Sinn macht, insofern gerade auf den fehlenden Inhalt verwiesen wird, muss die Motivation dieser Äußerung in der formalen Struktur gesucht werden. Danach kann diese Äußerung als argumentativer Zusammenhang gedeutet werden, mit dem plausibilisiert werden soll, warum der Interviewte hier nicht detaillierter auf diese Lebensphase eingeht. Dabei wird als argumentative Struktur entfaltet, dass eine detaillierte Darstellung von Ereignissen dieser Lebensphase nicht erfolgen kann, weil nur ungenaue Erinnerungen verfügbar sind.
An dieser Argumentationslinie ist nun folgendes interessant. So fällt erstens auf, dass der bisherige Darstellungsmodus anhand formaler Markierer und ‚harter Lebensdaten‘ hier potentiell aufbricht, insofern die Möglichkeit einer detaillierten und affektiv-nahen szenischen Darstellung lebensgeschichtlicher Ereignisse angekündigt, aber nicht umgesetzt wird. Das heißt, wir können hier darauf schließen, dass gerade der Wechsel von einem konditionellen Wahrnehmen des Selbst hin zu einem aktiven und individualistischen Selbst auch mit einer anderen Darstellungsform gekoppelt ist. Hier würde also stimmig bereits der neue Darstellungsmodus mit dem Eintritt in die Kinderkrippe und die tendenzielle Erfahrung des aktiven individualistischen Selbst gekoppelt sein. Aber: Letztlich wird die neue Darstellungsform (noch) nicht umgesetzt. Was heißt das? Hier kann auf zwei Linien verwiesen werden. In einer Linie könnte der Verweis auf eine neue individualistische Darstellungsform und deren begründete Nichteinlösung das starke Interesse an individualistischer Präsentation verdeutlichen, die jedoch für die Lebensphase in der Kinderkrippe nicht materiell abgedeckt werden kann. Hier wäre das individualistische Selbst gewissermaßen schwach abgesichert und damit hoch gepokert. In einer zweiten Linie kann dagegen der Abbruch auf ein tendenziell sich individualisierendes Selbst mit dem Eintritt in die Kinderkrippe verweisen, ohne jedoch die Dominanz konditioneller Erfahrungsmodi und damit die Darstellung entlang harter formaler Kriterien aufgeben zu können.
So bleibt abschließend für diese Sequenz festzuhalten, dass hier schon im Gegensatz zu den Erfahrungen im familialen Nahraum der Eintritt in die Kinderkrippe die Entfaltung eines aktiven und tendenziell individualistischen Selbst anstößt. Damit kann jedoch nichts über die faktische Familienkonstellation ausgesagt werden, gerade weil diese Entfaltung auch an Kompetenzen der Persönlichkeitsentwicklung angelehnt sein kann. Entscheidend bleibt jedoch, dass auch mit diesen Freisetzungen eine konditionelle und fremdbestimmte Wahrnehmung der Umwelt dominant bleibt und sich insofern noch kein anderer Darstellungsmodus gegen die formale Orientierung durchsetzen kann.
D: hm kindergarten . im burgviertel . //hm// da hab ich also erst jewohnt . also ostteil . der stadt . tja .
Wie zur Bestätigung setzt sich in dieser Sequenz wieder die sehr formale Präsentationsform durch. Dies zeigt sich einerseits daran, dass die Orientierung an institutionellen Markierern fortgesetzt wird. Zum anderen wird diese Orientierung über die sehr verknappte und nur stichpunktartige Präsentation deutlich zum Ausdruck gebracht. Man könnte hier sogar davon sprechen, dass die lebensgeschichtliche Thematik hier nicht faktisch präsentiert, sondern vielmehr nur an der systematischen Stelle im Lebensverlauf markiert wird. Das heißt, der Interviewte macht hier deutlich, dass nach der Kinderkrippe der Eintritt und Aufenthalt im Kindergarten folgte, ohne dessen biographische Relevanz explizit herauszustellen. Damit findet jedoch die formale Orientierung ihren Höhepunkt. Vor dem Hintergrund der Interpretation entlang der formalen Kennzeichnung aktiv-individualistischer und formal-konditioneller Präsentation sowie mit Rückgriff auf die Rekonstruktion (2.2.1) kann hier davon ausgegangen werden, dass die in der Kinderkrippe freigesetzte und sich tendenziell entfaltende Individualität mit dem Übergang in den Kindergarten abrupt abbricht und die ohnehin noch bestehende Dominanz konditioneller fremdgesteuerter Wahrnehmung des Selbst sich wieder stärkt und gefestigt individualistische Entfaltungstendenzen beherrscht.
Während nun diese Interpretation nicht durch konkrete Ausführungen des Interviewten zur Erfahrung des Kindergartens angereichert werden kann, sondern sich diese Interpretation nur auf die formale Darstellungsform bezieht, stellt sich der Zusatz der lokalen Konkretion des Kindergartens umso bedeutsamer vor. Wie ist dieser Zusatz nun einzuordnen? Zunächst kann ganz grundlegend dieser Zusatz in seiner formalen Struktur als Spezifizierung verstanden werden. Das heißt, mit dem Zusatz ‚im Burgviertel‘ wird zunächst der Kindergarten lokal verortet, damit jedoch grundlegend spezifiziert. Der Kindergarten erscheint somit als ein besonderer. Dies ist schließlich auch der zentral zum Ausdruck gebrachte Unterschied zur vorhergehenden Thematisierung der Kinderkrippe. Wenn nun die beiden Aspekte in einen Sinnzusammenhang gestellt werden sollen, dann zeigt sich dieser in einem vom Interviewten deterministisch erfahrenen Verhältnis zwischen Besonderung der Institution und den Möglichkeiten der Freisetzung eines aktiven individualistischen Selbst. Das heißt, mit der Kennzeichnung des Kindergartens als Besonderheit geht einher, dass das aktive individualistische Selbst zurückgedrängt wird. Dieser Zusammenhang erschließt sich wiederum erst, wenn man hinzunimmt, dass im Nichtbesonderen – quasi im Normalen – die individualistische Entfaltung potentiell angelegt ist, während die Besonderung – die eine Individualität strukturell erfordert, indem sie die Differenz und Unterscheidung einführt –, diese Entfaltung von Individualität bremst und behindert. Die Besonderung des Kindergartens resultiert aus der Sicht des Interviewten aus der Lage in einem städtischen Wohnviertel, das über segregierende und distinguierte Implikationen als spezifische Milieurahmung erscheint. Man kann also riskant ableiten, dass der Interviewte im Kindergarten mit einem distinguierten Milieu konfrontiert wird, das gerade die Absetzung erfordert und darin einen Zwang zur Individualisierung enthält, der jedoch den Interviewten verunsichert und überfordert.
Man kann hier also abschließend konstatieren, dass der Interviewte in der Kinderkrippe mit Entfaltungen des Selbst konfrontiert wurde, die jedoch angesichts der neuen Rahmung im Kindergarten gewissermaßen mit einem Entfaltungszwang verbunden sind, der heteronom erfahren wird und tendenziell überfordert. Damit kippt die tendenzielle Entfaltung des individualistischen Selbst um in eine erneut dominierende konditionelle und fremdbestimmte Wahrnehmung des Selbst. Hier kann gerade auch die Nichtthematisierung der konkreten Erfahrungen im Kindergarten beredter Ausdruck dafür sein, dass die Erfahrungen negativ und entwertend waren und hier tendenziell verdrängt werden.
Schließlich bricht die Darstellung hier erst einmal ab, was nochmals auch formal den Bruch und die Verletzungserfahrung untermauert. Dann setzt die Darstellung mit einem Sprung in einer neuen Thematik wieder ein, die sich nun von den institutionellen Einbindungen weg auf die weitere Rahmung des Selbst im Wohnumfeld bezieht. Dies ist nun eine Bewegung innerhalb der Darstellung, die begründet werden muss. So scheint erstens mit dieser Verlagerung der thematischen Aufmerksamkeit auch eine Distanzierung und Entthematisierung der problematischen Erfahrungen im Kindergarten möglich. Zweitens ist mit diesem Ausweichen zugleich auch der Ausweis eines Ausweges und einer Veränderung verbunden, die also ‚Bildungsprozesse‘ des Selbst und darüber die Distanzierung zu dieser Lebensphase sowie die Bearbeitung der dieser Phase immanenten Bedrohung des Selbst andeuten. Dabei wird mit dem Wechsel der Aufmerksamkeit auf das Wohnumfeld auch auf den Auslöser der Veränderungen verwiesen, der als Umzug und Wohnortwechsel konkretisiert werden kann. Zentral ist hierbei, dass damit auch der Anstoß zu Bildungsprozessen extern verortet werden muss und wir insofern einerseits eine konditionelle Verstrickung mit dem ‚Zwang‘ zu Bildungsprozessen oder andererseits eine aktive Nutzung neuer Rahmungen annehmen können.
D: dann kamen ziemlich viele schulwechsel . zuerst war ich also in der jahnschule . in der ersten klasse . . die schule wurde dann . . dicht jemacht beziehungsweise umjeändert das war dann für . . hörbehinderte oder sowas . . dann . bebelschule das war auch im burgviertel . . //mhm// . tja . . und dann nach bin ich nach neustadt nord gezogen . fünfte oberschule nord noch zu ddr-zeiten . //hm// .
Mit einem ersten Blick auf diese Sequenz wird deutlich, dass der Interviewte nach dem Exkurs in die Rahmung durch das Wohnumfeld nun wieder zur Orientierung an einem formalen Muster der lebensgeschichtlichen Präsentation zurückkehrt. So steht im thematischen Zentrum dieser Sequenz nach der bisherigen Abfolge Geburt, Kinderkrippe und Kindergarten nun die Integration in die Sozialisationsinstanz der Schule. Dabei ist nun zweierlei zentral. Während auf der einen Seite die Orientierung an einem formalen Darstellungsmuster Stabilität zum Ausdruck bringt, die hier über die institutionelle Einbindung hergestellt ist, zeigt sich auf der anderen Seite, dass gerade die schulische Einbindung häufigen Brüchen unterworfen war. Diese Brüche sind für den Interviewten ebenfalls als bedrohliche Inkonsistenzen erfahrbar, was sich daran zeigt, dass die genannten zwei Schulwechsel in der Darstellung gesteigert zum Ausdruck kommen (‚ziemlich viele Schulwechsel‘).
Wie um diese gesteigerte Ankündigung von Brüchen zu belegen, aber auch um die schulische Einbettung darzustellen, folgt dann eine Aufzählung der einzelnen aufeinanderfolgenden Schulen. Betrachten wir nun im Weiteren, wie der Interviewte die Schulen vorstellt und ob sich dabei Rückschlüsse auf die Erfahrungsqualität des Schulbesuches ziehen lassen.
Bei der ersten Schule, die ja das Privileg der Einschulung und damit des umfassenden Statussprunges und des Überganges hätte, wird die Schule knapp benannt. Damit scheint sich jedoch das Besondere dieser Schule nur auf den Umstand der Erstplatzierung innerhalb der Wechselfolge der Schulen, nicht jedoch auf die Besonderheit des Überganges vom Kindergarten in die Schule zu gründen. Wir können hier zumindest schlussfolgern, dass für den Interviewten der Übergang nicht in einer solchen biographischen Bedeutsamkeit erfahren wurde, dass eine Thematisierung zwingend notwendig ist. Zudem zeigt die Positionierung zur Schule, dass der Interviewte weder handlungsaktiv und positiv auf die Schule bezogen war, wie dies für die Kinderkrippe herausgearbeitet werden konnte – hier also die erste Schule auch nicht die Freisetzungen des Selbst anregt wie die Kinderkrippe –, aber auch nicht passiv konditionell in die Schule verstrickt ist. Vielmehr wird der Aufenthalt an dieser Schule auf ein faktisches und nicht beeinflussbares Sein beschränkt, und damit sowohl aus der eigenen, aber auch aus der schulischen Gestaltbarkeit ausgegliedert. Man kann hier also zunächst weder auf handlungsschematische noch auf verlaufskurvenförmige Aspekte der schulischen Erfahrung schließen. Dass die Schule dabei mit ihrem Namen benannt wird, scheint hier zuallererst aus der angestrebten Unterscheidung und Identifikation der aufeinanderfolgenden Schulen zu resultieren. Jedoch zeigt sich darin auch ein Maß an biographischer Relevanz, weil dem Interviewten der Name der Schule noch präsent ist, gleichwohl hier jedoch nicht von einer biographischen Nähe zur Schule gesprochen werden kann.
Nach einer kurzen Pause fährt der Interviewte fort, die mit der Beschränkung des Besuches dieser Schule auf die erste Klasse markierte Zäsur der schulischen Erfahrung zu plausibilisieren, indem er auf die Schließung bzw. Umwandlung der Schulform dieser Schule verweist. Bei dieser Plausibilisierung sind nun zwei Aspekte interessant. Erstens deutet die Formulierung ‚dichtgemacht‘ auf die Erfahrung fremdbestimmter Schließung von relevantem Lebensraum hin, so dass hier eine gewisse ohnmächtige Wut gegenüber uneinsichtigen politischen Entscheidungen durchschimmert. Man könnte hier also davon ausgehen, dass zwar die biographische Relevanz dieser konkreten Schule begrenzt ist, sich jedoch in der uneinsichtigen und fremdbestimmten Entscheidung der Schließung oder Umstrukturierung der Schule ein ohnmächtiges Widerstandspotential andeutet. Zweitens zeigt dagegen gerade die Unsicherheit über das ‚Schicksal‘ der Schule, dass sich deren biographische Relevanz in Grenzen hielt und hält, insofern es wenig bedeutsam für den Interviewten ist, ob diese Schule nun faktisch geschlossen oder (in was) umgewandelt wurde.
Damit scheint diese Passage weniger für eine schulische Verbundenheit und den biographisch bedeutsamen Bruch in der Schullaufbahn zu stehen, sondern stärker Hinweise darauf zu liefern, wie der Interviewte sich gegenüber politischen Entscheidungen verhält und welche (partizipative) Position zur Politik er einnimmt. Diese Position könnte hier riskant als eine eher verfremdete und tendenziell nicht partizipierende politische Haltung verstanden werden, sofern sie sich auf reale politische Handlungen und Entscheidungen bezieht. Dabei scheint eine solche Haltung mit den Erfahrungen der fremdbestimmten Umsetzung in eine andere Schule konstitutiv verbunden zu sein.
Die folgende Schule wird nun in einer anderen formalen Logik präsentiert. Zunächst wird auch diese Schule namentlich benannt. Diese Nennung muss aber deutlicher noch, als bei der vorhergehenden Schule, ausschließlich als identifizierende Kennzeichnung und nicht als biographische Verbundenheit, Nähe oder Bedeutsamkeit verstanden werden. Gegen die letztere Interpretation stellt sich sowohl bei der jetzigen, als auch bei der vorhergehenden Schule, vor allem die stark verknappte Präsentation. Im Unterschied zur erstgenannten Schule bleibt hier einerseits zunächst die Begründung des Schulwechsels aus und wird andererseits die lokale Verortung der Schule analog zum Kindergarten vorgenommen. Dabei verweist das ‚auch‘ auf eine analoge Erfahrungsqualität dieser Schule wie im Kindergarten, wobei auch die schwache Möglichkeit mitschwingt, dass bereits die ‚Jahnschule‘ ebenfalls in diesem Wohnviertel lag und die gleiche Erfahrungsqualität auch dort bestand. Jedoch kann diese Vermutung nur schwach formuliert werden, weil dann stimmig auch bei dieser Schule ein entsprechender Vermerk hätte erfolgen müssen und die tendenziell fremdbestimmte Umsetzung dann weniger negativ erfahren werden müsste. Schließlich fehlt auch die zeitliche Begrenzung des Besuches dieser Schule, so dass insgesamt von einer geringeren biographischen Wertigkeit dieses Schulbesuches im Vergleich zur Vorgängerschule ausgegangen werden kann.
Für diese Schule muss nun in Analogie zum Kindergarten eine ähnliche – ja sogar noch gesteigerte – Problematik angenommen werden. Das heißt, die lokale Einbettung der Schule generiert den Anspruch distinguierter Besonderheit, die zugleich auf die Schüler übertragen und ihnen als Individualisierung verordnet wird. Daraus resultiert nun aber angesichts der Strukturierung der Erfahrungsaufschichtung, dass der Interviewte gerade in der Entfaltung von Individualität gehemmt ist und als Selbst kaum mehr existiert. So verwundert es nicht, dass zu diesem Schulbesuch keine weiteren Darstellungen folgen, sondern diese mit dem Ausweis ihrer städtischen und damit schicht- bzw. milieuspezifischen Lage markiert sind. Doch zum Glück: das ‚war‘ einmal, denn ein weiterer Schulwechsel folgte.
Bei dieser nunmehr dritten Schule deuten sich zentrale Veränderungen der Positionierung des Selbst zur Schule an. So wird zunächst markant deutlich, dass sich der Interviewte wieder handlungsaktiv präsentiert und dies in einer Form, die durchaus als übersteigerte Handlungsaktivität gekennzeichnet werden kann. So wird mit der Einführung der neuen Schule unter der Hand auch der Schulwechsel über einen Wohnortwechsel begründet. Hier ist nun Folgendes zentral. Auf der einen Seite deutet sich hier mit dem Umzug eine ganz bedeutsame Veränderung in der Rahmung des Biographischen insofern an, als mit dem Umzug auch die Herauslösung und damit Freisetzung aus dem problematisch erfahrenen distinguierten Umfeld des ‚Burgviertels‘ ausgelöst wird. Man kann daher vermuten, dass mit dem Wechsel in ein kontrastives Sozialmilieu deutliche Freisetzungen eines aktiven individualisierten Selbst einhergehen, weil mit dem Zwang zur distinguierten Individualisierung auch die Behinderungen derselben wegfallen.
Auf der anderen Seite zeigt sich in der Passage eine massive Steigerung der Bedeutsamkeit der Schule und des persönlichen Bezuges auf diese Schule. Diese Steigerung kommt gerade im Kontrast zur vorherigen Nennung der Vorgängerschulen darüber zum Ausdruck, dass aus der biographischen Erfahrung heraus der Umzug in ein anderes Wohnviertel eigentümlich mit dem Schulwechsel verschlungen ist, so dass man die Passage auch in einer Linie als Umzug in die neue Schule lesen kann. Gerade aber in dieser Interpretationslinie wäre die gesteigerte Bedeutsamkeit und enge Verbindung zur Schule offensichtlich, da die schulische Beziehung hier auf Dauer gestellt wird – also z.B. nicht auf Unterrichtszeiten oder Schultage begrenzt bleibt – und eine eben nicht nur rollenförmige Bindungsqualität erhält. Damit wird auch der Aspekt der aktiven Auswahl und der selbstbestimmten Realisierung des Besuches dieser Schule transportiert.
Zentrales Kennzeichen dieses Schulbesuches ist nun weniger das ausgewiesene Wohnumfeld, gleichwohl dieses mit dem Umzug als entscheidende Differenz zur vorhergehenden Schule markiert ist, sondern hier ist eine historische Zuordnung zur DDR und damit eine zeitspezifische Einordnung zentral. Damit deutet sich nun einerseits bereits wieder ein Bruch an, der mit Bezug auf die gesellschaftlichen Umbrüche in der DDR einen erneuten Schulwechsel bedingt. Zugleich ist andererseits darüber auch eine Verbundenheit mit dem umgebrochenen und ‚gewendeten‘ DDR-System zum Ausdruck gebracht, die aus der positiven Schulerfahrung in dieser Zeit resultiert. Man kann vermuten, dass sich die Schulerfahrung mit und nach der Wende drastisch veränderte und zudem einen Schulwechsel nahelegte. Hier ist nun interessant, dass der implizit angedeutete erneute Schulwechsel nicht mehr in diesen Block eingereiht wird. Das könnte darauf verweisen, dass mit dem ebenfalls angedeuteten Systembruch (der Wende in der DDR) eine derart deutliche und fundamentale biographische Zäsur vorliegt, die eine Verbindung der Vorwendeschule mit der Nachwendeschule verhindert. Ein positiver Bezug zum DDR-System kann darüber abgeleitet werden, dass die differente aber grundsätzlich positive Erfahrung der Schule vor der Wende an der Wendeproblematik selbst festgemacht wird. Zu erwarten wäre deshalb bei der Thematisierung der Wende eine skeptische und distanzierte Einstellung, wie sie in der Schließung/Umstrukturierung der erstbesuchten Schule zum Ausdruck kam.
D: tja was is nennenswertes passiert . hm .
Deutlich wird mit dieser Passage nun auch auf der Ebene der formalen Textstruktur der zuvor implizit thematisierte massive Bruch der Wende zum Ausdruck gebracht. So mündet die begonnene Darstellung der inkonsistenten – weil mit Schulwechseln durchzogenen – Schulkarriere nicht in den Übergang in die nächste Schule und auch nicht in eine ausführlichere Darstellung des positiv erfahrenen Schulbezuges nach dem Umzug in einen neuen Stadtteil, sondern es kommt hier nach einer Pause zu einer Bilanzierung, die strukturell schon immer auch auf das Ende und den abschließenden Rückblick verweist. Diese Bilanz ist nun insofern in einen Sinnzusammenhang zu stellen, als mit dem Bruch aus der Perspektive biographischen Erlebens ein faktisches Ende vorliegt, dass nun also vor dem Eintritt in eine qualitativ veränderte Lebensphase nach der Wende bilanziert werden soll. Wir können also auch hier implizit den zentralen zäsuierenden Stellenwert der Wende für das biographische Erleben nachzeichnen.
Worauf richtet sich nun der bilanzierende Blick? Nach welchen Kriterien soll die Vorwendezeit gewertet werden? Die Passage richtet hier den Fokus ein. Dabei deutet sich als zentrales Bilanzierungsmuster der Nachweis von Individualität und Einzigartigkeit des gelebten Lebens an. Die Frage, was nennenswert ist, stellt deutlich den Zoom auf herausragende Erlebnisse und die eigene Besonderheit des Aufwachsens ein. Nun dürfte allerdings vor dem Hintergrund des bisher zitierten Interviews aber auch vor allem der eigenen Interpretationen diese Darstellung der eigenen Besonderheit schwierig sein, insofern bisher nur wenige Ansätze für die Entfaltung eines aktiven und individualistischen Selbst kenntlich wurden und zudem die starke Orientierung auf formale, tradierte und Sicherheit spendende Rahmungen des Selbst herausgearbeitet werden konnte. Man kann also für den Fortgang doch einige Schwierigkeiten in der Erfüllung der selbstgestellten Bilanzierungsaufgabe vermuten, wobei die Bilanzierungsaufforderung für sich die biographische Bedeutsamkeit der Umbrüche mit der Wende ausdrückt.
D: ziemliches sorgenkind war ich weil ich etwas tolpatschig war . also diverse äh . kopfverletzungen also genau waren es bis zu meinem siemten lebensjahr jenau sieben kopfverletzungen . //hm// haha das fand mein vater nich so spaßig . //hm// .
In dieser Passage wird nun nach der formalen Struktur versucht, die angestrebte Besonderung der eigenen Lebensgeschichte und des Selbst umzusetzen. In der Umsetzung wird dabei deutlich, dass der Interviewte dies in einer bilanzierenden Form aufgreift und damit stringent an die durch die Wendeereignisse ausgelöste Bilanzierung anknüpft. Zugleich deutet sich aber auch an, dass sich der Interviewte hier sehr stark auf Fremdbilder und Zuschreibungen bezieht, wobei zugleich aber auch seine Positionierung dazu deutlich wird. Was lässt sich nun im Einzelnen zu dieser Passage aussagen?
Zunächst wird die Besonderung über eine spezifische Etikettierung markiert. Dass der Interviewte sich als ‚ziemliches Sorgenkind‘ ausweist, deutet an, dass seine Entwicklung in der bilanzierten Lebensphase von anderen als besorgniserregend eingeschätzt wurde, sich andere also um sein Wohl gesorgt haben. Zieht man die Analogie zu einem gleichnamigen Kinderhilfswerk, dann wird hier auf sanktionierende Eingriffe in defizitäre Entwicklungsverläufe angespielt, die jedoch defizitäre Familienverhältnisse voraussetzen und insofern allenfalls Ersatzbeziehungen sein können.
Damit wird auf der einen Seite ein Verantwortungsverhältnis zum Ausdruck gebracht, in welchem Andere Verantwortung für seine Entwicklung übernahmen und dies auch mit affektiver emotionaler Anteilnahme verbanden. Dies trifft im Regelfall auf die ‚natürliche‘ Verantwortung der Eltern zu, aber auch auf legitimiert mit dem Aufwachsen betraute Dritte im Sinne eines Vormundes oder eines Mandates. Hier kann mit Bezug auf die Ableitung zum Kinderhilfswerk von einem Ersatzstatus der Elternschaft ausgegangen werden, der auf Defiziten in der Familie aufruht. Neben diesem Aspekt der Verantwortung und Fürsorge wird jedoch auf der anderen Seite auch die Bedeutung ausgedrückt, dass seine Entwicklung nicht fürsorglich betreut, sondern kontrolliert und sanktioniert wurde. Das heißt, gerade im Unterschied zur Bedeutung der Fürsorge wird hier die Möglichkeit präsent, dass er unter restriktiven Bedingungen aufwuchs, mit enggeführten Entwicklungsmaßstäben konfrontiert war und bei Abweichungen etikettiert und sanktioniert wurde.
So kann der Versuch der Besonderung der frühen Kindheit und des frühkindlichen Selbst in der Spannung zwischen gehegten/umsorgten Aufwachsen und enggeführten/sanktionierten Aufwachsen – also zwischen dem sich frei entfaltenden und dem abweichenden, kontrollierten Selbst – gefasst werden. Dabei ist aber auch zentral, dass mit der Relativierung (‚ziemlich‘) diese Spannungsfigur nochmals gebrochen ist. Wir können hier davon ausgehen, dass damit die Fürsorge und Hege des Selbst nur eingeschränkt als Förderung erfahren wurde, während zugleich die Abweichung und das Bedrohliche seiner Entwicklung ebenfalls in seiner Brisanz gemildert wird.
Schließlich kann diese Einleitung der Bilanzierung der frühen Kindheit aus der Fremdperspektive – mit der im Grunde eine Fremdbilanzierung kenntlich wird, nämlich die Einschätzung der Entwicklung des Interviewten durch andere – auf die rekonstruierte grundlegende Spannung des Selbst zwischen Standardisierung und Individualisierung bezogen werden. Während hier die Fürsorge für die geschützte Entfaltung von Individualität steht, weist der Aspekt der Kontrolle und Sanktionierung auf die erzwungene Engführung der Entwicklung und damit auf seine potentielle Einpassung in standardisierte und tradierte Muster hin. Von daher ist diese Spannung zwar auch mit dieser Textstelle nicht aufzulösen. Jedoch kann vor diesem Hintergrund der eingebrachten Fremdperspektive die Sorge als Kontrolle der Entwicklung stark gemacht werden und damit die geforderte Einpassung auf enggeführte Entwicklungslinien angenommen werden.
Die hier aufkommende Bedrohlichkeit dieser frühkindlichen Sozialisationslagerung in der Familie – zwar ist dieser Bezug nicht explizit hergestellt, er lässt sich aber über die Normalform von Kindschaftsverhältnissen begründet annehmen – wird nun im Anschluss wieder zurückgenommen, indem diese Zuweisung des Status ‚Sorgenkind‘ durch eine Hintergrundkonstellation begründet wird. Hier zeigt sich, dass die Sorgen weniger einer abweichenden Karriere im Sinne einer fehlgeschlagenen Erziehung gelten, sondern auf die körperliche Befindlichkeit gerichtet sind. Belegt wird die Besonderheit der frühkindlichen Entwicklung schließlich mit diversen Kopfverletzungen, die dem Interviewten die Fremdeinschätzung ‚Sorgenkind‘ nahebringen und in das Selbstbild „Tollpatsch“ überführen. Dabei gibt es eine geradezu empirische Sättigung dieser Bilanz durch die Anzahl der Kopfverletzungen in den ersten sieben Lebensjahren.
Mit der hier vorgenommenen Konkretion des Besonderen und auch Sorgenvollen der frühkindlichen Entwicklung können wir nun folgende Ableitungen vornehmen. So deutet sich an, dass in der biographischen Erfahrung aus der Sicht der Eltern der Interviewte überdurchschnittlich häufig Verletzungen hatte, die zudem scheinbar auch hohe gesundheitliche Risiken implizierten und deshalb als bedrohlich wahrgenommen wurden. Diese starke Verletzungshäufigkeit kann einerseits auf ein überdurchschnittliches Interesse des Kleinkindes an Mobilität hinweisen oder andererseits auf besonders riskante räumliche Arrangements des Aufwachsens. Entscheidend ist jedoch mit diesem Verweis, dass der Interviewte aus seiner Erfahrungsaufschichtung heraus a) eine spezifische Fremdperspektive vermittelt bekommt, die in der Spannung von Besonderem und besonders Gefährdetem anzusiedeln ist, b) diese Fremdwahrnehmung in ein brüchiges Begabungsselbstbild überführt (tollpatschig) und schließlich c) mit einer stärkeren Engführung, Kontrolle und Sanktion seiner Entwicklung konfrontiert wurde.
Schließlich wird im Schlussteil dieser Sequenz erstmals und explizit auf ein Familienmitglied – den Vater – verwiesen, der damit gerade für die Frage der Fremddeutung, Kontrolle und Sanktionierung der frühkindlichen Entwicklung als entscheidende Sozialisationsinstanz markiert ist. Dass der Vater die häufigen Kopfverletzungen nicht so spaßig fand, steht dabei gerade wieder in der schon formulierten Spannung, einerseits sehr starke und konzentrierte Fürsorge und andererseits deutliche sanktionierende Eingriffe und etikettierende Entwertung bestimmter Entwicklungslinien des kindlichen Selbst. Dass der Interviewte an dieser Stelle selber lacht, zeigt seine Distanzierung von dieser Position des Vaters, die damit entweder als übertriebene Fürsorge abgewertet oder als verweigerte Anerkennung umgekehrt wird.
D: tja . dann . ham mer dann ne wohnung anjeboten jekricht beziehungsweise meine eltern dann in neustadt nord und . . das war damals schon was in der ddr so ne neubauwohnung so mit zentralheizung und so da also . beziehungsweise fernheizung . //hm// und . ham mer dann och zujeschlagen .
In dieser Sequenz nimmt der Interviewte die Nahtstelle wieder auf, die mit der Thematisierung der Schulwechsel und damit der schulbiographischen Zäsuren eingeleitet war, jedoch zugleich eine tiefgreifendere biographische Zäsur offen legte, die auch eine formale Zäsur mit dem Einstieg in eine Bilanzierung der frühen Kindheit evozierte. Diese Nahtstelle bezieht sich auf den Wohnortwechsel und den Umzug. Hier erinnern wir uns, dass dieser Umzug einerseits mit einer Auflösung der problematisch erlebten Wohnumfeldeinbettung aber andererseits vor allem mit einer neuen Bindungsqualität zur Schule einherging. So zeigte die Interpretation der entsprechenden Passage, dass die biographische Bedeutsamkeit des Schulischen enorm ansteigt, insofern formal der Umzug in die Schule zum Ausdruck gebracht wird, Schule also hier als umfassende Lebenswelt in Erscheinung tritt. Wie knüpft nun der Interviewte an diese Thematik nach der eingelagerten umfassenderen Zäsur der Wende in der DDR an?
Betrachten wir diese Passage, dann fällt zunächst auf, dass vom Interviewten hier die Modalitäten dargestellt werden, wie sich der Umzug und die neue Wohnung ergeben hat. Bereits aus diesem allgemeinen Umstand wird deutlich, dass gerade die neue Wohnung starke biographische Relevanz besitzt, wenn die Frage vorab entscheidend ist, wie man an diese Wohnung gekommen ist. Schon damit deutet sich an, dass die hohe Qualität der neuen Wohnsituation entscheidend das ‚wie‘ bestimmte bzw. sich konstitutiv aus dem ‚wie‘ ableiten lässt.
Die bereits aus dem Fakt der Darstellung ableitbaren Relevanzen der neuen Wohnung und des Umzuges lassen sich auch in den weiteren Ausführungen sehr deutlich herausarbeiten. So werden auf der einen Seite die Wege zur neuen Wohnung deutlich in den Kategorien des Marktes – ja mehr noch in den Kategorien des Mangelmarktes – erfasst. Hier zeigt sich, dass eine besondere Wertigkeit der neuen Wohnung dadurch bestimmt ist, dass solche Wohnungen offensichtlich nicht einfach zu beantragen und leicht zu bekommen waren. Aber selbst dieser Mangelzustand wird noch einmal erhöht, indem zum Ausdruck kommt, dass diese Mangelware den Eltern angeboten wird. Damit wird nicht nur der besondere Status dieser Wohnung markiert, sondern vor allem der besondere Status der Eltern ausgedrückt. Ihre gesellschaftliche Position wird darüber, dass ihnen eine Mangelware zum Erwerb angeboten wird, als exponiert ausgewiesen. Diese relativiert sich allenfalls an der Stelle, als deutlich wird, dass man das Angebot annimmt (‚zuschlägt‘), weil damit auch deutlich ist, dass man gewissermaßen auf dieses Angebot angewiesen ist und nicht in einer solchen Position steht, in der man solche angebotene Mangelware ausschlägt. Exponiert bleibt die Position jedoch, auch wenn diese stärker aus der Markt- und Konsumentenperspektive generiert ist, weil man sich mit dem Angebot und dessen Annahme als Ausnahme verorten kann.
Auf der anderen Seite zeigt sich in der Korrektur des ‚gemeinschaftlichen Angebotes‘ und in der damit differenten Verwendung der Wir-Perspektive und der Eltern-Perspektive (als Sie-Perspektive), dass hier durchaus Gemeinschaftsgefühl und Statusdifferenzen in einem Spannungsverhältnis stehen. So wird zunächst die Thematik des Umzuges und der neuen Wohnung deutlich mit einem Wir-Gefühl verbunden, dass sich nicht nur auf die komfortablere Lebensweise nach dem Umzug beschränkt, sondern auch auf den gemeinsamen Statussprung mit dem Umzug verweist. So heben sich mit der Wohnung alle Familienmitglieder von jenen sozialen Schichten und Gruppen ab, die nicht in der exponierten Position waren, eine solche Mangelware angeboten zu bekommen. Hier wird deutlich, dass der Status der Familie und der hier markierte Statuszuwachs mit dem Umzug gerade auch aus der Mangelwirtschaft der DDR resultiert und an diesen Mangel konstitutionslogisch gebunden bleibt. Über Beziehungen kann auf die begehrte Mangelware zugegriffen werden, wobei der Modus der Beziehungen z.T. tradierte Schichtungs- und Milieubildungsmodi aufweicht und konterkariert. Der Umzug weist somit den Zuwachs und die exponierte Stellung der Familie unter konstanten Bedingungen der Mangelwirtschaft dauerhaft aus, wobei auch der Interviewte daran partizipieren kann, was sich auch in der Formulierung der gemeinschaftlichen Annahme dieses ‚Angebotes‘ zeigt.
Zugleich werden aber über die Korrekturen entscheidende Differenzen im Status zwischen den Eltern und dem Interviewten markiert. Gerade an der Stelle, wo es um die Frage der Beziehungen und die Exklusivität des Angebotes der Mangelware geht, muss diese Differenz über eine Korrektur eingeführt werden. In dieser Differenzierung ist klar, dass der exponierte Status den Eltern gebührt und der Interviewte allenfalls als Familienmitglied daran Anteil haben kann. Dies kann einerseits darauf verweisen, dass der Interviewte die Leistung der Eltern in dieser Angelegenheit deutlicher anerkennen möchte oder auch andererseits, dass aus der Perspektive der Eltern deutlicher auf diese Differenzierung gedrängt wird. Dabei wird jedoch diese Statusdifferenzierung zum Ende der Sequenz an einer entscheidenden Stelle aufgehoben, als es um die familiale Entscheidungsfindung geht, in die der Interviewte mit einbezogen ist. Auch hier wären wieder verschiedene Varianten denkbar. So kann dies auf eine faktische Beteiligung verweisen, die den Interviewten hier bei familialen Entscheidungen partizipieren lässt. Damit wäre eher auf partnerschaftliche und tendenziell gleichwertige Beziehungsstrukturen innerhalb der Familie (A) verwiesen, während die Korrektur und Differenz einzig auf den Fakt des Angebotes und damit die außerfamiliale Statusposition der Eltern bezogen wäre. Es kann aber auch eine fiktive und imaginäre Konstruktion von Partizipationsmöglichkeiten in der Familie sein, mit der erfahrene partizipative Ausschlüsse und hierarchische Brechungen in der Familie be- und verarbeitet werden (B) und zugleich auf die Partizipation des elterlich generierten Familienstatus außerhalb der Familie hingewiesen wird.
Abschließend lässt sich also festhalten, dass der Interviewte mit diesem Umzug einen Statussprung der Familie verbindet, an dem er auch außerfamiliär partizipieren kann. Dieser exklusive Status ist jedoch an das Kriterium der kontinuierlichen Mangelwirtschaft und dem daran gebundenen Positionierungsmodus der persönlichen Beziehungen gebunden. In der DDR kann somit deutlich an distinguierte Milieus angeschlossen oder diese gar überholt werden. Somit beinhaltet der Umzug einerseits die Freisetzung aus einem Sozialraum, der das Selbst distinguiert bedroht und damit tendenziell behindert und andererseits den vollzogenen Statussprung, mit dem z.T. auch die bedrohlichen Milieus einge- und überholt werden können.
D: tja ich hab noch n . kleinen bruder . //hm// der ist och hier of der schule . der ist jetzt dreizehn jahre alt .. der hat da also . von der alten wohnung nich soviel mitjekricht ..
Mit dieser Sequenz wird erneut mit der bisherigen Darstellungslogik gebrochen. So wäre nun zu erwarten gewesen, dass der Interviewte die Darstellung seiner unterbrochenen Schulkarriere wieder aufnimmt oder aber die angelegte Problematik der Statustransformation in der Familie mit der Wende weiter entfaltet. Statt dieser naheliegenden Varianten wird jedoch relativ unvermittelt ein Familienmitglied thematisiert, von dessen Existenz bisher nicht ausgegangen werden konnte.
Der Interviewte geht hier auf seine Geschwisterbeziehung ein. Er hat einen Bruder, der als ‚kleiner Bruder‘ vorgestellt wird. Als naheliegende Variante kann hier davon ausgegangen werden, dass dieser Bruder jünger als der Interviewte ist. Mit der Kennzeichnung als ‚kleiner Bruder‘ schwingt jedoch daran gebunden auch ein latentes Dominanz- und Anerkennungsverhältnis zwischen den Geschwistern mit, in welchem der Bruder aus der Sicht des Interviewten deutlich hinter ihm zurücksteht.
Interessant ist nun, welcher Bezug zwischen dem Bruder und der zuvor thematisierten Schulkarriere bzw. dem Statussprung mit der neuen Wohnung aus der Passage rekonstruiert werden kann. Zunächst wird der Bruder über die Schulzugehörigkeit näher spezifiziert. Dabei ergeben sie zwei zentrale Ansatzpunkte. Erstens ist der Bruder an einer bestimmten Schule (‚hier‘), wobei unklar ist, ob damit eine bereits benannte Schule oder eine neue Schule eingeführt wird. Zweitens bestimmt sich die Spezifik des ‚kleinen Bruders‘ darüber, dass dieser an der gleichen Schule ist, wie der Interviewte. Man kann also von zwei Spezifizierungskriterien ausgehen, die den Status des ‚kleineren Bruders‘ mitbestimmen. Wenn aber beide Momente (das heißt, dieselbe Schule für beide Geschwister) für die Einführung des Bruders bedeutsam sind, dann kann man damit verschiedene Konstellationen der Geschwisterbeziehung konstruieren. Hier lassen sich idealtypisch drei Konstellationen vorstellen.
- Nehmen wir den Fall, dass beide Geschwister in eine analoge schulbiographische Passung einmünden und damit ganz ähnliche Anerkennungsverhältnisse zur Schule generieren. In diesem Fall könnte man auch von einer starken Analogie der schulbiographischen Problemlagen ausgehen. Der Bruder wäre hier (gleichwohl als ‚kleiner Bruder‘) in eine solidarische Bindung gesetzt, die jedoch unter der Hand auch auf die Problematik der schulbiographischen Passung verweisen würde. Insofern müssten beide etwa analoge Probleme in und mit der Schule haben, die über diese Vergemeinschaftung getilgt werden können.
- Diese und die folgende Variante gehen dagegen von Differenzen in den ausgeformten schulbiographischen Passungsverhältnissen aus. In einem ersten Differenzfall könnte die Passung des ‚kleinen Bruders‘ problematischer als die des Interviewten sein. Hier könnte eine Beziehung resultieren, in welcher der Interviewte verstärkt Verantwortungs- und Stützleistungen für den jüngeren Bruder an der Schule übernehmen muss. Hier wäre also bedeutsam, dass über die Anwesenheit des Bruders an dieser Schule und dessen problematischer Passung der Interviewte veranlasst ist, sich verstärkt mit Fragen der schulbiographischen Passung zu beschäftigen, auch die eigene Passung zu reflektieren und den Bruder anzuleiten und zu stützen.
- Im dritten Fall wäre es möglich, dass die Passungsdifferenz gerade entgegengesetzt ausfällt. Während also das schulbiographische Passungsverhältnis des Interviewten problematisch ist, kann das des Bruders sehr harmonisch und konfliktfrei sein. In diesem Fall wäre entgegen den ersten beiden Varianten statt von Solidarisierungen eher von einer Zuspitzung der Konkurrenzbeziehung unter den Geschwistern auszugehen. Hier könnte es also sein, dass der Bruder an dieser Stelle des Interviews thematisch bedeutsam wird, weil er die Frage des Statussprunges mit dem Umzug und dessen Wirkung auf die Schulkarriere ganz anders erlebt hat und diese deshalb nicht die Dramatik wie für den Interviewten entfaltet.
Nach der Kennzeichnung des Besuchs derselben Schule, was hier noch einmal als zentrales biographisch-bedeutsames Datum der Geschwisterbeziehung markiert werden soll, wird die Kennzeichnung des Bruders fortgesetzt, indem das aktuelle Lebensalter genannt wird. Da die Relevanz des Lebensalters hier nicht weiter expliziert wird, kann davon ausgegangen werden, dass diese für die Plausibilisierung der geschwisterlichen Beziehung und der diesem wiederum zugrundeliegenden je spezifischen schulbiographischen Passung zwar geeignet und notwendig scheint, jedoch deutlich dem vorher genannten Fakt derselben Schulzugehörigkeit nachgeordnet ist.
Schließlich wird zum Ende dieser Passage der komplexe Zusammenhang deutlich, als die Brücke zum Thema Umzug und Statussprung zurückgeschlagen wird. Hier macht der Interviewte deutlich, dass der Bruder von der alten Wohnung nicht viel mitbekommen habe. Mit dieser ganz zentralen Differenz zwischen den Geschwistern lassen sich folgende Vermutungen ableiten.
Nehmen wir dazu noch einmal die oben formulierten Varianten auf, dann zeigt sich zunächst, dass mit dieser deutlichen Differenzsetzung – die ja auf die Differenz des Lebensalters und der Anerkennung und Dominanz in der Geschwisterbeziehung aufruht – die erste Variante der analogen schulbiographischen Passung eher ausgeschlossen werden kann. Von daher sollen nun die beiden Differenzvarianten aufgenommen und fortgeschrieben werden.
- In der ersten Differenzvariante sind wir von Solidarisierungen und einer Verantwortungsübernahme für den Bruder ausgegangen, weil sich seine schulbiographische Passung problematischer gestaltet als die des Interviewten. Mit dem nunmehr hergestellten Zusammenhang zum Umzug kann hier formuliert werden, dass aufgrund der fehlenden Differenzkenntnis der Wohnungen die schulbiographische Problematik zustande kommt. Das heißt, im Grunde wird dem Bruder hier der Umzug nicht als sozialer Aufstieg und als Statussprung erfahrbar. Er passt dann deshalb nicht so gut wie der Bruder an diese Schule, weil er diesen Statussprung nicht vollzogen hat oder die Bedeutsamkeit des Statussprungs nicht so empfindet. Man kann hier also sagen, dass beim Interviewten der Umzug als Statussprung dazu führt, dass er besser auf die Schule passt oder aber sich besonders anstrengt (im Sinne einer Aufstiegsorientierung), an diese Schule zu passen.
- In der zweiten Differenzvariante gingen wir davon aus, dass die schulbiographische Passung des Bruders weniger problematisch als die des Interviewten ist und daraus ein verschärftes Konkurrenzverhältnis resultiert. Wenn diese Differenz nun auf den Umstand der fehlenden Erfahrung des Statussprungs zurückzuführen ist, dann lässt sich in dieser Variante Folgendes formulieren. Dadurch dass der jüngere Brüder den Statussprung nicht empfunden hat, weil er die vorherige Wohnung nicht kannte, ist seine schulbiographische Passung weniger problematisch. Das heißt aber auch, dass der Interviewte problematischer auf diese Schule bezogen ist, weil ihm der Statussprung verfügbar war. Weiter ist davon auszugehen, dass der mit der neuen Wohnung repräsentierte Status nicht die Problematik hervorbringt, weil diese dann gleichermaßen auch beim Bruder auftreten müsste. Damit kann aber abgeleitet werden, dass zur problematischen Passung entweder die Verbindung zur vorhergehenden Wohnung entscheidend beiträgt – wobei dies insofern ausgeschlossen werden kann, als sich der Interviewte ja eindeutig positiv auf die neue Wohnung bezieht – oder aber das Empfinden des Statussprunges, also die Aufstiegserfahrung, dafür zentral ist. Dann würde aber gerade die Aufstiegserfahrung die problematische Passung bedingen, weil immer auch die Passungsdifferenz unterschwellig mitschwingt – man ja erst in diese ‚Kreise‘ hinein gelangen muss und nicht schon dazu gehört.
Hier deutet sich also eine zentrale Passungsproblematik zur Schule an (wobei bisher noch unklar ist, auf welche Schule sich der Interviewte hier bezieht), die mit der Frage des familialen Status und der Frage des Statussprunges eng verbunden ist. Gleichzeitig ist davon auszugehen, dass der Interviewte bei der Bearbeitung dieser Problematik gerade nicht auf die Geschwisterbeziehung zurückgreifen kann, weil sich hier bereits signifikante Erfahrungsdifferenzen in unterschiedlichen habituellen Ausformungen niederschlagen.
D: naja . ansich . schon ne schöne zeit jewesen alljemein weil wir hatten n . garten in bohnstett ham mer also immer noch . und ziemlich viel of m dorf jewesen und . da hat mer natürlich viel mehr freiheiten als in der stadt und besonders burgviertel ziemlich dreckig alles viel verkehr und so . //hm// schon zu ddr-zeiten also da war nich viel . war zwar n spielplatz aber das war . naja n bisschen keimig um das mal so auszudrücken . und of m dorf wars dann doch schöner und . beide omas auch da und . . also ich einlich eintlich meine meisten freunde warn damals schon of m dorf . //hm// . .
Dass mit dieser Sequenz nun erneut eine (zweite) Bilanzierung eröffnet wird, weist auf die rekonstruierte Bedeutsamkeit der Verstrickung zwischen Umzug, familialer Statustransformation und der schulbiographischen Passungsproblematik hin, insofern die Bilanzierung auf die Geschlossenheit und das Ende einer Thematik verweist. So wird mit der Bilanzierung unter der Hand auf ein Ende und einen (neuen) Anfang verwiesen, der stringent nun in der biographischen Bearbeitung der schulischen Passungsproblematik zu finden sein müsste.
So beginnt die bilanzierende Passage damit, dass die positive Erfahrungsqualität eines Zeitabschnittes ausgewiesen wird. Dabei wird die Inkonsistenz der Einschätzung durch einige Relativierungen (‚ansich schon‘, ‚allgemein‘) festzementiert. Wir können hier bereits mit dem Beginn davon ausgehen, dass mit dieser Bilanz auch der Versuch unternommen wird, problematische Erfahrungen zu bearbeiten und damit auch (auf-)zu lösen. Offen ist zunächst auch, auf welche Zeit sich der Interviewte jetzt bezieht. Aus den erzähltheoretischen Aussagen Schützes lässt sich hier ableiten, dass die Zeitspanne vor der Zäsur naheliegend wäre, also die Zeit der Einschulung mit dem durch den Umzug vollzogenen Statussprung. Die Zäsur wäre dann stringent in der ebenfalls bereits thematisierten Wende der DDR zu verorten. Wie wird nun diese positive Bilanz unterfüttert?
In der Argumentationsfigur stützt sich die Bilanzierung auf zwei Kriterien des Aufwachsens in dieser Lebensphase: So wird erstens auf den in der Familie genutzten Garten hingewiesen, den sie auch heute noch ‚haben‘. Zweitens stützt sich die Bilanz auf die häufigen Landaufenthalte, die besondere Bedingungen der kindlich-jugendlichen Freiraumeroberung bereitstellen. Betrachten wir diese Argumentation, dann fallen zwei Sachverhalte auf. So zeigt sich erstens, dass diese Kriterien bisher in der lebensgeschichtlichen Darstellung nicht ausgedrückt wurden und es sich damit also um Themen handelt, die deutlich von den biographisch relevanten (Problem-)Erfahrungen abweichen, die bisher dargestellt wurden und die ja bilanziert werden sollen. Zweitens zeigt sich, dass die hier geschilderten positiven Markierer einer glücklichen Kindheits- und Jugendphase deutlich vom ‚normalen‘ Umfeld des Aufwachsens in der Stadt abweichen und insofern ein Alternativ- und Ersatzumfeld kennzeichnen. Das heißt, in der positiven Bilanz werden Begründungen genannt, die nicht so relevant und zudem im Normalfall nicht verfügbar waren.
Der Gegensatz der erfahrenen Aufwachsbedingungen, die hier bilanziert werden sollen, und den hier geschilderten positiven Aspekten kindlichen und jugendlichen Freiraumes ist signifikant und verweist auf eine polare Gegenkonstruktion, die ihrerseits Verletzungen und Begrenzungen auf der einen Seite den Heilungen und Kompensationen auf der anderen Seite gegenüberstellt. Man kann hier auf eine enorme biographische Bedeutsamkeit von alternativen und Gegenumwelten ausgehen, die sich beim Interviewten auf die defizitär erfahrene städtische Einbettung beziehen. So wird das Gegensatzpaar vom Interviewten deutlich ausgemalt. Auf der einen Seite steht die ‚ziemlich dreckige und keimige‘ Umgebung des Wohngebietes, übrigens vor dem Umzug, mit einem hohen Verkehrsrisiko und auf der anderen Seite steht das Dorf und der Garten als romantisches Gegenbild, mit vielen Freiräumen, kein Dreck und auch – wie sich erst im Zugzwang der Bilanzierung zeigt – bedeutsamen signifikanten Sozialbeziehungen zu den beiden ‚Omas‘ und einem weiten Freundeskreis.
Gerade in dieser Bilanzierung wird deutlich, welche biographischen Problemlagen mit dem Aufwachsen verbunden sind und in welche Lösungsentwürfe diese durch die Polarisierung kontrastiver Umfeldmilieus münden. Man kann hier von einem deutlich romantischen Lösungsentwurf sprechen, der in der ländlichen Sozialrahmung und den hier entspringenden engen sozialen Bindungen die Alternative für die städtischen Sozialräume und die damit verbundenen Problemlagen sieht. Dabei ist diese kontrastive Gegenüberstellung zwischen dem alten (früheren) Wohnumfeld und der ländlichen Romantik angelegt. Die Stellung des neuen Wohnumfeldes und der mit der neuen Wohnung verbundene soziale Aufstieg ist in diesem Spannungsfeld bisher noch nicht verortet.
Richtet sich nun aber der Gegensatz auf das alte Wohnumfeld (also das Burgviertel), dann deutet sich in dieser Kontrastkonstruktion selbst schon die Bearbeitung des Realen an, insofern das Burgviertel gerade nicht für das dreckige Stadtmilieu steht, sondern sich vom Städtischen ebenso distinguiert abzusetzen versucht. So wurde ja herausgearbeitet, dass gerade diese Absetzung, der Status des Besonderen und die damit verbundene Individualisierungsnotwendigkeit die Krisenpotentiale der kindlichen Individuation bereitstellen. Dabei ist durchaus analog die Krisenhaftigkeit dieses Sozialisationsraumes auch in der Bilanzierung zum Ausdruck gebracht. Jedoch zeigt sich bei der argumentativen Begründung dieser Bilanz, dass die eigentliche Krisenhaftigkeit bereits verschleiert und überlagert ist und zwar in einer solchen Figur, in der sich die distinguierten Momente des Sozialisationsraumes umkehren und gegen diesen selbst richten.
Abschließend kann vor dem Hintergrund dieser Bilanzierung angenommen werden, dass mit dem romantischen Lösungsentwurf der ländliche Sozialraum an Bedeutsamkeit gewinnt oder zumindest immer bedeutsam bleibt und für den Interviewten ein zentrales Bearbeitungs- und Kompensationsmilieu bereitstellt. Während also für städtische und besonders distinguierte Zusammenhänge weitere Problemlagen zu erwarten wären, deutet sich die hohe Stabilität sichernde Funktion alternativer romantischer ländlicher Milieus an, mit denen diese Problemlagen bearbeitet werden können.
D: tja dann . . kam de wende . . fand ich eindlich janz jut weil . so dann . der schule war gleich nebenan war ne kaufhalle da sin mer immer in der hofpause hin un ham uns westprodukte jeholt gleich nach der wende . . hm na un dann . mein vater schon immer ziemlich sparsam jewesen also . das . war eigentlich so ne sache wo ich bisschen drunter jelitten habe also . was heißt jelitten . im endeffekt kams alles doch der familie zugute aber . er war ehmt auch sparsam und . er hat meiner meinung nach an . an der falschen stelle öfters mal jespart . ich mein jut also . gleich nach der wende is er . mit m . mit meim onkel . rüberjefahrn . ham mer sämtliches geld jesammelt . //hm// also was mer dann jekricht ham als begrüßungsjeld und was mer dann . gleich umtauschen konnte . . und da ham mer uns erstmal en westfernseher jeholt so richtig mit fernbedienung und farbfernseher das war schon nich schlecht . das . setzte allerdings voraus dass wir beim erstem mal wo mer in . goslar warn . nichts kaufen durften . konnten und sollten weil es war ja alles für n fernseher verplant das jing natürlich nich . //hm// und . war n bisschen deprimierend sich das alles nur angucken zu können und dann . nich irgendwie was weiß ich da wollt ich ne batman-figur ham //hm// da war ich also . ’sehr begeistert‘ (betont gesprochen) . und die hab ich nich jekricht . ja . war schon traurig aber es war . schön wir sin mit der oma hier zusammen also zu fünft sin mer dann im trabi rüberjefahrn . das war cool //hm// . .
Diese längere Sequenz, die sich thematisch mit der Wende der DDR beschäftigt, bestätigt zunächst erst einmal, die vorangegangenen Überlegungen, dass einerseits mit der Bilanzierung eine abgeschlossene Lebensphase insgesamt eingeschätzt wird und andererseits die Wende der DDR die zentrale und weitreichende Zäsur in der biographischen Erfahrungsaufschichtung darstellt. Hier haben wir damit Hinweise auf eine Schülerbiographie, die sehr deutlich durch die Umbruchs- und Transformationsereignisse beeinflusst ist. Wie sieht nun aber diese Beeinflussung aus?
Für den Interviewten äußert sich die Wende zunächst in einer sehr direkten alltagsnahen – jedoch sehr konsumorientierten – Veränderung in Form eines veränderten Warenangebotes in dem an die Schule grenzenden Lebensmittelgeschäft. In der kleinen eingestreuten Erzählung kommt zum Ausdruck, dass hier diese Veränderung in einem Kollektiv analog erfahren wurde. Dieses Kollektiv wird nun nicht näher bestimmt, kann aber als naheliegende Variante als Schülergemeinschaft gefasst werden. Die Schüler (bzw. einige Schüler) nutzen an der Schule die Hofpausen, um sich die neue Angebotspalette der ‚Westprodukte‘ anzueignen. Dabei deuten sich jedoch implizit Problematiken an. So wird mit dieser Fokussierung der Wende auf die veränderten Konsumbedingungen und die Aufhebung der Mangelwirtschaft bereits eine Engführung deutlich, die sich von politischen und sozialen Fragen der Wende wegbewegt und hier den schnellen materiellen Anschluss (‚gleich nach der Wende‘) an die alten Bundesländer sucht. Hier deutet sich jedoch an, dass mit dieser Fokussierung einerseits fiktiv der schnelle Anschluss realisierbar scheint, aber auch mit Folgeproblemen behaftet ist, die nun die Frage nach den finanziellen Ressourcen, anders als in der DDR, zum neuen Maßstab sozialer Schichtungen machen. Wir können dabei davon ausgehen, dass diese materielle Orientierung nicht nur durch die Wende selbst generiert ist, indem sie eine Gegenbewegung nach der Überwindung der Mangelwirtschaft darstellt, sondern auch durch den familialen Habitus hervorgerufen wird, der offensichtlich die soziale Position sehr dominant über die finanziellen Ressourcen zu sichern versucht. Als Familiendramatik und damit auch als individuelles Drama deutet sich bereits an, dass die dominante materielle Orientierung mit der Wende eine paradox anmutende Kippfigur der sozialen Lagerung der Familie bedingt. Während in der DDR mit dieser Strategie gerade unter Bedingungen der Mangelwirtschaft die Sicherung des sozialen Status und der Aufstieg möglich waren und man sich insofern auch von distinguierten Absetzungen anderer Schichten ‚unabhängig‘ machen konnte, bewirkt nun die Wende die umfassende Freisetzung und gesteigerte Entfaltung der materiellen Orientierungen, die jedoch zugleich durch die wegbrechenden Statussicherungen der Mangelwirtschaft konterkariert und überholt werden und in neue soziale Ungleichheiten zwingen.
Diese Kippfigur der sozialen Lage der Familie, die über materielle Orientierungen die soziale Sicherung und den Aufstieg sucht, dabei jedoch durch die weggebrochenen Stützen der Mangelwirtschaft konterkariert wird, wird im Anschluss mit der detaillierten Erzählung einer Familienepisode nach der Wende deutlich illustriert. Dabei handelt es sich um die erste detaillierte Erzählpassage des Interviews, womit noch einmal die hohe biographische Relevanz der Ereignisse deutlich wird.
Eingeleitet wird das neue Ereignis mit einer Kennzeichnung des Vaters, als dessen Wesenszug die große Sparsamkeit herausgestellt wird. Während hier bereits ein Spannungsfeld zwischen der Tugendhaftigkeit des nicht Verschwendens und der Lasterhaftigkeit des Geizes angedeutet ist, zeigt sich doch vor allem auch die dominante materielle Orientierung des Vaters, der wiederum als der zentrale dominante familiale Akteur ausgewiesen ist und dem der stärkste Einfluss auf die habituellen Orientierungen der Familie aus der Sicht des Interviewten zuzuschreiben ist. So macht auch der Interviewte explizit auf die dadurch generierten Effekte des individuellen Erleidens dieser dominanten Orientierung aufmerksam, um zugleich aber auch dieses Leiden wieder zu bearbeiten mit einem Entwurf der familialen Gemeinschaft und dem durch die materielle Orientierung gesicherten familialen Status. Der offensichtliche Widerspruch wird vom Interviewten in der Form gelöst, dass z.T. auch an der falschen Stelle gespart wurde, womit sich die Tugend tendenziell in das Laster des Geizes verkehrt. Auch wenn dieser Vorwurf unterschwellig als massive Anklage zum Ausdruck drängt (‚an der falschen Stelle öfters mal gespart‘), gelingt dem Interviewten eine umfassende Auseinandersetzung mit der dominanten familialen Orientierung nicht und kann dies dem Vater nicht in ganzer Schärfe angerechnet werden. So werden die impliziten Kritikpunkte seiner Orientierung darüber relativiert, dass diese vor allem der familialen Statussicherung dienten, so dass die individuelle Bedürftigkeit durchaus zu Recht vernachlässigt werden musste.
Um dieses Spannungsfeld zu verdeutlichen, wird dann die Belegerzählung vom Kauf eines Westfernsehers geliefert, der gleich nach der Wende mit einem hohen familialen Einsatz angeschafft wurde. Darüber kommen die Dominanz der materiellen Orientierung zur Sicherung des Familienstatus, der Versuch des schnellen Anschlusses sowie die individuellen Entbehrungen zum Wohle der Familie sehr plastisch zum Ausdruck. So wird z.B. das Geld aller Familienmitglieder gesammelt – wobei hier implizit das Muster einer Großfamilie aufscheint, die auch Onkel und Tanten sowie die Großeltern mit in den Familienverbund integriert – und vom Vater und dem Onkel ein ‚Westfernseher‘ (‚so richtig mit Fernbedienung‘) eingekauft. Auch in der Erzählung beschwört der Interviewte noch die statussichernde Kraft der materiellen Konsumorientierung. Im Anschluss macht der Interviewte aber auch deutlich, wie mit dieser Dominanz der Konsumorientierung auch individuelle Befindlichkeiten geweckt werden, die dann mit den statussichernden Funktionen der materiellen Orientierung der Familie und besonders des Vaters in Konflikt geraten. So kann sich der Interviewte seinen großen Wunsch gerade dann nicht erfüllen, als die Umsetzung materieller Konsumorientierung maximal aufgespannt und dessen Versuchungen am größten sind, beim ersten Besuch der alten Bundesländer nach der Wende. Dabei geht ein hoher Sanktionsdruck von den elterlichen/väterlichen Habitusorientierungen aus, so dass sich alle Beteiligten nichts ‚kaufen durften, konnten und sollten‘. Die Statussicherung der Familie steht an oberster Stelle der Prioritätenliste und deren Einlösung wird rational und langfristig geplant.
Auch in den Schlussaussagen werden die Ambivalenz und das Spannungsverhältnis für den Interviewten deutlich. Während auf der einen Seite die Zurückweisung der Konsumwünsche des Interviewten, die ja aus den väterlichen Orientierungen resultieren, als massive Enttäuschung erfahren werden und hiermit eine geradezu euphorische Konsumbezogenheit gebrochen wird, mit der imaginär nicht nur der schnelle Anschluss, sondern auch die Überwindung aller Lebenskrisen möglich scheint (‚eine batman-figur‘), wird auf der anderen Seite auch die Familienideologie der Statussicherung durch Konsum als gemeinsames Projekt und der starken familialen Gemeinschaft deutlich illustriert, als die gemeinsame und Strapazen abringende Fahrt im Auto genannt wird. Dass alle gemeinsam am familialen Statuserhalt arbeiten, dabei individuelle Bedürfnisse zurückstecken und somit ein hohes Gemeinschaftsideal einlösen, war nicht nur ‚schön‘, sondern ‚cool‘. Diese Erfahrung der Gemeinschaft ist es auch, mit welcher der Interviewte die Enttäuschung der eigenen Konsumbedürfnisse überwindet und ihm die Distanzierung von individuellen Ansprüchen vor dem Ideal der Gemeinschaft gelingt. Somit wird in dieser Erzählung vor allem eines deutlich, die Priorität der statussichernden Aktionen einer Gemeinschaft, in der individuelle Problemlagen aufgehoben sind. Diese Gemeinschaft wird hier noch deutlich am Muster der Großfamilie festgemacht, obwohl sich zwischenzeitlich immer auch Anzeichen für eine eher jugendkultur-bezogene Gemeinschaft finden lassen (z.B. die ‘coole’ Fahrt).
D: tja dann . war äh an . der andern also an der schule dann in neustadt nord . also wenig mit lernen . . da war also die lehrer die warn überfordert die hatten . selber äh keene ahnung wos langjeht . //hm// das war dann . vierte klasse hauptsächlich fünfte klasse .. hm mein zeugnis sah allerdings sehr gut aus . weeß och nich vielleicht . fanden mich die lehrer damals sympatischer als heute . . also ich weeß nich mein . fünfte klasse abjangszeugnis damals von der schule als ich dann hierher wechselte das warn gloobe alles einsen eine zwei oder so war da dabei . //hm// . is leider jetzt nich mehr so aber was solls is vorbei . //hm// . ja hm .. neustadt nord ähn . war eigentlich son beweggrund da wegzugehen von der schule es war also schon damals . ziemlich äh so . gewalt und so war an der schule eigentlich schon immer . und . . war eben . . ’nur‘ (betont gesprochen) ne real- beziehungsweise hauptschule also das is ne jesamtschule jetzt . . un . da war also der . naja das niveau war nich so hoch sach ich mal //hm// . un . . och so bisschen . naja stress jehabt mit n lehrern un so dadurch dass ich dann eben . so n paar freunde hatte die eigentlich keine richtjen freunde waren . .
Diese Sequenz thematisiert nun die Schule nach dem Umzug, die bisher noch nicht weiter dargestellt wurde, gleichwohl doch deren biographische Relevanz und der positive Bezug auf diese Schule rekonstruiert werden konnte. Hier kann noch einmal deutlich gemacht werden, wie die Frage des Umzuges (und damit verbunden des Statussprunges), die Schulkarriere und die gesellschaftliche Transformation miteinander verbunden sind und damit Brüche in der biographischen Erfahrungsaufschichtung generieren. Auch auf der Ebene der formalen Textproduktion zeigt sich die Verstrickung, Komplexität und Undurchsichtigkeit der lebensgeschichtlich bedeutsamen Zusammenhänge in dieser Lebensphase, wenn in der Darstellung thematische Linien abreißen, Zwischenstücke präsentiert und frühere Linien später wieder aufgenommen werden.
Mit dem Aufgreifen der Darstellungslinie der Schullaufbahn werden dann die neue Schule nach dem Umzug und die Schulzeit dort zum Thema gemacht. Dabei deutet sich in der gesamten Passage über einige Widersprüche die hohe Ambivalenz dieser Schule und dieser Phase der schulischen Karriere an, die aus der Erfahrungsaufschichtung des Interviewten zuallererst mit der gesellschaftlichen Transformation zusammenhängt und damit eine schicksalhafte Transformation der schulischen Karriere auslöst. Während auf der einen Seite vom Interviewten sehr positive Lehrer-Schüler-Beziehungen und sehr gute schulischen Leistungen ausgewiesen werden, die schließlich auch den Übergang auf ein Gymnasium nahelegen, wird auf der anderen Seite von anomischen Zuständen im schulischen Zusammenhang berichtet, die den Interviewten zu assimilieren drohen und eine Karriere als Delinquent anlegen. In dem hier entfalteten maximalen Spannungsfeld der Verortung des Selbst zu schulischen Anforderungen – quasi zwischen Musterschüler und permanenten Störenfried – wird die weitere Schullaufbahn angelegt. Dabei ist deutlich nachweisbar, dass der gesellschaftlichen Transformation hier die zentrale Bedeutung zukommt, dieses Spannungsfeld in der extremen Ausformung mit generiert zu haben.
In der Gegensätzlichkeit der beiden Orientierungen und Positionierungen zur Schule kann mit Rückbezug auf die bereits vorher im Interview ausgewiesene Beziehung zu dieser Schule folgender Zusammenhang rekonstruiert werden. Zunächst bringt der Wechsel in diese Schule – der zum einen mit der Erfahrung des Statussprungs der Familie und zum anderen mit der Freisetzung aus der Individualität behindernden distinguierten Besonderheitsforderung des Sozialraumes zusammenfällt –, ein schulbiographisches Handlungsschema hervor, mit dem sich der Interviewte aktiv und positiv auf die schulischen Anforderungen bezieht. Man kann mit den in dieser Passage getroffenen Aussagen zum Leistungsstand vermuten, dass hier ein biographischer Prozess angeregt ist, mit dem über das schulbiographische Handlungsschema einerseits Sicherheit spendende Standardisierung, aber auch absetzende Individualität erreicht werden können. Insofern legt diese biographische Entwicklung die Festigung eines Handlungsentwurfes nahe, mit dem die Individuationsproblematik zwischen Standardisierung und Individualisierung bearbeitet werden kann und zugleich Anerkennung und soziale Wertschätzung generiert wird. Damit wäre hier die Möglichkeit einer Fortschreibung der angelegten schulbiographischen Bewegung hin zu einem ‚Musterschüler‘ gegeben. Zentral ist dabei auch, dass in diesem handlungsschematischen Entwurf die Frage materieller und Konsumorientierungen keine Rolle spielt. Dies verweist aber auch schon auf einen Bruch.
Der Bruch muss hier schließlich in der gesellschaftlichen Transformation bestimmt werden. Für den Interviewten wird dieser Bruch im Gefolge der gesellschaftlichen Transformation in zweierlei Hinsicht erfahrbar. Erstens zeigt sich der Bruch in Gestalt einer hohen Verunsicherung der Familie, wie es gelingen kann, den gerade erst vollzogenen Statussprung der Familie auch unter Bedingungen einer neuen materiell-wirtschaftlichen Situation zu sichern oder gar den Familienstatus zu erhöhen. Für den Interviewten äußert sich diese Verunsicherung in einer Verschärfung der Spannung der materiellen Orientierung zwischen Sparsamkeit und Geiz, als extern erzwungener Verzicht auf Bedürfnisbefriedigung. Zweitens erfährt der Interviewte die Verunsicherung mit der Wende in der Schule in Form einer Orientierungslosigkeit und Überforderung der Lehrer und das zu einer Zeit, als ihm gerade mit einem schulischen Handlungsschema die Überwindung der Individuationsproblematik versprochen wird. Damit trifft ihn die gesellschaftliche Transformation jedoch empfindlich in dem Prozess, der eine handlungsaktive Bearbeitung seiner Problemlagen erlaubt.
Das Resultat dieser empfindlichen Störung zeigt sich im Anschluss als Brechung der mit dem Umzug und dem Schulwechsel angelegten biographischen (Bildungs-)Prozesse. („is leider jetzt nich mehr so aber was solls is vorbei“) Deutlich zeigt sich hier die resignierte Feststellung des Abbruchs der begonnenen schulischen Aufstiegskarriere. Zugleich zeigt sich aber mit dem Abbruch des schulischen Handlungsschemas, also der starken Bezogenheit auf die schulischen Anforderungen verbunden mit einem geplanten Zukunftsentwurf, die noch nicht bearbeitete Verletzungsdisposition, die aus diesem Abbruch resultierte. Zwar sind Distanzierungsversuche feststellbar. Jedoch erscheinen diese als noch nicht umfassend wirksame Bearbeitungsstrategien der Verletzungen, die mit diesem Abbruch verbunden sind. Hier deutet sich also an, dass es einerseits unter den Bedingungen der gesellschaftlichen Transformation nicht mehr möglich war, das Projekt der schulischen Aufstiegskarriere fortzusetzen. Zugleich hat dieser Abbruch selbst schmerzhafte Spuren der Verletzung hinterlassen, die noch heute bearbeitet werden müssen. Was jedoch konkret den Abbruch der schulischen Aufstiegskarriere bewirkte und welche Orientierung nun als dominante hinzukam, ist bisher offen.
Im weiteren Verlauf dieser Passage werden dazu nur Andeutungen geliefert, die nur sehr riskant in eine Interpretation überführt werden können. In diesem Fortgang kommt vor allem eines zum Ausdruck, dass die schulische Situation sich zunehmend durch anomische Tendenzen aufzulösen droht, was zugleich auch auf das gesamte Wohngebiet ausgedehnt werden kann und womit der erst kürzlich vollzogene familiale Aufstieg heteronom in einen familialen Abstieg transformiert wird. Was auf das Wohngebiet eher implizit und unter der Hand als soziale Strukturiertheit zum Ausdruck kommt, kann vom Interviewten für die schulische Situation genau benannt werden. Die Schule zeichnete sich (‘schon immer‘, aber besonders mit und nach der Wende) durch Gewaltbereitschaft der Schüler, durch ein niedrigeres Anforderungsniveau und durch eine schichtspezifische Segregation aus, die durch die Haupt- und Realschulzweige nach der Wende vor allem untere Schichten anzog. Mit dieser Negativetikettierung, die deutlich von der Erfahrungsperspektive während des schulischen Handlungsschemas abweicht und die damit z.T. auch als übernommene Fremdperspektive kenntlich gemacht werden kann, werden nicht nur die eigenen schulischen Leistungen entwertet, sondern auch mit dem daraus begründeten erneuten Schulwechsel das elterliche Aufstiegsprojekt mit dem Umzug ad absurdum geführt.
Zum Ende dieser Passage deutet sich zunächst mehr am Rande dann doch die zentrale Problematik mit dieser Schule, mit der Wende und mit dem Bruch in der schulischen Karrierevorstellung an. Hier weist der Interviewte auf schlechtere Beziehungen zu Lehrern dieser Schule hin, die zuvor noch diejenigen waren, die ihn besonders gut mochten und zu guten Zensuren verhalfen. Hier wird zugleich ein teilweise tabuisiertes Thema behandelt, insofern die Thematik selbst eher versteckt, relativiert und nicht offen zum Ausdruck kommt. So habe es ein ‚bisschen Stress‘ mit Lehrern gegeben, weil der Interviewte dann Freunde hatte, die keine ‚richtigen Freunde‘ waren, und insgesamt alles ‚bisschen krass‘ war. Nur in Andeutungen kann hier auf Verstrickungen des Interviewten mit extremen Jugendgruppen oder Jugendkulturen geschlossen werden, die nicht nur die positive Orientierung auf schulische Leistungsanforderungen negierten, sondern auch die ehemals positiven Beziehungen zu den Lehrern empfindlich störten.
Deutlich wird also mit dieser Passage, dass die Wende für den Interviewten mit einer weitreichenden Transformation der eigenen Lebensführung einherging, die mit der Transformation des Familienstatus zusammenhängt. Zentral ist dabei, dass die positive handlungsschematische Bezogenheit auf die Schule ausgesetzt und negiert wird, wobei an dessen Stelle eine extreme jugendkulturelle Orientierung tritt, die eng mit anomischen Deutungen sozialer Zusammenhänge verbunden ist. Hier kann vermutet werden, dass eben diese jugendkulturellen Zusammenhänge als Ersatz an die Stelle treten, die durch die Orientierungslosigkeit der Lehrer und die Verunsicherung der Familie und ihres Status hervorgerufen werden, und mit deren Hilfe die neu aufbrechende Problematik der Individuation zwischen Standardisierung und Individualisierung zu bearbeiten versucht wird. Das heißt, die neu aufbrechenden Fragen nach den Stützleistungen sozialer Standardisierung und den in diesem Rahmen möglichen – weil nicht überfordernden – Formen der Individualisierung scheinen nun in der gleichzeitig standardisierenden und individualisierenden jugendkulturellen Gruppe beantwortet zu werden.
D: tja dann nach der wende . wie jesacht äh . alles n bisschen krass jewesen so . zu hause na jut das jing einjermaßen . mein vater hat ja so es zepter da in der hand . nich unbedingt jetzt negativ jemeint aber . //hm// . er hat doch äh im endeffekt immer s letzte wort . //hm// jehabt .
Bevor in die Interpretation dieser Sequenz eingestiegen werden kann, sind einige Vorbemerkungen zum Beginn dieser Passage erforderlich. So zeigte sich, dass die formale Textanalyse, also die Kennzeichnung von Segmenten anhand von Rahmenschaltelementen hier nicht einfach und treffsicher vorgenommen werden konnte. So kann die Formulierung „tja dann nach der Wende … krass gewesen so“ sowohl als Schlussteil der vorhergehenden Sequenz als auch als Eröffnung dieser Sequenz gelten, woraus sich jedoch verschiedene Interpretationen ergeben. Gehen wir zunächst (wie getan) von der Beschließung der vorhergehenden Sequenz mit dieser Passage aus, dann wird vor allem das außerfamiliale Netzwerk und die Veränderungen mit der Wende im Kontext der Schule und der Gleichaltrigen durch mit der Wende verursachte anomische Tendenzen beschrieben (A), die zu krassen – also extremen – Bearbeitungsvarianten führen. Hier bezieht sich also die Kennzeichnung anomischer Strukturen und der Versuch der Bearbeitung durch extreme Reaktionen vor allem auf die ‚neuen Freunde‘, die keine richtigen Freunde waren. Wir könnten dann also auf eine sehr starke Gleichaltrigenorientierung mit extremen Ausdrucksformen schließen, die zur Bewältigung der Unsicherheiten der Wende dienen und von denen sich der Interviewte zum Zeitpunkt des Interviews zumindest formal distanziert.
Ganz anders verhält es sich jedoch im zweiten Fall, wenn mit dieser Passage die neue Sequenz eingeleitet wird (hierfür sprechen gerade die formalen Markierer ‚tja dann‘ als Beginn der neuen Sequenz). So wäre zwar auf der einen Seite die Interpretation der Gleichaltrigenorientierung mit ihrer gesteigerten Bearbeitung der Wendeunsicherheiten nicht aufgelöst, sondern nur die eigene Positionierung des Interviewten aus der aktuellen Perspektive wäre nicht so deutlich, das heißt, die Kennzeichnung des Extremen mit der tendenziellen Distanzierung. Dagegen würde sich für den nun entfalteten Zusammenhang eine andere Interpretation aufdrängen.
Betrachten wir nun die Sequenz, dann zeigt sich, dass hier in einer synchronen Bewegung der Blick des Interviewten von den Lebenssphären der Schule und der Gleichaltrigen nun auf die Familie einschwenkt (B). Damit wird die Perspektive der Veränderungen, der anomischen Auswirkungen der Wende auch auf die Familie angelegt. Und gerade darin zeigt sich die zentrale Differenz der beiden Varianten der Zuordnung der oben genannten Passage. In einer Variante wird dann sehr deutlich auf die anomische Struktur der Familie und die daraus resultierenden extremen Bearbeitungsversuche der einzelnen Familienmitglieder verwiesen. Hier kann vieles impliziert sein: z.B. gesteigerte Gereiztheit, Streit, Alkoholkonsum und Gewalt. Dabei gilt durchaus, dass die Einschätzung dieser Bearbeitungsstrategien durch den Interviewten in der Spannung zwischen genereller Gültigkeit und einer an Normalerwartungen orientierten Zensur steht.
Im Nachgang wird dann die Lebenssphäre der Familie mit einer Fokussierung auf den Vater durch diesen repräsentiert. Damit kann die bereits herausgearbeitete Deutung gestärkt werden, wonach der Vater die dominante Position in der Familie einnimmt und dieser nicht nur die Strategien zur Sicherung des Familienstatus aufträgt, sondern auch die Form des Krisenbewältigungsverhaltens durch die Verunsicherungen mit der Wende dominant einbringt. Dass hierbei einiges an Ungewissheit und an Belastung auch für den Interviewten gelagert war, zeigt sich eher implizit darüber, dass eine Negativdarstellung zwar angelegt ist, aber nicht ausgeführt wird. Stattdessen folgt eine Einschätzung des familialen Zusammenhangs in der Wende, die relativiert positiv formuliert wird. Damit wird gleichermaßen das Defizitäre wie das dennoch (im Vergleich zu anderen Lebenssphären) Sicherheit spendende Moment der familialen Situation zum Ausdruck gebracht. ‚Es ging einigermaßen‘ heißt also, dass es nicht so schlecht war, aber auch viel besser hätte sein können.
Damit kommt der Familie bereits eine ambivalente Position innerhalb anderer Lebenssphären während der Wende zu. Einerseits kann sie umfassende Verunsicherungen im Gefolge der Wende nicht kompensieren und auffangen. Andererseits stellt sie aber eine Lebenssphäre, in der diese Unsicherheiten nicht in der Härte durchschlagen wie in anderen Bereichen. Die Familie ist damit zugleich Stütze und Verstärker krisenhafter Zuspitzungen der Wende.
Im weiteren Fortgang der Sequenz wird dann mit der Konzentration auf den Vater eine zentrale Dimension benannt: die Autorität des Vaters. Während hier diese Autorität des Vaters durchaus wiederum ambivalent erfahren wird, zeigt sie doch vor allem eins: die gewahrte Kontinuität eines dominanten Strukturierungsmomentes innerhalb der familialen Lebenssphäre. Die Ambivalenz dieser väterlichen Autorität äußert sich im Text darin, dass einerseits auf die zentrale Steuerung der Familienangelegenheiten verwiesen wird, die durchaus auch Entlastungspotentiale für die anderen Familienmitglieder bereitstellt (der Vater als Regent – ‚das Zepter in der Hand‘). Andererseits wird diese Autorität und Regentschaft nicht nur, aber eben doch auch kritisch betrachtet, womit gerade auf die Kehrseite und die Momente der Autonomieeinschränkung und begrenzte Handlungs- und Artikulationsräume verwiesen wird. Diese Einschränkung findet sich in dem Hinweis, dass der Vater immer das letzte Wort gehabt hätte.
Dabei kann diese Ambivalenz der Familienstrukturierung für den Interviewten während der Wende nochmals als gesteigerte Problematik herausgearbeitet werden, wenn man einerseits die Dominanz traditioneller und familiengemeinschaftlicher Orientierungen bedenkt, und andererseits auf das Lebensalter und die hier konstitutiv angelegten Verselbständigungs- und Autonomieansprüche sieht. Denn dann kann in der spezifischen Ausformung der Familienstrukturierung während der Wende davon ausgegangen werden, dass mit den Verunsicherungen die Regentschaft des Vaters als Sicherheit stiftendes Strukturmoment noch konturierter in Erscheinung tritt und vor dem Hintergrund der Gefährdungen des Familienstatus auch in Erscheinung treten muss, gleichwohl es wahrscheinlich bereits empfindliche Verletzungen angesichts der heteronomen Umwälzungen einstecken musste. Damit wird nun aber die angelegte Position des Interviewten deutlich behindert, insofern ihm eine Anknüpfung an die traditionellen Orientierungen in der Familie verwehrt bleibt und damit aber wesentliche Verselbständigungs- und Autonomieentfaltungspotentiale behindert werden, die dann in andere Lebenssphären drängen.
Man kann abschließend von folgendem Zusammenspiel der Lebenssphären im Wendegeschehen ausgehen, wobei auch die scheinbare Widersprüchlichkeit [2] vom Anfang der Sequenz aufgelöst ist:
Für den Interviewten werden die Wendeereignisse vor allem in den Lebenssphären der Schule und der Familie erfahrbar. Während in der Schule die Verunsicherungen der Lehrer zu einem Abbruch eines schulischen Handlungsschematas führt, gipfelt die familiale Verunsicherung in einer Zuspitzung der ambivalenten Position des Vaters als Regent der Familie. Zwar ist damit ein gewisses Maß an Sicherheit und Entlastung generiert, mit dem z.T. auch die Unsicherheiten anderer Lebenssphären aufgefangen werden könnten, jedoch zeigt sich, dass gerade diese Zuspitzung die Umsetzung von Verselbständigungs- und Autonomieentfaltungen behindert, die angesichts des Lebensalters und zur Bearbeitung eigener Verunsicherungen mit der Wende notwendig wären. Damit ergibt sich die Notwendigkeit, dass diese Ansprüche in andere Lebenssphären ausgelagert werden, was – wie in der vorhergehenden Sequenz gezeigt – in den Bereich der expressiven und aktionsreichen Jugendkultur vollzogen wird. Damit ist jedoch das Krisenpotential fundamentiert, das eine Orientierung an schulischen Anforderungen seinerseits behindert und damit langfristige Ausschließungen anlegt.
D: naja und dann . . ach so was ich noch schön fand an meiner kindheit . das war mein vater hat dann im e-werk jearbeitet in bohnstett und die hatten eben immer ferienlagerplätze und da bin ich im . mit m siebten lebensjahr . es erste mal ins ferienlager jefahrn und seitdem eigentlich jedes jahr und manche jahre zweimal also ich war schon elfmal im ferienlager oder so . un . das war doch . tolles ereignis dann zu ddr-zeiten vor allem so unter kumpels und so un . keene eltern die da irgendwie jestresst ham . un . . was weeß ich dann anjefangen zu rauchen kurz nach der wende im ferienlager . //hm// . dann unterm klo versteckt un heimlich jeraucht also . war schon spaßig . un . die betreuer warn eigentlich och immer ziemlich locker . warn eigentlich och so . achtzehn- neunzehnjährige immer . . un dann . am anfang ham se dann immer ja keen alkohol keine zijaretten . un am letzten abend also das war dann . s einemal kann ich mich noch erinnern kam dann die zwee betreuer rein mit m kasten bier . und da ham mer dann erstmal jeder en bierchen jetrunken und //hm// das war schon spaßig . //hm//
Bei dieser Sequenz ist zuallererst auffällig, dass die eigentliche Darstellungslinie unterbrochen wird und eine Hintergrunderzählung eingeschoben wird. Dies verweist bereits formal auf eine Brisanz der folgenden Thematik, die ohne Hintergrunddarstellung nicht verfügbar wäre bzw. nur schwer entäußerbar ist. Betrachten wir die Sequenzfolge bis hierher, dann ist mit dem zentralen Einschnitt der Wende und dem Abbruch des schulischen Handlungsschemata der Beginn einer Verlaufskurve oder einer Delinquentenkarriere im Anschluss zu erwarten gewesen. Offensichtlich wollte auch der Interviewer mit etwas Derartigem anschließen, was ihm jedoch nicht gelingt, ohne zuvor einige Zusatzbedingungen darzustellen. Als diese eingefügte Hintergrundkonstellation und plausibilisierende Zusatzinformation wird nun von dem Erfahrungsraum des Ferienlagers berichtet. Betrachten wir nun vor diesem Hintergrund der formalen Struktur den Inhalt des Einschubs.
Zunächst zeigt sich, dass über die Einführung des Themas Ferienlager – jedoch ebenfalls wieder in ambivalenter Weise – auf die Familiensituation rückgeschlossen werden kann. So wird die zentrale Position des Vaters erneut zum Ausdruck gebracht, indem er die Ferienlageraufenthalte ermöglichen kann. Zudem kann darüber implizit über den beruflichen Status des Vaters spekuliert werden. Denn schließlich gelingt es ihm, auch mal zwei Ferienlagerplätze hintereinander in einer Feriensaison zu beanspruchen. Dies ist gerade mit Bezug auf die Fähigkeiten des Vaters, Verbindungen herzustellen und zu pflegen und damit Engpässe der Mangelwirtschaft der DDR aufzuheben, um darüber den sozialen Status der Familie zu heben oder zu sichern, bedeutsam. So scheint der Vater entweder formell oder aber zumindest informell über eine herausgehobene Position in dem Betrieb zu verfügen. Gleichzeitig zeigt sich aber in den vom Vater organisierten Ferienplätzen für den Interviewten eine tendenzielle ‚Abschiebung‘ aus dem familialen Zusammenhang, die durch die Arbeitsbelastungen der Eltern, aber auch durch deren eigene Verwirklichungsansprüche motiviert sein kann.
Zentraler ist aber an dieser Einschiebung die Erfahrungsqualität dieser Ferienlager selbst. Hier ist für den Interviewten zentral, dass mit diesen Ferienlageraufenthalten Gleichaltrigenkontakte, und damit Handlungsräume, eröffnet werden, die nicht durch die elterliche Dominanz und Kontrolle geprägt sind. Dies ist insofern sehr zentral, als bereits hier der latente Widerspruch zwischen eigenen Verwirklichungsinteressen und den elterlichen Orientierungen anklingt. Diese würden dann dem Interviewten Stress machen, wenn sie seine Umsetzung der Verwirklichungsinteressen verfolgen könnten. Betrachten wir nun diese Umsetzungen und die damit implizierten Verwirklichungsentwürfe, dann lässt sich auch ein Bezug zum zentralen Strukturproblem des Individuationsprozesses herstellen. Hier konnte ja gezeigt werden, dass Individualisierungstendenzen dann ermöglicht sind, wenn diese in den sicherheitsspendenden Rahmen von Traditionen und Standardisierungen eingelagert sind, während umfassende Individualisierungschancen als Individualisierungsforderungen und als Überlastung erfahren werden, die Individualität eher behindert.
Mit den in dieser Sequenz dargestellten Aktivitäten – mit Kumpels zusammen sein, Rauchen und die Regeln und Anforderungen der Erwachsenenwelt (besonders der Eltern/des Vaters) unterlaufen, damit Spaß empfinden – wird der Entwurf von Individualisierung als einer deutlich, der in tradierte jugendliche Ablaufgestalten eingepasst ist. Zudem zeigt sich, dass die biographische Relevanz dieser Aktivitäten in einem systematischen Zusammenhang zu der gewählten dominanten Bewältigungsform der Wendeunsicherheiten in der ‚extremen‘ Jugendkultur steht. Dass dabei vor allem die Regeln der Eltern/des Vaters spielerisch unterlaufen werden können, zeigt sich an der Stelle, wo die Betreuer des Ferienlagers als ‚andere‘ Vertreter der Erwachsenenwelt in Erscheinung treten. Denn diese waren ‚immer ziemlich locker‘ und standen mit ihrem Lebensalter nicht in der kulturellen Differenz, wie es die eigenen Eltern für den Interviewten taten. Von diesen Vertretern der Erwachsenenwelt wird ein deutlich weniger sanktionierender und problematisierender Umgang mit den eigenen Verwirklichungsentwürfen und Bewältigungsstrategien praktiziert. Das verdeutlicht der Interviewte über die exemplarische Erzählung von zwei Betreuern, die anfangs auch Zigaretten- und Alkoholverbote verhängten, dann aber selbst einen Kasten Bier zum Verzehr freigaben – hier also das eigene Verbot konterkarierten und die damit verbundene Regel negierten. Zugleich zeigt die Stelle, was hier biographische Relevanz für den Interviewten beanspruchen kann: nämlich die Einsozialisation in Handlungsmöglichkeiten, die quasi auf der Hinterbühne einen undogmatischen und z.T. konterkarierenden Umgang mit sozialen Regeln (der Erwachsenenwelt) beinhalten.
Mit den hier aufgeführten inhaltlichen Implikationen des formalen Einschubes kann also konkretisiert werden, was als Hintergrundkonstellation für die eigentlich stringent anschließende Delinquentenkarriere erforderlich war: eine Einsozialisation in einen undogmatischen und z.T. konterkarierenden Umgang mit Regeln, der sich auf ein informelles Hinterbühnengeschehen bezieht und an die Generierung gleichaltriger sozialer Solidargemeinschaften gebunden ist. Zugleich wird hiermit die tendenzielle Aufweichung der väterlichen Autorität eingeleitet, dessen Orientierungen dann an auratischer Kraft einbüßen, wenn diese den Verwirklichungsentwürfen des Interviewten entgegenlaufen. Wichtig ist jedoch, dass diese Verwirklichungsentwürfe in tradierte Standardisierungen eingebettet sind, insofern sie der jugendkulturellen Gemeinschaft und der ‚Kumpels‘ bedürfen. Es geht also nicht um eine zugespitzte Form von Individualisierung, die sich maximal durch die Absetzung von anderen entfalten kann, sondern um eine Form, die selbst auf das Moment der Standardisierung angewiesen bleibt.
D: naja ähm pff was is noch zu sagen . von der erziehung her bin ich en bisschen . . naja so erzogen so stolz ofs vaterland und so . soll jetzt sich nich irgendwie zu krass aussehen dass ich dann irgendwelche ausländer äh . zusammenschlage das is blödsinn //hm// also in der form . bin ich eigentlich gegen sämtlichen radikalismus ejal in welcher richtung . und das find ich absolut blödsinnig . //hm// was weiß ich und ich meine jut ich hab dann . jetzt schon so meine kumpels und so . dann sin . paar äh sind ehmt och so meine richtung aber . ja in der schule lässt sich das eigentlich wenig vermeiden weil . sind och äh och linksjerichtete dabei und das sind trotzdem kumpels ich meine . //hm// danach kann mer nich jehn ich jeh da nich nach der politischen meinung . ob da nun eener sacht na nazis raus oder ausländer raus . solange der für mich en kumpel is un . och äh pf das zu schätzen weeß un so un . is das alles . in ordnung . .
Auch mit dieser Sequenz kann davon ausgegangen werden, dass der Interviewte hier mit einem weiteren Rückgriff und damit einer Hintergrundkonstruktion auf die eigentlich biographisch relevante Thematik zusteuert. So wird hier scheinbar bilanzierend auf die dominanten familialen Erziehungsformen und -inhalte eingegangen. Diese werden dann jedoch nicht detailliert vorgestellt, sondern auf einen Aspekt abgestellt, der zugleich (‚und so‘) nur schwach konturiert bleibt. Diese zentrale Orientierung, auf die der Interviewte anspielt, muss hier deutlich als nationalorientierte Einstellung markiert werden (‚stolz auf das Vaterland‘). Damit benennt der Interviewte eine umfassende Programmatik, die einerseits an einen sozialistischen Patriotismus anknüpfen könnte (‚DDR – unser Vaterland‘), die andererseits jedoch sehr deutlich dem Spektrum nationalsozialistischer und rechtsorientierter (besonders auch jugendkultureller) Verbindungen zugeordnet werden kann.
Hier zeigt sich nun ein zentrales und dominantes Problemfeld des Interviewten. Dieses kann wie folgt gekennzeichnet werden. Im Prozess der biographischen Erfahrungsaufschichtung kann sich als eine Bearbeitungsvariante der Strukturproblematik des Individuationsprozesses die Übernahme solcher Orientierungen etablieren, mit denen Verwirklichungsansprüche in den Bahnen tradierter und damit tendenziell standardisierter Ordnungen integriert sind. Diese Orientierungen fokussieren sich über die defizitären Erfahrungen distinktiver Individualisierungsforderungen, die tradiert materiellen Orientierungen der Familie, die Hinterbühnen-Einsozialisation im Ferienlager mit der Unterwanderung geltender Regeln und schließlich über die Einbindung in jugendkulturelle Gruppen zur Bearbeitung der Wendeereignisse – die vor allem die Verunsicherung der Erwachsenen beinhalten – hin zu nationalorientierten tendenziell nationalsozialistischen Entwürfen. In dieser Programmatik kann unter einem hohen Maß an Standardisierung (‚wir Deutschen‘) Individualität hergestellt und in Abgrenzung zu anderen (z.B. Ausländern) gefestigt werden. Jedoch hat diese Bearbeitungsvariante ein zentrales Krisenpotential darin, dass diese Orientierungen im Gefüge kultureller Machtkämpfe eher marginalisiert und sanktioniert werden und so die Delinquentenkarriere angelegt scheint.
Für den Interviewten äußert sich dieses Krisenpotential darin, dass die selbststärkenden Orientierungen mit einem Artikulationsverbot belegt sind und insofern gerade nicht in allen Lebenssphären (z.B. in der Schule oder auch im Interview) zum Ausdruck gebracht werden können, damit zugleich aber auch stärker an die Gruppe, das Kollektiv und die ‚Kumpels‘ bindet, um die selbststärkenden Potentiale entfalten zu können. So ist mit der vorsichtigen und unscharfen Nennung dieser Orientierung – die vom Interviewten familial angelegt wird, gleichwohl aber außerhalb der Familie in der gleichaltrigen Gruppe erst entfaltet werden kann – die Aufgabe verbunden, dem Artikulationsverbot Rechnung zu tragen und eventuellen Sanktionierungen (hier durch den Interviewer oder die anschließende Analyse) durch Rechtfertigungen vorzubeugen.
Die Rechtfertigung folgt dem Muster, dass hier nicht die radikale Form einer Vaterlandsorientierung verfolgt wird und der Interviewte entgegen anderen Gruppenmitgliedern besonders in der Schule auch soziale Beziehungen zu Personen eingeht, die andere (‚politische‘) Orientierungen haben. Damit soll sie dem drohenden Vorwurf entkommen, die Handlungs- und Artikulationsräume anderer einzugrenzen und notfalls mit Gewalt ein Anerkennungs- und Dominanzverhältnis zu installieren, in dem nur die eigenen Verwirklichungsansprüche umgesetzt sind.
Dieses Rechtfertigungsmuster bricht jedoch zumindest in zwei Dimensionen auseinander, was sich nicht zuletzt auch in den formalen Brüchen dieser Passage zeigt. Auf der einen Seite wird deutlich, dass vom Interviewten gerade die Personen zu signifikanten Anderen werden, die nicht diese ‚Zugeständnisse‘ gegenüber anders orientierten Personen machen. Damit wird auch deutlich, dass der Interviewte in der Gruppe in Anerkennungsverhältnisse verstrickt ist, in denen nur schwerlich die hier zur Schau gestellte Toleranz zum Ausdruck gebracht werden kann. In diesem Anerkennungsverhältnis ist dann aber gerade die in der Schule präsentierte tolerante Form nationaler Gesinnung problematisch, weil sie mit der Gefahr der Sanktionierung in der Gruppe und des Ausschlusses verbunden sein kann, was gleichbedeutend mit der Destruktion der dominanten Selbststütze wäre.
Auf der anderen Seite zeigt sich die Inkonsistenz des Rechtfertigungsmusters darüber, dass die eigentliche Motivation des toleranten Nationalismus nicht die internalisierte Wertigkeit von Pluralität darstellt, sondern dem Bedürfnis nach Anerkennung und sozialer Wertschätzung im schulischen Zusammenhang entspringt. Denn die eigentliche strukturelle Bedeutsamkeit der Orientierung liegt nur vordergründig in den nationalen Inhalten, mit denen an familial tradierte Orientierungen angeknüpft werden kann. Sie gründet sich in dem Bedürfnis nach Gesinnungs- und Solidargemeinschaften, in denen Anerkennung generiert, Individualität gestützt und das unterlaufen der Regeln der Erwachsenenwelt ermöglicht wird. Die ‚ Toleranz‘ und ‚Offenheit‘ für Andere erscheint so im Licht einer reaktiven Bearbeitung antizipierter und befürchteter Ausschließungen aus dem schulischen Zusammenhang.
D: naja und dann . a- war da noch son ereignis mit äh . falschen freunden kurz nach der wende . das war dann . so dass . ich war vierzehn un n kumpel von mir . und hm . war da jemand der war sechzehn un . . der war für uns ehmt . der chef und . . der konnte nun alkohol kaufen bier kaufen zijaretten kaufen was wir nich konnten //hm// und dadurch ham mer also ziemlich das jemacht was er wollte . . und dann bisschen in konflikt mit m jesetz jeraten also es war nich so toll . . im . endeffekt weeß nich die schuldfrage . . wer da nun schuld war das jing alles ziemlich hastig es . war also nich dass wir jetzt irgendjemanden zusammenjeschlagen hätten oder so . es war einfach nur stress und es war ehmt dummerweise am marktplatz und direkt daneben es polizierevier und . da ham se uns natürlich dann gleich reinjezogen //hm// . naja das war och en ziemlicher knacks dann in der familie also . . meine mutter jeheult und so und . mein vater . hat das och nich so besonders toll verarbeitet . . im endeffekt wars jar nich so weiter schlimm weil . is ja nischt weiter rausjekommen und . kam dann ne verwarnung und da wurde keen war keen verfahren oder sowas //hm// aber . ehmt so ne . gutbürgerliche familie sach ich mal da bringt das doch schon n ziemlichen knacks rein . //hm// un . mich hat das ehm . ziemlich belastet dass mein vater mir das immer wieder vorjehalten hat . eben . das kommt teilweise jetzt noch also . was weeß ich . wenn ich mal sage na . ob ich mal nun länger draußen bleiben kann oder so sacht er nee denk an damals un so was da passiert is und das kann jederzeit widder passieren . un er sieht ehmt da nich ein dass ich da . älter jeworden bin und doch was draus jelernt habe . //hm// . .
Wie in einer Dramaturgie – so zeigt sich immer deutlicher – spitzt sich die biographische Präsentation auf ein zentrales Krisenszenarium zu, dass immer wieder angedeutet und implizit über die Verlängerung der Darstellungen imaginiert werden kann, zugleich jedoch zurückgehalten, mit Hintergrundkonstellationen untermauert und durch Rechtfertigungsmuster in der Brisanz relativiert wird. In dieser Sequenz wird das Krisenszenarium (‚noch son Ereignis‘) nun zum Thema.
Das Ereignis steht für eine sich entfaltende Konflikthaftigkeit mit Sanktionsorganen der Erwachsenenwelt (hier besonders der Polizei aber auch der Eltern), die durch eine konsequente Umsetzung dessen entsteht, was als dominante und krisenbewältigende Orientierung mit der Integration in eine nationalorientierte Jugendkultur bereits latent angelegt war. Hier ist der Interviewte an einer (wörtlichen und wohl auch tätlichen) Auseinandersetzung von Gruppenmitgliedern mit dem/einem Anderen beteiligt. Diese Auseinandersetzung wird von Passanten beobachtet, die versuchen einzugreifen und schließlich die Polizei hinzuziehen. Das Resultat ist die Aufnahme eines strafrechtlichen Tatbestandes mit einer Verwarnung, die wiederum in der Familie weitere Sanktionen und Anerkennungsverweigerungen nach sich zieht, hier also sekundäre Spannungen aufbaut.
Mit diesem Ereignis, das bereits formal als dramaturgischer Höhepunkt des lebensgeschichtlichen Verlaufes herausgestellt werden konnte, sind demnach fundamentale Krisenerfahrungen verbunden. Diese sollen nun im Weiteren herausgearbeitet werden.
Mit der Darstellung des Ereignisses zeigt sich zunächst vor allem eines, dass die Auseinandersetzung selbst eher distanziert und teilweise tabuisiert wird. So wird z.B. die Schuldfrage, also die Frage der Verantwortung für das eskalierende Ereignis entthematisiert, tendenziell eine gruppenanalytische Perspektive eingenommen und der Sachverhalt bagatellisiert. So ist man ‚ein bisschen in Konflikt mit dem Gesetz geraten‘, fand das auch selbst nicht toll, weil man nach der Wende sich von ‚falschen Freunden‘ kommandieren ließ, nur weil diese wiederum aufgrund ihres Alters legal Alkohol und Zigaretten einkaufen konnten. In dieser distanziert bagatellisierenden Darstellung offenbart sich zugleich auch der polizeiliche Umgang mit dem Tatbestand, insofern durch eine entzogene Verantwortung sowie eine präsentierte Reue und Einsicht auch von einer rechtlichen Verantwortung freigesprochen und mit einer Verwarnung entlassen wird.
Dabei wird in der Darstellung das Unbehagen mit diesem Ereignis insofern deutlich, als auch hier zunächst nur Andeutungen über den Vorfall erfolgen und schnell auf die eigentlich bedeutsamen Folgewirkungen übergegangen wird. Diese Folgewirkungen können in zweifacher und einander bedingender Weise konkretisiert werden.
- Als direkte und damit primäre Wirkung resultiert aus dem ‚Ereignis‘ ein ‚ziemlicher Knacks in der Familie‘. Während die Mutter eher affektiv ihrer Enttäuschung und Erschütterung über die Entwicklung ihres Sohnes freien Lauf lässt (‚mutter geheult‘) wird vom Vater dieses Vergehen in einer dauerhaften Form vorgehalten und noch lange danach als Begründungszusammenhang für Ver- und Gebote – also Einschränkungen des Handlungsraumes – repräsentiert und aktualisiert. Zentral ist dabei, dass hier ein deutlicher und manifester Bruch in den Eltern-Kind-Beziehungen hervorgerufen wird, der einerseits deutlich macht, dass deren Orientierungen offensichtlich doch nicht dem verfolgten Nationalismus so nahe stehen, und andererseits zum Vorschein bringt, dass den Eltern als signifikante Bezugspersonen ein hoher Stellenwert für die Frage signifikanter Anerkennungsverhältnisse zukommt. Wenngleich nur spekulativ angenommen werden kann, dass sich die Eltern nur unzureichend mit der Individuationsproblematik des Sohnes während der Wende beschäftigen, insofern sie offensichtlich von dem geschilderten Tatereignis überrumpelt werden, kann doch begründet davon ausgegangen werden, dass hier Entfremdungsphänomene manifest werden und die Eltern stärker auf die Einlösung ihrer Orientierungen drängen. Wie sehen aber nun diese Orientierungen aus? Auch hier kann aus dem vorhandenen Material keine rekonstruktiv erschlossene Konkretion geliefert werden. Für den Interviewten stellen sich diese Orientierungen jedoch unter dem Etikett eines gutbürgerlichen Habitus dar. Dies verwundert nun insofern, als damit die zu Anfang des Interviews rekonstruierte Fremdheit gegenüber bildungsbürgerlichen Milieus nun auch auf den Innenraum der Familie zu übertragen wäre. Gerade dann aber wäre die Differenz der eigenen Orientierungen zu denen der Eltern viel deutlicher im Text nachweisbar gewesen. Man kann deshalb eher davon ausgehen, dass den Eltern die Wahrung des ‚guten‘ Status der Familie am wichtigsten ist. Damit kann an die dominanten Statussicherungsorientierungen der Familie angeschlossen werden, in denen es vor allem um die Präsentation des aufgestiegenen Status der Familie geht, wobei nun die dabei vernachlässigte Fürsorge des Sohnes als Konterkarierung zurückschlägt. Letztlich führt das Ereignis in der Familie zu einem Bruch in den familialen Anerkennungsverhältnissen, weil der Sohn hier den Status der Familie gefährdet.
- Als sekundäre – jedoch nicht weniger weitreichende – Folgewirkung sieht der Interviewte gerade mit diesem Bruch in den familialen Anerkennungsverhältnissen, dass die während der Wende dominant gewordene Bearbeitungsvariante der Individuationsproblematik in Gestalt einer Integration in eine extreme jugendkulturelle Gruppierung hier dysfunktionale Effekte haben kann, insofern sie Nichtachtung und Ausschluss hervorrufen kann. Damit ist der Interviewte jedoch insofern in eine zentrale Krise gestellt, als diese Orientierung ihr auratisches Erfolgsversprechen eingebüßt hat. So kann der Interviewte nur mit einem Beigeschmack an dieser Orientierung festhalten, oder er muss neue Strategien der Bearbeitung der Individuationsproblematik hervorbringen. Auch dies zeigt sich wiederum sehr deutlich mit Bezug auf die familiäre Anerkennungsproblematik, da hier dem Interviewten nunmehr ganz zentrale Aspekte der Verselbständigung und Autonomieentfaltung mit Verweis auf das ‚Fehlverhalten‘ noch Jahre danach vorenthalten werden.
D: tja was is noch zu sagen . . ja in der schule . fühl ich mich eigentlich recht wohl . bis of en paar sachen so äh en paar diktatorische lehrer sach ich mal //hm// die dann unbedingt ihrn stoff durchziehen wolln und die ehmt nich akzeptieren dass ich das alles en bisschen lockrer sehe . . ich weeß nich du warst ja da- . bei bei der hier zensurenkonferenz und da wurde mein name ja och erwähnt . obwohl ich das finde eigentlich . is blödsinn nur weil ich dann im unterricht dann quatsche naja . weeß nich //hm hm// . akzeptiern die lehrer nich was soll ich machen ich hab da sowieso nischt zu sagen . .
Mit dieser Sequenz zeigt sich nun schließlich die ganze Gestalt der biographischen Präsentation und damit des lebensgeschichtlichen Verlaufes. Durchgängig sind die institutionellen Bezüge dominant und nur dort signifikant unterbrochen oder überlagert, wo sie (während der Wende) an Orientierungskraft einbüßen. Nachdem jedoch der dramaturgische Höhepunkt mit der Eskalation der handlungspraktischen Einlösung der Bearbeitungsstrategien der Individuationsproblematik – die ja ihrerseits erst im Wechselspiel mit den Institutionen Kinderkrippe, Kindergarten und Schule in Erscheinung trat – und der dadurch potenzierten Anerkennungskrise und biographischen Verunsicherung expliziert ist, kann der Interviewte in die formale Rahmenstruktur der institutionellen Anbindung zurückkehren. Damit nimmt der Interviewte den Faden des letzten Schulwechsels von Sequenz 12 wieder auf und kann nun die vierte Schule seiner Schulkarriere thematisieren.
Der Aufenthalt an dieser Schule wird dann zunächst umfassend positiv bilanziert, wobei die Relativierung (‚eigentlich‘) auf einzelne gegenläufige Erfahrungen hinweist, die jedoch das Gesamtbefinden an der Schule nicht so einschränken. Da nun das Wohlbefinden selbst nicht expliziert wird, sondern im Weiteren eher Belege für die weniger bedeutsamen Einschränkungen vorgetragen werden, kann man von einer eher auratischen und nicht rational begründeten Zufriedenheit mit der Schule ausgehen. Dies lässt sich implizit darüber riskant konkretisieren, indem der Kontrast zur vorhergehenden Schule nun in den Gegenpolen konturiert wird. Während dort vor allem die Orientierungslosigkeit und Unsicherheit der Lehrer und die daraus folgende Anomie negativ bewertet wurden, kann die neue Schule diese Orientierung und Sicherheit vermitteln und zeichnet sich offenbar durch eine feste Ordnung aus. Das heißt, hier kann man vermuten, dass der Interviewte mit dem Image der Schule und den schulischen Orientierungen keine Probleme hat. Schließlich war in der vorhergehenden Sequenz auch implizit angedeutet, dass es für den Interviewten in der Schule möglich ist, enge Bindungen (zu Kumpels) aufzubauen, auch wenn dabei seine mit der Wende dominant gewordene nationale Orientierung nicht die Anerkennung unter den Schülern findet. Hier konnte aber auch herausgearbeitet werden, dass diese Orientierung ohnehin an Attraktivität eingebüßt hat und die Funktion der umfassenden Bearbeitung und Lösung der Individuationsproblematik nicht mehr ausfüllen konnte. Die Zufriedenheit in und mit der Schule muss sich demnach auf eine Übereinstimmung anderer Orientierungen beziehen, die vielleicht nun als neue dominante Orientierung etabliert werden können.
Abgesehen von dieser prinzipiellen Zufriedenheit werden nun einzelne Aspekte des Schulischen kritisiert. Hier bezieht sich der Interviewte zunächst auf ‚diktatorische Lehrer‘, was zunächst irritiert, da hier gerade am Vater des Interviewten deutlich wurde, dass für ihn personale Autorität auch attraktiv empfunden werden kann, insofern diese entlastet und Sicherheit generiert. Im direkten Anschluss zeigt sich aber dann, dass sich diese Kritik eher auf die strenge oder enge Fachorientierung der Lehrer bezieht. Damit wird einerseits deutlich, dass der Interviewte die fachliche und damit die Leistungsorientierung einzelner Lehrer bzw. der Schule nicht verbürgt, vielleicht auch teilweise daran scheitert, und andererseits gerade nicht die Form von Autorität verkörpert wird, die in Bezug auf den Vater als Stütze und Sicherheit erfahren wurde. Man kann im Gegenteil hier formulieren, dass diese Form einer Autorität, die Verantwortung für die Lebenspraxis des Schülers/Interviewten übernimmt, gerade eingeklagt wird.
Weiter wird deutlich, dass mit der kritisierten Stoff- und Leistungsorientierung der Lehrer für den Interviewten ganz wesentliche Aspekte der Lehrer-Schüler-Beziehung nicht realisiert sind. So deutet die Passage auf Boykotthaltungen der einseitigen inhaltlichen Leistungsorientierung hin, die wiederum zu konflikthaften Aushandlungen zwischen Lehrern und Interviewten führen. Dabei klagt der Interviewte ein, dass die Lehrer seine Perspektive nicht wahr- und ernstnehmen. In der nicht verbürgten Leistungsorientierung deutet sich also ein Krisenpotential im Bezug auf diese Schule an, das jedoch noch nicht die Zufriedenheit an der Schule selbst umfassend in Frage stellt. Dies auch dann nicht, wenn der Interviewte in der Schule in Konferenzsituationen als ‚schlechtes Beispiel‘ und als ‚schlechter Schüler‘ vorgeführt wird.
Schließlich wird im Schlussteil der Sequenz doch deutlich, dass mit der lehrerseitigen Etikettierung als ‚schlechter Schüler‘ auch eine Anerkennungsverweigerung verbunden ist, gegen die der Interviewte ankämpft. Jedoch sind ihm erlaubte Mittel in diesem Kampf um die Anerkennung der Lehrer nicht verfügbar (‚ich kann da sowieso nichts zu sagen‘), so dass tendenziell auf informelle Wege, Boykotthaltungen und das Hinterbühnengeschehen fokussiert wird (z.B. im Unterricht quatschen). Gerade aber mit dieser Fokussierung stellt sich eine biographische Kontinuität ein, die über die Erfahrungen im Ferienlager, die Zugehörigkeit zur extremen Jugendkultur bis hin in schulische Oppositionsstrategien führt. Schulische Anerkennung wird hier demnach über eine empfindliche Balance herzustellen versucht, die gleichermaßen die schulischen Anforderungen offiziell aufnimmt und informell bricht. Dass die schulische Leistungsorientierung nicht prinzipiell abgelehnt wird, die Kritik sich eher auf fehlende Rahmungen dieser inhaltlichen Anforderungen bezieht und der Interviewte letztlich selbst diese Leistungsorientierung verbürgt, zeigte sich in der 12. Sequenz darin, dass der drastische Leistungsabfall nach der Wende und mit dem Wechsel auf diese Schule deutlich bedauert wird.
D: jut pff . noch irgendwas .. tja . ja ich fahre leidenschaftlich gern moped falls das jemanden intressiert //nur zu// da . weeß nich wenns um lebensjeschichte jeht also . mein vater der hat ne alte schwalbe und da hab ich ehmt mit 13 jahren anjefangen moped zu fahren . eben widder offem dorf draußen weil da . die möglichkeit da war //hm// . of m feldweg da mit m moped rumfahren .. tolles ereignis jewesen immer . un .. ziemlich viel halt mir da selber beijebracht morgen hab ich fahrprüfung . dann darf ich dann regulär auch auf der straße fahrn . //hm// das is dann nich schlecht wenn ich das schaffe . wenn nich würd ich allerdings trotzdem fahrn . //lacht kurz// sach ich so wies is …
Wie zur vorhergehenden Sequenz bereits herausgestellt wurde, kann von einer Schließung der Gestalt der Darstellung mit der Thematisierung der jetzigen Schule gesprochen werden. Insofern wird nun stringent der enge Darstellungsrahmen verlassen und in einem Ausblick auf andere parallele Lebensbereiche von geringerer Relevanz Bezug genommen. Mit dieser Sequenz, die zugleich die letzte inhaltliche Sequenz der offenen Phase der Ersterzählung darstellt, wird als ein wesentlicher, wenn auch nachgeordneter Bereich auf eine Beschäftigung in der Freizeit verwiesen, die ebenfalls eine Geschichte hat, hier jedoch nur knapp skizziert wird. Zentral ist dem Interviewten hier, diese Beschäftigung überhaupt zu kennzeichnen, da sie – aus seiner Sicht – als Bestandteil der Lebensgeschichte zu fassen ist.
In der Darstellung wird deutlich, dass ihm über die familiale Einbettung und die enge Verbundenheit mit dem Dorf, indem seine Großeltern leben, die frühzeitige Kompetenzentwicklung zum Mopedfahren ermöglicht ist, worüber einerseits soziale Wertschätzung und Selbstwert generiert werden kann, andererseits die Mobilität erhöht und die Aneignung von Räumen – also auch Verselbständigung – möglich ist. Zugleich zeigt die Sequenz, dass der Interviewte mit dieser Aneignung des ‚Mopedfahrens‘ die Bindungen zum Vater aktualisieren kann und darüber hinaus in die familiale Genealogie und tradierte Orientierungen eingereiht wird. Dabei werden neben den genannten Aspekten besonders zwei Strategien mit dieser Beschäftigung als biographisch überdauernde Orientierungen markiert. Einerseits stellt sich der Interviewte hier als jemand vor, der sich autodidaktisch und in tätiger Auseinandersetzung mit etwas Kompetenzen und Wissen generieren kann. Andererseits wird die erfahrene Verselbständigung mit dem Mopedfahren in ein Selbständigkeits- und Autonomieideal überführt, das auch über diesen Bereich hinaus orientierend wirkt. Das zeigt sich besonders dort, wo der Interviewte zwar eine Legalisierung des Mopedfahrens über die Fahrschule anstrebt, hier also sein Handeln in die Regeln der Erwachsenenwelt integriert, jedoch fast ‚trotzig‘ formuliert, auch dann im Straßenverkehr zu fahren, wenn er diese Prüfung nicht besteht. Hier würde also der Selbständigkeitsanspruch mit den Regeln der Erwachsenenwelt in Konflikt geraten. Jedoch scheint diese Option auch als Distanzierungsstrategie auf, sich von der Bedeutsamkeit der Fahrprüfung frei zu machen. Hierin scheint auch die Motivation dafür zu liegen, dass der Interviewte diese Passage des Mopedfahrens noch an die lebensgeschichtliche Darstellung angehängt hat. Letztlich kann aus der Sequenz der Hinweis abgeleitet werden, dass für den Interviewten Lernen an sich und die Akzeptanz einer inhaltlichen und Leistungsorientierung davon abhängig ist, ob sich ein direkter handlungspraktischer Nutzen antizipieren lässt. Dieses wiederum ist für den schulischen Zusammenhang nur in der Phase des schulischen Handlungsschemata deutlich geworden und kann für die gegenwärtige Positionierung zur Schule eher ausgeschlossen werden.
D: tja . ansonsten . . pf . weeß nich eigentlich nich so viel zu sagen noch irgendwas was dich intressieren würde oder so . //hm .. ja wenn dir jetzt .. nichts weiter einfällt erstmal dann ..// hm . . nöö . eigentlich nich .
Mit dieser Sequenz wird zunächst ein Aushandlungsprozess über die Erfüllung der Interviewanforderungen und hier vielleicht notwendige inhaltliche Erweiterungen eröffnet, um dann mit einer Koda die Darstellung zu beenden. Der Interviewer wird dabei direkt aufgefordert, deutlicher die Interessen zu formulieren, die im bisherigen Interviewverlauf noch nicht zur Darstellung kamen. Bereits in dieser Aufforderung deutet sich eine Koda an, die hier jedoch eher formal auf die Abgabe der Eigenstrukturierung der Darstellung gerichtet ist. Der Interviewer weist die angefragte inhaltliche Hilfsstrukturierung zunächst zurück und macht dabei auch deutlich, dass die bisher vorgetragene Lebensgeschichte durchaus den Anforderungen genügt. Er öffnet jedoch insofern noch einmal den Raum für Ergänzungen, als er diese von der Prioritätenliste des Interviewten abhängig macht. Das heißt, wenn diesem wichtige Aspekte fehlen, sollten diese nachgetragen werden. Hier zeigt sich in der Formulierung aber auch, dass es ‚erstmal‘ nicht den dringenden Bedarf der Komplettierung gibt, da offensichtlich dies auch später (vielleicht in anderen Arrangements) nachgetragen werden kann. In dem Gemisch aus zurückgewiesener Nachfrage der inhaltlichen Fremdstrukturierung, der Signalisierung prinzipieller Erfüllung der Interviewanforderungen und der Ausweisung der obersten Priorität der subjektiven Relevanzen in der Darstellung kann sich sehr schnell auf ein (erstes) Ende der Darstellung geeinigt werden.
Immanente Nachfragen:
Nach dieser Einigung werden dann vom Interviewer Nachfragen angekündigt. Damit ergibt sich eine Widersprüchlichkeit, da doch kurz vorher die Anfrage nach ausstehenden Interessen nicht genutzt wurde. Insofern kann das ‚erstmal‘ aus dieser Zurückweisung nun derart konkretisiert werden, dass hier zwei formal-strukturell getrennte Interviewphasen abgehandelt werden. Nachdem nun die eigenstrukturierte biographische Präsentation beendet wurde, folgt nun ein Nachfrageteil.
Mit der ersten Nachfrage des Interviewers wird an die anfänglichen Ausführungen angeknüpft und hier besonders der Aspekt der vielen Schulwechsel hervorgehoben, dann jedoch auf den Lebens- und Erfahrungsbereich außerhalb von Schule verwiesen und hier besonders die Aufwachsbedingungen auf dem Dorf nachgefragt.
D: naja das war eben . bei uns damals burgviertel da war nich so viel mit freunden . obwohl ich eigentlich da so nie so die probleme hatte also kontaktfreudig war ich eigentlich schon immer un . . weeß nich aber . ehmt . die meisten freunde hatt ich dann . ehmt of m dorf das lag . wahrscheinlich auch dadran . dass so in . meiner näheren umgebung . . war nich so warn nich so die tollen leute //hm// . äh es eenzje war dann ehm . hatt ich ne sehr jute freundin eigentlich vom . . vierten oder fünften lebensjahr an . die wohnte dann eben zwei häuser . weiter und . war eigentlich äh . sie war eigentlich mehr so so jungentype . //mhm// und da ham mer eben allen möglichen blödsinn zusammen jemacht . was weeß ich dann im keller vom altbauhaus dann zusammen jekokelt und lauter sowas . un eier aus m fenster jeschmissen un lametta of irgendwelche büsche jehangen und //hm// das mitten im hochsommer . . ham mer schon n paar sachen durchjemacht aber . eigentlich nie so dass da dolle stress wär außer wegen dem . kokeln dann im . keller da war mein //hm// vater nich so begeistert von //lacht// oder als wir die scheibe einjeschmissen ham bei unserm nachbarn das fand er auch nich so toll . .
In der ersten Sequenz des Nachfrageteils bezieht sich der Interviewte auf die Aufwachsbedingungen im Wohnumfeld der ersten Wohnung, indem er die Freundschaftsbeziehungen dort kennzeichnet und dies zugleich als Hintergrundkonstellation für die besondere Qualität der Einbindung im Dorf nutzt. Dabei wird als zentrales Moment für die Bedeutsamkeit der Bindungen im Dorf die defizitäre Bindungsqualität in der städtischen Wohnumgebung ausgewiesen (‚da war nicht viel mit freunden‘). Das hier markierte Defizit muss dann offensichtlich korrigiert werden, damit es nicht zu bedrohlich als Anerkennungspoblematik des Selbst in Erscheinung treten kann. Gerade aber in dem Ausweis der eigenen Kontaktfreudigkeit, und des Mangels an richtigen Kontaktpersonen in der Wohnumgebung, der erst im Dorf aufgehoben werden kann, deutet sich die defizitäre Anerkennung als zentrale Problematik in dieser Lebensphase an.
Dass hier nicht ‚so die tollen Leute‘ waren, wie sie dagegen im Dorf in großer Zahl angetroffen werden, deutet auf einen Kontrast hin, mit dem die Personen der Wohnumgebung im Gegensatz zu einer dörflichen Umgebung bestimmt werden können. Unter Rückbezug auf die Interpretation der ersten Sequenzen der offenen Phase kann dieser Gegensatz und die Anerkennungsproblematik weiter bestimmt werden. Hier zeigte sich, dass gerade die distinguierte Absetzung und Kennzeichnung des Besonderen der Wohnumgebung und des Sozialmilieus beim Interviewten mit Verunsicherungen und Überlastungen zusammenfallen. Damit könnte in einer Richtung eine Anerkennungsverweigerung und -abwehr des Interviewten gegenüber dem Wohnumfeld und dem dort repräsentierten Besonderheitsdruck vermutet werden. In der Gegenrichtung kann aber nun mit dieser Passage des Nachfrageteils davon ausgegangen werden, dass auch dem Interviewten gegenüber Anerkennung im Wohnumfeld verweigert wird, wenn dieser den Besonderheitsgestus des Wohnumfeldes nicht mitrepräsentiert. Von daher wäre zu vermuten, dass der Interviewte sich in diesem Umfeld nie aufgenommen, sondern eher ausgegrenzt fühlt, was mit einer bedeutsamen Eingrenzung von Entfaltungsmöglichkeiten des kindlichen Selbst einhergeht.
Dass die Isolationsproblematik nicht vollkommen aufbricht und teilweise aufgefangen und kompensiert werden kann, liegt an der Herstellung kompensatorischer Beziehungen, die sich gerade nicht nach der Logik des besonderen Milieus, sondern eher als egalitärer Gegenentwurf strukturieren und teilweise ihrerseits distinguierte Konventionen ignorieren und konterkarieren. Hier ist zunächst die Beziehung zu einem Mädchen aus der Nachbarschaft relevant, mit der der Interviewte eine langandauernde Beziehung eingehen kann, da diese gerade nicht wie die anderen Mädchen (Kinder) des Wohnumfeldes ist, sondern ‚so ne Jungentype‘, mit der man kindliche Verselbständigungsschritte vollziehen, Räume erobern und Regeln der Erwachsenenwelt spielerisch brechen kann. So hat man ‚allen möglichen Blödsinn gemacht‘, gekokelt und anderes. Dabei ist zentral, dass man gemeinsam etwas ‚durchmacht‘ – also sich zusammen bewährt, Gefährdungen übersteht, aber auch Sanktionierungen und Ausgrenzungen gemeinsam teilt und damit mildert. Weniger relevant ist dabei, ob der Vater bestimmte Handlungen negativ einschätzt und vielleicht sanktioniert, auch wenn damit vielleicht punktuell eine Steigerung der Krisenproblematik für den Interviewten einhergeht. Dass diese väterlichen Reaktionen – der auch hier als zentrale Erziehungsinstanz und Autorität der Familie ausgewiesen ist – nicht so bedeutsam sind, zeigt sich schon an dem geringen Detaillierungsgrad, mit dem diese Effekte nur angedeutet werden. Wichtiger sind die Ausgrenzungen und Verletzungen durch die anderen Kinder des Wohnumfeldes, die im gemeinsamen und abweichenden kindlichen Aktionismus bearbeitet werden können.
Schließlich ist mit dieser Sequenz einerseits der Bezugspunkt zur hohen aktuellen Bedeutsamkeit enger tendenziell egalitärer Gleichaltrigenbeziehungen hergestellt, insofern dieser Entwurf in der frühen Kindheit generiert wurde und sich seither über die gesamte Schulzeit bewähren konnte. Andererseits wird mit dieser Passage aus der frühen Kindheit die Grundlegung der Position des Interviewten zu distinguierten elitären Strukturierungen verdeutlicht. Man kann hier prinzipiell von einem Spannungsverhältnis zu solchen Besonderungen ausgehen, die für den Interviewten mit Überlastungs- und Ausgrenzungsdrohungen verbunden sind. Insofern könnte auch gerade die Beziehung zur Schule dann gestört sein, wenn diese zu deutlich solche Orientierungen repräsentiert.
D: naja . gut ansonsten . . . war im endeffekt war eigentlich alles ne schöne zeit weil . . ähm .. muss mal so sagen meine mutter is eigentlich für mich en . so sowas och wien . guter freund äh guter kumpel oder sowas . mit der kann ich mich eben über alles unterhalten unnn . die hat dann uns och jesagt als ich anjefangen habe mit rauchen . jut . . is deine entscheidung . du darfst zwar vom jesetz her noch nich aber . ich kann da sowieso nischt dran ändern . und das war dann was andres als mein vater das erfahren hat der hat mir erstmal eene jeklebt . irgendwie //mhm// und . er fands wohl nich so toll aber . da meine mutter auch heimlich raucht . äh beziehungsweise jetzt darf se äh . offiziell . weil mein vater is en strikter nichtraucher und da ham mer ehmt zusammen immer heimlich jeraucht und . ha . war schon son so ne sache die hat uns da och ziemlich zusammenjeschweißt . //hm// . .
Nach der vorhergehenden Sequenz wird nun in dieser Passage zunächst eine Bilanzierung eingeleitet, die sich stringent auf die Phase des Aufwachsens und die hier implizierte Anerkennungsproblematik beziehen muss. Diese Bilanz fällt dann sehr positiv aus, wobei mit der Fokussierung auf den Endpunkt des bilanzierten Zeitraumes (‚im Endeffekt‘) schon deutlich wird, dass es zwischendurch immer auch Phasen gegeben hat, die nicht diese positive Bilanzierung verdienten. Im Gegenteil deutet sich eher ein Legitimationsmuster an, vor dessen Hintergrund einstmals negativ erfahrene Ereignisse nachträglich durch Effekte gerechtfertigt werden, die man diesen Ereignissen zuschreibt, nach dem Motto: ‚es war schlimm, aber es hat sich gelohnt‘.
Dieser positiven Einschätzung des Aufwachsens folgt dann ein Begründungszusammenhang, der jedoch zunächst scheinbar nicht eingelöst werden kann. So folgt eine längere Pause, die erst durch einen inhaltlichen Sprung überbrückt werden kann, der zwar nicht umfassend zur positiven Erfahrung der in Rede stehenden Lebensphase beiträgt, jedoch positiv erfahren wurde. Hier wird die Mutter des Interviewten eingeführt. Dies geschieht jedoch in einer gebrochenen Form. So tritt die Mutter hier gerade nicht als Mutter – und als Familienbindung – in Erscheinung, sondern ihr Status wird über die Strukturlogik der egalitären Gleichaltrigenbeziehungen als ‚guter Freund und guter Kumpel‘ bestimmt. Was hier nun auf der einen Seite als enorme Aufwertung der Bedeutsamkeit der Mutter erscheint, zeigt sich jedoch von einer anderen Seite im Licht eines Defizits. Zunächst wird positiv ausgewiesen, dass es in der Beziehung zur Mutter keine inhaltlichen Tabus und Kommunikationshindernisse gab, man also mit ihr über alles reden konnte. Als weiterer positiver Aspekt wird die mütterliche Reaktion aufgeführt, als sie den Sohn rauchen sieht und vor dem Hintergrund ihres Sorgerechtes und ihrer Erziehungspflicht auch reagieren muss, da er noch nicht das notwendige rechtliche Alter zum Rauchen erreicht hat. Dabei wird besonders positiv erfahren, dass die Mutter nicht gleich negativ sanktioniert, sondern den bereits erreichten Autonomiestatus des Sohnes scheinbar anerkennt.
Betrachtet man nun diese Passage genauer und hinterfragt die ideale Konstruktion einer egalitären Kumpelbeziehung, dann zeigt sich, dass die Mutter dem Sohn das Rauchen nicht negativ sanktioniert, weil sie selbst einerseits ‚verbotener Weise und heimlich‘ raucht und weil sie andererseits nicht die erfolgreiche Wirkung ihres Eingriffes antizipieren kann (‚ich kann da sowieso nichts dran ändern‘). Dass sie also scheinbar auf die Bedürfnisse und Kompetenz des Interviewten eingeht, entpuppt sich hier als eigener Kompetenzmangel und als mangelhafter Selbstwert. Neben der desillusionierten Mutter reagiert der autoritäre Vater sofort und negativ sanktionierend, indem der Interviewte erst einmal eine ‚jekleebt‘ kriegt. Aber auch beim Vater muss die ambivalente Wirkung auf den Sohn herausgestellt werden. Während auf der einen Seite mit der negativen Sanktion Bedürfnisse des Sohnes zurückgewiesen werden, generiert der Vater doch auch innerhalb der Familie Orientierungssicherheit.
Entscheidend ist in diesem Zusammenhang aber, dass der Interviewte hier eine stärkere Nähe zur Mutter herstellen kann, die jedoch nicht nach dem Familiencode, sondern nach der Logik der Kumpels strukturiert ist. Damit wird aber innerhalb der Familie ein Stützsystem aufgebaut, in dem der Sohn Anforderungen kompensieren und die familialen/väterlichen Regeln unterwandern kann. In den heimlichen Rauchaktionen von Mutter und Sohn, die ‚zusammenschweißen‘, entsteht eine oppositionelle Bindung, von der offensichtlich beide profitieren können. Jedoch bleibt bei aller Enge und Funktionalität der neuen und positiv erfahrenen Bindungsqualität auf die ‚dark sides‘ dieser Familienkonstellation hinzuweisen. Denn hier steht auf der einen Seite der dominante, autoritäre Vater, der seine Vorstellungen auch gegen die Bedürfnisse der anderen Familienmitglieder durchsetzt und notfalls mit (körperlicher) Gewalt (zumindest gegenüber dem Sohn) sanktioniert, während auf der anderen Seite die Mutter, mit geringem Selbstwertgefühl und ohne Verantwortungs- und Erziehungsfunktion, selbst unter der väterlichen Autorität leidend, mit dem Sohn ein oppositionelles Bündnis eingeht, um die eigenen Bedürfnisse befriedigen zu können.
Da nun diese Sequenz die zuvor formulierte positive Bilanz des Aufwachsens begründen soll, muss deren Stellenwert abschließend in einer Festigung der biographischen Orientierungen gesehen werden, die auf oppositionelle und informelle Bündnisstrategien verweisen, um die Anerkennungsprobleme zu bearbeiten.
D: naja of m dorf eben . was da jewesen is was weeß ich da warn mer ehmt . da war n tonloch in der nähe ehmt immer baden jewesen und so . sicherlich am anfang bisschen probleme jehabt weil . so de dorfjugend is ehmt so eh der is aus der stadt der is doof . jenau wie ich das am anfang jedacht hab n dorftrottel so unjefähr . aber das hat sich dann mit der zeit jelegt also ich hab jetzt . och so ich bin jetzt eigentlich immer noch ziemlich jedes wochenende of m dorf . also in bohnstett da was weeß ich dann is eben jetzt is eben nich mehr kirschenpflücken und baden jehn sondern jetzt jehn mer ehmt da . in de disco . //hm// . un . repariern an unsern mopeds rum weil das is da alljemein so üblich da hat jeder ab vierzehn jahre hat da in irgend ner form e moped . //hm// und . da ham mer och de tollsten ideen wir wolln zum beispiel en ((?)) bauen aber ob das irgendwann was wird is die andre sache . . naja mein vater der sieht das teilweise nich so jerne weil da . sind son paar leute dabei . was weeß ich die ham eben . sind eben in der schule nich so toll und so . aber wie jesacht das intressiert mich irgendwo nich mich intressiert einfach dass derjenige n juter kumpel is dass ich mit dem och mal . was weeß ich quatsch machen kann oder sowas . //hm// und . was intressiertn mich wie der in der schule is oder was der später mal wird oder . . selbst wenn der irgendwann of der straße landet oder so das intressiert mich zu dem zeitpunkt nich . wo ich mich mit ihm jut unterhalten kann was weeß ich n bierchen trinken kann mal was weeß ich . zusammen wir uns über weiber unterhalten oder irjend sowas . //hm// . .
Ohne das man dem Interviewten eine Bewusstheit darüber zusprechen wollte, die Erfahrungen im Wohngebiet, mit dem Bündnis zur Mutter und der Integration in die dörfliche Jugend in einen stringenten Zusammenhang zu stellen, wird doch hier genau diese Struktur mit der Darstellung repräsentiert. Mit dieser Sequenz nimmt der Interviewte den Kern der Nachfrage auf und thematisiert die Beziehung des Dorfes zum Aufwachsen in der Kindheit und Jugend.
Während der Beginn der Präsentation dieser Passage zunächst noch auf die Darstellung gemeinsamer Aktivitäten abzielt und dies über eine Aufzählung von Tätigkeiten realisiert werden soll (hier das Baden im Tonloch), zeigt sich dann sehr schnell, dass die eigentliche Bedeutung der dörflichen Aufwachsbedingungen die Frage der Integration und Ausgrenzung beinhaltet. Die Zentralität dieser Aspekte wird darüber sehr deutlich, dass die Aufzählung der gemeinsamen Aktivitäten abgebrochen wird und eine Fokussierung auf die Problematik Integration/Ausgrenzung erfolgt (‚sicherlich am Anfang bisschen Probleme gehabt‘).
Hier stellt der Interviewte als Ausgangslage der Einbeziehung in die dörfliche Jugendgruppe eine gemeinsame Anerkennungsproblematik dar. Diese wird vor allem an der städtischen und ländlichen Herkunft festgemacht, bezieht sich mithin auf habituelle Ausformungen und kann somit als Differenz der jeweils verbürgten kulturellen Ordnungen konkretisiert werden. Damit wird eine analoge Anerkennungsproblematik deutlich, wie sie bereits im städtischen Wohnumfeld (dem distinguierten Milieu des ‚Burgviertels‘) rekonstruiert werden konnte. Insofern kann man hier fast von einer Wiederholung und Verhärtung der Differenzerfahrung in verschiedenen Sozialmilieus ausgehen. Jedoch nimmt die Anerkennungsproblematik bzw. der ‚Kampf um Anerkennung‘ hier im Dorf einen anderen Verlauf. Während im Wohnumfeld des ‚Burgviertels‘ eine Annäherung auf der Seite des Interviewten strukturell verhindert war, insofern die dort repräsentierte, distinguierte Ordnung mit einer tendenziellen Belastung und Überforderung der Individualisierungsansprüche verbunden war, kann offensichtlich die ‚kulturelle Differenz‘ zwischen Interviewten und den Jugendlichen des Dorfes aufgeweicht und überwunden werden. Doch wie ist diese Annäherung angesichts harter wechselseitiger Verletzungen und Ausgrenzungen (‚doofer Städter‘ und ‚Dorftrottel‘) zu verstehen?
Betrachten wir dazu intensiver die implizite Anerkennungsproblematik, dann kann zunächst ausgeschlossen werden, dass der Interviewte es aufgrund einer ‚großen Tat‘ schafft, plötzlich die Anerkennung der dörflichen Jugendlichen zu gewinnen. Dagegen spricht erstens, dass ein solches heroisches Ereignis sicher auch thematisiert worden wäre und zweitens, dass der Interviewte hier einen prozesshaften Annäherungsprozess zum Ausdruck bringt (‚hat sich dann mit der Zeit gelegt‘). Deshalb ist eher davon auszugehen, dass der Interviewte seine Einstellung gegenüber den Jugendlichen des Dorfes geändert, diese also sukzessiv nicht mehr als ‚Dorftrottel‘ wahrgenommen hat. Dass die Transformation der wechselseitigen Anerkennungsverweigerung vom Interviewten ausgeht, deutet sich auch im direkten Anschluss an die Konstatierung dieser Veränderung an (‚also ich hab‘). Diese Transformation der eigenen Einstellung und damit der eigenen Anerkennung und Wertschätzung der Jugendlichen des Dorfes ist nun jedoch (motivations- bzw.) begründungsbedürftig. Ein stringenter Zusammenhang kann nun derart vermutet werden, dass der Interviewte einerseits die Wiederholung der wechselseitigen Anerkennungsverweigerung als gesteigertes Defizit erfährt und andererseits eine Annäherung deshalb möglich ist, weil die kulturelle (oder symbolische) Differenz hier weniger groß und starr ist. Letzteres lässt sich darüber stärken, dass von den Jugendlichen des Dorfes nicht die problematische Individualisierungsforderung ausgeht, sondern im Gegenteil Anknüpfungspunkte im Sinne gleichwertiger und gegenindividualistischer Anerkennungsstrukturen bestehen. So kann die Beziehung unter diesem Vorzeichen die Orientierung an Kumpelbeziehungen fortschreiben und festigen. Gerade darin aber muss die biographische Bedeutsamkeit der Integration in das dörfliche Jugendleben verstanden werden.
Die biographische Relevanz der dörflichen Einbindung zeigt sich dann im Weiteren darin, dass diese bis in die Gegenwart als signifikante Beziehungsnetzwerke aufrechterhalten werden, wobei die Aktivitäten auch geeignet sind, Verselbständigungsschritte vollziehen zu können (Disko und Moped). Damit wird aber diese Einbindung in diese Jugendgruppe ein zentrales Stütz- und Kompensationsmoment der weiteren Entfaltung und Festigung des Selbst. Dies zeigt sich nicht zuletzt auch darin, dass der Interviewte sich hier eindeutig in einem kollektiven ‚Wir‘ verortet und gemeinsame zukünftige Aktionen andeutet, hier also von Interviewerseite nicht von einer Aufkündigung der Beziehung auszugehen ist.
Besonders deutlich wird aber die biographische Bedeutung dieser Jugendgruppe in der Auseinandersetzung mit der väterlichen Position dazu. Hier zeigt sich, dass der Vater besonders stark in der Frage gleichaltriger Bindungen auf habituelle Ausformungen achtet (z.B. über Schulabschluss, Berufsoptionen etc.), während dem Interviewten besonders die Frage der aktuell gewährten Anerkennung des Selbst in gemeinsamen Tätigkeiten (Quatsch machen, Bier trinken und über Mädchen unterhalten) zentral ist. Für den Vater kann an dieser Passage erneut die Dominanz eines Statussicherungsdenkens herausgestellt werden, der diese auch in den Gleichaltrigenbeziehungen des Interviewten umzusetzen versucht. Das heißt aber auch, dass der Sohn immer deutlicher als Projektionsfläche dieser Statusambitionen des Vaters in Erscheinung tritt und sich gegen diese zur Umsetzung der eigenen Entwürfe durchsetzen muss.
D: hm naja . zu meiner frühen kindheit da muss ich also . sagen //hm// nich so die tollen erinnerungen also .. die schulwechsel weeß nich ham mir eigentlich nie soviel ausjemacht . . weil . wie jesacht kontaktfreudig und so war ich . //hm// . allerdings muss ich sagen wenn ich jetzt irgend jemanden aus der . zweiten klasse treffen würde den . da würd ich mich wahrscheinlich kaum dran erinnern . wer das nun war . weil . wie jesacht also erste klasse jahn zweite klasse war dann bebelschule und dritte klasse warn mer dann schon in neustadt nord also of der schule . //hm// . un .. war also bisschen durchenander das janze .
Schließlich nimmt der Interviewte scheinbar unaufgefordert noch einmal die Phasen der frühen Kindheit auf. Dies irritiert zunächst umso mehr, als er hier deutlich macht, dass er an diese Phasen nicht die besten Erinnerungen hat. In einer Variante kann dies durchaus als ein wenig verfügbares Erinnerungsvermögen gedeutet werden, wobei dann uneinsichtig wäre warum dennoch diese Thematisierung hier erfolgt. In einer anderen Variante wäre jedoch auch die Möglichkeit gegeben, dass hier hochproblematische und negative Erinnerungen verfügbar sind. Dann wäre die Positionierung dieser Passage insofern stringent, wenn diese latent als Ursachengeflecht für die nachfolgend positiv erlebte Integration in die Dorfjugend zu verstehen wären, nämlich dann als deren Kompensation zu verstehen wären.
In ganz ähnlicher Weise wird dann der Zusammenhang durch den Interviewten gekennzeichnet, indem dieser auf die Schulwechsel verweist und damit ja auch einen Aspekt der Nachfrage aufnimmt. Wenn nun durch den Interviewten auf der einen Seite die Schulwechsel zwar entproblematisiert werden, so zeigt sich auf der anderen Seite aber doch (ganz im Sinne der 2. Variante oben) der direkte biographische Zusammenhang zwischen Schulwechsel und Integration in die dörfliche Jugendszene darin, dass über die Schulwechsel eine defizitäre Einbindung in Gleichaltrigengruppen mit grundgelegt wurde. So tragen die Schulwechsel gerade nicht zur Etablierung funktionsfähiger Anerkennungsverhältnisse bei, sondern drängen den Interviewten wiederholt in die Rolle des Fremden und Neuen, der sich seine Anerkennung in einem bestehenden und gefestigten Netz erst erkämpfen muss. Die präsentierte Kontaktfreudigkeit erscheint somit gerade nicht als ‚naturwüchsige‘ soziale Kompetenz, sondern als soziale Notwendigkeit, um der drohenden Ausgrenzung und Isolation entgehen zu können. Gestärkt wird diese strukturelle Isolationsgefahr und die Notwendigkeit der Generierung von Kontaktfreudigkeit darüber, dass soziale Kontakte zu den früheren Schulen kaum bestanden und erinnert werden können, und die Schulwechsel trotz der eigentlich präsentierten Belanglosigkeit auch als Durcheinander, also als chaotisch und anomisch (im Sinne von Strukturdiffusion und -erosion), ausgewiesen werden.
In der nächsten Nachfrage bezieht sich der Interviewer nochmals auf die Einbindung in das Dorf, wobei die Generierung dieser Einbindung erfragt wird. Wie ist der Interviewte zu diesem Dorf gekommen, über die Großeltern oder den Garten?
D: großeltern und garten also . beide omas wohnen also da . . und eben mit m garten . äh mein vater der is also das is so was weeß ich son steckenpferd von ihm . dass er eben da seinen garten hat und //mhm// das da eben jemacht wird und kartoffeln anjepflanzt werden . und lauter sowas . und . er war eben . also meine . . eltern sind eben . da meine omas da wohnen natürlich auch von da . und noch ne enge verbundenheit besteht da . und . war eigentlich . . ich gloobe mein erstes lebensjahr hab ich sojar da jewohnt wenn ich mich recht entsinne bei meiner oma noch im haus weil meine eltern noch nich die wohnung hatten . //hm// . die ham also ziemlich zeitig jeheiratet //hm// . .
Zunächst bezieht sich der Interviewte mit dieser Sequenz auf den Kern der Nachfrage und plausibilisiert den ‚Zugang‘ zum Dorf. Dabei stellt er heraus, dass es sowohl die Großeltern als auch daran gebunden der elterliche Garten waren, die den Kontakt zu diesem Dorf bewirkten. Deutlich wird darüber, dass in der Familie und mit der Aufrechterhaltung einer Familiengenealogie und Familientradition die Bindung zum Dorf nicht nur angelegt war, sondern gewissermaßen auch als Aufforderung an den Interviewten herangetragen wurde. Dabei ist der Wohnsitz der Großeltern als Familienursprung zwar der zeitlich vorausgehende Motivationszusammenhang, jedoch dominiert in der Darstellung schließlich die väterliche Orientierung auf einen Garten, der wiederum als Statussymbol gekennzeichnet werden kann. Dies kann insofern deutlich gemacht werden, als es dem Vater offensichtlich auch darum geht, die Produktivität und damit den Präsentationswert des Gartens abzusichern (wenn z.B. Kartoffeln angebaut werden).
Die enge Verbundenheit mit diesem Dorf wird dann weiter ausgestaltet. Als neues Moment wird dabei deutlich, dass der Interviewte offensichtlich auch einige Zeit bei einer Großmutter gewohnt hat. Dieser Umstand wird hier jedoch kaum expliziert und in seiner Relevanz herausgestellt. Dabei fällt auf, dass die Kennzeichnung und damit eine Unterscheidung der Großmütter sowie der Verbleib der Großväter offensichtlich biographisch irrelevant sind. Zugleich fällt auf, dass implizit ganz zentrale Konstellationen und Bedingungen des Aufwachsens und der Familienbildung der Eltern genannt sind. Denn offensichtlich stehen deren Verselbständigungsschritte stark im Schatten ihrer Herkunftsfamilien und werden selbst sehr frühe ‚Ausbruchsversuche‘ (‚die haben also ziemlich zeitig geheiratet‘) auf die familiale Einbindung zurückgeworfen und scheitern tendenziell. Bei aller Riskanz dieser Aussagen kann doch davon ausgegangen werden, dass es für den Interviewten von hoher Relevanz ist, dass der Beginn der Lebensgeschichte mit dem großelterlichen Lebensraum enger verwoben ist als mit der elterlichen Kernfamilie. Dabei deutet sich an, dass die Eltern nicht in dieser Einbettung erfahren wurden, also im Grunde nicht zum nahen Erfahrungsraum des ersten Lebensjahres dazugehören. Dies lässt sich darüber stärken, dass der Interviewte bei dieser Passage in der Ich-Form formuliert.
Hier könnte also zunächst eine hohe biographische Relevanz und eine enge Bindung zu den Großeltern vermutet werden. Aber diese Folgerung bestätigt sich nicht. Im Gegenteil zeigt sich, dass mit der fehlenden Differenzierung der Großeltern diese zu einem Großelterngemisch verschmelzen, in dem Unterscheidungen nicht von Belang sind. Somit ist es also nicht die ‚Oma Erika‘, zu der eine lebenslange enge Bindung besteht und auch nicht der frühe Tod von ‚Opa Friedrich‘, den man lange Zeit bedauert, sondern es ist das entpersonifizierte Gemisch der ländlichen Lagerung, aus der die Eltern des Interviewten gleichzeitig entfliehen wollen und dem sie andererseits durch Traditionen und Familiengenealogien dauerhaft verhaftet bleiben. Diese Lagerung bzw. dieses Gemisch der Prägung der Aufwachsbedingungen kann dazu beigetragen haben, dass der Interviewte in der Familie mit den Eltern nie so freigesetzt war, dass ihm ein unproblematischer Anschluss an andere kulturelle und habituelle Milieus gelingen konnte. Letztlich wird damit jedoch nicht nur die ‚Krise‘, sondern auch deren ‚Lösung‘ bereitgestellt, in der Orientierung auf nicht distinguierte und egalitäre Gleichaltrigenbeziehungen (rechte Jugendszene) und der dauerhaften Integration in die dörfliche Jugendgruppe. Dabei wirkt diese Abfolge schon beinahe tragisch, da nun deutlich wird, dass die schon von den Eltern angestrengten und gescheiterten Versuche der Freisetzung aus dem Herkunftsmilieu, nun auch für den Interviewten reproduziert scheinen und das Herkunftsmilieu eine starke Bindekraft entfalten kann.
D: und . . da war eigentlich immer da sind mer also mindestens jedes wochenende hin und ab und zu mal auch in der woche . //hm// . also erst . wars en bisschen kompliziert weil . weil mer keen auto hatten zu ddr-zeiten . . das war aber eigentlich nich es problem also meine mutter ist dann mit uns los mein . bruder noch im kinderwagen und ich nebenher da sin mer dann bis nach bohnstett jefahrn und dann mit m zug nach bohnstett das is ja bloß eene station . . wo meine mutter dann noch es babyzeug noch in der hand hatte und . ab und zu bin ich och mit meinem vater mitjefahrn ehmt of m moped der hatte . vorne son kindersitz da sin mer dann //hm// mit m moped rausjefahrn ejal welches wetter war . .
Stringent schließt diese Sequenz an die vorhergehende insofern an, als hier die Bindekraft des Herkunftsmilieus der Eltern weiter illustriert wird. Die Thematik dieser Sequenz behandelt entsprechend die Häufigkeit der Besuche in diesem Dorf, wobei die Bedeutsamkeit dieser Besuche über die Hindernisse und Schwierigkeiten des Weges zusätzlich gesteigert wird. Damit erscheint jedoch die Häufigkeit der Besuche (des Gartens oder der Großmütter) in einem ambivalenten Licht. Denn wenn auf der einen Seite damit die Bedeutsamkeit dieses Ortes und des dadurch repräsentierten Herkunftsmilieus gesteigert (A) wird, hier also gerade die Bindungen und die Stützungen im Dorf erfahren werden, kann auf der anderen Seite damit das Beschwerliche, das Bedrückende und Ungeliebte des Herkunftsmilieus zum Ausdruck kommen. Stellvertretend würde dann die Einschränkung und Begrenzung durch das Herkunftsmilieu in den geschilderten Strapazen der An- und Abreise zum Ausdruck kommen (B).
Zugleich wird parallel zu den Strapazen der Anreise auch über elterliche Statusdefizite und deren Bearbeitung berichtet. Anfangs hatte man noch kein Auto, hat also als elterliche Kernfamilie zentrale Statussprünge noch nicht vollziehen können und war vielleicht gerade deshalb auf die Stützungen des Herkunftsmilieus angewiesen, von dem man sich eigentlich abzusetzen hoffte. Indiz für diese Interpretation kann die Thematisierung und Negierung der Problematik sein, die vom Interviewten an das fehlende Auto gebunden wird. So wird deutlich das fehlende Auto mit einer Problematik verknüpft, diese aber sofort im Anschluss korrigiert und zurückgenommen. Das heißt, dass das Problem nicht in der Art von Schwierigkeiten bestand, wie man nun ohne Auto zum Dorf gelangen kann, sondern dass Problem war ein anderes, nämlich eines des nicht erreichten Status. Die Dramatik des fehlenden Autos spitzt sich dann zu, als deutlich wird, dass es den Eltern und hier besonders dem Vater trotz dominanter materieller Orientierungen und Sparsamkeit nicht gelingt, dieses Statussymbol in der DDR zu erwerben. Jedoch wird der Sprung schließlich mit der Wende und dem Zusammenschluss beider deutscher Staaten möglich und vollzogen.
Um schließlich die angedeutete Problematik des fehlenden Autos zu verringern, werden zwei alternative Anfahrtswege beschrieben. Der eine wird mit der Mutter und dem kleineren Bruder (noch im Kinderwagen) mit der Bahn (oder dem Bus) und teilweise zu Fuß zurückgelegt. In der anderen Variante fährt der Interviewte beim Vater auf dem Moped mit, wobei dies weniger häufig vorkam. In beiden Varianten wird jedoch auch erneut die Beschwerlichkeit deutlich gemacht. Im ersten Fall wird implizit deutlich, dass der Interviewte noch als kleines Kind hier regelmäßig Fuß- und Bahnmärsche zurücklegen musste, die bereits für Erwachsene beschwerlich waren. In der zweiten Variante klingt zwar ein Schuss mehr von Besonderheit und Abenteuer an, aber auch hier musste sich der Interviewte als Kleinkind den Strapazen aussetzen (‚egal welches Wetter war‘).
D: und so alle wichtjen ereignisse sind eigentlich da abjelaufen das war eben jeburtstage sin mer hinjefahrn . weihnachten oder so warn mer eigentlich . immer da und . och ostern und so . . warn immer so schöne sachen weil meine oma großen garten und so und ostereier suchen dann im großen garten . //hm// und im winter war eben immer es größte für mich da war dann immer m . äh mein cousin da . der wohnt in fuhlstadt . der is . . sieben jahre älter als ich oder so . und . das war mal ne zeit lang so mein großes vorbild . . weil . der hat eben ahnung jehabt und da ham wir dann immer so de tollsten sachen jemacht im winter dann irgendwelche schneehäuser jebaut und sowas . eben richtig feuerfest dass wir da drinne och feuer machen konnten //hm// und . . und im sommer e- hinten am teich nennt sich das da war mal en alter teich also der is mittlerweile ausjetrocknet . das jehört eigentlich nich zum grundstück meiner oma dazu aber das äh wird so von som bach einjeschlossen auf der einen seite und das war of der andern seite ehmt vom grundstück meiner oma . das is vielleicht in der länge . pf siebzig meter und in der breite dreißig meter oder so . . //hm// und wachsen son paar bäume und da kümmert sich eigentlich keener drum . und da ham mer eben immer da hinten jesessen und feuer jemacht und kartoffeln im feuer jebraten und würstchen überm feuer jebraten . //hm// und . das waren eben die sachen die mir damals spaß jemacht ham un . eigentlich heute noch mach ich das och noch jerne .
Eine neue Dimension der Einbettung in das dörfliche Herkunftsmilieu der Eltern wird nun in dieser Sequenz entfaltet. So wird die (positive oder negative) Bedeutsamkeit neben der Häufigkeit und der Beschwerlichkeit der Anfahrten nun auch über die Herausgehobenheit zentraler familialer Ereignisse untermauert. Dabei wird jedoch die biographische Relevanz an den Stellen unterlaufen, wo deutlich wird, dass entweder die Ereignisse den Interviewten nicht direkt betreffen oder die angedeutete Regelmäßigkeit durch implizite Regelbrechungen relativiert wird. So scheint dann auch die Darstellung bemüht, diese impliziten Zweifel zu übergehen und weiter an der Bedeutsamkeit der dörflichen Einbettung (charismatisch) zu arbeiten. Dies wird darüber angestrebt, indem die positiv erlebten Effekte dieser Familienfeiern für den Interviewten herausgestellt werden sollen. Jedoch gelangt die Erzählung hier über das formelhafte Ostereiersuchen im Garten der Oma nicht hinaus. Stattdessen wird dann in eine neue Thematik überführt, die zwar konstitutionslogisch dem Herkunftsmilieu nachgeordnet ist, jedoch für den Interviewten eine tatsächliche hohe biographische Relevanz freisetzt. Denn hier trifft der Interviewte offensichtlich regelmäßig im Winter mit einem sieben Jahre älteren Cousin zusammen.
Die hiermit neu eingeführte biographische Bezugsperson wird nun zudem als signifikanter Anderer im Individuationsprozess präsentiert (‚mein Vorbild‘). Betrachten wir nun genauer, worin diese biographische Bedeutsamkeit des Cousins wurzelt, dann fällt auf, dass dieser Grund die gemeinsamen Aktivitäten gerade außerhalb der engen Herkunftsfamilie sind, in denen man gemeinsam ‚Welten‘ kreiert (‚Schneehäuser‘) oder sich von der Erwachsenenwelt zumindest auf Zeit distanzieren kann (im verlassenen Grundstück). In dieser Perspektive sind das elterliche Herkunftsmilieu und die Großeltern des Interviewten nur insoweit interessant, als sie die Möglichkeit zur aktiven Raumaneignung über den Familienrahmen hinaus und mit signifikanten (nicht erwachsenen) Bezugspersonen eröffnen. Der Cousin, mit dem der Interviewte gerade dem familialen Rahmen fliehen kann, wird nun zum signifikanten Anderen und zum Vorbild vor allem deshalb, weil ‚er eben Ahnung hatte‘, wie man diesem Rahmen entkommt und Regeln relativieren oder gar brechen kann.
Als zentrales Moment dieser bedeutsamen Aktivitäten kommt nun mehrfach das Feuermachen (hier bereits in der Ersterzählung mit der Freundin, die eher eine ‚Jungentype‘ war) und das Zubereiten von Essen auf diesem Feuer vor. Auch wenn diese Stellen sehr verdichtete symbolische Arrangements darstellen, die hier nicht in aller Ausführlichkeit diskutiert werden können, wird doch deutlich, dass sich in diesen Szenen umfassende Autonomie-, Freiheits- und auch Harmonieansprüche manifestieren, wie sie z.B. in der ‚Marlboro-Werbung‘ effektiv genutzt werden. Auf Zeit und mit Hilfe des Cousins kann damit der Anspruch von Freiheit, Unabhängigkeit, Selbständigkeit und einer Aussöhnung mit der Welt praktiziert werden. Dass von diesen Momenten ein sehr hohes Maß an Affektbefriedigung ausgeht (‚immer viel Spaß gemacht‘), die bis in die Gegenwart anhält, verweist nicht nur auf die Aktivierung der genannten zentralen Anspruchshaltungen und Ich-Ideale, sondern erklärt einerseits den hohen Stellenwert des Cousins als Vorbild, weil dieser mit seinen Kenntnissen diese Arrangements verwirklichen half, und andererseits zeigt sich darin eine hohe Passfähigkeit zu bzw. Verlängerung in die aktuellen Ideale von egalitärer enger Partnerschaft und Integration in Gleichaltrigengruppen.
Mit dieser Passage ist nun die Komplexität der Beziehung zum Dorf als Milieu- und Gleichaltrigengeflecht in seiner Prozessdynamik ersichtlich. Während zu Beginn der Lebensgeschichte vor allem die Bindekraft des Herkunftsmilieus auf die Eltern des Interviewten wirkt, und der Interviewte diese Einbindung einerseits als familiale Tradierung stützend, andererseits aber auch eingrenzend erfahren hat, wird der Ort zunehmend zum Kompensations- und Verselbständigungsraum, in dem der Interviewte Ausgrenzungen und Individualisierungsanforderungen bearbeiten und eigene ideale Anspruchshaltungen zeitweise umsetzen sowie dabei die Engführung der familialen Tradierungen unterwandern kann. Damit wird aber schließlich mit der Einbindung in die dörfliche Jugendgruppe der dörfliche Raum zum zentralen biographischen Erfahrungsraum, womit schließlich auch eine tendenzielle Aufspaltung von Lebensphären (zwischen Familie, Schule und Gleichaltrigengruppe) angelegt ist.
D: naja . mittlerweile hat sich das noch n bisschen jeändert wir ham dann . jetzt mittem mit kumpels ham mer da so e alten bauwagen jefunden der steht da irgendwo verlassen . of m feld . . und den ham wir uns schon janz schön einjerichtet . da is noch n alter ofen drinne das heißt wir ham also so ziemlich en janzen winter dort verbracht und . die hütte renoviert . . also wir sin mittlerweile schon soweit dass mer tapezieren könnten wir ham . die alles sauberjemacht das so war . de reinste rumpelkammer . aber wir hams ehmt ausjeräumt teilweise verbrannt den mist der drinne war teilweise //hm// eben irgendwo . . wegjebracht sach ich mal . //hm// . und . das is eben zur zeit das wo wir uns drinne ofhalten weil . is irgendwo so ne sache weil . of m dort is ehmt doch . ju- sicher kann mer teilweise was machen aber vor allem im winter . wo soll mer da großartig hin die janze zeit drinnehocken hat mer einfach keene lust . //hm// und als wir das dann jefunden ham ham mer ehmt jesacht naja das bau mer ehmt aus zu unserm . ‚klubhaus‘ (betont gesprochen) //hm// und . . das isses mittlerweile eigentlich och jeworden . . was weeß ich da hörn mer musik und trinken unser bier und rochen un . spieln karten un sowas . . un das macht einfach spaß das . jeht also nich da drum dass es irjendwie ne toternste anjelejenheit is oder so . sondern einfach nur aus spaß . .
Mit dieser längeren Sequenz wird nun nach meinem Versuch einer Gestaltschließung zur biographischen Bedeutsamkeit des Dorfes die bereits herausgestellte Transformation des Bezuges zum Dorf nun auch vom Interviewten dargestellt. So eröffnet diese Sequenz nach dem Zusammenhang mit dem Cousin explizit mit einer Transformation (‚bisschen geändert‘), wobei damit der Sprung vom quasi romantischen idealisierten Abenteuer des Feuers und Essen-Zubereitens in einer Zweier-Gemeinschaft hin zum tendenziell entidealisierten, jedoch handlungspraktischen Erleben in einer größeren Wir-Gemeinschaft. Aus der Umgebung der ‚wilden Natur‘ wird der verlassene Bauwagen. Aus dem offenen Feuer im Wald der Ofen und aus dem Essen-Zubereiten wird das Biertrinken und Rauchen. Neu hinzugekommen sind die Gruppenaktivitäten wie Renovieren (wenn auch der Begriff hier eher zu übertreiben scheint), Kartenspielen und Quatschen, wobei nunmehr das oberste Qualitätsmerkmal ‚Spaß haben‘ ist. Man kann also hier recht deutlich die Transformation in kontrastiven Paaren nachbilden. Insgesamt scheint mir hierbei zentral, dass die hohen idealen Ansprüche hier nun eine pragmatische Brechung erfahren haben. Es geht nicht mehr um die grenzenlose Freiheit und Verbundenheit mit der Umwelt, sondern es geht vor allem um die Verbundenheit mit der Gruppe und die Freiheit von solchen Anforderungen, denen man sich nicht gewachsen fühlt (z.B. Ausgrenzungen, Transformation, Verunsicherungen oder Individualisierungsanforderungen). Ein zentrales Gemeinschaftsmoment scheint dabei gerade in dem (jedoch nicht spektakulären) Bruch bzw. Unterwandern der Regeln der Erwachsenenwelt und der ‚kreativen‘ Schöpfung einer kleinen Alternativwelt (‚Klubhaus‘) zu liegen. [3]
Die nächste Nachfrage des Interviewers bezieht sich auf die bisher nur skizzenhaft angedeutete polizeiliche Sanktion und das dieser zugrundeliegende Ereignis. Der Interviewte wird hier gebeten, etwas ausführlicher den Ablauf der Ereignisse darzustellen. Der Interviewte reagiert auf diese Nachfrage, indem er eine längere Darstellung über den Vorgang der Ereignisse präsentiert, der immer wieder durch eigene (aktuelle) Wertungen und Kommentare unterbrochen ist. Hier lassen sich grob der Tathergang und die daraus resultierenden Folgen in der Familie ableiten.
D: ja und zwar war das so . dass ich eben . mit diesem jenigen welchem dem sechzehnjährigen und . kumpel von mir und noch zwee mädels warn noch dabei . sind wir eben dann . vom marcht runter zum hallmarcht jeloofen . un e kumpel von mir hat ehmt so ne dumme bemerkung fallen lassen ich weeß es echt nich mehr was es war aber irgendwie . son opi da anjequatscht oder sowas un der hat das wahrscheinlich irgendwie in de falsche kehle jekricht . . un is da of meinen kumpel los un . . wollten dann . was weeß ich eene scheuern oder sowas . //hm// und der war dann och nich zimperlich der hat dann gleich sein messer jezogen überzogenerweise //hm// . un . fracht was das soll un so weeßte aber eigentlich .. war damals noch mein eindruck dass wir im recht warn weil . meiner meinung nach hatten wir nischt gemacht un . er hatte eben anjefangen also . der opi . //hm// un . dann kam dann noch en . jüngerer mann dazu der hatte ehmt den eindruck . der hatte . nich de hälfte mitjekricht un so . un kam dann dazu un sah dann einfach nur wie mein . freund dann da mit dem . mann da . was weeß ich um das messer rang un so . und der dachte naja aha die wolln den alten mann angreifen oder sowas //hm// un is dann dazwischen hat meim freund . eene jepfeffert und . vor de wand un so . //hm// und is dann ehmt gleich zu dem polizeirevier un . wir sin dann . weil wir uns echt im recht jefühlt ham sin hinterher un so . un wollten eigentlich mehr oder wenjer uns dann . da äh . äh rechtfertigen und . //hm// sagen wies wirklich war . ‚und‘ (gedehnt gesprochen) de polizei hat sich da allerdings irgendwie wenig drum jekümmert . weil . die ham ehmt erstmal nur of die aussage von dem mann jehört weil der war erwachsen wir hatten wir ham sowieso keene ahnung nach dem motto . //hm// . un wurden dann sofort äh in . äh was weeß ich in einzelne verhörzimmer jebracht dass mer ehm uns nich unternander absprechen konnten oder sowas . un . selbst nachdem wir dann alle . eindeutig es selbe erzählt hatten un . och so . . eigentlich alles äh ziemlich klar war von unsrer seite . wurden wir dann eben dann doch schuldig jesprochen un . war n bisschen krass weil wir wurden gleich durchsucht un alles was weeß ich vielleicht wollten se an . uns dann eben exempel statuieren oder sowas . //hm// wurden eben gleich durchsucht un . teilweise eben äh musst mer uns bis of n schlüpper ausziehn un so und . dass se eben wirklich sahen dass mer keene waffen oder sowas bei uns hatten . . naja dann eben fingerabdrücke nehmen und fotos also ich kam mir da irgendwie vor wie son schwerverbrecher oder sowas //hm// hätten nur noch de handschellen jefehlt aber ich schätze wenn . irgendeener rü- von uns was falsches jesacht hätte dann wärn die wahrscheinlich och noch dazujekommen .. naja und dann ehmt . ham mer ehmt schiss jehabt . ehm . einfach vor unsern eltern un so wie die da drof reagieren und schon übelste pläne jeschmiedet . wie mer abhauen wollen in der nächsten nacht un so . //hm// un . weeß nich ähm . am anfang hat mein vater echt . . bisschen überleiert reagiert verständlicherweise hätt ich wahrscheinlich och wenn ich dann . . musste mich dann eben vom polizeirevier abholen un . wusste in dem moment nich was vorjefallen war . //hm// die polizei stützte sich dann ehmt of die aussage von dem jungen mann den äh der alte mann war weg also den . hat keener mehr jesehn und der hat dann och nischt weiter ausjesacht . //hm// so und dann äh weitere aussagen von irgendwelchen verkäuferinnen die hinterm schaufenster da so de hälfte mitjekricht ham . und das war ehmt für die de wahrheit un . da hat sich keener drof drum intressiert was wir dann jesacht ham . war den irgendwie . ziemlich ejal hatt ich den eindruck . //hm// .
Da diese erste recht ausführliche Sequenz in sich schon informativ ist, möchte ich die Interpretation auf die wesentlichen Zusammenhänge beschränken. Zunächst kann man hier von einem bedeutsamen Ereignis schon deshalb ausgehen, weil sich eine latente Orientierung und Gewaltbereitschaft hier in Stellvertretung eines Kumpels (was ja an sich die Nähe und Gleichheit zum Interviewten markiert) manifestiert und somit zur ersten ernsthaften Konfrontation mit Regeln der Erwachsenenöffentlichkeit und zur Sanktionierung führt. Interessant ist bei der Darstellung, dass der Interviewte hier eigentlich kaum die Perspektive des Betroffenen verwendet, sondern zumeist aus einer distanzierten und teilweise analytischen Sicht die Ereignisse darstellt und kommentiert. Dies könnte einerseits auf die geringe Beteiligung im Konfliktfall bezogen werden, was jedoch angesichts der identifizierenden Nähe und der spätestens mit der Sanktion durch die Polizei manifesten Betroffenheit kaum aufrecht zuhalten ist. Damit deutet sich in dieser Darstellungsform eine innere Distanzierung gegenüber den Ereignissen an, die jedoch in einer Spannung von betroffener Anteilnahme und distanzierter Moralisierung steht.
Dabei scheint weniger die Sanktion bzw. der Eingriff von Passanten und Polizei selbst das Problem zu sein, sondern eher die damit verbundene Erschütterung eines bis dahin in homogenen Kreisen gebildeten und gepflegten Welt- und Selbstverständnisses. Dies wird darüber deutlich, dass der Interviewte hier vom freiwilligen Besuch der Polizei und dem unerschütterlichen Wissen um das eigene Recht in dieser Sache berichtet. Um so dramatischer ist dann jedoch die Erfahrung der faktischen Sanktionshandlungen der Polizei, die aus der Sicht des Interviewten nicht angemessen waren, die eigene Perspektive nicht berücksichtigte und damit das Gefühl hervorbrachte, als Schwerverbrecher behandelt zu werden – also kriminalisierte. Zugleich verbindet sich diese Erfahrung der Nichtbeachtung der eigenen Perspektive und des eigenen Rechtes mit einer Generalisierung der Benachteiligung Jugendlicher durch Erwachsener und der damit verweigerten Partizipationsmöglichkeiten, die ja auch Ausgangspunkt der rechten Orientierungen gewesen sein könnten. In diesem Fall würde die Erschütterung der Orientierungen weniger inhaltlich sein, sondern hier vor allem eine Kontinuität der Erfahrung der eigenen Entrechtung und der Ohnmacht sein, die jedoch hier in eine Latenzphase zurückgedrängt wird, weil deren Manifestationsformen sofort und ohne Perspektivübernahme sanktioniert werden. Im Extremfall wäre hier mit einer unterschwelligen Verschärfung der rechten Orientierungen zu rechnen, was sich durch die gleichzeitige implizite Parteinahme unter dem Vorzeichen abstrakter Moral bei gleichzeitiger oberflächlicher Distanzierung zu zeigen scheint.
Zurück bleibt also die Erfahrung der Missachtung, Entrechtung und das beschämende und ohnmächtige Gefühl (‚wie ein Schwerverbrecher‘ und ‚bis auf den Schlüpfer ausziehen‘). Diese Scham und Wut wird nun jedoch auch innerlich sanktioniert und kann nicht mehr offen zugelassen werden. Sie führt zu einer unterschwelligen Verhärtung der Orientierungen, einer Heroisierung der eigenen Ohnmacht (‚wenn noch einer was gesagt hätte, dann…‘) und einer formalen Distanzierung von manifesten Aktionen. Die Verunsicherung der eigenen Weltsicht, die Scham, Wut und die Ohnmacht gipfeln schließlich in einer situativen Radikalisierung der Solidarität der Gruppe und der ‚Kriegserklärung‘ gegen die Erwachsenen, indem das gemeinschaftliche Abhauen in der nächsten Nacht geplant wird.
Der zweite zentrale Einfluss, der von diesem Ereignis ausgeht, deutet sich dabei in den befürchteten elterlichen Reaktionen an. Hier zeichnet der Interviewte zunächst nur knapp das Bild eines überreagierenden Vaters. Damit deutet sich aber bereits eine konflikthafte Eskalation der Beziehungen in der Familie an, die jedoch zugleich auch in eine ambivalente Spannung gestellt werden. So wird auf der einen Seite hier das Verhalten des Vaters als nicht sachgerecht verurteilt und damit unter der Hand deutlich gemacht, dass der Interviewte dazu in Distanz steht und auch aus heutiger Sicht die Rechtmäßigkeit seines Handelns nicht gebrochen sieht. Auf der anderen Seite zeigt sich aber auch eine analytische und reflexive Rechtfertigung zur Reaktion des Vaters, indem scheinbar die Perspektive gewechselt wird. Damit ergibt sich aber ein ähnliches Spannungsfeld, wie es bereits in der Bewertung des Ereignisses und der polizeilichen Sanktionierung nachgezeichnet werden konnte. Einer reflexiv-analytischen Distanz an der Oberfläche steht eine unterschwellige Fortschreibung und Festigung des eigenen (rechten) Orientierungsrahmens gegenüber. Diese Spannung, bezogen auf die Einschätzung der elterlichen Reaktionen, wird nun ausführlich in der nächsten Sequenz thematisiert.
D: naja und . dann zu hause jewesen und erstmal große besprechung und . die meine eltern sind dann zu den . eltern von den andern dann hin . un . und die ham die dann eben beredet was da nun zu tun wäre . . //hm// weil wie jesacht das wär vielleicht in . irgend ner . was weeß ich assozialen familie oder so . wär das überhaupt keen thema jewesen hu warst bein bullen pech . aber . es is ehmt so dass ich . dass das nich . dass das wir nich so ne familie sind dass da wirklich noch en zusammenhalt besteht . und . deshalb das äh . ziemlich . . ähm dolle jehandhabt wurde dass da doch überlecht wurde was jetzt . un . eigentlich wars doch ne erleichterung . für alle obwohl . ich eigentlich von anfang an davon ausjegangen bin dass da nischt großartig kommt weil ich hatte mich mit n paar kumpels unterhalten un so . //hm// und die sachten alle ach . brauchst dir keene sorjen machen das is ne lappalie is nischt weiter passiert . nur eben mein vater der hat das ziemlich krass jesehen //hm// . . naja und . in der folje wie jesacht der hats mir dann . des öfteren vorjehalten . un aber es war ehmt . s als keene vorstrafe oder sowas irjendwo einjejangen . stand eben dann nur in dem brief dass es ne verwarnung is . und dass das bis zu meinem sechzehnten lebensjahr vorjemerkt is falls noch was . äh passiert wird das dann eben mit dazujezogen . //hm// aber ansonsten is da erstmal überhaupt nischt mehr . //hm// . und es kam dann och nischt mehr weil . . ich war dann einfach äh . de- in dem moment so einsichtig zu sagen naja dann . mach ich ehmt nischt mehr in der richtung un . . warum . ich fa- das war ja och nich irjendwie jeplant //hm// dass wir da nun durch de stadt ziehn und da terror machen oder sowas . weil is eigentlich nie meine art jewesen .. naja un . mein vater sah sich bestätigt der hat ne- immer vorher jesacht ja der is n . assi jib dich nich mit dem ab un so un . such dir deine freunde woanders un . da isses nun mal so in der jugend da denkt mer sich ach der alte der erzählt da irjendwas un . der spinnt sowieso bloß //hm// rum der hat sowieso keen plan . . un ich such mir meine freunde selber aus da hat er sowieso nischt zu sagen . und in dem moment war . ich da irgendwie och nich objektiv der . jings einfach nur dadrum . mein vater widersprechen erstmal und erstmal selber alles austesten ich weeß ja sowieso alles besser . //hm// un . das würd ich ihm natürlich nie ins jesicht sagen dass ich das wirklich so empfinde aber . es is einfach so . //hm// und er sah sich dann bestätigt und . s hat mich dann doch irgendwo n bisschen anjekotzt ehrlich jesacht er hat dann wirklich jesacht na siehste ich hatte recht und ehmt mit diesem erhobenen zeigefinger ich hatte recht . . un . das war das was mich am meis- eintlich am meisten jenervt hat an der sache . der vorfall selber den empfand ich jar nich als so schlimm weil . . is ja nischt weiter passiert wie jesacht . //hm// . und nur eben dass mein vater da so krass reagiert hat . . //hm// . war ehmt das entscheidende . na jut an der familie weiter im weiteren umkreis oma unter oder so is da einlich nischt jelangt . . weil da wollte mein vater ehmt dieses äh . schöne familienbild aufrechterhalten . versteh ich natürlich och warum . . solln sich da irgendwelche entfernten verwandten da . s maul zerreißen ma of jut deutsch un . . kommt doch im endeffekt sowieso nischt bei raus .
Betrachten wir diese Sequenz nun zunächst auf die zentrale Erfahrung hin, dann zeigt sich, dass der Interviewte in der Familie ganz analoge Erfahrungen macht, wie schon zuvor mit der Polizei. So weist zwar die große Besprechung neben der ‚großen Problematik‘ auch auf die Möglichkeit gemeinsamer und partnerschaftlicher Problembewältigung hin, jedoch wird dies direkt im Anschluss insofern zurückgewiesen, als sich hier zeigt, dass die Besprechung offensichtlich zwischen den Elternpaaren des Interviewten und des anderen beteiligten gleichaltrigen Jungen stattfand. Damit reproduziert sich jedoch offensichtlich die zentrale Ausschlussproblematik der Polizei, die bereits als verweigerte Partizipation schon in die Ausbildung der rechtsextremen Orientierungen als Motivationsaspekt eingeflossen sein kann. Zugleich reproduziert sich auch – neben dieser erfahrenen Beteiligungsverweigerung – die Negativetikettierung des Ereignisses und damit die Zuweisung einer Position des Delinquenten durch die Beteiligung an der Aktion, ohne die Erfahrungszusammenhänge des Interviewten dabei zu berücksichtigen und aufzunehmen.
Diese doppelte Entwertung und Verletzung, mit der neben den auf der Polizei vermittelten Gefühlen der Ohnmacht, Wut und Scham nun auch ein verringerter Selbstwert, die Missachtung und die verweigerte soziale Wertschätzung treten, bedingt nun eine hochgradige biographische Verunsicherung, die zwischen einer starren Reproduktion und einer Transformation in Form von Bildungsprozessen eine Bearbeitung erzwingt. Als eine dieser Bearbeitungsformen wurde bereits auf die Spannung zwischen oberflächlicher Distanzierung und unterschwelliger Festigung der Orientierungen und Wertvorstellungen verwiesen. Doch innerhalb der Familie trifft die erfahrene Verletzung den Interviewten doppelt hart, da gerade der Familie in den eigenen Orientierungen eine zentrale Position zukommt. Hier ergibt sich die Fallstruktur, dass mit der Bewusstwerdung der erfahrenen Destruktion des Familienideals auch ein zentrales Fundament der Welt- und Selbst-Orientierung wegbricht, oder aber diese Enttäuschung zu negieren und damit aber unterschwellig das Ideal und die Orientierungen fortzuschreiben.
Der Text zeigt nun, dass letzteres rekonstruiert werden kann. Ausschluss und Verletzung werden hier in einer sprachlich inkonsitenten Form aufgehoben, indem diese als Indiz für eine sozial intakte Familie und damit als Nachweis des Ideals ausgewiesen werden. Somit kann die Problematik hier in einer Form bearbeitet werden, mit der schließlich die zentrale Orientierungskategorie der egalitären, partnerschaftlichen und nicht distinguierten Beziehungen ausgewiesen und verbürgt werden kann. Nachdem die Beziehung zur Mutter bereits als ‚guter Kumpel‘ gekennzeichnet wurde, erscheint nun die Familie als sozialer ‚Zusammenhalt‘, wobei die innerfamilialen (‚dollen‘) Reaktionen und Sanktionen nicht als Verletzungen, sondern als Stützleistungen erscheinen. Dabei ist jedoch zentral, dass sich in dieser Deutung eine Kluft manifestiert, zwischen dem faktischen Erfahrungsmoment – welches unterschwellig als Verletzung abgelegt wird und über die Reproduktion der Orientierungen aufgefangen wird – und den manifesten Idealisierungen und moralischen Distanzierungen.
So zeigt sich im Weiteren, dass gerade in der familialen Reaktion eine zusätzliche Belastung wurzelt und hier keine Stützleistungen im Prozess der biographischen Verunsicherung geleistet werden. Diese Stützleistungen und Stabilisierungen erfährt der Interviewte dagegen in der Gleichaltrigengruppe, in der er seine Befürchtungen offen formulieren kann und Sicherheit über Insiderwissen vermittelt bekommt. Während die Polizei, die Öffentlichkeit und die Familie den Sachverhalt eher problematisieren und kriminalisieren, wird dieser in der Gleichaltrigengruppe dagegen bagatellisiert, so dass es dem Interviewten gelingt, die Bedrohlichkeit zu minimieren. Damit scheint die Gleichaltrigengruppe unter der Hand zur Reproduktion der Orientierungen beizutragen, weil sie die Bedrohlichkeit und Verunsicherung, die mit dem Vorfall und einem anschließenden Wandlungsprozess verbunden sind, stillstellen kann.
Der Bruch in der Familie bleibt jedoch bestehen. Dies zeigt sich z.B. daran, dass der Vater diesen Tatbestand recht ‚krass‘ behandelt und ihm dies immer wieder vorwirft, obwohl mit dem Verfahren schließlich keine Vorstrafe verhängt wurde. Während hier einerseits zentral ist, dass der Vater damit dauerhaft das wechselseitige Anerkennungsverhältnis verschoben hat, zeigt sich auf der anderen Seite, dass die ausgesprochene Verwarnung im Grunde den Effekt der Vorstrafe impliziert. Beides führt nun wiederum dazu, dass der Interviewte sich von solchen Aktivitäten im Anschluss zurückhält und formal distanziert. Damit ist jedoch offensichtlich nur die Komponente der handlungspraktischen Umsetzung der Orientierungen und nicht diese Orientierungen selbst gemeint.
Dass die Orientierungen selbst davon mehr oder weniger unberührt geblieben sind, zeigt sich dann im Anschluss an der zentral ausgewiesenen Problematik, in der durch den Vater die Nichtanerkennung der Freundschaftsbeziehungen des Interviewten einen nunmehr berechtigten Rückhalt und Höhepunkt erreichen. Gerade dass der Vater hier scheinbar mit seinen Vorurteilen Recht behalten hat, ärgert den Interviewten und zeigt die Verletzungsdisposition, die in der negierten und zurückgewiesenen Verselbständigungs- und Autonomieabsicht aufbricht. Hier scheint also zusätzlich auch die Absicht, sich von den väterlichen (elterlichen) Orientierungen abzusetzen, gescheitert. Dabei sind die Orientierungen des Vaters auch in dieser Passage vor allem dadurch gekennzeichnet, dass der familiale Status gewahrt bleibt.
Die nächste Nachfrage richtet sich auf die Geschwisterbeziehung und das Verhältnis zum jüngeren Bruder. Dabei wird gefragt, wie sich die Beziehung von ‚klein auf‘ entwickelt hat. Auf diese Nachfrage reagiert der Interviewte mit einer längeren Darstellung, in der selbst über Sequenzen Phasen im Verlauf der Geschwisterbeziehung rekonstruiert werden könnten. Im Weiteren soll nach der Wiedergabe dieser Passagen nur an den Stellen die Interpretation detailliert vorgestellt werden, wo sich zentrale Ergänzungen für die bisherige Deutung ergeben.
D: naja von klein auf irgendwie . pff am anfang hat er mich eijentlich wenig intressiert und der hat mich eigentlich och wenig jestört s eenzje wo ich mich dran erinnere . . wo er . . mich echt jenervt hat das war irgendwann mal zu weihnachten da hatt ich dann zu ddr-zeiten son . äh fernjesteuertes auto bekommen . un ehmt an so ner strippe wie das damals so üblich war son polizeiauto . und der trottel is natürlich erstmal da drofjetreten noch am selben abend und da wars im eimer . und da war ich doch ziemlich sauer of ihn . . weeß nich da muss ich . fünf oder sechs jahre alt jewesen sein das is so es eenzje wo ich mich dran erinnere . . und . naja ansonsten . eigentlich n recht gutes verhältnis allerdings . wie das ehmt so is zwischen jüngeren jeschwistern . ä un also jüngeren un älteren jeschwistern . . da war eigentlich nie so das perfekte verhältnis obwohls teilweise manchmal hauts hin un manchmal hauts ehmt nich hin //hm// das kommt ehmt . of de laune an . . und es war ehmt bisschen doof weil wir hatten . . in der neubauwohnung is ehmt nur ne dreibau- äh dreiraumwohnung jewesen . . und da hatten wir ehmt . zusammen n zimmer . . und da jeht mer sich doch mittlerweile doch of n . . ziemlich of n senkel . weil er wollte nun seine musik hörn ich will meine musik hörn un er will seine poster da dran machen un ich will meine poster da dranmachen . //hm// un er will . er will ehmt jetzt computer spieln oder ich will computer spieln . lauter sowas das sind ehmt dann so ne punkte . wo mer sich dann doch ab und zu mal ofrecht obwohls im endeffekt eigentlich nichtigkeiten sind aber . is ehmt der kleenere bruder und da muss mer ehmt seine rechte wahren und umjedreht denk er sich jenauso von dem .. lass ich mir doch nischt sagen nur weil der da zwee jahre älter is oder . drei jahre . . zweenhalb jahre sinds jenau . un . . naja und dann regt . regen sich dann meine eltern of ja ihr müsst nur zanken un wie das ehmt so üblich is da sind //hm// kommt dann . so en halber familienkrach zustande un . dauernd . sagen dann meine eltern ja dauernd euer jestreite und könnt ihr euch nich mal vertragen . na und dann verbünden wir zwee uns widder jejen de eltern weil . //lacht leise// die ham ja sowieso unrecht das is ja erstmal klar und dann . verziehn wir uns ins zimmer und gucken dann zusammen fernsehen oder sowas und . manchmal läufts ehmt . was weeß ich manchmal spieln mer ehmt zusammen computer was weeß ich irjend n spiel was dann ehmt zu zweet möglich is . //hm// un . . jetzt ham mers allerdings . janz jut jeregelt weil . ehmt dreiraumwohnung war zu eng . . aber wir hams dann ehmt so jemacht dass mein bruder jetzt im . schlafzimmer meiner eltern is . ich in meinem zimmer . un meine eltern die ham jetzt ne . so ne ausziehbare couch im wohnzimmer und schlafen dann ehmt da weil die ja . tagsüber sowieso kaum zu hause sind . //hm// eben arbeiten und so . . un . da geht das eigentlich obwohl jetzt im . herbst entweder jeplant is dass wir n haus bauen . in bohnstett natürlich . . wo mer jetzt es . familienland widder zujesprochen jekricht ham . //hm// ‚und‘ (gedehnt gesprochen) dann . oder wenn das ehmt nich klappt mit dem bau weil . wie jesacht äh deutschland un so . äh baujenehmijung kriejen das is manchmal schon ziemlich schwer . . //hm// dann . . is wolln mer uns eben irgendwo ne eigentumswohnung kaufen möglichst ne vierraumwohnung natürlich .
Wenn wir nun – in der angedeuteten Knappheit – die Passagen der Darstellung der Geschwisterbeziehung betrachten, dann kann Folgendes konstatiert werden. Die Geschwisterbeziehung ist aus der Sicht des Interviewten dadurch gekennzeichnet, dass im Kleinkindalter kaum enge Bindungen bestanden. Der jüngere Bruder hat ihn ‚wenig interessiert‘ und auch ‚wenig gestört‘. Aus diesem Nebeneinander tritt dann spannungsreich eine Szene heraus, bei der durch den Bruder ein gerade erhaltenes Weihnachtsgeschenk zerstört wird. Man kann die Szene in der Form verstehen, dass hier erstmals die komplexe Vernetzung beider Geschwister für den Interviewten auch als Konkurrenz- und Ausschlussbeziehung manifest erfahrbar wurde. Man kann also hier bei diesem Ereignis von einem symptomatischen Übergang einer unbewussten Geschwisterbeziehung in eine bewusstere Form sprechen. Auffällig ist dabei, die ‚harte‘ Form der Anerkennungsverweigerung gegenüber dem Bruder (‚der Trottel‘) sowie die Eskalation an einem materiellen Konsumobjekt. Gerade in Letzterem deutet sich an, dass es für den Interviewten hier nicht um die Konkurrenz bei der Zuwendung und Zuneigung der Eltern geht, sondern eher materielle Statusmarkierer dem Konkurrenzstreben ausgeliefert sind – hier also bereits eine Übertragung der materiellen Orientierungen des Vaters stattgefunden hat.
Die weitere Beziehung wird dann eher distanziert und ebenfalls analytisch beschrieben. Das Verhältnis sei insgesamt recht gut, gleichwohl es – was aber dem ‚Normalfall‘ entspräche – nie das perfekte Verhältnis gewesen sei. Fragt man nun, wie denn dieses perfekte Verhältnis ausgesehen hätte, dann kann dieses nur an den idealisierten egalitären Gleichaltrigenbeziehungen orientiert sein, in denen die Geschwisterbeziehung in eine Kumpelbeziehung transformiert wird. Damit hätten wir jedoch einen weiteren Hinweis darauf, dass die Familienbeziehungen faktisch nur marginale Bedeutsamkeit besitzen, imaginär idealisiert oder in das Modell der Kumpelbeziehungen transformiert werden (vgl. die Mutter).
Im weiteren Text deutet der Interviewte jedoch trotz der geringeren Bedeutsamkeit dieser Geschwisterbeziehung Krisenpotentiale an, die sich aus dem Umstand ergeben, dass sich beide ein Zimmer teilen müssen. Denn während generell eine nur geringe Bindung und ein distanziertes Verhältnis dann nicht problematisch sein müssen, werden sie es dann, wenn der gemeinsame Lebensraum Nähe erzwingt und diese dann aufgrund von ‚kulturellen‘ bzw. habituellen Differenzen scheitert. Dabei scheint die wechselseitige Akzeptanz auf einem analogen Niveau eingespielt zu sein. Man versucht gegenseitig die eigenen kulturellen Muster zu leben und durchzusetzen. Das aber wird immer dann auch problematisch, wenn sich dies auf Manifestationsformen der habituellen Orientierungen bezieht (z.B. wenn Poster aufgehangen, Musik gehört oder am Computer gespielt werden soll). Die Altersdifferenz sorgt dann auf beiden Seiten immer wieder dafür, dass bestimmte Anspruchshaltungen vorgetragen werden.
In der Darstellung wird weiter deutlich, dass diese Auseinandersetzungen letztlich nicht die Brisanz erfahren, sondern eher punktuell eskalieren. In diesen Fällen schreiten dann auch die Eltern ein, wobei die Eskalation dann auf der Ebene der Familie stattfindet (‚halber Familienkrach‘). Die Formulierung Familienkrach irritiert nun aber, weil dies auf eine Austragung differenter Positionen verweist. Diese könnten entweder zwischen den Geschwistern und den Eltern bestehen und würden dann auf die von den Eltern verweigerte und von den Brüdern erstrittene Individualität und Eigenständigkeit verweisen. Oder die Differenzen bestehen zwischen den Eltern und verweisen dann auf eine verschiedene Parteinahme. In diesem Fall wäre allerdings erklärungsbedürftig, warum der Interviewte die Parteinahme für sich nicht deutlicher herausstellt. Der Anschluss legt dann auch die erste Variante nahe, in dem hier Solidarisierungen der Geschwister gegen die Eltern zum Ausdruck gebracht werden.
Jedoch scheint die Problematik damit nur verharmlost oder nicht in der direkten Form benannt zu sein. So weist der Interviewer hier gleich zwei elterliche Strategien aus, mit denen diese auf die geschwisterliche Konkurrenz reagieren, um so offensichtlich die tendenziell damit verbundenen Familienkrisen aufzulösen. Denn dass die Eltern für die geschwisterliche Harmonie gleich ihr Schlafzimmer aufgeben, scheint doch in sich nicht stringent nachvollziehbar zu sein. Dies wäre nur dann möglich, wenn die Auseinandersetzungen zwischen den Geschwistern so massiv sind, dass der elterliche und familiale Harmoniewunsch nicht mehr anders erfüllt werden kann. Die Variante, dass die Eltern das Schlafzimmer aufgrund von Partnerschaftsproblemen freigeben, kann insofern nicht gehalten werden, als im Weiteren ein Bauprojekt eines gemeinsamen Hauses vorgestellt wird.
Damit fließt die Sequenz der Geschwisterbeziehung nahtlos über in die Frage der familialen Statussicherung sowie der familialen Tradition und Genealogie. Hier deutet sich an, dass über die Herkunftslinie der Eltern nach der Wende nochmals andere Möglichkeiten bereitgestellt werden, den Status der Familie materiell zu erhöhen. Allerdings werden die Eltern darüber auch wieder stärker in die Herkunftslinie gezwungen. Das eigene gebaute Haus auf altem Familiengrund scheint das elterliche Hauptprojekt, das nur dann durch den Erwerb einer Eigentumswohnung ersetzt wird, wenn der Hausbau durch Behörden verhindert wird. Das eigene Haus auf altem Familiengrund erscheint so auch als die konsequenteste Umsetzung der Orientierung, den familialen Status durch materielle Strategien umzusetzen und zu sichern.
Indem nun hier vom Interviewten die elterlichen Hauptprojekte benannt werden, die als zugespitzte und konsequente Umsetzung der materiellen Statussicherungsstrategien der Familie erscheinen, diese jedoch in einen direkten Zusammenhang mit der Frage der geschwisterlichen Konkurrenz gestellt werden, zeigt sich zugleich der verkennende, wie auch der idealisierende Umgang mit den familialen Reaktionen. Denn während auf der einen Seite hier unterschwellig der Wunsch auf grenzenloses Eingehen auf die Befindlichkeiten der Geschwister (und damit natürlich auch des Interviewten) zum Ausdruck kommt, verweist dieser Wunsch auf der anderen Seite auf defizitäre Erfahrungen und ungedeckte Fürsorge- sowie Bindungsansprüche des Interviewten. Während er also immer nur dann für die Eltern (besonders den Vater) hochbedeutsam wird, wenn der familiale Status und die familiale Präsentation gefährdet sind, ist es gerade diese dominante familiale Orientierung, die ihn ansonsten in die Bedeutungslosigkeit zurückdrängt.
Die nächste Nachfrage greift (offensichtlich irritiert und beeindruckt) den Aspekt der familialen Projekte auf und koppelt dies mit der Notwendigkeit bestimmter finanzieller Ressourcen. Die Nachfrage richtet sich dann auf die ausgeübten Berufe der Eltern. Die einzelnen Passagen, mit denen der Interviewte antwortet, sollen wieder nur knapp vor dem Hintergrund der Frage interpretiert werden, welche neuen Aspekte sich daraus ersehen lassen.
D: na ähm . na jut finanzielle ressourcen eigentlich nich so . äh . so toll ich meine . jut es lässt sich jut leben mein vater der is wie jesacht . ähm . . elektriker im . kraftwerk bohnstett //hm// also im ehemals . war er da im thälmann-kraftwerk das war son kohlekraftwerk das ham se allerdings zujemacht . //hm// un er hatte ehmt . glück er war ehmt von . dreihunderfünfzig äh leuten die in dem alten werk waren . wurden ehmt achtzig oder siebzig gla- äh nur übernommen und er hatte ehmt glück und wurde mit übernommen . . un ehmt . dadurch mit paar lehrgängen und so aber . er is eigentlich janz zufrieden . //hm// . un och . es jeld muss ich ehrlich sagen das stimmt bloß wie jesacht dann is halt widder die äh . geizige knausrige sparsame . äh seite an meinem vater . . dass er eben erstmal s jeld zurücks- hält es könnten ja irgendwann mal schlechte zeiten kommen //hm hm// .
Zunächst reagiert der Interviewte hier auf das unterschwellig formulierte Erstaunen über den familialen Wohlstand, indem diese Vermutungen relativiert werden. Während hier einerseits diese Idealisierungen und Verkennungen aufgehoben werden, zeigt sich andererseits aber auch ein hoffnungsvolles Festhalten an diesem Ideal der wohlhabenden Familie. Die finanziellen Ressourcen sind ‚nicht so toll‘, aber es ‚lässt sich gut leben‘.
Im direkten Anschluss werden dann die Berufsverläufe der Eltern mit der Wende vorgestellt. Darin zeigt sich noch einmal die zentrale Bedeutsamkeit der Wende als Einschnitt in die Reproduktion familialer Strategien zur Sicherung des Status. Deutlich wird dabei auch, dass die Geschichte des Berufsverlaufes der Mutter viel ausführlicher geschildert wird, was durch die größere Problematik und die häufigeren Brüche im Berufsverlauf, aber auch durch eine stärkere Nähe zu deren Berufskarriere bedingt sein kann.
Der Beruf des Vaters ist zunächst wenig geeignet, den zuvor transportierten familialen Status zu begründen. Als Elektriker übt er einen ‚modernen‘ Handwerksberuf aus, der weder in der DDR noch nach der Wende ein besonderes Ansehen genießt. So kann schließlich sein Prestige nur darüber behauptet und verbürgt werden, dass er einer der wenigen (70 von 300) Mitarbeiter war, die übernommen wurden. Die Beteuerung, dass ‚das Geld wirklich stimmt‘ (‚muss ich ehrlich sagen‘), wirkt hier leicht bemüht, zumal man annehmen kann, dass der Interviewte hier nicht über die Einnahmen der Eltern unterrichtet ist. Wäre dies der Fall, dann würde entweder die Idealisierung der wohlhabenden Familie aufbrechen oder noch deutlicher verbürgt und begründet sein. Den Widerspruch zwischen dem behaupteten hohen Status und Einkommen des Vaters (bzw. beider Eltern) und dem offensichtlich damit brechenden realen Familienstatus (‚nicht so toll‘) überbrückt der Interviewte hier mit der Sparsamkeit des Vaters. Die dominante Präsentationsausrichtung des Vaters scheint damit an eine skeptische Vorsicht gebunden zu sein, auf etwaige Bedrohungen des Familienstatus vorbereitet zu sein.
D: tja meine mutter die hat im . zu ddr-zeiten als äh kinderstomaschwester jearbeitet also das heißt zahnarzt- äh helferin . helferin heutzutage . //hm// eben äh . hauptsächlich in irgendwelchen schulen weil zu ddr-zeiten warn ja doch dann äh . im . . in der neustadt süd und so in den schulen . warn ehm ähm richtje . zahnarztpraxen drinne wo ehmt dann die schüler hinjingen . äh weil ja alles organisiert und so dass ehmt //hm// wirklich dann . äh was weeß ich eenma im monat jeder schüler da zum . beim zahnarzt war oder sowas //hm// . und . naja da war se ehmt bis nach der wende und nach der wende wurde das dann zujemacht . . und da hatte se dann ziemliches glück da hat se dann .. ähm . kann ich äh firmennamen nennen oder is das jetzt schlecht //ja ja// hat se dann bei siemens anjefangen da ehmt auch im . dentaldepot nennt sich das . das is ehmt verkauf und . vertrieb von äh sämtlichen zahnarzttechnischen materialien . das fängt also bei irgendwelchen bohrern un so an und //hm// jeht dann ehm bis hin zu zahnarztstühlen und kompletten einrichtungen von zahnarztpraxen . . und dadurch dass se ehmt zu ddr-zeiten schon in dem bereich jearbeitet hat äh hatte se dann och ne ziemliche ahnung . weil dann zuerst . wirklich die ddr-sachen . noch mit verkauft wurden da hatte se da un konnte dann mit der zeit sich im dann . . noch anpassen an die äh sachen die dann eben aus m westen kamen .
Die Mutter übte in der DDR den Beruf der Kinderstomaschwester aus. Auch dieser Berufsstatus scheint aufgewertet, dass sie hauptsächlich an Schulen gearbeitet hat und damit unterschwellig in die Kollegenschaft der Lehrer gestellt wird, die zumindest über das Prestige eines hohen Bildungskapitals verfügen. Anders als beim Vater bricht dann mit der Wende diese Berufslaufbahn zusammen. Jedoch hat auch die Mutter ‚ziemliches Glück‘, weil sie in einer bekannten westdeutschen Firma anfangen konnte, wobei sie nun den Verkauf und Vertrieb von Zahnarzttechnik mit organisierte.
Betrachtet man die Darstellungen zu den Berufsverläufen der Eltern bisher, dann kann man folgende Ableitungen ziehen. In beiden Berufsverläufen erscheint die Wende als markante Bedrohung oder gar als Unterbrechung, die nur durch ‚Glück haben‘ aufgefangen werden kann. Status und Prestige bestimmt sich nach der Wende darüber, eine Anstellung zu behalten oder neu zu bekommen und kann schließlich noch darüber gesteigert werden, dass man bei einem renommierten Unternehmen einsteigen kann. In diesen Darstellungen formiert sich ein Marktverständnis, indem Konkurrenz erlaubt und gefordert ist, um zu den Gewinnern zu gehören, sich jedoch paart mit einem Sozialempfinden, wie es in japanischen Firmen üblich war. Mit dieser Mischform verbindet sich eine soziale Verbundenheit mit dem Unternehmen, welches symbolisch zum großen ‚Übervater‘ wird. Jedoch gibt es in diesen Orientierungen wenig Platz für eigenaktive Anläufe. Einzig in der Auswahl der Unternehmen, bei denen man sich bewirbt, kann man clever sein, auf große Unternehmen setzen und mit Glück dort integriert werden.
D: naja gut das war dann . bis vorsjahr im . . januar . hat äh war dann . wurde dann bei siemens ähm . stellen abjebaut . ‚un‘ (gedehnt gesprochen) sie hatten ham dann ehmt jesacht naja das . frau . . so ähm sie könn dann bei uns zwar noch arbeiten allerdings erstmal nur halbtags . //hm// weil wir einfach zu viele stellen ham . na un das wollte se . nich machen weil . s war für sie keene auslastung so nur halbtags . . un da hat se dann sich ehmt beworben und zwar bei . (Firmenname) das is ehmt dieselbe branche und dasselbe jebiet . und daa wurde se dann och anjenommen weil se ehmt schon erfahrung hatte so . un weil se ehmt och über siemens dann . paar computerlehrgänge jemacht hätte hatte un ehmt och äh . computermäßig e bisschen . bewandert war //mhm// . so wurde se dann ofjenommen dort . in den ‚kreis‘ (betont gesprochen) der (Firmenname) äh mitarbeiter . äh und das is eigentlich isses n ziemlicher saftladen sach ich mal einfach so wies is . weil s wird äh von zwee . . westdeutschen ähm da jeleitet das janze . un die kümmern sich da wenig um irgendwelche mitarbeiter oder ausgaben oder so . also die zahlen eben die miete nich und warten eben is auf n letzten drücker un . mittlerweile isses soweit dass die zum äh firma da ziemlich pleite is . //hm// . . un . jetzt hat allerdings ähm . zufälligerweise s äh . da der personalchef von ihrer damaligen siemensabteilung anjerufen . hat ehmt jesacht naja so un so könn se nich wieder bei uns anfangen . weil jetzt wieder personalmangel herrscht un so un wir würden ihnen och äh was weeß ich dann . sechs stunden am tag . und wir würden ihnen dann och entsprechend . jutes jehalt zahlen . na und da hat meine mutter natürlich anjenommen . //hm// jetzt und da kommt noch n punkt dazu . . und zwar war die arbeitsstelle jetzt hier (Firmenname) . das war im . im außenbezirk von fuhlstadt und . //hm// da musste se ehmt jeden tag . . weeß ich früh um sieme los um dann um achte dazusein und dann . wurden da ehmt überstunden jemacht . dadurch dass die ham . sich da keen plan jemacht . ob dann die leute familie hatten oder nich das war den ziemlich ejal . //hm// . und . dann is se dann manchmal abends um sieme nach hause jekommen und dann hatten se in letzter zeit hatten se inventur . isse dann abends um zehne oder sowas nach hause jekommen und das war ehmt nischt mehr . . un . da kam das eben . janz günstig nachdem dann . (Firmenname) sowieso höchstwahrscheinlich pleite macht . //hm// beziehungsweise . äh schon von . . äh . mehreren firmen aufjekauft und dann widder abjestoßen wurde weil se echt jesehn ham die firma bringt nischt mehr . . un da siehts eigentlich ziemlich äh schlecht aus un . es is ehmt doch janz jut dass se nun bei siemens jetzt widder anfangen kann . //hm// . . bleibt ehmt //na na// in dem jebiet
Wie zur weiteren Klärung der hier implizit vermittelten Arbeitsmarktorientierungen wird im weiteren Verlauf zunächst der nächste Bruch der Berufslaufbahn der Mutter dargestellt, um sie dann aber zum Ende der Passage mit Glück wieder in die große bekannte Firma reintegrieren zu können. Man könnte hier formulieren, dass quasi die Mutter den vertretenen Marktprinzipien abtrünnig wird, insofern sie freiwillig das große bekannte Unternehmen verlässt, dann aber mit den Nachteilen solcher Unternehmen konfrontiert wird (keine soziale Verantwortung für die Mitarbeiter, keinen Plan und Pleitedrohung) und reumütig in die Reihen der Mitarbeiter ihres ersten Unternehmens zurückkehrt. Dabei spricht in der Darstellung für den Status der Mutter, dass diese vom Personalleiter extra angefragt wird. Mit diesen Überlegungen erscheint die Darstellung der Berufslaufbahn der Mutter wie eine Belegerzählung bzw. Stellvertretererzählung, um die eigenen Arbeitsmarktanschauungen, die zudem umfassender das eigene Welt- und Selbstverständnis abbilden, zu plausibilisieren. Darin kann auch die zentrale Motivation liegen, dass diese Berufsentwicklung ungleich ausführlicher als die des Vaters dargestellt wird, wobei zugleich ein identifizierendes Moment mit der Mutter mitschwingt.
Während die Nachfrage nach den Berufen der Eltern keine erzählende Darstellung selbsterlebter Ereignisse provoziert, jedoch in der Form von Stellvertreterdarstellungen biographisch relevantes Wissen zu Tage fördern kann, richtet sich die nächste und letzte Nachfrage des Interviewers noch einmal auf einen biographischen Kernbereich, der zwischen den dominanten biographischen Orientierungen und den Prozessen der Generierung in familialen Sozialisationsprozessen angesiedelt ist. Hier wird nachgefragt, wie und ob die Orientierung ‚Stolz aufs Vaterland‘ mit dem familialen Herkunftsmilieu zusammenhängt.
D: naja ähm zum . direkt jetzt mal zum stolz ofs vaterland wos direkt herkommt weiß ich nich also . //hm// is einfach so ‚unsre‘ (gedehnt gesprochen) familie war eigentlich da schon immer ziemlich nationalbewusst und . äh och äh hauptsächlich eben mein cousin den eben dieser aus fuhlstadt . der dann //hm// in . so mein vorbild war und mein vater . die ham sich da och ziemlich so en kopp jemacht und so und familie wo kommts her un so . un ehmt da wurde ehmt mit stolz festjestellt dass ehm unsre familie original aus deutschland kommt schon seit weeß ich wievielen generationen . //hm// und . da warn se alle begeistert und .
Zunächst hat es hier in der Sequenz den Anschein, als wollte sich der Interviewte in einer erneuten analytischen Distanz von dieser Zuweisung abgrenzen oder doch zumindest diese Orientierungen nicht direkt der Familie zuschreiben. Offensichtlich wirkt hier ein hoher Tabuisierungs- und Entthematisierungsanspruch, der ja auch vom Interviewer bislang reproduziert wurde, indem diese Frage erst am Ende des Nachfragenteils gestellt wird. Jedoch kippt diese Offenheit dann um in eine direkte Zuschreibung von Nationalbewusstheit der Familie gegenüber, wobei weitere Unterscheidungen eingeführt werden. Diese Kippfigur kann ebenfalls Ausdruck der Interviewsituation sein, da ja auch vom Interviewer die Entthematisierung nun in der Nachfrage in einen Thematisierungsdruck transformiert wird. Konkret treten dann zwei Personen in den Vordergrund. An erster Stelle wird der Cousin eingeführt, der bereits im Zusammenhang mit dem Dorf als Vorbild des Interviewten in Erscheinung getreten ist. Was in der obigen Sequenz nur vermutet werden konnte, wird hier durch den Interviewten selbst bestätigt. Der Cousin scheint die zentrale biographische Figur zu sein, die als signifikanter Anderer und als Vorbild diese nationalen Orientierungen vermittelt. Seine Attraktivität scheint damit weit über das bisher Festgestellte hinauszugehen. So werden nicht nur zeitlich begrenzte Freisetzungen aus den Engführungen der Herkunftsfamilie und die handlungspraktische Umsetzung utopischer Ideale von Freiheit und Weltverbundenheit ermöglicht (vgl. Marlboro), sondern zugleich auch ein in sich geschlossener Kosmos an Weltdeutungen vermittelt, der langfristig orientierungswirksam bleibt und in das Alltagshandeln (wenn auch z.T. problematisch – vgl. Polizeiszene) übersetzt werden kann.
Neben dem Cousin erscheint nachgeordnet der Vater, der ebenfalls eine deutlich nationalbewusste Orientierung hat. Vater und Cousin scheinen hier das dominante, wenn auch (von den Lebensaltern) recht ungleiche Gespann innerhalb der Familie zu sein, die offensiv diese Orientierungen vertreten. Dabei kann die höhere Signifikanz des Cousins einerseits in der größeren jugendlichen Nähe oder andererseits in einem passenderen Gesamt seiner Orientierungen zu denen des Interviewten wurzeln. Gemeinsam unternehmen sie Anstrengungen, die Herkunft der Familie nachzuforschen. Während hier die Motive des Cousins eher im Dunkeln bleiben, jedoch deutlicher zu jugendlichen Orientierungen zu rechnen wären, scheint der Vater hier erneut seine dominante Orientierung der familialen Statussicherung durchzusetzen, hier allerdings neben den materiellen Strategien in einem zweiten Standbein. Es wäre als eine Variante naheliegend, dass diese Orientierung besonders nach der Wende aufbricht, als einerseits die anderen Statusreproduktionsstrategien erschüttert werden und andererseits diese Strategie in einer neuen gesellschaftlichen Gefälligkeit gehandelt wird. Der angekratzte Status der Familie und vielleicht auch der eigene wird dann scheinbar über nationale Vergewisserungen kompensiert. Dabei partizipiert aus der Sicht des Interviewten die ganze Familie, weil die deutsche Herkunft allen gehört und sich in seinen Orientierungen mit dem Ideal des familialen Zusammenhaltes verbindet. Deutlich wird hier, dass auch der Interviewte an dieser Aufwertung des familialen Status partizipiert und eigene Selbstwertverunsicherungen abstützen kann.
D: naja und mein vater hat ehmt och jesehen dadurch dass er viele bekannte hat so of m bau un so was weeß ich . ehmt schwarzarbeiter aus m ausland un sowas un was ehmt los is auf der straße . äh mit ausländern und so sicherlich jibts . . überall schwarze schafe und . sind aber immer son paar sachen die da zusammenkommen
Mit dieser Sequenz wird die einmal genannte und auch (gegen Tabus) zugestandene nationale Orientierung der Familie und des Interviewten in einer Art charismatischer Ablaufgestalt zu begründen und verbürgen gesucht, wobei auch die folgenden Sequenzen in dieser Logik der charismatischen Ablaufgestalt liegen. In dieser Sequenz wird nun zunächst die Krise entworfen, wobei hier als zentraler und legitimierter Krisendeuter der Vater aufgeführt wird, da dieser von Berufswegen auf der Baustelle viel mit Ausländern in Berührung kommt und zudem ‚viele Bekannte hat‘. Zugleich weiß er eben auch, was auf der ‚Straße los ist‘. Hier hantiert der Interviewte offensichtlich mit allgemeinen stereotypen Deutungen, die nur angetippt aber nicht expliziert werden. Einzig der Umstand der Schwarzarbeit wird als Faktor ersichtlich, der eine fremdenfeindliche Einstellung begründen könnte. Dies erscheint jedoch dann trivial, wenn es in einer Linie mit den ‚schwarzen schafen‘ auf die schwarze oder dunkle Hautfarbe ausländischer Mitbürger analogisiert wird. Die implizite Formel lautet danach, Ausländer sind schwarz, Schwarzarbeiter und überwiegend schwarze Schafe. Zugleich wird jedoch diese Plattheit tendenziell aufgegriffen und in seiner Verbürgungskraft reflektiert. Denn es sind zumeist mehrere Sachen, die dort zusammenkommen. Dazu folgt als Ergänzung und Fortführung der Charismatisierung der nationalen Orientierung die nächste Sequenz.
D: was weeß ich zum beispiel dass da eben . n türke was auch immer das war . hat ehmt da meine freundin dann ähh . auf m markt da was weeß ich anjemacht un . pf of n arsch jefasst un so . da hab ich jesacht eh verpiss dich un so kann doch nich sein hier . //hm// und da is der einfach janz cool zu mir jekommen mit fünf mann rückendeckung un ich war alleene un hat mir paar ofs maul jehaun . . //hm// einfach . sinnloserweise sicherlich das hätte och en deutscher sein können . aber . es war ehmt in dem moment . n ausländer und . s schürt doch so ne sache ziemlich dolle an . .
In dieser Sequenz findet nun das Krisenszenarium eine zentrale Zuspitzung, nicht nur weil es jetzt für den Interviewten konkret erfahrbar ist, sondern auch weil sich in dieser Konfrontation eine direkte körperliche Bedrohung manifestiert. Die Konfrontation selbst wird als Austragung kultureller Differenzen dargestellt. Interessant ist dabei, dass der Interviewte in der Darstellung (ähnlich dem Polizeiereignis) sehr überzeugt von dem eigenen Rechtsverständnis ist, obwohl die eigene Beteiligung an der Auseinandersetzung eher untertrieben scheint. Zudem fällt auf, dass sich die nationale Überheblichkeit mit Kriterien der unbedingten Gleichberechtigung verknüpft, die hier auf eine sehr spannungsvolle Mischung moderner und traditioneller Rechts- und Gleichheitsempfindungen schließen lassen. Während also auf der einen Seite Gleichheit und Gerechtigkeit eingeklagt und beansprucht wird, wird sie auf der anderen Seite im großen Stil den (schwarzen) Ausländern verweigert.
Nach der individuellen Konkretion der Krise durch Ausländer und der eigenen Betroffenheit schließt nun eine weitere Sequenz an, die diese Orientierungen noch einmal absichert durch die Bildung einer größeren Gefolgsgemeinschaft.
D: un . naja pf von der familie her . . jut also ich weeß nich ob e . s einlich . ziemlich . . bei . allen so bei uns in der fami- familie nich jetzt unbedingt . jetzt . hier im richtiggehender hass oder sowas auf ausländer . doch eben diese alljemeine unzufriedenheit un . //hm// dass ehm . . dass ehm . mein cousin vor allem der is äh . da ziemlich ahnenbezogen un so . un . der is was weeß ich den intressiert zum beispiel so es germanische reich un sowas . //hm// un der . geht ehmt davon aus dass ich och so in der richtung . mich da entwickeln sollte un . ich denke eigentlich och dass das so kommt . //hm// bloß es is ehmt nich so dass wir da alle nun fanatische hitleranhänger sin oder son blödsinn weil das bringts nich der mann war en trottel un . der hat da ziemlich viel scheiße jebaut . un . deshalb kann man sowas einfach nich verantworten und . . es is natürlich absolut scheiße dass da irgendwelche juden vergast wurden und so un s is der letzte blödsinn da noch zu behaupten das es alles jelogen is von irgendwelchen medien oder so . //hm// dass die das alles nur erfunden ham . un . das wär och es letzte dass ich schätze da würde keener aus meiner familie da mithalten un sagen na hitler das war schon n toller mann der hat das schon toll jemacht und deutschland erweitert un so . //hm// das is unsinn . un . ich bin jetzt och nie . würde och nie irgendwie ne reichskriechsflagge irgendwo in mein zimmer hängen . jut ich sache ehrlich ich hab ne deutschlandfahne in meinem zimmer hängen aber . es . in schwarz rot gold und . das ist einfach of dieses hm . nationalbewusstsein und . weeß nich so deutsche eigenschaften eben diese disziplin un so . sicherlich jibts . en haufen deutsche eigenschaften die ehn da ankotzen können bei vielen leuten die mer da sieht . un . weeß nich . aber es is ehmt diese alljemeine . sache . s jefällt mir ehmt denn . un . ich finds wahrscheinlich isses och irgendwo ne trotzbewegung wenn ich dann sehe die irjendwelche leute die dann sagen ähm unser vaterland is doch scheiße und . und dann in andern ländern seh ich was weeß ich irjendwelche amis oder so . die sind doch och stolz of ihr vaterland und die werden dafür irgendwie och nich . zur rechenschaft jezogen oder dann gleich als nazis hinjestellt . //hm// und deshalb find ich das n bisschen blödsinnig was hier in . dem staat jemacht wird //hm//
Diese Sequenz eröffnet mit dem Versuch, die Gefolgschaft seiner rechtsextremen Orientierungen in der Familie glaubhaft zu verbürgen. Diese bricht jedoch augenscheinlich mit ihrer Konstruktion zusammen. Der gemeinsame Nenner, der sich für die Familie finden lässt, reduziert diese nationale und fremdenfeindliche Orientierung auf eine ‚allgemeine Unzufriedenheit‘, mit der zwar ein zentraler Motivationsaspekt aus der Sicht des Interviewten herausgestellt ist, aber doch auch eine deutliche Differenz zu den eigenen Ansichten markiert ist. Soll dann jedoch die konsequente Verlängerung dieser eher wenig brisanten Unzufriedenheit in die nationale Gesinnung überführt werden, dann schmilzt die verbürgende Gemeinschaft auf den signifikanten Anderen (den Cousin) zusammen. Dieser ist deutlich am ‚Deutschen Reich‘ interessiert und schätzt diese Traditionen sehr.
Dabei deutet sich ein sehr zentraler Aspekt darin an, dass der Cousin scheinbar den Interviewten auserkoren hat, seine Orientierungen zu übernehmen und (in welcher Richtung auch immer) fortzuführen. Damit scheint hier in der Beziehung Interviewter und Cousin eine ideale Passung erreicht zu sein (zumindest deutet sich dies in den Formulierungen für die Vergangenheit an), weil der Interviewte auf der Suche nach Sicherheit und Selbstwert generierenden Orientierungen und der Cousin auf der Suche nach einem Medium ist, welches seine Orientierungen in einem Bildungsprozess aufnimmt und mitträgt. Zugleich deutet sich in dieser ‚idealen Passung‘ aber neben allen Lösungsversprechen ein zentrales Krisenpotential an, insofern die Vorwegnahme von Bildungsprozessen deutlich autonomienegierende Züge aufweist. Vielleicht gründet sich darin die aufscheinende Distanzierung vom Cousin, wobei gleichzeitig das Lösungsversprechen doch überwiegt (‚ich denke auch, dass es so kommt‘).
Mit der tendenziellen Fügung in das vom Cousin vorgezeichnete Bildungsprojekt ergeben sich nun jedoch wiederum Legitimationsprobleme, die vor allem darauf verweisen, dass die Ansichten des Cousins hochgradig problematisch scheinen und auch vom Interviewten offiziell nicht in aller Konsequenz mitgetragen werden. Dennoch bleibt die charismatische Kraft des Cousins davon (inhaltlich) unberührt und verliert eher durch die Autonomienegation an auratischer Kraft. Die Trennung zwischen solchen Orientierungen, von denen man sich (offiziell) abgrenzt, und den eigenen, wird dann vor allem an den Aspekten der Hitlerverehrung, der Judenvernichtung und der propagierten Auschwitzlüge festgemacht. Während damit auf der einen Seite sich von den extremen Positionen distanziert wird, die das stärkste Konfliktpotential in sich bergen, zeigt sich doch auf der anderen Seite, dass diese Position selbst eher distanziert formuliert wird, was auf eine unterschwellige Nähe verweist. So z.B. an dem Punkt, wo es um die Vergasung ‚irgendwelcher Juden‘ geht, die offensichtlich auch hier nicht als gleichwertige Individuen in Erscheinung treten.
Somit scheinen die Distanzierungen von den extremsten nationalen Positionen insgesamt die Spannung zwischen formaler Distanz und unterschwelliger Verbürgung weiter zu bestätigen. Denn letztlich ist hier weniger relevant, worauf sich die Stärkung des eigenen Selbstwertes stützt. Das eigene Credo erscheint aber gerade dann in einem stereotypen Licht, was jedoch auch auf die Relevanz von Standardisierungen der Lebensführung hinweisen kann. So gibt es die Deutschlandfahne und den Stolz auf deutsche Disziplin. Aber auch gleichzeitig reflexive Brechungen z.B. in der Feststellung, dass es auch andere ‚deutsche Eigenschaften‘ gibt, von denen man eher abgestoßen ist.
Schließlich kommt dann am Ende dieser Sequenz eine weitere Motivation für die Charismatisierung dieser Orientierungen zum Vorschein, nämlich die Abgrenzung gegenüber distinguierten Individualisierungsverordnungen derjenigen, die aus anderen sozialen Milieus kommen. Denn wenn andere sich gerade nicht auf diese Standardisierungen zur Festigung ihres Selbst stützen, sondern ihr Selbst gerade darin individualistisch konturieren, indem sie sich bewusst von diesen Rahmungen absetzen, erscheinen sie als Bedrohung für das eigene Selbst, dass einerseits nicht die soziale Wertschätzung wie die anderen erhält, zugleich aber andererseits mit Überforderungsängsten konfrontiert wird. Das Festhalten an diesen Standardisierungen, deutsch zu sein, wird so zum Gegenmodell, in dessen stützenden Rahmen nun Individualität (‚Stolz‘) ausgebildet werden kann.
D: also dass zum beispiel hier bei uns an der schule . . wird ehmt jeduldet dass hier ähm . irgendwelche . linke hier äh . parolen rumschreien un sowas meene die schmiern die nich irjendwo hin aber mer sieht och unter der bank was weeß ich hier anarchie für deutschland un so ne sachen . . was mir nich jefällt un . . dann is widder äh da sind paar kumpels von mir wir sind eben . nationalbewusst und . da musste der eene . was weeß ich aus irgendwelchen gründen weil da ne lehrerin jesehn hat dass der dann . mir docs rumjerannt is und . dann hat die ehmt jesacht na das is en nazi und dann hat n hat gleich bei den eltern anjerufen und zum direktor un so . //hm// und . der hat dann allerdings mit herrn vetter jeredet und . hat ehmt seine meinung da klar hinjelecht . und da hat ers dann . hat och herr vetter dann . ausnahmsweise ma was einjesehen hat och jesacht naja wenn das so aussieht . dass ihr da nich irgendwie äh . was weeß ich terror macht oder sowas . un solange das im rahmen bleibt un ihr die schule nich f äh irgendwie da mit reinzieht und versucht eure meinung zu verbreiten . //hm// dann is das alles in ordnung und . . //hm// is is ehmt einfach so . dass mich das alles ja was weeß ich mit irgendwelchen linken . einfach ankotzt . wie die hier äh ihre sprüche abziehen un so un einfach sagen na scheiß vaterland und so . ich meine wenns ihn nich jefällt dann solln se jehn . so sehe ich das un . weeß nich irgendwo sollte mer doch denken dass sein vaterland . . äh doch irgendwo ne bedeutung hat un . einfach nur zu sagen es is scheiße das is sinnlos . also versuch ich doch lieber da was zu tun un irgendwie das . was weeß ich in . welcher form auch immer zu verbessern .
Mit der abschließenden Sequenz wird die Charismatisierung nun durch eine neue Konkretion zu beenden versucht, indem konkrete Dimensionen aus der Schule mit einbezogen werden. Dabei wird deutlich, dass der Interviewte hier an einer Schule ist, die eher die kontrastiven extremen Jugendorientierungen (‚der Linken‘) duldet. Dass damit eine Anerkennungsproblematik und ein Krisenpotential angelegt sind, wird deutlich, wenn man bedenkt, dass in der Unterscheidung von Jugendstilen kontrastierende Selbstentwürfe und Lebensführungsprinzipien enthalten sind. Die Jugendkulturen, von denen sich Dirk absetzt, entwerten gerade die Standardisierungen, deren Stütze der Interviewte bedarf, und fordern die radikale Individualität, die ihn überfordern würde.
Damit ist jedoch noch nicht die konkrete Passung zur Schulkultur expliziert. Denn hier verdeutlicht der weitere Text, dass gerade mit dem Schulleiter eine prinzipielle Duldung von Sicherheit und Stabilität verbürgenden Traditionen mitgetragen wird, sich jedoch dann schulische Passungsprobleme und entsprechende schulische Sanktionen anbahnen, wenn gewaltvoll und nicht im gesetzten Rahmen Aktionismus durchschlägt und andere Mitglieder der Schule bedroht werden. Wie stark jedoch gerade die Entwertung und Bedrohlichkeit des Selbst von anderen Schülern ausgeht, zeigt sich am Schluss, als diese Schüler symbolisch des Landes verwiesen werden. Dafür würde der Interviewte auch – ‚in welcher Form auch immer‘ – eintreten und etwas tun.
Fußnoten
[1] Von einer scheinbaren Widersprüchlichkeit kann gesprochen werden, wenn man gerade die angelegte Offenheit der Zugehörigkeit dieser Formulierung als Ausdruck der repräsentierten Strukturierung betrachtet. Dann zeigt sich nämlich, dass hier genau ein ambivalentes Spannungsfeld markiert ist, was Überlappungen der Lebenssphären Familie, Gleichaltrige und Schule bedingt.
[2] Hier lassen sich auch Parallelen zur Darstellung aus der offenen Phase ziehen, bei der ein rebellischer und regelbrechender Umgang beim Mopedfahren angedeutet wurde, wenn die Fahrerlaubnis nicht nach bestandener Prüfung erteilt würde.
[3] Dabei ist selbstverständlich klar, dass für dieses Lebensstadium, also dem Ursprung des eigenen Lebens mit der Geburt, wohl kaum ein handlungsschematischer Entwurf faktisch existieren kann. Hier kommt es aber darauf an, dass gerade in dieser Formulierung sehr stimmig die konditionelle Konfrontation mit grundlegenden Rahmungen des Lebensverlaufes zum Ausdruck kommt.
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