Donnerstag. 2. Stunde in einer ersten Stufe der Friedrich-Wöhler-Schule in Kassel. Die Schüler arbeiten in der individuellen Arbeitszeit an ihren Wochenplänen. A. meldet sich und hat scheinbar eine Frage. An dieser Stelle ist es wichtig zu erwähnen, dass A. eine Leserechtschreibschwäche hat und aufgrund dieser ein Jahr länger in der ersten Stufe verweilt. Das Flex-System, welches an der Schule praktiziert wird, macht dies möglich. Ich gehe zu ihm und er fragt mich, ob ich ihm helfen kann.

Ohne A. vorher zu fragen, bei was ich ihm behilflich sein kann, schaue ich in sein Deutschheft und fange an zu erklären, was bei dieser Aufgabe verlangt wird. A. unterbricht mich beim Sprechen und sagt mit einer leicht gereizten Stimme: „Das weiß ich doch! Ich bin doch nicht dumm! Ich wollte eigentlich was ganz Anderes wissen.“ In dem Moment sah ich ein, dass ich von Beginn an davon ausging, dass A. die Aufgabe nicht verstanden hat und ich deshalb gleich begann, ihm alles kleinschrittig zu erklären. Es tat mir in dem Moment sehr leid, weil ich A. vielleicht das Gefühl gab, dass die Aufgabe so schwer sei, dass er sie nicht verstehen könnte. Ich antwortete A.: „Natürlich weiß ich, dass du nicht dumm bist A. Das wollte ich auch damit nicht sagen. Entschuldigung, was war denn deine Frage?“.

(Studentin K_3_BSP, Pos. 55-61)