M. kam mit ihrem Leseblatt zu mir und fragte, ob ich mit ihr das Lesetraining machen kann. Wir setzten uns auf das Sofa in der Leseecke im Klassenraum und sie erzählte mir, dass sie in den Ferien fleißig das Lesen geübt hat. Dabei sagte sie voller Stolz, dass sie alles auswendig kann. Ich antwortete daraufhin, dass sie ja eigentlich zeigen soll, dass sie schon lesen kann und nicht nur, dass die gut darin ist Texte auswendig zu lernen. M. lachte nur bedrückt.

Trotzdem ließ ich sie vorlesen, selbstverständlich in gemischter Reihenfolge. Die Satzanfänge waren etwas schwerer für sie, weshalb sie dabei auch etwas länger brauchte. Sobald sie jedoch das erste Wort, zumeist ein Name richtig erlesen hatte, kamen die restlichen Wörter sofort wie aus der Pistole geschossen. Nach einigen Sätzen, die sie mir vorlas, bat ich sie noch einmal bestimmte Wörter aus den einzelnen Sätzen vorzulesen und verdeckte die restlichen Wörter mit der Hand. Damit tat sie sich echt schwer. Sie verwechselte Buchstaben und las zum Teil auch komplett andere Wörter vor nachdem sie die ersten zwei oder drei Buchstaben gelesen hatte. Da fiel mir auf, dass sie wirklich nur alles auswendig gelernt hatte und ich wusste nicht mehr, ob sie denn auch dazu in der Lage war, die Sätze wirklich zu lesen.

Ich ging dann zu Frau H., welche sonst hauptsächlich das Lesetraining mit den Kindern macht und berichtete ihr, wie sonst auch, davon wie M. gelesen hat. Dabei sprach ich auch meine Befürchtung aus, dass M. die Sätze nicht richtig lesen kann und wie sie selbst sagt, alles nur auswendig gelernt hat. Ich bat Frau G. deshalb ein neues Leseblatt mit denselben Buchstaben zu erstellen, da mich die ganze Situation echt verunsichert hat.

(Studentin G_5_x, Pos. 32-43)