In der Kernklasse meines Praktikums befindet sich ein Zweitklässler, Z., bei dem lange unsicher war, ob er im nächsten Schuljahr in die nächste Klassenstufe darf. Er ist oft in Konflikte verwickelt, neigt zu aggressivem Verhalten und ist in Gruppenarbeiten fast gar nicht zur Kooperation fähig. Er sammelt auf dem Schulweg oft Müll, mit dem er dann spielt. Wenn er von seinem Wochenende erzählt, war er meistens nur Zuhause und hat nichts unternommen außer Fernsehen und Computer spielen. Seine Eltern leben getrennt. Fachlich hat er massive Probleme in Deutsch: Obwohl er in der zweiten Klasse ist, kann er nach wie vor nur Großbuchstaben schreiben. Er lässt sich in Arbeitsphasen schlecht motivieren und versteckt oft seine Arbeitshefte, um der Arbeit zu umgehen.
Das Ergebnis des EMBIs (Interview zur Einschätzung der mathematischen Grundkenntnisse) überraschte mich und die Klassenführung sehr. Z. war überdurchschnittlich gut und scheiterte eher bei den einfachen Additionsaufgaben im Zahlenraum 20 als bei Tausenderübergängen.
Ein wichtiges Ritual in der Klasse ist der Erzählkreis am Montag. Dabei darf jedes Kind von seinem Wochenende erzählen. Drei Kinder protokollieren. Auch Z. war an der Reihe. Z. nahm das Protokollklemmbrett sehr missmutig entgegen. Er versuchte meistens Schreibaufgaben zu umgehen. Die Protokolle werden in einem späteren Kreis vorgelesen. Frau U. kam zu mir und sagte: „Achte mal auf Z.. Er hat nur Schlangenlinien gemalt. Ich wette er bekommt trotzdem zusammen, was wer am Wochenende gemacht hat.“ Und tatsächlich tat Z. so, als würde er lesen und wiederholte der Reihe nach die Wochenenderlebnisse der anderen. Nach einigen Nennungen brach Frau U. ihn ab und erklärte, dass sie wisse, dass er sich alles merken kann. Aber es ginge ja hier ums Schreiben.
(Studentin F_4_BSP, Pos. 49-57)