Hinweis – Der Fall kann gemeinsam gelesen werden mit:

Falldarstellung mit interpretierenden Abschnitten

Im Gespräch mit Alexandras Eltern geht es darum, dass die Schülerin im Unterricht oft abzuschweifen scheint. Die Lehrerin bezeichnet sie daher als Träumerin

Die Mutter reagiert auf die Kategorisierung ihrer Tochter mit einem „aber ehm“, stimmt dann aber der Interpretation der Lehrerin zu („sehr“). Im weiteren Gesprächsverlauf stellt sich heraus, dass sich auch der Vater bei der Verhaltensbeschreibung seiner Tochter an der eingeführten Kategorie „Träumerin“ orientiert.

Hier fällt auf, dass die Mutter das Verhalten der Tochter anders deutet als der Vater. Während die Mutter darauf hinweist, dass Alexandra aus Interes­se so lange gearbeitet habe („es het ere passt“), orientiert sich der Vater an dem schulischen Deutungsangebot „se tröimt“, das die Lehrerin zuvor im Gespräch eingeführt hat. Die Eltern hätten an dieser Stelle die Möglichkeit gehabt, die Situation zugunsten von Alexandra zu deuten. Dennoch nimmt schließlich die für Alexandra ungünstigere Interpretation überhand. Die Mutter wird dabei vom Vater überstimmt.

Gegen Ende des Gesprächs halten die Lehrerin und der Lehrer fest, dass Alexandras Noten im Bereich „genügend bis gut“ liegen, und dass sie so weiterarbeiten wollen. Der Lehrer und die Lehrerin sind sich bewusst, dass diese Noten, falls sie auf diesem Niveau bleiben, die spätere Zuweisung in die Realabteilung bedeuten [1].

Die Mutter nimmt die Zusammenfassung der schulischen Leistungssitua­tion ihrer Tochter und die Aussage, dass man so weiterarbeiten wolle, mit einem „mmh“ zur Kenntnis. Der Vater sagt nichts dazu. Die Eltern dürften sich bewusst sein, dass Alexandra mit einem Notenschnitt zwischen einer Vier und einer Viereinhalb zu den weniger guten Schülerinnen und Schü­lern in der Klasse zählt. Wie alle Eltern wünschen auch sie sich schulischen Erfolg für ihre Tochter. Am Schluss des Gesprächs dürfen die Eltern even­tuell offen gebliebene Anliegen einbringen.

Mit der Aussage „merci das mer hei chöne cho lose“ signalisiert der Vater, dass er sich der schulischen Autorität unterordnet. Er schenkt dem schu­lischen Deutungsangebot Glauben und begründet dies damit, dass die Schule nicht seine Welt sei – stattdessen sei er in der Welt der Landwirt­schaft kompetent. Mit dieser Feststellung signalisiert der Vater, dass er sei­ne Ansicht beim Verhandlungsprozess für unwichtig hält und unterstreicht gleichzeitig die Wichtigkeit der Sichtweise der Lehrerin und des Lehrers. Auch wenn er sich der schulischen Deutungsmacht unterwirft, fragt er dennoch nach, ob man an der Situation von Alexandra etwas ändern sollte. Der Lehrer beruhigt ihn.

Die Mutter nimmt die Aussage mit einem „mmh“ zur Kenntnis, während der Vater sich wiederum nicht dazu äussert. Die Eltern werden mit der Aussicht, dass ihre Tochter nach der 6. Klasse der Realabteilung zugeteilt wird, aus dem Gespräch entlassen.

 

Fußnote:

[1] Schülerinnen und Schüler mit einer Durchschnittsnote von Fünfeinhalb und höher erhalten in der 6. Klasse eine Empfehlung für die Sek A (Progymnasium), Schülerinnen und Schüler mit einer Note um die Fünf und höher die Empfehlung für die Sek B und Schülerinnen und Schüler mit einem Durchschnitt um die Viereinhalb eine Empfehlung für die Realabteilung.

Nutzungsbedingungen:
Das vorliegende Dokument ist ausschließlich für den persönlichen, bzw. nicht-kommerziellen Gebrauch bestimmt – es darf nicht für öffentliche und/oder kommerzielle Zwecke außerhalb der Lehre vervielfältigt, bzw. vertrieben oder aufgeführt werden. Kopien dieses Dokuments müssen immer mit allen Urheberrechtshinweisen und Quellenangaben versehen bleiben. Mit der Nutzung des Dokuments werden keine Eigentumsrechte übertragen. Mit der Verwendung dieses Dokuments erkennen Sie die Nutzungsbedingungen an.