Hinweis – Der Fall kann gemeinsam gelesen werden mit:

Einleitende Bemerkungen

Anhand der Analyse eines schülerbiografischen Interviews wird der Weg einer Schülerin durch die Waldorfschullaufbahn nachgezeichnet. Dabei können Einsichten in einen reformpädagogischen Gegenentwurf zur Staatsschule gewonnen werden.

Falldarstellung mit interpretierenden Abschnitten

An dieser Stelle soll nun die analytische Perspektive auf die biographische Selbstdarstellung in Franziskas Narration um die Sichtweise ihres Klassenlehrers ergänzt werden, wie sie sich im Zeugnis am Ende der dritten Klasse, also nach Franziskas erstem Jahr auf der Waldorfschule darstellt. Das Ziel besteht darin, eine weitere Perspektive zu erhalten, um die Komplexität der Analyse zu steigern, nicht jedoch um die beiden Datenquellen wechselseitig zu validieren, beide Texte – Zeugnis und Interviewtranskript – verkörpern symbolische Konstruktionen über die von beiden erlebte Realität, sie stellen also keine Wahrheiten, sondern Repräsentationen im Medium von Texten dar, die als solche von Interesse sind. Es handelt sich wie bei der Rekonstruktion des Intervieweinstiegs um die Zusammenfassung einer objektiv-hermeneutischen Sequenzanalyse, die an diesem Zeugnis mit dem Ziel durchgeführt wurde, das vom Lehrer konstruierte Bild von Franziska in seiner latenten Sinnstruktur nachzuzeichnen. Wir konzentrieren uns auf den Bericht des Klassenlehrers, der den Kern der waldorfpädagogischen Jahreszeugnisse in der achtjährigen Klassenlehrerzeit bildet.

Franziska kommt

Der im Original handschriftlich verfasste Text beginnt mit einer strukturellen Individualisierung. Damit wird zu Beginn die Möglichkeit der Konstruktion einer Besonderung im Rahmen des Schulkollektivs gegeben, denn sequenzlogisch vorgängig ist hier das Subjekt, nicht das Kollektiv. Der weitere Text muss zeigen, in welcher Form diese Option faktisch eingelöst wird: Wie wird das Verhältnis zwischen Individuum und Kollektiv austariert? Welche Anerkennungsräume werden Franziska als Person eröffnet? Spinnt man den Faden der Besonderungsvariante weiter, so wäre sinnstrukturell natürlich auch eine Abwertung der Person in Form einer Defizitdiagnose bzw. einer Abweichung von schulischen Standards denkbar; entsprechend der Unterstellung praktischer Vernunft (es wäre unangemessen, das Zeugnis mit einer massiven Kritik zu eröffnen) sind jedoch als Anschluss an diese Miniatursequenz eher Charakterisierungen zu erwarten, die prinzipiell positiv konotiert sind. Nicht nur vor dem Hintergrund der Gestaltungsprinzipien von Waldorfschulzeugnissen, welche die Verfasser dazu anhalten, erst einmal die Person in ihrer Wesenscharakteristik zu bestimmen, ohne sie jedoch zu kritisieren, wären positive Aussagen zu erwarten. Die Person kritisierende oder gar disqualifizierende Aussagen des Verfassers als Auftakt des Zeugnistextes würden aus professionsmoralischer Sicht eine entwertende Demontage des Schülers bedeuten, dessen psychosoziale Integrität in pädagogischen Beziehungen doch prinzipiell immer zu achten ist. Es müsste sich hierbei also um Extremfälle handeln, zu denen spezifische Kontextannahmen konstruiert werden müssten. Entlang dieser Überlegungen wären damit entwertende Anschlüsse, etwa „Franziska kommt immer zu spät zur Schule“, ebenso wenig wahrscheinlich wie geltungsbeschränkte bereichsspezifische Aussagen, etwa „Franziska kommt in Mathematik gut mit“. Denn zieht man den Waldorfschulkontext heran, sollen am Anfang des Zeugnisses Aussagen von allgemeiner Geltung für die konkrete Person formuliert werden, also weder nebensächliche Details noch Spezifika der fachbezogenen Lern- und Leistungsentwicklung, sondern markante Merkmale der Gesamtpersönlichkeit, in waldorfspezifischer Terminologie: ,Wesensbestimmungen’. Nahe liegend ist somit eher die positive Würdigung eines aktiven Handlungsschemas oder Einstellungsmusters von Franziska, welches durch die aktivische Verbform „kommt“ angekündigt wird, bspw. „Franziska kommt immer gut gelaunt zur Schule“ oder „Franziska kommt in der Schule stets gut mit“, wobei letztere Variante nicht unbedingt eine ganzheitliche Persönlichkeitskategorisierung im Sinne der Waldorfpädagogik wäre.

Franziska kommt morgens

Mit der anschließenden adverbialen Bestimmung der Zeit lässt sich nun der Bedeutungsraum der Aussage weiter eingrenzen:

a)    Es wird im Sinne der Zeitdimension eine Regelmäßigkeit angegeben, eine immer wiederkehrende, nämlich allmorgendliche Handlung, welche sich zur Routine, d.h. zu einem mehr oder weniger automatisch vollzogenen Handlungsmuster verstetigt hat. Der Lehrer konzentriert somit seine täglichen Eindrücke von Franziska zu einem regelhaften Muster, das Franziskas Besonderheit veranschaulichen soll. Da es sich, wie wir eben bereits festgestellt haben, um ein in Bezug auf Franziskas Persönlichkeit hochbedeutsames, wesentliches Moment handeln muss, scheint ein Anschluss wie „Franziska kommt morgens manchmal“ eher unwahrscheinlich. Eine solche Relativierung wäre angesichts der zentralen Bedeutung der Eröffnungssequenz selbstwidersprüchlich, also eine Scheinrelativierung. Zwischen den Ebenen des intentionalen Motivs und des latenten Sinns läge eine maximale Differenz; die strategische Zurücknahme des Geltungsanspruchs würde gerade darauf hinweisen, dass es sich hier doch um eine hochrelevante Aussage handelte.

b)    Unabhängig von der folgenden inhaltlichen Spezifizierung der Satz-aussage scheint am Beispiel des allmorgendlichen zur Schule Kommens von Franziska die sektoriale Relationierung zwischen familial-kindlicher Lebenswelt und schulischem Raum angesprochen zu sein. Als Dokument des Einstiegs wird in dieser Sequenz somit die grundlegende Justierung des Passungsverhältnisses zwischen Franziska und der waldorfschulischen Institution, die ihr in erster Linie in Gestalt des Klassenlehrers im Vollzug der alltäglichen Unterrichtsroutinen gegenüber tritt, in der sensiblen Phase der Einsozialisation in die Waldorfschule skizziert. Dabei ist der Einstieg in die Schulbiographie für Franziska schon in der staatlichen Grundschule vollzogen. Mit dem Schulwechsel muss das Verhältnis zwischen Familie bzw. kindlicher Lebenswelt und Schule jedoch von neuem, nämlich auf den waldorfspezifischen Bewährungshorizont abgestimmt werden. Dabei sind verschiedene Passungsvarianten zwischen Harmonie und Konflikt, Ergänzung und Konkurrenz denkbar. Die schulbezogenen Einstellungsmuster des Heranwachsenden können zwischen den Polen eines Kontinuums von handlungsschematischer Offenheit über passive Verschließung bis hin zu aktiver Verweigerung gegenüber den Bewährungsanforderungen der Schule changieren. Abwertende Eröffnungen wären aber eher erwartungswidrig. Es liegt also nahe anzunehmen, dass in der vorliegenden Eröffnungssequenz des Zeugnisses am alltäglichen Übergang in die Schule ein harmonisches Verhältnis zwischen familial-kindlicher Lebenssphäre und der Institution sowie eine in der Tendenz affirmative Haltung Franziskas gegenüber der Schule zum Ausdruck gebracht werden.

als eine der letzten in den Klassenraum.

Mit dieser Sequenz bringt der Klassenlehrer den Einleitungssatz zum Abschluss. Aus der Perspektive eines (teilnehmenden) Beobachters stellt er nüchtern einen Sachverhalt fest: Franziska erreicht den zentralen Ort des Schulehaltens, den Klassenraum, als eine der letzten. Sie erreicht damit das Kerngeschehen des Schulalltags, den Unterricht, gerade noch pünktlich, sozusagen in letzter Minute, kurz vor seinem regulären Beginn. Zwei Lesarten sollen hierzu im Folgenden unterschieden werden.

a)    Auf den ersten Blick erscheint der faktische Anschluss nun doch erwartungswidrig zu sein. Franziskas Haltung zur Schule scheint dadurch bestimmt, dass sie die Ankunft in der Schule soweit wie möglich aufschiebt, bis eben an den Rand des noch Tolerablen: an die Grenze des Regelverstoßes. Das Verhältnis zur Schule wäre problematisiert, eher spannungsvoll und krisenträchtig. Diese Eröffnung hätte damit einen implizit kritischen Tenor. Der Klassenlehrer würde ja dann die Eltern auf eine Distanz von Franziska zur Waldorfschule und auf die mögliche Gefahr eines Regelverstoßes in der Zukunft verweisen, etwa mit dem Anschluss: „Wenn sie nicht aufpasst, wird sie womöglich bald den Unterrichtsbeginn versäumen“. Man müsste somit auf das Lehrerkonstrukt eines schulfernen Habitus schließen, den er Franziska zuschreibt, und auf eine Elternkritik des Lehrers. Denn indem der Lehrer auf den allmorgendlichen Übergang vom Elternhaus in die Schule kritisch abhebt, nimmt er die Eltern in ihrer Erziehungsverantwortung in die Pflicht; der Zeugnistext würde in dieser Bedeutungsvariante auch einen Eingriff des Lehrers in die Erziehungsautonomie der Eltern vorstellen. In Abweichung von der Sparsamkeitsregel müssten wir dann davon ausgehen, dass hier der Fall einer abwertenden Zeugniseröffnung vorliegt, in welcher nicht nur die Schülerin Franziska, sondern zugleich ihre Eltern Gegenstand einer kritischen Diagnose wären.

b)    Da Franziska nicht als letzte, sondern eben als eine der letzten den Klassenraum betritt, liegt die Variante einer wertschätzenden Individualisierung noch im Bereich des Möglichen. Dann würde gerade verdeutlicht, dass Franziska durchaus kompetent mit dem schulischen Regelwerk, zu dem auch die Grundregel des pünktlichen Erscheinens im Unterricht zu zählen ist, umzugehen weiß. Sie kostet nämlich den Möglichkeitsraum der Entfaltung von Aktivitäten im außerschulisch-kindlichen Lebensbereich im zeitlichen Sinne voll aus, ohne den schulischen Regeln zuwider zu handeln. Die Wendung des Aufmerksamkeitsfokus auf die Erwartungsstruktur der Schülerrolle, die Einstimmung auf die Vermittlungsaktivitäten des Klassenlehrers und die Einfügung in den Klassenkörper würden ihr zügig, ergo problemlos gelingen. So wie Franziska in der kindlich-familialen Lebenswelt aufgeht, würde sie sich auch den schulischen Raum mühelos aneignen, wohl vorbereitet durch den elterlich-häuslichen Kontext. Dies wäre dann als Hinweis auf ein harmonisches Passungsverhältnis zwischen Franziska und der Schule, auf ein förderliches Zusammenspiel zwischen kindlich-familialer Lebenswelt und schulischer Institution zu werten. Mögliche Anschlüsse müssten diese Wertschätzung explizieren, also den positiven Bezug zum Schulischen konkret entfalten.

Sie begrüßt dann fix ihren Lehrer mit offenem erwartungsvollem Blick

Franziskas Klassenlehrer führt nun, nachdem er den grundlegenden Sachverhalt des allmorgendlichen späten Eintreffens von Franziska in den Klassenraum konstatiert hat, die Beschreibung von Franziskas routiniertem Handlungsmuster weiter. Aus der Sicht eines unbeteiligten Beobachters, von sich selbst in der dritten Person redend, stellt er in bildhafter Rhetorik die typische, sich jeden Morgen wiederholende Szene dar. Franziska wird hier nicht in Form einer allgemeinen bzw. kategorialen Wesenscharakteristik typisiert, sondern ihre Persönlichkeit wird anhand einer Belegbeschreibung einer typischen realen Alltagsszene bestimmt. Die favorisierte Lesart einer wertschätzenden Individualisierung von Franziska durch ihren Klassenlehrer kann .aufrechterhalten werden, die Sequenz konstruiert nämlich in zwei Elementen eine handlungsschematisch-aktive Haltung von Franziska.

a)    Im Sinnkonstrukt der ersten Sequenzhälfte verdichtet sich in ersten Ansätzen die Gestalt der Lehrer-Schülerbeziehung aus der Perspektive des Klassenlehrers: Die gemeinsame Handlungspraxis wird durch Franziskas Begrüßung eröffnet. Vor dem Hintergrund der waldorfpädagogischen Programmatik, nach welcher der Klassenlehrer jeden Morgen seine Schüler per Handschlag begrüßen soll, ein interessantes Detail. Nicht der Klassenlehrer, sondern Franziska wird initiativ. In dieser Konstruktion der Begrüßung unterstreicht der Klassenlehrer so die Wertschätzung, die ihm als pädagogische Autorität durch Franziska entgegen gebracht wird, und er schreibt ihr den aktiven Part zu. Rekursiv betrachtet hebt das kurze Adjektiv „fix“ Franziskas Konformität bei der alltäglichen Ankunft im Klassenraum hervor: Sie stört nicht die Konstitution der gemeinschaftlichen Unterrichtspraxis, sondern ist im Gegenteil auf einen reibungslosen Anfang orientiert, ohne dabei die Höflichkeitsregeln zu missachten. Sie fokussiert den Lehrer als Initiator des Lerngeschehens und erwachsene Respektsperson und trägt damit in äußerst kompetenter Art und Weise den waldorfschulischen Verhaltensanforderungen Rechnung. Aufgrund des Sachverhalts, dass sie morgens ihre Zeit für individuelle Entfaltung im Rahmen außerschulischer und außerunterrichtlicher Aktivitäten ausschöpft, wird jedoch keine Überanpassung an die Schule dargestellt, sondern vielmehr eine konforme Autonomie. Der Lehrer konstruiert ja gerade zeitlich die außerschulische kindliche Lebenswelt als Sphäre maximaler Aneignung für Franziska, ohne dass diese in Konflikt zur Schule geraten würde.

b)    Die zweite Hälfte der Sequenz stilisiert nun Franziskas schulnahe Haltung in der Art und Weise, wie sie mit dem Lehrer in Kontakt tritt, woran die im Zeugnis durch den Lehrer dargestellte Lehrer-Schülerbeziehung weiter konkretisiert werden kann. Im Sinnbild des offenen, erwartungsvollen Blicks ist die freiwillige Einordnung in ein asymmetrisch-komplementäres Lehrer- Schülerverhältnis impliziert. Franziska wird als Person entworfen, welche die anthropologische Prämisse der kindlichen Neugierde in geradezu idealer Weise verkörpert. Zugleich wird uns Franziska so als sittlich-tugendhaftes Subjekt und als Wesen von unverdorbener kindlicher Natur präsentiert. Passend zur Neugierde und zum Wissensdurst Franziskas ist in diesem Bild die Figur eines auratischen Lehrers zu denken, der die schulische Bildungswelt verkörpert und ihre Legitimität verbürgt. Es ist so weniger eigensinniges Aneignen, das Franziskas Haltung zur schulischen Bildungswelt aus Sicht des Lehrers ausmacht, als vielmehr ihr Vertrauen in den Horizont des lehrerseitigen Weltwissens und in seine Vermittlungskraft. Der Lehrer entwirft hier also am Fall der Beziehung zu Franziska ein traditionales Lehrer-Schülerverhältnis, welches gewissermaßen eine erfolgreiche Realisierung des waldorfprogrammatischen Formats abgibt: eine Bildungsgemeinschaft, in welcher der Schüler sich mit Hingabe dem Lehrer anvertraut. Bevor wir die strukturhypothetischen Elemente der entwickelten Interpretation zusammenfassen, wollen wir uns den weiteren Text bis zum Abschluss des Satzes betrachten, wobei als Anschlüsse für den Entwurf des Lehrers eigentlich nur weitere Ausbuchstabierungen von Franziskas schulnahem Habitus in Frage kommen können.

und reiht sich bescheiden in die Klassengemeinschaft ein.

Der Satz bringt gestaltschließend die szenische Beschreibung des Lehrers zu einem vorläufigen Ende, indem nun die zweite entscheidende Achse der Konstitution schulischer Sozialität Erwähnung findet. Nach dem primären Lehrer-Schülerverhältnis wird sozusagen sekundär die Positionierung im Gefüge der Schüler-Schülerverhältnisse offenbar. Der Lehrer entwirft Franziska als in die Klassengemeinschaft integriert, ohne dass er sie jedoch in diesem Sozialgefüge eine besondere Führungsposition beanspruchen lässt bzw. genauer: ohne dass er sie dort als besonders exponiert darstellt. Nochmals werden das wohlangepasste Verhalten und die schulaffine Haltung Franziskas hervorgehoben: ihr wird mit der Bescheidenheit eine Tugendhaftigkeit attestiert, und so mündet die Eröffnungssequenz in die Sinnfigur einer idealen Übernahme der Schülerrolle durch Franziska. Am Beispiel von Franziskas kompetenter Einordnung in die Klassengemeinschaft wird das diesbezügliche Idealkonstrukt des Lehrers offensichtlich: trotz aller Besonderung und Individualisierung Franziskas wird das Sozialgefüge als Kollektiv entworfen, in das man sich idealerweise unter Zurückstellung der eigenen Person einreihen sollte.

Ziehen wir ein vorläufiges strukturhypothetisches Fazit: In den ersten Sequenzen der Zeugnisouvertüre entwirft der Klassenlehrer in szenischer Idealisierung mit Emphase ein harmonisches Passungsverhältnis zwischen Franziska und der Schule. In einer strukturellen Besonderung wird uns Franziska als eine Schülerin vorgestellt, die den schulischen Idealisierungen weitestgehend entspricht. Idealität und Realität kommen in ihrem Fall zur Deckung. Auf verschiedensten Ebenen wird vom Lehrer eine gelungene Passung in Szene gesetzt: (a) zwischen kindlich-familialer und schulischer Lebenswelt ein ideales Verhältnis sich ergänzender Vereinbarkeit; (b) ein Verhältnis personaler Anerkennung zwischen dem auratischen Klassenlehrer und dem bildungswilligen Subjekt in Gestalt eines die Asymmetrie betonenden pädagogisch-professionellen Generationenverhältnisses; (c) zwischen Franziska und der Klassengemeinschaft ein Mitgliedschaftsverhältnis in Form einer selbstlos-genügsamen Integration. Dabei lässt sich die Spezifik der strukturellen Besonderung im Konstrukt des Zeugnisses auf die Formel einer konformen Autonomie im Rahmen der Vergemeinschaftung im Klassenkollektiv bringen. Möglichkeitsräume für eine Individualisierung werden im Konstrukt des Lehrers zwar eröffnet, aber die Besonderung von Franziska wird dann doch wieder entlang der Einpassung in die Gemeinschaft und den Anerkennungsforderungen der Lehrerautorität eng geführt; die individuell-eigensinnige Bildungsentwürfe werden also in diesem traditionalen Entwurf gebremst, jedoch nicht von vornherein verunmöglicht. In dem lehrerseitigen Sinnkonstrukt einer idealen Rollenübernahme durch Franziska scheinen die Ambivalenzen dieses Ideals schulischer Bildung stillgestellt zu sein: Franziska kann sich im schulischen Raum als besondere Person entwerfen, weil sie sich in idealer Weise durch ihre Subjektqualitäten – Respekt, Hingabe, Bescheidenheit – mit den schulischen Habituspräferenzen zur Deckung bringt. Wir wollen an den nächsten Sequenzen, nun in größeren, inhaltsanalytisch-resultativen Schritten, die Fallstrukturhypothese überprüfen. Sollte es sich um eine tragfähige Interpretation handeln, müsste der Lehrer seine idealisierenden Konstrukte weitertreiben.

Das allmorgendliche Rätsel ist für Franziska ein besonderer Reiz. Wenn sich ihr Finger hebt, hat zumindest einer die Lösung gefunden. Sie ist unsere Rätselkönigin.

Der inhaltliche Rahmen der lehrerseitigen Sinnkonstruktion bleibt unverändert der morgendliche Unterricht. Die Besonderung Franziskas erhält nun in der thematischen Fokussierung auf das „allmorgendliche Rätsel“ einen materialen Bezug. Dieses hat für Franziska eine besondere intellektuelle Aneignungsrelevanz, welche einige Bedeutungsmomente impliziert, (a) Spiegelbildlich zur Anerkennung der besonderen Relevanz des Rätsellösens für Franziska wird damit auch der Horizont des schulisch bedeutsamen Lerngeschehens ausgedehnt. Das Rätsellösen wird durch seine Exposition in diesem Zeugnis als wichtiger Lerngegenstand ausgewiesen, nicht nur für Franziska. Es hat im schulischen Lernarrangement, vor dem Hintergrund der waldorfpädagogischen Orientierung an „ganzheitlicher“ Bildung, eine respektable Stellung. (b) Die Sequenz ist als Hinweis auf außergewöhnliche formal-kognitive Kompetenzen Franziskas zu lesen. Denn ein Rätsel lösen erfordert eine flexible Anwendung eigener Erkenntnisfähigkeiten, auf kreative Weise müssen Hypothesen entwickelt und logische Schlüsse gezogen werden. All dies vermag Franziska auf eine herausragende Weise, die sie von ihren Mitschülerinnen und Mitschülern unterscheidet, denn nur sie findet die Lösung: „hat zumindest einer die Lösung gefunden.“ (c) Mit dem Beispiel des Rätsellösens wird überdies der idealisierten kindlichen Natur eine weitere Facette zugefügt: die für die kreative Rätsellösung notwendige Phantasie, das freie, sich in vorgestellten Welten bewegende Denken des Kindes. Franziska vereint in sich formallogischen Intellekt und noch nicht zugerichtetes kindliches Denken. (d) Als letzter Aspekt sei hier die nochmalige latente Wertschätzung ihrer disziplinierten Rollenübernahme genannt: Dass sie bei aller Attraktion, die das Rätsellösen auf sie ausübt, ihre Selbstdisziplinierung als Schülerin in der asymmetrischen Komplementarität des Lehrer-Schülerverhältnisses nicht verliert, darauf verweist das Aufzeigen Franziskas: „Wenn sich ihr Finger hebt.“ (e) Mit einem kurzen prägnanten Aussagesatz schließt der Klassenlehrer den ersten Absatz des Zeugnisses ab: In der Leistungshierarchie der Klasse nimmt Franziska, zumindest was das tägliche Rätsellösen betrifft, den ersten Rang ein. Als weitere Dimension der Idealisierung kommt hier nun der zentrale Bezugspunkt schulischer Praxis hinzu: die Leistungserbringung. Vor dem Hintergrund der vom Lehrer skizzierten Sozialintegration ist in dieser Sequenz der Schulerfolg auf der Kostenseite nicht mit Konkurrenz und Ausschluss assoziiert: Franziska erscheint im Bild, das der Lehrer hier von ihr zeichnet, nicht als eine sozial desintegrierte Streberin.

Franziska hat sich in diesem Schuljahr sehr verändert. Ihr Temperament hat sie den Rubikon tief durch leben lassen und zu Schuljahresbeginn war sie sehr auf der Suche. Mit ihrem neuen Haarschnitt ist sie auch zu einem neuen gestärkten Selbstbewusstsein gekommen und steht viel fester auf ihren Füßen. Franziska weiß genau, was sie will und doch begegnet sie ihren Klassenkameraden liebevoll und zuhörend. Sie ist ein geschätzter Kamerad.

In diesem zusammenhängenden zweiten Absatz des Zeugnisses wendet sich der Klassenlehrer nun der Beschreibung von Franziskas Temperament zu und entspricht damit den menschenkundlichen Gestaltungsvorgaben für Waldorfzeugnisse. Er konstatiert eine Veränderung, die vor dem Kontextwissen, dass das Zeugnis Franziskas erstes Jahr auf der Waldorfschule zum Gegenstand hat, interessant ist. Bereits in dieser kurzen Phase kann der Klassenlehrer einen grundlegenden Schritt in Franziskas Persönlichkeitsentwicklung erkennen, wobei offen bleibt, welchen Beitrag die Schule hierzu geleistet haben soll bzw. ob vielleicht sie entscheidendes Stimulans dieses Entwicklungsprogresses gewesen ist. Mit metaphorischem Bezug auf den Rubikon, der in der antiken Geschichtsschreibung eine Bedeutung trägt, beschreibt er die bewegte Übergangspassage zur nächsten Entwicklungsstufe und liest dann am äußeren Gestaltwandel, ganz in waldorfpädagogischer Manier, Franziskas innere Wandlung ab. Zieht man als Hintergrundwissen die anthroposophische Entwicklungslehre heran, so diagnostiziert Franziskas Klassenlehrer hier einen Übergang, der das zweite Jahrsiebt etwa im Alter von neun Jahren untergliedert: das Erwachen des Ich-Bewusstseins. Die metaphorische Figur der Rubikonpassage ist dabei keine eigene Schöpfung des Klassenlehrers, sondern ein in der Anthroposophie gebräuchliches Bild zur Kennzeichnung eben dieses Wandels[1].  Ihr neuer Haarschnitt ist Ausdruck ihres gestärkten Selbstbewusstseins, und ihre Persönlichkeit ist nun, auch dies ein anthroposophisches Interpretament, tiefer im Dasein ihres jetzigen Lebens verwurzelt, gleichsam im Diesseits ihrer Existenz geerdet. Franziskas innerer Willen, ihr Ich, hat sich weiter entborgen, ohne dass ihr die Empathie für ihre Mitschüler, also modern gesprochen: die Fähigkeit zur Perspektivenübernahme und das Solidaritätsbewusstsein verloren gegangen wären. Und aus der Sicht des Lehrers kam diesem Ich-Erlebnis aufgrund von Franziskas spezifischem Temperament eine besondere, nämlich intensive Erfahrungsqualität zu. Die Idealisierung in dieser Sequenz besteht also in der Konstruktion einer produktiven Fortentwicklung ihrer Persönlichkeit. Franziska hat ihre Entwicklungsaufgabe, deren Bewältigung der Klassenlehrer in der Waldorfschule durch das exemplarische Vorleben seines harmonisch gestimmten Wesens befördern soll, in idealer Weise gemeistert. Auch wenn direkte Verweise fehlen, kann angenommen werden, dass sich der Klassenlehrer, in seiner Funktion als Person und Arrangeur des anregenden schulischen Settings, als ein wesentlicher Faktor im Prozess dieser Entfaltung des Ich-Bewusstseins sieht. Wir wollen im Folgenden den gesamten übrigen Text des Klassenlehrerberichts überblicken und kursorisch interpretieren.

In den Morgenspruch und die rhythmischen Sprüche und Lieder bringt sich Franziska ganz ein. Sie kann einen Rhythmus mit tragen. Wenn Franziska ihren Zeugnissprach aufsagt, ist es ganz ruhig. Die anderen wissen, dass sie sehr leise spricht.

Franziskas feingliedriges Wesen zeigt sich auch im Formenzeichnen. Ihre Formen sind harmonisch und dünnwandig. In der zweiten Epoche sind sie deutlich kraftvoller und klarer. Ihre Beziehung zum Räumlichen ist gesund entwickelt.

Im Rechnen hat Franziska in diesem Schuljahr gute Fortschritte gemacht. Das kleine Einmaleins hat sie sicher parat und ist bei unseren mündlichen und schriftlichen Übungen als eine der Schnellsten „gefürchtet“. In der vierten Klasse wird Franziska noch lernen, ein Rechenheft vom Anfang bis zum Ende ganz sorgfältig und ordentlich zu führen.

In Schrift und Sprache ist Franziska eine der Klassenbesten. Sie liest geübte und unbekannte Texte flüssig und fehlerfrei. Ihre Sicherheit lässt sie manchmal zu schnell werden und die Ausdruckskraft vernachlässigen. Von der Tafel schreibt Franziska fehlerfrei ab. In kleinen freien Aufsätzen ist sie sehr fleißig und zeigt, dass sie die Rechtschreibung schon gut beherrscht.

In den praktisch-handwerklichen Epochen hat Franziska interessiert mitgearbeitet und den Unterricht mit ihrer Klarheit unterstützt. Sie hat fleißig Kartoffeln aufgelesen, ein schönes Körbchen geflochten und kräftig mitgebaut.

Franziska kann mit dem Wässrigen besonders feinfühlig umgehen. Sie vertieft sich in das Wasserfarbenmalen und malt stets eines unserer schönsten Bilder. Für ihre weitere Entwicklung scheint es pädagogische Herausforderung, ihre tiefe Innerlichkeit mehr noch in Lebens- und Durchsetzungskraft zu verwandeln.

Franziskas Klassenlehrer bilanziert absatzweise die bewertungsrelevanten Teilleistungs- und Lernbereiche: Den rhythmischen Teil, mit dem der Haupt-unterricht jeden Morgen beginnt, samt Morgenspruch der Klasse und Zeugnisspruch des Schülers, das ebenso waldorfspezifische Formenzeichnen, die klassischen primarpädagogischen Lernbereiche des Rechnens, Schreibens, Lesens, Franziskas Bewährung im praktisch-handwerklichen Bereich sowie im künstlerischen Ausdruck. Das Bild einer erfolgreichen, leistungsstarken Schülerin vervollständigt sich in den Beschreibungen und verbalen Bewertungen des Klassenlehrers: im Lesen und Schreiben ist sie eine der Klassenbesten, ebenso im Rechnen. Bei letzterem deutet sich eine Ambivalenz des Schulerfolgs an, nämlich im durch Anführungszeichen bedeutungsrelativierten „Geförchtetsein“. Als Schnellste im Wettbewerb leistungsbezogener unterrichtlicher Performanz käme sie ihren Mitschülerinnen und Mitschülern, so der Klassenlehrer, häufig zuvor, was nicht ohne Eindruck auf diese bleibt: sie sehen ihre Chancen dadurch geschmälert. Weiter oben verweist der Klassenlehrer aber auch nochmals auf die Empathie der Klassengemeinschaft, wenn sich Franziska beim Rezitieren ihres Zeugnisspruches vor der Klasse darstellen muss. Nur an zwei Stellen des Zeugnisses finden sich leichte Einschränkungen der konstruierten Idealität: In der Führung des Rechenheftes und im ausdrucksstarken Lesen. Aber auch hier zeigen sich das große Vertrauen und die Zuversicht des Klassenlehrers in Franziskas Entwicklung: Sie wird eine sorgfältigere und ordentlichere Heftführung in der vierten Klasse lernen, das erfolgreiche Erreichen des Entwicklungsziels wird also schon im Voraus angenommen, der Lehrer lässt keinen Zweifel daran zu. Das Zeugnis schließt mit einem Selbstkommentar des Klassenlehrers, in welchem er den Eltern die pädagogische Maxime offenbart, welche sein zukünftiges professionelles Handeln leiten soll: Mit Bezug auf eine abschließende Persönlichkeitskategorisierung – „tiefe Innerlichkeit“ rückt er Franziska dem melancholischen Temperament nahe. Er sieht es als seine Aufgabe, im weitesten Sinne Franziskas Weltzugewandtheit durch die Stärkung von „Lebens- und Durchsetzungskraft“ zu fördern. Franziska wird hier somit nochmals als eher ätherisch-verschlossenes Wesen typisiert, das es weiter auf dem schon eingeschlagenen Weg in Richtung einer Steigerung der Selbstsicherheit und einer Öffnung der sozialen Umwelt gegenüber zu stärken gilt. Auch hier konstruiert sie der Lehrer als idealen Fall: als das anthropologische Ideal einer altersgemäßen erfolgreichen Entwicklung.

Halten wir die wichtigsten Interpretationsbefunde fest:

a)    Gerade die emphatische Eröffnung des Zeugnisses, die Inszenierung des allmorgendlichen Übergangs von der kindlich-familialen in die schulische Bildungswelt, trägt Züge einer überhöhenden Glorifizierung: Franziska verkörpert den schulischen Bildungsmythos, aus der Sicht des Klassenlehrers personifiziert sie das Ideal einer schulkulturaffinen Schülerpersönlichkeit. Es lassen sich drei Subjektqualitäten bzw. schulische Wertpräferenzen identifizieren, denen Franziska Ausdruck verleiht: Neugierde, Hingabe, Bescheidenheit. Sie entspricht dem romantischen Ideal kindlicher Natur – einerseits wissbegierig nach außen orientiert, andererseits mit ihrem Reichtum an Phantasie nach innen gerichtet – und ist aus waldorfpädagogischer bzw. anthroposophischer Sicht auf dem altersgemäßen, also richtigen Entwicklungsweg, nämlich dem einer Entfaltung ihres Ich-Bewusstseins. Es wird hier also keine Übergangsproblematik geschildert, sondern vielmehr lässt sich ein, im Sinne der Anthroposophie, pädagogisch-therapeutischer Einfluss der Waldorfschule vermuten, denn Franziska hat unmittelbar nach ihrem Wechsel auf die Waldorfschule einen bedeutenden Schritt in ihrer Persönlichkeitsentwicklung zurückgelegt. Im Zeugnis zeigt sich der Sozialisationsmodus bzw. das Bildungsideal einer individuierenden Vergemeinschaftung, mit welcher Franziskas schulnaher Habitus einer konformen Autonomie in Einklang steht. Franziska kann in der Konstruktion des Lehrers die gebotenen Freiräume nutzen, weil er sie den schulischen Idealen und damit auch seinen eigenen Präferenzen entsprechend entwirft. Vor dem Hintergrund der Abfolge der eröffnenden Textsequenzen, in welchen an Franziskas Beispiel die Phasen einer idealen Rollenübemahme abgebildet sind, steht die Klassenlehrer-Schülerbeziehung im Zentrum des schulischen Bildungsgeschehens, nachgeordnet folgt dann die Interaktionsgemeinschaft der Schüler, in die es sich einzuordnen gilt und welche auf den Lehrer ausgerichtet bleibt. Den Entfaltungsmöglichkeiten von Individualität sind also mit dieser grundlegenden Strukturierung der schulischen Sozialität die Grenzen abgesteckt. Im Ideal der perfekten Rollenübernahme durch Franziska aber sind Spannungsmomente still gestellt.

b)    So wird im Zeugnis ein harmonisches Passungsverhältnis zwischen Schule und Schülerselbst präsentiert, dessen ideale Passungsmomente vom Klassenlehrer auf unterschiedlichen Ebenen angesiedelt werden. Erstens in der unmittelbaren Zeugniseröffnung zwischen Franziskas familial-kindlicher Lebenswelt und dem Schulkontext. Dieses Verhältnis kann als ideales Ergänzungsverhältnis bezeichnet werden; Franziska nutzt die Aneignungsmöglichkeiten beider Räume und begegnet der Schule mit handlungsschematischer Offenheit. Zweitens im lehrerseitigen Entwurf einer traditional- komplementären professionell-pädagogischen Generationenbeziehung, in welcher sich Franziska als wissbegieriges Subjekt und der Klassenlehrer als pädagogische Autorität und Vorbild wechselseitig anerkennen. An dieser exemplarischen Lehrer-Schülerbeziehung lassen sich zentrale Strukturmomente des für alle Schüler in Franziskas Klasse maßgebenden Lehrer-Schülerverhältnisses ablesen: die auf Wissensvorsprung und moralische Autorität des Lehrers gründende Asymmetrie und Heteronomie sowie die sich aus seiner umfassenden Verantwortung und Sorge ergebende affektive Nähe zum Schüler. Drittens ergibt sich aus dem Blickwinkel des Lehrers ein Verhältnis idealer Passung zum Wir-Gebilde der Klassengemeinschaft, in welcher Franziska, trotz ihrer Exposition als zu den Klassenbesten zählende Schülerin, akzeptiertes Mitglied ist. Viertens erfüllt Franziska als erfolgreiche, ja exzellente Schülerin in idealer Weise die für jede Schule konstitutiven Leistungsansprüche in den schulischen Kernbereichen (Schreiben, Lesen, Rechnen) wie auch die im engeren Sinne waldorfpädagogischen Bildungsanforderungen (Formenzeichnen, künstlerisches Gestalten, praktisch-handwerkliche Fertigkeiten). Und fünftens befindet sich Franziska überdies nach der Zuschreibung des Lehrers auf dem idealen Entwicklungsweg einer Harmonisierung ihrer Persönlichkeit. Ausgeblendet bleiben in dieser Konstruktion die Ambivalenzen dieser Passungen, die Kosten einer solchen Idealisierung im schulischen Raum können gedankenexperimentell durchbuchstabiert werden: nämlich erstens die Gefahr einer Überanpassung der Familie an die Schule und vice versa der Schule an die Familie; zweitens die emotionalen Ambivalenzen im Näheverhältnis zum Klassenlehrer und Differenzen des lehrerseitig präsentierten Weltwissens zu anderen kulturellen Weltdeutungen; drittens die soziale Konkurrenz innerhalb des Wir-Gebildes der Klassengemeinschaft; viertens der Bewährungsdruck, der auf Franziska als Maßstäbe setzende Schülerin inklusive der Gefahr einer Überfokussierung des Schulischen lastet. Im Folgenden wird der Faden von Franziskas Erzählung im Interview wieder aufgenommen.

Fußnote:

[1] nach antiker Geschichtsschreibung war der Rubikon, sehr wahrscheinlich der heutige Rubicone, der Grenzfluss zwischen dem eigentlichen Italien und der gallischen Provinz Cisalpina in der südlichen Romagna. Im Jahre 49 v. Chr. überschritt Caesar mit seinen Truppen den Grenzfluss und eröffnete damit den Bürgerkrieg. In diesem Zusammenhang fielen die Worte alea iacta est, „Die Würfel sind gefallen“, mit denen Caesar die schicksalhafte Entscheidung, den Fluss zu überschreiten, kommentierte. Anthroposophisch bedeutet diese Metapher: „Indem das Kind den ,Rubikon’ überschreitet, gibt es seine eher animistische Weltauffassung zugunsten einer eher realistischen auf und entwickelt daher ein stärkeres sachliches Interesse an seiner Umgebung“ (Ullrich 1991, S. 106).

Literaturangabe:

Ullrich, H. (1991). Waldorfpädagogik und okkulte Weltanschauung, 3. Aufl. Weinheim/ München

Mit freundlicher Genehmigung des Budrich Verlages.
http://www.budrich-verlag.de/pages/frameset/reload.php?ID=491&_requested_page=%2Fpages%2Fdetails.php
 

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